Das Ergebnis ist eindeutig: Bei einer Beteiligung von (nur!) 56 % der SPD-Mitglieder haben 169.725 (84,6 %) der Regierungsbeteiligung der SPD grünes Licht gegeben. 30.912 SPD-Mitglieder (15,4 %) lehnen eine Koalition mit der CDU/CSU ab. Damit bejahen fast die Hälfte der 358.000 SPD-Mitglieder eine Regierungsbeteiligung der SPD. Ich selbst habe auch mit JA gestimmt. JA, die SPD soll auf der Grundlage des Koalitionsvertrages in die neue Bundesregierung eintreten. Mein JA habe ich nicht abhängig davon gemacht, dass ich den im Koalitionsvertrag ausgehandelten Kompromissen zustimme. Für mich war entscheidend: Aufgrund des Ergebnisses der Bundestagswahl ist keine andere Regierungsbildung möglich als durch eine Koalition zwischen den demokratischen Parteien CDU, SPD und CSU. Eine solche Regierungsbildung abzulehnen, bedeutet: die Rechtsnationalisten von der AfD noch stärker zu machen, als sie sind. Darum musste für mich auch das gewichtige Argument gegen eine Regierungsbeteiligung der SPD zurücktreten: das mit 16,4 % katastrophale Wahlergebnis für die SPD, ein Misstrauensvotum gegen die Politik der stärksten Partei in der bisherigen Bundesregierung.
Unabhängig vom diesen mehr pragmatischen Argumenten liegen aber auf der Regierungsbildung und der zukünftigen Bundesregierung zwei schwere Hypotheken: die konkrete Ausgestaltung der Migrationspolitik und das gigantische Aufrüstungsprogramm, das noch vom alten Bundestag beschlossen wurde und nun Eingang gefunden hat in den Koalitionsvertrag. Beides ist für mich als Sozialdemokraten eine Zumutung.
Hypothek Migration
Gradmesser für die Migrationspolitik sind nicht die Fensterreden, die gehalten und mit denen vor allem Vorurteile gegen Geflüchtete geschürt werden, sondern die Maßnahmen, die tatsächlich getroffen werden. Niemand wird Einspruch erheben, dass Geflüchtete, die eine schwere Straftat begangen haben, abgeschoben werden können. Tatsächlich aber sind schon viele zu viele gut integrierte Geflüchtete abgeschoben worden bzw. sind von Abschiebung bedroht und werden unter „illegal“ subsumiert. Doch der eigentliche Missstand spielt sich woanders ab: Derzeit sitzen 2.600 Afghaninnen und Afghanen mit rechtsverbindlichen Aufnahmezusagen durch die Bundesregierung in Pakistan fest. Auf Druck der CDU/CSU wurden die von der geschäftsführenden Bundesregierung geplanten Ausflüge nach Deutschland gestoppt, nachdem Mitte April noch einmal eine Maschine mit Afghan:innen in Leipzig landete . Bei den Afghan:innen handelt sich um Personen, die als besonders gefährdet gelten. Sie haben sich in Afghanistan für Menschen- und Frauenrechte eingesetzt, waren in gesellschaftlichen Organisationen tätig oder als sogenannte Ortskräfte bis 2021 bei der Bundeswehr und anderen deutschen Organisationen beschäftigt. Ihr Leben wird von den Taliban bedroht.
Der Stop der Ausflüge ist ein rechtlicher, politischer und menschlicher Skandal der besonderen Art. Denn bei den Menschen, die jetzt in Pakistan von Abschiebung nach Afghanistan bedroht sind, handelt es sich nicht um sog. illegale Migrant:innen. Sie sind im Besitz einer rechtsverbindlichen Aufnahmezusage durch die Bundesregierung. Sie sind entsprechend überprüft worden. Hier liegt also Wort- und Rechtsbruch vor. Besonders verwerflich ist, dass CDU und CSU bewusst auf Zeit spielen und kalt berechnend davon ausgehen, dass die Afghan:innen sehr bald von Pakistan nach Afghanistan abgeschoben werden und dann dort in Gefängnissen oder sonstwie verschwinden. Das ist so verwerflich, dass man es kaum fassen kann, dass zu einer solchen Handlung eine Partei fähig ist, die sich „christlich“ nennt. Gleichzeitig ist es ein Alarmsignal dafür, in welch menschenverachtenden Geist Migrationspolitik betrieben wird. Die SPD muss in der neuen Bundesregierung darauf dringen, dass hier nicht jedes Maß des Anstands verlorengeht. Außerdem muss darauf geachtet werden, dass das Recht hier nicht unter die Räder kommt.
Hypothek Aufrüstung
Noch der alte Bundestag hat Ende März 2025 durch eine Änderung des Grundgesetzes Ausgaben für Rüstung/Militär in unbegrenzter Höhe ermöglicht. Gleichzeitig ist Deutschland laut des Jahresberichtes des Friedensinstituts SIPRI 2024 mit 88,5 Milliarden Dollar weltweit an die 4. Stelle der Rüstungsausgaben gerückt. Insgesamt sind 2024 die Ausgaben für Rüstung weltweit auf die unvorstellbare Summe von 2,72 Billionen Dollar gestiegen, das sind knapp 10 % mehr als 2023. Nun wird immer angeführt, dass die Ausgaben für das Militär der Friedenssicherung dienen. Tatsache ist aber, dass die exorbitante Steigerung der Rüstungsausgaben mit vermehrten Kriegen und Bürgerkriegen korrespondieren. Dieser Widerspruch zeigt auf: Ausgaben für das Militär tragen nicht dazu bei, dass Konflikte entschärft, befriedet werden. Im Gegenteil: Sie führen zu Ausbreitung kriegerischer Handlungen mit all den Kolleteralschäden, die menschliches Miteinander verunmöglichen: Zerstörung von Körper und Seele vor allem junger Menschen, der natürlichen Lebensgrundlagen und der Infrastruktur vor Ort. Hinzu kommt, dass weltweit der Rüstungssektor abseits der Entscheidungsgremien wie Parlamente und Regierungen ein gefährliches, zumeist unkontrolliertes Eigenleben führt. Dieses ist Quelle von Korruption, Planwirtschaft, Verschwendung, Überteuerung und kriminellen Machenschaften – einmal völlig abgesehen davon, dass die jetzigen Möglichkeiten von Rüstungsproduktion und -exporten das Primat des Politischen aushebeln. Was politisch aber völlig offen und sich als höchst gefährlich erweisen kann: Wie will man verhindern, dass der gesamte Militärsektor eines Tages bestimmt und gesteuert wird von extremistischen Kräften wie der AfD? Das heißt: Der wichtigste Beitrag für Erhaltung des Friedens, der auch von der neuen Bundesregierung zu leisten ist, besteht darin, die freiheitliche Demokratie zu schützen und auszubauen. Das aber ist zuerst und vor allem keine militärische, sondern eine politische Aufgabe.
JA, die Bildung der neuen Bundesregierung sehe ich als einen ersten, notwendigen Beitrag, die Demokratie zu stärken. Darum habe ich dem Koalitionsvertrag trotz aller Bedenken zugestimmt. Aber ich erwarte von der SPD, dass sie gerade in der Migrations- und Friedenspolitik ihre Grundwerte zum Leitmotiv werden lässt. Eigentlich müsste das auch den beiden Parteien möglich sein, die das „C“ mit Namen führen.
13 Antworten
Die deutsche Regierung wird ab der nächsten Woche von einem Kanzler angeführt werden, der im Wahlkampf schändlich gelogen hat, sei es aus persönlicher Machtgier, oder zur Befriedigung seiner Rachegelüste gegenüber Frau Merkel. Der erstmals, ohne Not, gemeinsam mit der unsäglichen AfD einen Entschließungsantrag ins Schaufenster gestellt hat und die momentane Normalisierungsdebatte unkommentiert laufen lässt. Der sich einst zutraute, Wählerstimmen für die AfD zu halbieren, deren Zuwachs nun aber ganz selbstverständlich (und allein) der schlechtesten Regierung, die Deutschland je hatte, anlastet.
Migration wird weiterhin als Mutter aller Probleme verkauft, obwohl die Bevölkerung laut Umfragen sie gar nicht mehr so wahrnimmt. Aktionismus an den deutschen Grenzen wird wohl ab nächster Woche gezeigt werden, von einem Konzept zur Effizienzsteigerung der Bundeswehr, zur längerfristigen Absicherung der Renten, oder zur Verringerung der sozialen Schere ist dagegen weniger zu hören.
Das neu geschaffene Digitalministerium ist sicher zu begrüßen; ich bin gespannt, welche Impulse Herr Wildberger setzen wird und welches Gehör er im Kabinett findet.
Ganz entscheidend für den Erfolg der Koalition wird Herr Klingbeil werden, der hoffentlich eine andere, konstruktivere Rolle als der letzte Finanzminister spielt (Einkommenssteuerreform, Vermögens- und Erbschaftsteuer) und populistische „Geschenke“ abwehrt.
Kanzleramt und Außenministerium können hoffentlich starke Impulse für Europa setzen, sich selbstbewusst gegenüber Amerika, China und Russland positionieren.
Den Argumenten von Herrn Dresel (30.4., 22:45 Uhr) kann ich weitgehend zustimmen (vor allem seinen Punkten 1 und 2, weniger seinem Punkt 3), empfinde sie als sachlich im Gegensatz zu Behauptungen, was wieder einmal „Unsinn“ sei, bzw. wer „unfähig“ agiert habe.
Die Idee, durch Koalieren mit der CDU eine weitere Stärkung der AfD zu verhindern, wird sich möglicherweise als Fehler erweisen. Wenn sich herausstellt, dass nicht zusammenwachsen kann, was nicht zusammengehört, die Koalition vor allem der Verteidigung des Status quo und nicht wirklich dem politischen Wandel dient, sie also vor allem keine andere Funktion hat, als die AfD zu verhindern, bekommt die AfD neues Futter, sich als einzig wahre Opposition im Einheitsbrei der „Kartellparteien“ zu inszenieren (Astrid Zimmermann, Jacobin, 18.02.2025).
Die Dysfunktionalität der demnächst regierenden Koalition deutet sich bereits an. Auch diesmal werden wohl wieder regierungsinterne Oppositionsrollen kultiviert werden. Statt klarer Ansagen sollen dies und jenes erst noch geprüft (Subventionen, Effizienz sozialstaatlicher Leistungen, Wirksamkeit der Jobcenter u. a.) und dafür Kommissionen bemüht werden. Ausgang offen. Schon jetzt beginnen die Rangeleien um die Interpretation des Koalitionsvertrags. Die SPD will den 15-Euro-Mindestlohn festgeschrieben wissen, die CDU verweist dagegen auf die Entscheidungen der Mindestlohnkommission. Entlastungen niedriger und mittlerer Einkommen werden von Merz entgegen den SPD-Erwartungen als „nicht fix“ bezeichnet. Möglicherweis als Retourkutsche auf Saskia Esken, die eine höhere Besteuerung hoher Einkommen wieder ins Spiel gebracht hat. Wenn die FAZ „Große Kollision statt großer Koalition“ titelt (FAZ 24.04.2025), ist das nicht ganz falsch.
Manche werden die sich bereits anbahnenden regierungsinternen Konflikte wieder als normale Betriebsgeräusche der Demokratie zu verharmlosen versuchen. Das verkennt aber die grundlegenden Gegensätze in der ökonomischen Grundausrichtung konservativer und sozialdemokratischer Koalitionspartner. Entweder man erkennt als Ursache für die Investitionszurückhaltung der Unternehmen und damit für die wirtschaftliche Stagnation in Deutschland eine zu hohe steuerliche Belastung der Unternehmen, eine übermäßige Regulierung und hohe Energiepreise und plädiert einerseits für eine umfassende Senkung von Unternehmenssteuern und andererseits für eine Reduktion der Lohnnebenkosten, ein Einfrieren der Sozialausgaben und Nullrunden bei Rentnern, oder man sieht als Ursache für geringes Wirtschaftswachstum eine zu geringe Renditeerwartung bei den Unternehmen wegen sinkender Nachfrage. Gegen Letzteres können unter den gegebenen Umständen grundsätzlich nur Staatsausgaben ohne „Gegenfinanzierung“, also mehr Schulden helfen. Wenn es ständig zu faulen Kompromissen kommt, wird man allerdings nie herausfinden (d. h. die Wähler werden es nicht erkennen können), welcher wirtschaftspolitische Ansatz der erfolgversprechendere ist. Deshalb sind für mich die Ansicht einiger, auch eher links zu verortenden Experten nachvollziehbar, CDU und AfD gemeinsame ihre ähnlichen, wahrscheinlich zum Scheitern verurteilten Wirtschaftskonzepte verfolgen zu lassen, um langfristig stabile Mehrheiten für sinnvolle Alternativen gewinnen zu können (z. B. Flassbeck in „Relevante Oekonomik“ am 24.02. und 28.02.2025).
Von der SPD eine im positiven Sinne friedenspolitisch herausragende Rolle zu erwarten, ist wohl eine Illusion. Stellt sie doch mit dem Verteidigungsminister einen der Väter des großen Russland-Bedrohungsmärchens, die ideologische Grundlage für die in Aussicht stehende Aufrüstungsorgie. Da wichtige Dinge in Deutschland Jahre brauchen, um umgesetzt zu werden, aber gemäß den Spinnereien von Leuten wie Neitzel und Masala, ein Angriff Russlands auf die NATO bereits in den nächsten drei, vier Jahren zu erwarten ist, wäre, Vernunft und Lernfähigkeit bei den politisch Verantwortlichen vorausgesetzt, für Korrekturen in der Rüstungspolitik wahrscheinlich noch rechtzeitig Gelegenheit. Vieles hängt davon ab, wie lange sich der NATO/Ukraine-Russland-Krieg noch hinziehen lässt (BND-Präsident Bruno Kahl über die Gefahren eines schnellen Friedens in der Ukraine, Deutsche Welle, 08.03.2025). Moralische Unterstützung für die Durchhaltewilligen kam ja unlängst von prominenten Würdenträgern wie Ex-Pastor Gauck und Militärbischof Franz-Josef Overbeck (LVZ 17.042025).
Ich beglückwünsche Sie, Herr Wolff, zu Ihrer Entscheidung: Die SPD hatte im Grunde keine andere Wahl als zuzustimmen, wollte sie nicht auf der Achse fortfahren, bei den Bürgern Vertrauen in die Demokratie weiter zu zerstören und den Flanken, insbesondere der AfD, die Wähler zuzutreiben. Dass das Verfahren dabei Zweifel aufkommen lässt, ist eine andere Frage, denn was ist „demokratisch“ daran, dass eine repräsentativ gewählte Parteiführung die Entscheidung angstvoll zurück delegiert; dass bei einer Wahlbeteiligung von über 80% (= über 50 Millionen Wähler) am Ende gerade mal 47% EINER Partei (= rund 170.000) über die Bildung der Regierung entscheiden. Eine zeitverzögernde Alibi-Veranstaltung!
Ansonsten bleiben Sie Ihrer Methode treu:
* Migration: Die Ampelregierung hat internationales Vertrauen nicht so sehr in der Frage weniger Afghanen verspielt, die sie ja immerhin finanziell in erheblichem Umfang in Pakistan unterstützt, wenngleich die Anzahl natürlich in der Tat eine andere Politik zuließe. Die Ampel hat Deutschlands internationales Ansehen vielmehr durch die erratische Politik der unfähigen Außenministerin, durch die zögerliche und strategielose Ukrainepolitik des Kanzlers, durch die Vernachlässigung der EU und wohl auch durch die zwiespältige Israelpolitik beschädigt. In der Migrationsfrage ist es ihr nicht gelungen, den offensichtlichen (tatsächlichen und auch rechtlichen) Unterschied zwischen illegaler Wirtschaftsimmigration und legaler Asylimmigration zu verdeutlichen und dabei insbesondere auch die völlige Unabhängigkeit der beiden Problemkreise „illegale Immigration“ und „Fachkräftebedarf“ herauszustellen. Es ist schon etwas lustig, wie sehr sich Wolff um das Vertrauen ausländischer Mitarbeiter der Bundeswehr in der Zukunft sorgt, wo er doch gleichzeitig Auslandseinsätze ablehnt. Und es ist leider auch typisch, wie ein kleines Teilproblem der Migrationsfrage zum Hauptproblem hochstilisiert wird.
* Aufrüstung: Hier stellen Sie, Herr Wolff, die Welt mal wieder auf den Kopf, auch wenn mir ein Teil Ihrer Kritik an der von SPD und Grünen erzwungenen Finanzentscheidung nachvollziehbar erscheint: Man hätte erstens den Verteidigungshaushalt im regulären Etat mit mindestens 2% verankern müssen (wie bisher) und zweitens einen Deckel einziehen sollen (zB insgesamt maximal 5%). Es ist auch notwendig, nochmal auf die Fehler von SIPRI-Zahlen hinzuweisen, die nicht berücksichtigen, dass zB Personalkosten in westlichen Streitkräften erheblich höher sind als in autokratischen, dass Letztere Rüstungsausgaben auch verstärkt in anderen Haushalten „verstecken“ und dass also reine Zahlenvergleiche verzerrend wirken.
Aber Ihre Aussage „Tatsache ist aber, dass die exorbitante Steigerung der Rüstungsausgaben mit vermehrten Kriegen und Bürgerkriegen korrespondieren“ – ist natürlich Unsinn, denn die Kausalität ist ja leider genau umgekehrt: Die Menschen verursachen in ihrer Intoleranz immer mehr auch gewalttätige Auseinandersetzungen und die Waffen dafür lassen sich leider immer finden. Gerade der Ukrainekrieg zeigt ja, dass dies auch – und richtigerweise – im Westen geschieht, wo Russland, wie ja auch Wolff uns dauernd erklärt, bekämpft werden MUSS. Auch der Satz „hinzu kommt, dass weltweit der Rüstungssektor abseits der Entscheidungsgremien wie Parlamente und Regierungen ein gefährliches, zumeist unkontrolliertes Eigenleben führt“, ist ja zwar durchaus richtig, verengt aber das Problem der Korruption in Diktaturen auf EINEN Sektor und übersieht eben, dass Diktaturen in den Sektoren Medien, Erziehung, Recht, Inneres, etc, ebenso korrupt sind und ebenso „abseits der Kontrolle“ und dies mit genau den gleichen Konsequenzen für die Menschen. In der Verkürzung dieses Problems durch Wolff zeigt sich seine ideologische Ausrichtung.
Hätte die SPD im überflüssigen Parteivotum nicht zugestimmt, hätte sie einen erneuten und noch gravierenderen Schritt in Richtung Zerstörung getan. Es kommt nun darauf an, dass sie in der Regierung die Verantwortung zeigt, die notwendig ist, um die AfD zu reduzieren. Und denen, denen dazu nur eine „Brandmauer“ im Sinne von „Verbalbeschimpfung“ und ein „Kleinhalten“ mittels parlamentarischer Tricks und Abweichung von bisher praktizierten Regeln einfällt, muss klar sein, dass sie in Wirklichkeit der AfD dienen. Diese Partei muss inhaltlich, dh nicht (nur) verfahrenstechnisch, bekämpft werden, aber es gibt hier im Blog eben einige, die das ausgewiesenermaßen ja nicht können.
Andreas Schwerdtfeger
Zum ersten *: Es sind nicht immer die großen Politikentwürfe, an denen man ablesen kann, von welchem Geist eine Partei getragen ist. Es sind häufig Entscheidungen, die in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen werden, die vom Geist zeugen, der in einer Partei herrscht. Darum sind Ihre Wiederholungen zum x-Mal ziemlich überflüssig und zeugen leider von einer bedauernwerten Kaltherzigkeit.
Zum zweiten *: Das, was Sie als Unsinn bezeichnen, ist das Ergebnis des SIPRI-Berichtes. Es eben nicht so, dass Aufrüstung Konflikte befriedet. Sie ermöglicht und erleichtert, Konflikte militärisch auszutragen.
„Die Ampelregierung hat internationales Vertrauen nicht so sehr in der Frage weniger Afghanen verspielt, die sie ja immerhin finanziell in erheblichem Umfang in Pakistan unterstützt, wenngleich die Anzahl natürlich in der Tat eine andere Politik zuließe. Die Ampel hat Deutschlands internationales Ansehen vielmehr durch die erratische Politik der unfähigen Außenministerin, durch die zögerliche und strategielose Ukrainepolitik des Kanzlers, durch die Vernachlässigung der EU und wohl auch durch die zwiespältige Israelpolitik beschädigt.“
Afghanen: Die Schäbigkeit der künftigen Merz-Regierung gegenüber den afghanischen Gehilfen zeichnet sich ab. Schäbig ist weit schlimmer als erratisch – und erklären Sie doch mal bitte, welche Bedeutung Sie dem anglo-lateinischen Wortgebilde zumessen. Denn derart „regellos und unberechenbar“ wie Trumps Politik ist die deutsche Außenpolitik sicher nicht.
Zögerlich und strategielos: Zögerlicher Kanzler, Vernachlässigung der EU, beides ja, aber wer hatte oder hat eine Strategie für die Verteidigung der Ukraine? Welche Strategie hätten Sie, Herr Schwerdtfeger?
Zwiespältige Israelpolitik: Sie muss zwiespältig sein, besser „differenziert“, soll das Israel verpflichtete, jawohl, verpflichtete Deutschland nicht weiter Ansehen und Anstand verlieren über bedingungsloser Solidarität mit einer verbrecherischen Regierung.
Ich denke, ich hätte es nicht geschafft, mit JA zu stimmen, wäre ich SPD-Mitglied.
An der Abstimmung nicht teilzunehmen, wäre allerdings auch keine Option gewesen – ich hätte also die Stimme ungültig gemacht, oder, falls möglich, Enthaltung angekreuzt.
Christian‘s Argument für ein JA, die unsägliche AfD nicht noch stärker zu machen, wiegt natürlich schwer und ist auch für mich nachvollziehbar.
ABER, was Merz vor und nach der Wahl an Spaltung der Gesellschaft, Setzen von Themenschwerpunkten, dem Schleifen der „Brandmauer“ (siehe auch Spahn, Wadepfhul, Klöckner u.a.) und dem Umgang mit politischen Mitbewerbern gezeigt hat, hätte mir die ZUstimmung zum Koalitionsvertrag unmöglich gemacht.
Den politischen Entscheidungen des zukünftigen Kabinetts sehe ich gespannt und mit hohen Erwartungen entgegen; es hat trotz allem eine faire Chance verdient.
Hoffentlich kann die SPD ihrer dringend benötigten Rolle als Korrektiv, rechtsstaatlicher und sozialer Wächter innerhalb der Regierung gerecht werden!
„Schleifen der „Brandmauer“ (siehe auch Spahn, Wadepfhul, Klöckner u.a.)“
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Was hat Joe Wadephul in dieser Beziehung geäußert? Er ist ein allseits geschätzter Außenpolitiker.
Er sagte (z.B. dem RND): „Der AfD die Ausschussvorsitze zu verweigern hat dazu geführt, dass sie ihren Märtyrerstatus aufrecht erhalten können“.
Wadephul stimmt Spahn vollkommen zu..
Nicht vollkommen, denn Ausschussvorsitze sind von anderer Bedeutung als z.B. das Amt des BT-Vizepräsidenten, siehe Thüringen. Auch ist der Vorstoß von Spahn als Versuch der „Normalisierung“ des Verhältnisses zur AfD zu sehen. Normal ist die AfD nicht. Aber es gibt einzelne qualifizierte und seriös auftretende AfD-Abgeordnete. Deren Einfluss auf Partei und Fraktion und auf deren erklärte Bekämpfung des „Systems“ ist zwar gering. Aber mit ihrer – widerruflichen – Verpflichtung als Ausschussvorsitzende würde der AfD die Märtyrerrolle in der Tat erschwert.
Mit der Einstufung der AfD als gesichert rechtsextrem durch den Bundesverfassungsschutz wird jede Wahl eines AfD-Ausschussvorsitzenden oder gar Vizepräsidenten des Bundestags obsolet. Wer sollte seine Hand dafür heben? Nächstes Ziel sollte sein, der AfD jegliche öffentlichen Gelder zu sperren. Einerseits bekämpft die AfD das politische System der Bundesrepublik, anderer seits lebt sie maßgeblich von dessen Zuwendungen – getreu dem Leninschen Zitat: „Die Kapitalisten werden uns noch den Strick verkaufen, mit dem wir sie aufknüpfen.“
Wadephul sagte aber auch:
„Ein Ausschussvorsitz solle auch wieder entzogen werden können, etwa dann, wenn sich der oder die Vorsitzende nicht an die parlamentarischen Spielregeln halte. „In die neue Geschäftsordnung wollen wir explizit aufnehmen, dass sie auch wieder abgewählt werden können, wenn sie sich nicht korrekt verhalten“, so sein Vorschlag.“
© https://ogy.de/huha – Frankfurter Rundschau
Ich finde das bedenkenswert.
Als Sozialdemokrat kann man dieser kommenden Bundesregierung unter einem Kanzler Merz und den Unionsministern keinen Vertrauensvorschuss geben. Der „Koalitionsvertrag“ ist eine unverbindliche Absichtserklärung nach einem Brainstorming nach Lösen der Schuldenbremse und Verfügbarkeit üppiger Finanzmittel, die der Ampel verwehrt waren.
1. Die SPD hat eine schwere Wahlniederlage erlitten, die vermeidbar gewesen wäre, hätte Scholz schon vor 2 Jahren eingestanden, dass nach dem Urteil des Bundesgerichts die Finanzierung der Vorhaben nicht möglich ist. Scholz war seitdem doch nur noch Sachbearbeiter. Zuletzt hat sich Scholz selbst zum Kanzlerkandidaten machen dürfen, Nach der Wahlniederlage kürte sich Klingbeil zum Fraktionsvorsitzenden und jetzt zum Vizekanzler der wohl konservativsten Regierung aus einer überwiegend mit Juristen besetzten Ministerriege der Union, die immer wieder mittig blinkt und Richtung AFD dann abbiegt. In der SPD gab und gibt es keine Diskussion darüber. Wegen der „Staatsräsoon“. An der Abstimmung haben sich 58 % beteiligt, zugestimmt zum „Koalitionsvertrag“ hat nur jedes zweite SPD-Mitglied. Der SPD stehen deshalb noch schwere Zeiten bevor….
2 Die wirklichen Herausforderungen sind hinreichend bekannt. Deutschland läuft in eine Situation, in der die Renten und Sozialsysteme nicht mehr wie bisher finanziell gesichert sind. Auch das erfolgreiche Wirtschaften mit relativ billiger Energie und Export teurer Ware nach China und USA wird so wie bisher nicht mehr möglich sein. Das Problem ist bekannt und wurde in Kommissionen verschoben und vertagt. Kann das die SPD wirklich mittragen? Wir kommen doch gar nicht herum, dass mehr und länger gearbeitet wird, um mehr in die Sozialsysteme einzuzahlen. Wir müssen rechtzeitig die Steuern für die kleinen und mittleren Einkommen senken, den Mindestlohn erhöhen, die hohen Einkommen und Vermögen, Erbschaften anders und höher besteuern. wir müssen Steuerflucht und -betrug besser verfolgen… wo soll denn sonst das Geld herkommen? Wir können und müssen uns mehr verschulden – aber bitte erst, wenn auch die politischen Entscheidungen zu den evidenten Herausforderungen verbindlich festgelegt sind. Gerade da fehlt Substanz in den Absichtserklärungen.
3. wir haben ein Problem mit der Migration. Durch die Kriege in Syrien und in der Ukraine haben wir über 2 Millionen Flüchtlinge aufgenommen und zu versorgen. Die Fluchtbewegungen wurden verursacht durch russische Militärinterventionen in Syrien und den Überfall auf die Ukraine. Wir haben die Entwicklung in Russland ignoriert und die Krim aufgegeben. Die westlichen Demokratien werden durch Cyperattacken bedroht. Die hybride Kriegsführung gegen die EU hat begonnen. Unzweifelhaft rüstet Putin Massiv auf. Nordkoreanisches Militär kämpft gegen die Ukraine. Deutschland und die NATO sind gezwungen massiv aufzurüsten. Das ist höchst bedauerlich. Aber die SPD ist nicht nur eine Friedenspartei. Sie hat sich widersetzt 1948 in der Berlinblockade, beim Mauerbau. Die SPD hat die Friedenspolitik von Brandt und Bahr geführt mit einer aufgerüsteten NATO und Bundeswehr. Seien wir doch realistisch. Es wird keinen Waffenstillstand in der Ukraine geben und ein Krieg im Baltikum nur sicher vermieden werden, wenn Putin nicht abgeschreckt ist. Pistorius wäre der Mann der Stunde in der SPD, um die Notwendigkeit einer europäischen Verteidigung überzeugend zu kommunizieren.
Die Kriegsflüchtlinge verdienen unsere Solidarität, ob sie aus Syrien oder der Ukraine kommen – egal. Wirtschaftsmigration muss hingegen der Behebung des Fachkräftemangels dienen und Ausreisepflichtige sollten auch unser Land verlassen. Hier hat die Vereinbarung mit der Union eine schwere Hypothek. Die Afghanen sind durch die Politik der deutschen Regierung im guten Glauben tätig geworden. Diese Menschen im Stich zu lassen ist unmoralisch. Es nützt doch nur der AFD, wenn Hardlinern in der Regierung meinen, sie könnten Wasser von der AfD damit auf ihre Mühlen umlenken.
Die SPD Führung hat hier klein beigegeben.
Zusammengefasst:
Man muss befürchten, dass die Führung der Partei „sich auf den Hacken ziehen“ ließ, und die Gefahr des sich „ zu Tode zu regieren“ nicht von der Hand zu weisen ist, sollte Merz scheitern, weil die Union auch dank dessen Unbeliebtheit weiter zugunsten der AfD verliert, so wie seit der Wahl auch zu beobachten.
Die SPD ist wahrlich sehr bedroht.
„Sie sind im Besitz einer rechtsverbindlichen Aufnahmezusage durch die Bundesregierung. Sie sind entsprechend überprüft worden. Hier liegt also Wort- und Rechtsbruch vor. “
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Am 19. 12. 2022 hat das Bundesinneministerium eine Anordnung erlassen, in der das Verfahren zur Aufnahme von besonders gefährdeten afghanischen Staatsangehörigen aus Afghanistan geregelt ist. – https://ogy.de/fk9c
Nach dieser Verordnung können sog. meldeberechtigte Stellen über eine Anerkennung der Anträge entscheiden, die Afghanen stellen, um in Deutschland Asyl zu erhalten. Außerdem nimmt der deutsche Staat die Leistungen der Nichtregierungsorganisation „Koordinierungsstelle der Zivilgesellschaft“ in Anspruch.
https://www.koordinierungsstelle.org/
„Die Informationen zu den aktuell zugelassenen meldeberechtigten Stellen sind von der Bundesregierung als „VS – Vertraulich“ eingestuft worden. Dies sei im Hinblick auf die fortgesetzte Funktionsfähigkeit und Umsetzung des Verfahrens erforderlich, heißt es in der Antwort auf eine Anfrage der Linken im Bundestag.
…
Der Auswahlprozess für das Aufnahmeprogramm wird immer wieder als intransparent kritisiert. So ist nicht öffentlich bekannt, welche Organisationen als meldeberechtigte Stellen fungieren und wie sie ausgewählt wurden.
…
Dem „Business Insider“ liegt nach eigenen Angaben ein interner Bericht des Bundesamts für Verfassungsschutz vor, laut dem der Leiter, der für „Islamismus und islamistischen Terrorismus“ zuständigen Abteilung 6, die Gefahr sieht, dass „eine Einflussnahme der pakistanischen oder afghanischen Behörden“ auf die Aufnahmeverfahren erfolgt. Zudem erschwere eine „prekäre und teils unübersichtliche Dokumenten- und Urkundenlage“ die Überprüfung.“
© https://www.tagesschau.de/faktenfinder/bundesaufnahmeprogramm-afghanistan-106.html
„Der wichtigste Beitrag für Erhaltung des Friedens, der auch von der neuen Bundesregierung zu leisten ist, besteht darin, die freiheitliche Demokratie zu schützen und auszubauen. Das aber ist zuerst und vor allem keine militärische, sondern eine politische Aufgabe.“
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Ja, aber eben auch eine militärische Aufgabe. Leider wurde diese in der Vergangenheit unterschätzt, so dass jetzt entsprechend hohe Mittel aufgebracht werden müssen. Wie hoch diese sind, muss das Parlament entscheiden.
„Wie will man verhindern, dass der gesamte Militärsektor eines Tages bestimmt und gesteuert wird von extremistischen Kräften wie der AfD?“
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Die Angst vor immer weiter wachsenden Wahlergebnissen der AfD darf keinesfalls bestimmend sein, die notwendigen Ausgaben für das Militär nicht aufzubringen.
Sonst können wir gleich diese Idee übernehmen:
„Vor über 30 Jahren, 1972, hatte der dänische Anwalt und Hobby-Politiker Mogens Glistrup eine Idee, die ihn über Nacht berühmt machte. Um Steuern zu sparen, sollte die dänische Armee aufgelöst und im Verteidigungsministerium ein Anrufbeantworter geschaltet werden: „Wir kapitulieren!“ So eine Maßnahme würde nicht nur Geld sparen, sondern im Ernstfall auch Menschenleben retten. Mit diesem „Programm“ wurde Glistrups Fortschrittspartei bei den Wahlen 1973 zur zweitstärksten Fraktion im dänischen Parlament.“
Henryk M. Broder im „Spiegel“ vom 14. 08. 2006 https://ogy.de/0e17