Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Jung,
soeben erfahren wir, dass das Ordnungsamt am kommenden Montag, 09. November 2015, eine Kundgebung der fremdenfeindlichen und rassistischen Organisation Legida auf dem Richard-Wagner-Platz zulässt. Gegen diese Entscheidung protestieren wir mit Nachdruck. Der 09. November ist dem Gedenken an die Reichpogromnacht vorbehalten. Damals wurden in Deutschland die Synagogen und viele jüdische Geschäfte zerstört, Bürgerinnen und Bürger jüdischen Glaubens wurden gedemütigt, drangsaliert, ermordet – und in den folgenden Jahren in den Konzentrationslagern vernichtet. Es ist unerträglich, dass an diesem Tag zeitgleich zu den Gedenkveranstaltungen in Leipzig, an denen u.a. Angehörige der Opfer des Nazi-Terrors teilnehmen, in örtlicher Nähe Rechtsextremisten eine Kundgebung abhalten können, auf der sie – wie die vergangenen Monate zeigen – Gewalt schürende Hasstiraden verbreiten können. Diese nicht nur geistigen Brandstifter von Legida stehen in der Tradition derer, die gegen Minderheiten hetzen, Menschen wegen ihrer religiösen oder kulturellen Herkunft mit Gewalt ausgrenzen wollen und alle Grundwerte unserer Verfassung mit Füßen treten.
Wir bitten Sie, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Jung, alles tun, dass dieser Aufmarsch verhindert wird. Die Würde dieses Gedenktages gilt es zu wahren. Andere Städte wie München zeigen, dass dies möglich ist.
Mit freundlichen Grüßen
Frank Kimmerle, Erich-Zeigner-Haus e.V. – Erik Wolf, DGB Leipzig-Nordsachsen – Christian Wolff, Initiative „Willkommen in Leipzig – eine weltoffene Stadt der Vielfalt“
Nachtrag: Auf LVZonline ist zu lesen: Legida darf bei geplanten Veranstaltungen vom 30. November bis zum 21. Dezember nur rund um den Bayerischen Platz demonstrieren. In der Innenstadt seien Aufzüge des Bündnisses laut Bescheid nicht möglich. Weihnachtsgeschäft, Weihnachtsmarkt und Tourismus sollen in dieser Zeit „möglichst unbeeinträchtigt bleiben“, so die Ordnungsbehörde. (http://www.lvz.de/Leipzig/Lokales/9.-November-in-Leipzig-Nur-stationaere-Kundgebung-fuer-Legida )
So also ist die Gewichtung im Ordnungsamt: Weihnachtsgeschäft, Weihnachtsmarkt und Tourismus müssen „unbeeinträchtigt“ bleiben, das Gedenken an die Reichpogromnacht darf am 09.11.15 durch Rechtsextremisten orts- und zeitnah in der Innenstadt besudelt werden. Irgendwie sind in der Prager Straße die Koordinaten durcheinander geraten. Oder klarer: Es ist ein Skandal, dass das Ordnungsamt den Aufmarsch von Legida auf dem Richard-Wagner-Platz zulässt. Es wird höchste Zeit, dass die Stadtgesellschaft sich gegen die Missachtung der Würde dieses Gedenktages wehrt. Noch ist es nicht zu spät, diese Schande für unsere Stadt abzuwenden.
7 Antworten
Nun, Herr Schwerdtfeger, dieser Prof. zeigt ja leider, dass es auch anders geht. Widersprechen möchte ich lediglich dahingehend, dass das Streikrecht nicht grundgesetzlich geschützt ist und das Asylrecht bereits im Art. 16 a GG geregelt ist.
Bei der jeweiligen Ausübung der entsprechenden Rechte muss dann jeweils, ggf. eben durch die zuständigen Gerichte, eine Interessenabwägung stattfinden – wie dies ja gerade in München wieder erfolgte, wo das Gericht entschied, dass Pegida eben doch aufziehen durfte, was Herr Wolff ja nun offenbar nicht wahrnehmen will.
Aber, Herr König, denken sollten Professoren auch dann können, wenn das Gebiet außerhalb Ihres Fachbereichs liegt! Und dann wäre der Herr schnell zu demselben Schluß gekommen, den Sie – und ja ich auch – ebenfalls erreicht haben. Es gibt eben bei uns bestimmte grundgesetzlich garantierte Rechte – Streik, Meinungsfreiheit, Versammlung, bald wird auch Asyl dabei sein – die weit über ihren vernünftigen Sinn hinaus sakrosankt sind – und dies deshalb, weil niemand sich in der Lage sieht eine Grenze rechtsstaatlich zu definieren. Bestes Beispiel jetzt, wo eine kleine Gruppe übersättigter Luftkellner um eines privaten Luxusproblems willen Hundertausende in Geiselhaft nehmen.
Ich grüße Sie,
Andreas Schwerdtfeger
Nun, Herr Schwerdtfeger, Professoren werden einerseits mit Erreichen der Altersgrenze aus gutem Grund emeritiert und bieten andererseits selbst bei entsprechenden Kenntnissen auf ihrem Gebiet offensichtlich nicht zwangsläufig auch auf anderen Gebieten entsprechende Kenntnisse – leider nicht einmal unbedingt solche, welche heutzutage einem Abiturienten mit auf den Weg gegeben werden. Allerdings muss man da entschuldigend beachten, dass das Grundgesetz zur Zeit, als dieser Prof. die Schule besuchte, noch gar nicht verabschiedet war.
Der wieder mal polemische Artikel ist ja nicht einmal inhaltlich richtig. Wenn Sie schreiben: „Andere Städte wie München zeigen, dass dies möglich ist“, schreiben sie nicht die Wahrheit. Auch in München musste die Demo zugelassen werden. Welchen Sinn macht es also, ständig unbegründete Behördenschelte zu verteilen und Dinge zu fordern, welche einfach rechtsstaatswidrig sind? Jeder Sieg dieser Gestalten vor Gericht bestärkt diese doch noch. Auch die wenig qualifizierten Anmerkungen zu den künftigen Demos helfen nicht weiter, sondern zeigen allenfalls, dass man das Versammlungsgesetz immer noch nicht verstanden hat. Prinzipiell bestimmt der Anmelder, wo er seine Kundgebung abhalten will. Wenn es der Versammlungsbehörde nun gelingen sollte, den Anmelder zukünftig in Richtung Bayrischen Bahnhof „umzulenken“ sollte von Ihnen hier nicht schon wieder billige Polemik gegen das Rathaus vorgebracht werden. Vielmehr sollten Sie sich einfach mal mit der Rechtslage vertraut machen. Ob ein solcher zitierter Bescheid vor Gericht bestehen könnte, ist bereits fraglich genug.
Und wieder einmal eine gewaltige Aufregung um eine Sache, die nunmal – leider, muß man mit Überzeugung sagen – Kennzeichen unseres Rechtsstaates ist. Würde der OB eine Legida-Demo am 9. November mit den Argumenten verbieten, die hier angeführt sind, würde Legida klagen, Recht bekommen und damit aufgewertet. Wir alle wissen das und kennen es aus der Vergangenheit. Warum also diese starken Worte gegen den OB, der doch in Wirklichkeit auf Ihrer Seite steht? Dass Sie, Herr Wolff, auf diesen Zusammenhang hinweisen, ist gut und richtig. Dass Sie unnötigerweise den OB aufs Korn nehmen, zeigt wieder, wie Leute, die keine Verantwortung für Ihre Entscheidungen tragen müssen, sich auf den moralisch hohen Grund begeben, und alle „unter sich“, die aber rechtsstaatlich und verantwortlich entscheiden müssen, im Regen stehen lassen und beschimpfen. Das ist feige und unwürdig.
Und dann gibt es also Professoren in unserem Land, die Demonstrationen verbieten lassen wollen, uns aber die Erklärung schuldig bleiben, wie man rechtsstaatlich einwandfrei und gerichtlicher Überprüfung standhaltend die Grenze ziehen soll zwischen „erlaubten“ und „unerlaubten“ Demonstrationen. Mahlzeit!
Andtreas Schwerdtfeger
Es ist empörend, dass fremdenfeindliche und Hass verbreitende Demonstrationen am 9. November zugelassen werden! Meiner Ansicht nach müssten solche volksverhetzende Aufmärsche überhaupt verboten werden. Das ist ein offensichtlicher Missbrauch des Demonstrationsrechts. Danke für den offenen Brief an OB Jung.
Hiermit schließe ich mich dem Protest gegen die Zulassung der Legida-Demonstration
u.a. am 9. November vollinhaltlich an, aber auch an allen anderen Terminen, dann
aufgrund „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ durch Störung des städtischen Zusammenlebens.
Michael Rosenthal