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… unsere Art zu leben

Es war ein Angriff auf unsere Art zu leben. So die Kurzanalyse in unzähligen Kommentaren in Medien und Statements von Politikern nach den Terroranschlägen in Paris am Abend des 13. Novembers 2015. Wenn Menschen genau da ermordet werden, wo sie Vergnügen, Ablenkung, Zerstreuung suchen: in Cafés, bei einem Rock-Konzert, vor dem (und beabsichtigt im) Fußballstadion, dann soll damit unsere Art zu leben getroffen werden – die Freiheit, da zu verweilen, wo man möchte; sein Leben zu gestalten, ohne auf religiöse oder politische Normen zu achten; immer auch das Gegenteil von dem tun zu können, was andere erwarten. Aber erschöpft sich darin unsere Art zu leben?

Täglich verübt der gleiche IS, der in Paris 130 Menschen exekutierte, Terrorakte in Gesellschaften, in denen es unsere Art zu leben nicht gibt, in denen fast ausschließlich Moslems leben, die nichts dabei finden, dass das ganze gesellschaftliche Leben wie das Staatswesen von der Religion bestimmt, ja beherrscht wird. Auch diese Menschen werden vom IS auf grausamste Weise umgebracht – und wir reagieren, wenn wir das überhaupt wahrnehmen, mit unserer Art zu leben meist sehr einsilbig. Spätestens da müssen wir erkennen, dass das Erklärungsraster zu kurz greift.

Aber die Erklärung der Terroranschläge als Angriff auf die sog. westliche Lebensweise erweist auch deswegen als unzureichend, weil unsere Art zu leben eben nicht nur aus Essen, Kultur und Sport besteht. Unsere Art zu leben hat eine, nein: mehrere Kehrseiten: Wir bedienen uns wie selbstverständlich der ganzen Welt (man schaue nur auf’s Etikett der Hose oder des Rocks), ohne im Entferntesten damit zu rechnen, dass diese für uns grenzenlos gewordene Welt nun zu uns kommt, um uns ziemlich unsanft bis brutal unsere Art zu leben in Rechnung zu stellen. Unsere Art zu leben hat auch etwas damit zu tun, dass wir uns vergnügen – aber was heißt: wir? dass sich ein Teil des Wir einer Gesellschaft vergnügen kann und dieses „Wir“ merkt nicht (mehr), dass ganze Gruppen der Gesellschaft abgehängt sind und mit unserer Art zu leben nichts mehr zu tun haben. In Frankreich tritt es schon seit Jahren besonders krass zu Tage: die manifestierte Ungleichheit in den Banlieus, der Nährboden für religiöse Radikalisierung und politisch motivierten Terror. Auch das gehört zur Kehrseite – wie die Flüchtlinge, die nach Europa drängen, um an unserer Art zu leben teilzuhaben, ohne zu ahnen, dass die Kehrseiten dieser Art eine der Ursachen ihrer Flucht ist.

Es ist zweifelhaft, dass die Terroristen das alles im Blick hatten und haben. Sie folgen wahrscheinlich dem gleichen plumpen Weltbild, das manch einfachem Pegida-Gemüt bei uns gar nicht so fremd ist: Wenn alle sich an das halten, was wenige als richtig vorschreiben und deswegen diktatorisch verordnen, dann gibt es keine Probleme – und dann hat man die Welt im Griff. Um das aber zu erreichen, bedarf es der totalen Kontrolle und Absicherung. Diese lassen sich nur dadurch durchsetzen und rechtfertigen, dass die Vereinheitlichungsnormen politisch-religiös überhöht und rigoros angewandt werden. Dieses Bestreben gepaart mit einer entfesselten Machtgier setzt die zerstörerischen Kräfte frei, die aus Menschen Monster machen – jedenfalls im Augenblick ihres terroristischen Handelns. Im nächsten Moment aber können sie – wie der KZ-Wächter – wieder zum tierliebenden Kinderfreund oder frommen Gottesanbeter werden, der bei „Stille Nacht, heilige Nacht“ unter dem Weihnachtsbaum zu Tränen gerührt ist.

Wie aber können wir diesem Terror begegnen? Wie können wir unsere Art zu leben so verteidigen, dass diese nicht in ihr Gegenteil verkehrt wird? Ganz sicher ist eines: Wenn der IS-Terror sich gegen unsere Art zu leben richtet, dann sollten, dann dürfen wir auf keinen Fall seine Art zu leben in dem, wie wir ihn bekämpfen, kopieren. Doch genau in diese Falle scheinen sich Frankreich und mit ihm Europa so zu verrennen, wie es die USA nach 9/11 getan hat. Wer jetzt von „Krieg“ spricht, wer diesen wie manche französische Intellektuelle als totalen fordert, und diesen dann auch führt, ohne sich Rechenschaft darüber abzulegen, welche Art des Lebens er denn für den Nahen Osten erbomben will, der macht aus unserer Art zu leben das, was uns in die Sackgasse des Terrorismus geführt hat – die Kehrseite. Wem jetzt nichts anderes einfällt, als eine irrwitzige Aufrüstung der Zerstörungspotentiale in Gang zu setzen, der hat nicht begriffen, dass genau diese seit Jahrzehnten als Kehrseite von unserer Art zu leben diese gefährdet. Wenn wir wollen, dass diese unsere Art zu leben anerkannt und geteilt wird, dann werden wir andere, uns fremde Lebensweisen anerkennen und teilen müssen – nicht deren Kehrseiten, aber ihre Lebensseiten. Schließlich sollten wir daran denken, dass die Glaubensüberzeugung von der Einzigartigkeit eines jeden Menschenlebens notwendig beinhaltet, dass wir sehr verschiedene Menschen sind, die sich jeden Tag neu über ihre Art zu leben verständigen müssen.

 

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Krieg? Nein! Aber Umkehr zu den Grundwerten

Es war mehr als makaber: Im ZDF lief am 13.11.15 der Krimi „Wem gehört die Stadt“ aus der Serie „Soko Leipzig“. Ein Baudirektor wird von jungen Leuten entführt, um den Abriss von besetzten Häusern zu verhindern. Unter den Entführern ist Henner, ein gewalttätig agierender Protestler. Während dieser sich immer mehr in seinem Richtigkeitswahn verrennt, läuft ein rotes Band über den Fernseher „Schießereien in Paris. Mehrere Tote. Näheres im Heute Journal“. Da stoßen auf grausame Weise virtuelle und reale Welt aufeinander – und wir können sie oft nicht mehr auseinanderhalten. In Paris waren zu allem entschlossene Gewalttäter am Werk und haben am Ende 128 Menschen getötet – einfach so. Nein, nicht einfach so: Sie haben sich eine ideologisch-religiöse Welt zurechtgezimmert, in der der Terror fast zwangsläufig, vor allem aber gerechtfertigt erscheint – so wie Henner, der für eine angeblich gerechte Sache eiskalt Menschenleben auslöschte.

Nach dem Krimi wurde das ganze Ausmaß des tatsächlichen Terroranschlags offenbar. Paris wurde eine traurige, tief verunsicherte Stadt, und auch wir sind erschrocken, geschockt und mehr als verunsichert. Wie mit dieser Tat umgehen? Wie Haltung bewahren? Wie weiter mit der Auseinandersetzung um islamistischen Terror, Flüchtlinge, Pegida/Legida, die Grundwerte unserer Verfassung? Gar nicht so einfach, Antworten zu finden. Ein ehemaliger Konfirmand schrieb mir gestern eine Mail – aufbauend auf seinem Konfirmationsspruch „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem“ (Römer 12,21):

Es sollte allen Beteiligten klar sein, dass man Terrorismus nicht mit Krieg allein bekämpfen kann. Aber heißt das auch, dass man Terrorismus ohne eine militärische Auseinandersetzung unterbinden kann. Ich denke an dieser Stelle an Bonhoeffers Verantwortungsethik. Diese besagt: Handle so, dass die Maxime deines Handelns den Fortbestand der Menschheit nicht gefährdet. Das heißt, dass man auch mal Lügen darf, wenn ein Menschenleben davon abhängt. Heißt es auch, dass man Terroristen, mit denen sich nicht verhandeln lässt und die gewillt sind, möglichst viele Menschen zu töten, selbst töten darf? Ich weiß es nicht und erbitte Ihre Antwort. Ich denke, man sollte zunächst alle friedlichen und deeskalierenden Maßnahmen einleiten und durchsetzen. Wenn diese aber keine ausreichende Wirkung zeigen, weiß ich momentan leider nicht mehr weiter.

Zunächst: Wie wohltuend, dass ein Konfirmationsspruch einen jungen Menschen von den ganz einfachen Antworten abhält. Wie wohltuend, dass hier der Zweifel, die Unsicherheit zunächst einmal das Grundsätzliche in den Vordergrund stellt: das Böse mit Gutem überwinden. Wie wohltuend, dass das Bild, das nun als Symbol für den Widerstand gegen den Terrorismus um die Welt geht, nicht eine durchgestrichene Moschee, nicht ein geXter Islamist ist, sondern der Pariser Eiffelturm als Friedenszeichen: Nein, wir lassen uns nicht in einen Krieg hineinziehen. Nein, wir begeben uns nicht auf die Gewalt- und Terrorebene der Täter. Nein, wir bleiben dabei: Nur wenn wir so unterschiedlichen Menschen bereit sind, in Frieden zusammenzuleben, in Frieden unsere Interessensauseinandersetzungen zu führen, in Frieden unseren unterschiedlichen Glauben zu leben – nur dann gibt es Zukunft und Hoffnung für alle. Sage bitte niemand, das sei blauäugig. Oder behaupte er dies bitte erst dann, wenn er sich mit folgenden Fragen auseinandergesetzt hat:

  • Wie kann es sein, dass der 2001 erklärte „Krieg gegen den Terror“, der 15-jährige Krieg in Afghanistan, der 2003 erlogene Krieg im Irak, als Ergebnis hat: ein Afghanistan, aus dem nun die Menschen massenhaft vor den Taliban nach Europa fliehen; einen zerstörten, zerrissenen Irak, der in Terror und Gewalt versinkt; ein Syrien, das seit vier Jahren in einem Bürgerkrieg untergeht; einen Nahen Osten, der der größte Umschlagplatz für Rüstungs“güter“ ist und eben einen IS, der seinen grauenhaften Terror nach Europa trägt?
  • Wie ist das zu bewerten, dass wenige Stunden nach den schrecklichen Terroranschlägen führenden Politikern und Kommentatoren nichts anderes einfällt, als sich weiter in der Sackgasse dieser fatalen Kriegslogik zu verrennen: mehr Waffen, mehr Krieg, mehr Militär?
  • Wäre es nicht angebracht, erst einmal innezuhalten und zu fragen: Was muss an unserer Politik als gescheitert angesehen werden angesichts der Tatsache, dass der Terror nicht weniger geworden ist? Warum haben die, die 2001 09/11 zu verantworten haben, trotz des „Krieges gegen den Terror“ größeren Zulauf erhalten – nicht nur im Nahen Osten? Welche politischen Strategien verheißen Zukunft und Frieden für die Menschen im Nahen Osten und in Europa? Wie kann eine politische Ordnung aussehen, die die Zustimmung der Menschen im Nahen Osten findet, an der sie also beteiligt sind?

Nur wenige Stunden nach dem Terroranschlag von Paris scheint sich jeder bestätigt zu fühlen in seinen Ängsten und Absichten: zu viele Flüchtlinge, zu viel Islam, zu offene Grenzen, zu wenig Kriegführung, zu viel Freiheit, zu wenig Überwachung. Markus Söder tönt „Paris ändert alles“, um aber nur das sattsam Bekannte zu wiederholen. Und das alles bekommt eine Überschrift – präsidial formuliert in Paris und Berlin: Krieg. Was bezwecken ein François Hollande oder Joachim Gauck mit diesem Wort? Soll ich meinem ehemaligen Konfirmanden raten: Pass mal auf, vergiss deinen Konfirmationsspruch. Das ist was fürs Gemüt, aber nichts für die Realpolitik. Soll ich ihm erklären: So läuft eben die Politik: der von Bonhoeffer als „ultima ratio“ (letzte Möglichkeit) gedachte Tyrannenmord erhält heute als Normalität des Krieges die Priorität. Jetzt ist Härte gefragt. Mit dem Guten kommst du nicht weit, und mit Jesus kannst du in dieser Welt schon gar nichts anfangen. Jedoch: Merken wir eigentlich nicht, dass wir damit jungen Menschen wie uns selbst die Grundlagen dessen unter den Füßen wegziehen, worauf sich unsere Werte aufbauen, die angeblich durch Krieg verteidigt werden müssen? Was ist denn von diesen Werten in den Regionen, in die wir sie implementieren wollten, übrig geblieben? Könnten sich nicht alle, die jetzt reden, angewöhnen, die Werte immer genau zu benennen, um die es geht – um sich dann auch fragen zu lassen, ob ihre Politik diesen Werten entspricht? Welche Werte also sind in Afghanistan und im Nahen Osten verteidigt worden bzw. sollen verteidigt werden: die Demokratie, die Freiheit, die Nächsten- und Feindesliebe, die Barmherzigkeit, die Vielfalt und Offenheit der Lebensentwürfe, die Menschenrechte?

Das Friedenszeichen, das jetzt viele Menschen hochhalten – es zeigt an: Wir brauchen einen grundlegenden Wandel. Wir brauchen mehr Friedens- und Demokratieinitiativen in unseren Gesellschaften. Wir brauchen mehr Glaubwürdigkeit, die den Terroristen weltweit das Wasser abgräbt. Dieses Zeichen und vor allem die Menschen, die es tragen, sind eine deutliche Kampfansage an den IS und andere Terroristen. Und vielleicht sollten wir daran denken, dass der mordende Henner aus dem Freitag-Krimi, sollte er vor Gericht gestellt werden, bei uns Gott sei Dank immer noch als Mensch behandelt wird – die wohl größte Provokation für alle, die aus Menschen ideologisch Unmenschen machen. Wer hier auch nur einen Zentimeter zurückweicht, wird sich schnell wiederfinden in der Sackgasse derer, die das „Heil“ immer in dem zum Monster verzerrten Menschen sehen, den sie auszugrenzen und zu vernichten suchen.

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Quo vadis Bürgertum in Leipzig?

An diesem Montag, 09. November 2015, wird sich zeigen, wie weit es her ist mit dem viel gepriesenen Leipziger Bürgertum. Denn bis jetzt hält es sich in der Auseinandersetzung um Legida und den in Sachsen wachsenden Rechtsextremismus mehr als zurück. Während sich OBM Burkhard Jung in den vergangenen Wochen sehr klar und unmissverständlich zu rechtsextremistischen Gruppierungen wie Legida geäußert hat und dementsprechenden Bedrohungen ausgesetzt war, während er aktiv den Aufbau einer Willkommenskultur für die Flüchtlinge unterstützt und gemeinsam mit Bürgermeister Thomas Fabian tatkräftig das Konzept einer über die Stadt verteilten Unterbringung der Flüchtlinge in festen Unterkünften umsetzt, hört man aus dem sog. bürgerlichen Lager sehr, sehr wenig. Die Geschäftsleute aus dem Innenstadtbereich – sie schweigen; die Geschäftsführer/Vorstände der großen Unternehmen – sie schweigen; die Vertreter der Kulturinstitutionen – auch sie schweigen zu einem erheblichen Teil. Dabei müssten sie hörbar aufschreien, den OBM tatkräftig unterstützen, dafür eintreten, dass der montägliche Spuk um Legida zu einem Ende kommt. Lediglich ein Prorektor der Hochschulen (Prof. Thomas Lenk)  und ein Geschäftsmann aus der Innenstadt (Michael Rosenthal von der Musikalienhandlung Oelsner) haben sich im Blick auf den 09.11.15 klar positioniert. Das ist angesichts der hochbrisanten Gesamtlage in Sachsen viel zu wenig und beschämend. Es kann nicht sein, dass man sich montags von den ungeliebten Studierenden, Gewerkschaften, Kirchen den Protest gegen Legida machen lässt und wie selbstverständlich den Erfolg einheimst, nämlich dass es bis jetzt in Leipzig nicht zu Umsatzeinbrüchen und weniger Touristen gekommen ist – und zu später Abendstunde fällt man dann doch ein in Chor derer, die das alles nicht so schlimm finden mit Pegida/Legida, die nichts gegen Ausländer haben, aber …, die es übertrieben finden, dass eine Moschee gebaut wird, die sich am Politiker-Bashing und Demokratieverachtung beteiligen. Wir werden es nur gemeinsam schaffen, die Demokratie zu erhalten und die Flüchtlinge zu integrieren. Dazu gehört auch, dass wir uns an einem Tag wie dem 09.11.15 einig sind im Gedenken an die Reichspogromnacht und in der deutlichen Absage an diejenigen, die uns in eine Zeit gegenseitiger Bedrohung, Menschenverfeindung und Vernichtung des/der Unliebsamen zurückbrüllen wollen. Für das Leipziger Bürgertum reicht es nicht, sich an den diversen Buffets zu delektieren und bei Bällen zu vergnügen. Sie tragen einen hohes Maß an Verantwortung für die Demokratie, die Weltoffenheit in dieser Stadt und die Grundwerte unserer Verfassung. Das allerdings muss auch deutlich spürbar sein, damit die Menschen, die anfällig sind für die billigen Parolen, ins Nachdenken kommen. Es wird also höchste Zeit, dass die aufwachen, deren Vorgänger vor 77 Jahren schon einmal hinter den Gardinen zugesehen und geschlafen haben.

Zur Illustration: Am 10. November 1938 wurde der jüdische Arzt Dr. Ludwig Frankenthal am OP-Tisch im Eitingon-Krankenhaus von den Nazis verhaftet und nach Buchenwald verschleppt. Kein einziger Arzt in Leipzig hat sich für ihn eingesetzt. Dr. Frankenthal wurde 1944 in Auschwitz ermordet.

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Kein Legida-Aufmarsch am 9.11.15 – Offener Brief an OBM Jung

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Jung, 

soeben erfahren wir, dass das Ordnungsamt am kommenden Montag, 09. November 2015, eine Kundgebung der fremdenfeindlichen und rassistischen Organisation Legida auf dem Richard-Wagner-Platz zulässt. Gegen diese Entscheidung protestieren wir mit Nachdruck. Der 09. November ist dem Gedenken an die Reichpogromnacht vorbehalten. Damals wurden in Deutschland die Synagogen und viele jüdische Geschäfte zerstört, Bürgerinnen und Bürger jüdischen Glaubens wurden gedemütigt, drangsaliert, ermordet – und in den folgenden Jahren in den Konzentrationslagern vernichtet. Es ist unerträglich, dass an diesem Tag zeitgleich zu den Gedenkveranstaltungen in Leipzig, an denen u.a. Angehörige der Opfer des Nazi-Terrors teilnehmen, in örtlicher Nähe Rechtsextremisten eine Kundgebung abhalten können, auf der sie – wie die vergangenen Monate zeigen – Gewalt schürende Hasstiraden verbreiten können. Diese nicht nur geistigen Brandstifter von Legida stehen in der Tradition derer, die gegen Minderheiten hetzen, Menschen wegen ihrer religiösen oder kulturellen Herkunft mit Gewalt ausgrenzen wollen und alle Grundwerte unserer Verfassung mit Füßen treten.

Wir bitten Sie, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Jung, alles tun, dass dieser Aufmarsch verhindert wird. Die Würde dieses Gedenktages gilt es zu wahren. Andere Städte wie München zeigen, dass dies möglich ist.

Mit freundlichen Grüßen

Frank Kimmerle, Erich-Zeigner-Haus e.V. – Erik Wolf, DGB Leipzig-Nordsachsen – Christian Wolff, Initiative „Willkommen in Leipzig – eine weltoffene Stadt der Vielfalt“

Nachtrag:  Auf LVZonline ist zu lesen: Legida darf bei geplanten Veranstaltungen vom 30. November bis zum 21. Dezember nur rund um den Bayerischen Platz demonstrieren. In der Innenstadt seien Aufzüge des Bündnisses laut Bescheid nicht möglich. Weihnachtsgeschäft, Weihnachtsmarkt und Tourismus sollen in dieser Zeit „möglichst unbeeinträchtigt bleiben“, so die Ordnungsbehörde.  (http://www.lvz.de/Leipzig/Lokales/9.-November-in-Leipzig-Nur-stationaere-Kundgebung-fuer-Legida )

So also ist die Gewichtung im Ordnungsamt: Weihnachtsgeschäft, Weihnachtsmarkt und Tourismus müssen „unbeeinträchtigt“ bleiben, das Gedenken an die Reichpogromnacht darf am 09.11.15 durch  Rechtsextremisten orts- und zeitnah in der Innenstadt besudelt werden. Irgendwie sind in der Prager Straße die Koordinaten durcheinander geraten. Oder klarer: Es ist ein Skandal, dass das Ordnungsamt den Aufmarsch von Legida auf dem Richard-Wagner-Platz zulässt. Es wird höchste Zeit, dass die Stadtgesellschaft sich gegen die Missachtung der Würde dieses Gedenktages wehrt. Noch ist es nicht zu spät, diese Schande für unsere Stadt abzuwenden.

 

 

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Der 09. November – Tag des Gedenkens, Tag der Solidarität

Am 09. November 2015 jährt sich zum 77. Mal die Reichspogromnacht 1938. Damals wurden in Deutschland die Synagogen und viele jüdische Geschäfte zerstört, Bürgerinnen und Bürger jüdischen Glaubens wurden gedemütigt, drangsaliert, ermordet – und in den folgenden Jahren in den Konzentrationslagern vernichtet. Weiterlesen

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