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„wegverbieten“? ganz sicher nicht – aber das Grundgesetz schützen!

Der Generalsekretär der CDU, Karsten Linnemann, reagierte auf die Feststellung des Bundesamtes für Verfassungsschutz, dass die AfD eine gesichert rechtsextremistische Partei ist, mit der Bemerkung: „Ich glaube nicht, dass man eine AfD einfach wegverbieten kann. … Die meisten Wähler wählen die AfD aus Protest. Und Protest kann man nicht verbieten.“ Ja, das ist richtig: Protest kann und darf nicht verboten werden. Aber eine Partei, die die Demokratie, den Rechtsstaat, die Gewaltenteilung sowie die im Grundgesetz garantierten Freiheitsrechte nur solange zu achten bereit ist, bis sie über eine Mehrheit verfügt, die es ihr erlaubt, all das zugunsten eines aufräumenden Systems abzuschaffen, muss verboten werden. Dieser Zeitpunkt ist jetzt gekommen. Denn wenn schon der rechtslastige Verfassungsschutz nach langer Prüfung davon überzeugt ist, dass die AfD gesichert rechtsextremistisch ist, dann bestätigt sich der Eindruck, den viele Bürger:innen von der AfD haben und deswegen immer wieder auf die Straße gehen: Diese Partei widerspricht mit ihrer Politik den Grundwerten der Verfassung, insbesondere Artikel 1 „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Die AfD wird nur solange die Demokratie und den Rechtsstaat achten, solange sie beides dafür einsetzen kann, Mehrheiten in Parlamenten zu gewinnen. Wenn das erreicht ist, wird eine AfD wie alle autokratischen Parteien mit allen Mitteln versuchen, die Bedingungen zu beseitigen, die eine (hoffentlich nie gewonnene!) Mehrheit wieder infrage stellen könnten: freie und geheime Wahlen, unabhängige Rechtsprechung, Presse- und Meinungsfreiheit, Freiheit von Forschung und Lehre. Diese klare und durchschaubare Absicht der AfD ist sehr leicht festzumachen:

  • an ihrem Volksbegriff. Denn das „Volk“ ist in den Augen der AfD nicht die Summe aller in Deutschland lebender Menschen. Das Volk ist die Gruppe von Bürger:innen, die der AfD und ihren noch viel radikaleren Vorfeldgruppen politisch folgt. Das „Volk“ dient als Chiffre und Rechtfertigung für alle Vorhaben, Forderungen und Narrative, die nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind.
  • Der Auftritt des von der AfD gestellten Alterspräsidenten, Jürgen Treutler, in der konstituierenden Sitzung des Landtages des Freistaates Thüringen am 26. September 2024 hat einen Vorgeschmack gegeben, wie die AfD ihre Mehrheit nutzen wird, um den Parlamentarismus zu zerstören.
  • Die politische Unterstützung und inhaltliche Übereinstimmung, die die AfD der Trump-Autokratie zukommen lässt und die die AfD durch die Protagonisten der Trump-Autokratie erfährt, ist der klarste Beweis dafür, was die AfD auch in Deutschland erreichen will: die Zerstörung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, Errichtung eines nationalistischen-völkischen Staates, Auflösung der Europäischen Union. Diese Absichten spiegeln sich auch in der nachgewiesenen Kumpanei führender AfD-Mandatsträger:innen mit dem Putin-Regime wider.

Allein die breit belegbaren Absichten, all das zu kopieren, was in den ersten 100 Tagen die Trump-Musk-Vance-Bande vollzogen hat, reichen, um sehr entschlossen die Initiative zu einem AfD-Verbotsverfahren zu ergreifen. Einer der Väter des Grundgesetzes, der Sozialdemokrat Carlo Schmid (1896-1779), schrieb in seinen Erinnerungen: „Demokratie ist nur dort mehr als ein Produkt bloßer Zweckmäßigkeitserwägungen, wo man den Glauben hat, dass sie für die Würde des Menschen unverzichtbar ist. Wenn man den Mut zu diesem Glauben hat, muss man auch den Mut zur Intoleranz denen gegenüber haben, die die Demokratie gebrauchen wollen, um sie selbst umzubringen.“ Dieser Mut zur Intoleranz ist jetzt von den demokratischen Parteien und allen Bürger:innen zu erwarten. Denn wenn wir warten, bis die AfD so stark geworden ist, dass sie die Zerstörung der freiheitlichen Demokratie in Gang setzen kann, dann ist es zu spät. Das lehren die erschreckenden Ereignisse in Deutschland vor 100 Jahren, an deren Ende die Zerstörung Europas und der Holcaust stand. Das lehrt auch eine sich in atemberaubendem Tempo vollziehende Zertrümmerung der amerikanischen Demokratie durch die Trump-Musk-Vance-Bande im Weißen Haus.

Darum greift das Argument nicht, die AfD könne derzeit bundesweit über 25 % Stimmenanteil erreichen, deshalb dürfe man sie nicht „wegverbieten“. Im Gegenteil: Wenn das Bundesverfassungsgericht 2017 in seinem Urteil gegen ein NPD-Verbot anführt, die rechtsextremistische NPD sei zu klein und unbedeutend, dann bedeutet das im Umkehrschluss: Je stärker eine rechtsextremistische Partei ist, je größer ihr Wähler:innenanteil wird, desto dringlicher ein Verbot dieser Partei! Ebenso ist das Argument, AfD-Wähler:innen würden doch nur „aus Protest“ ihre Stimme dieser Partei geben, unzutreffend – und zwar aus zwei Gründen:

  • Wer AfD wählt, kann wissen, dass es sich um eine rechtsextremistische, demokratiefeindliche Partei handelt. Es besteht überhaupt kein Grund, an der Stimmabgabe für die AfD irgendetwas zu beschönigen.
  • Ein hoher Stimmenanteil für eine rechtsextremistische Partei wie die AfD bei demokratischen Wahlen macht aus der AfD keine demokratische Partei. Im Gegenteil: dadurch wird ihre Gefährlichkeit noch gestärkt.

Es ist die Zeit gekommen, dass jetzt ein AfD-Verbotsverfahren eingeleitet wird. Diese Forderung beinhaltet, dass ein solches Verfahren sich nach den rechtsstaatlichen Vorgaben zu richten hat. Erfreulicherweise hat der Deutsche Evangelische Kirchentag in Hannover eine Initiative für ein Verbotsverfahren gestartet. Diese verdient jede Unterstützung. Und natürlich gilt: Was Bundesbehörden und Gerichte tun, ist das eine. Das andere ist ebenso wichtig: Jede:r Bürger:in trägt ein hohes Maß an Verantwortung dafür, jetzt und vor Ort die Demokratie zu stärken und vor den Rechtsextremisten keinen Millimeter zurückzuweichen. Denn „wegverbieten“ kann man den Rechtsextremismus nicht, aber wir können ihn in den Köpfen und Herzen politisch überwinden.

6 Antworten

  1. Natürlich kann man Gesinnungen nicht werverbieten, aber was soll das für ein Argument sein ? Man kann aber denen, die Menschen entsorgen wollen (Petr Bystron ); die in Hitler noch etwas Positives sehen wollen ( Björn Höcke in einem Interview mit der New York Times ); die sich wünschen, dass der ganz große Knüppel herausgeholt wird und dann dabei sein wollen ( Beatrix von Storch ); die kommen wollen, um dann aufzuräumen und auszumisten ( Markus Frohnmaier ) ; das Pack erschießen oder zurück nach Afrika Prügeln wollen ( Dieter Görnert ) die organisatorische Grundlage nehmen und ihnen die Partei verbieten, die es ihnen ermöglicht solche Ziele mit staatlicher Parteienfinanzierung anzusteuern. Die angeführten Punkte habe ich auf der Seite http://www.volksverpetzer.de / analyse/afd-zitate am 20.7.23 gelesen. Wir dürfen den Vogelschißapologeten ( Gauland ) dem freundlichen Gesicht des Faschismus ( M. Helferich ) und denen die öffentlich eine Säuberungs – und Vertreibungspolitik betreiben ( A.Weidel ) keinen Platz im Parteienspektrum einräumen.

  2. Hallo Christian,
    der Verfassungsschutz soll das Gutachten offen legen (gerne mit geschwärzten Namen).
    Da der Verfassunggschutz dem Innenministerium unterstellt ist (also weisungsgebunden) und lt. Medienberichten der Inhalt durch das Ministerium nicht geprüft wurde, äußere ich mich zur inhaltlichen Rechtssicherheit zum derzeitigen Zeitpunkt (noch) nicht. Warten wir die Einschätzung des Verfassungsgerichts ab!

    Gruß
    Antonia

  3. „Wir haben 2.400 Beweise für die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der „AfD“ gesammelt. Damit dürfte der Antrag auf das Parteiverbot erheblich beschleunigt werden. Wir betreiben hier das weltweit umfangreichste Archiv zur „AfD“. “
    https://afd-verbot.de/

  4. Lieber Christian,
    ergänzend: in der Phase zwischen Gutachten des Verfassungsschutzes, der Klage der Partei und eines möglichen Verfahrens am Bundesverfassungsgericht erscheint es mir wichtig, eindeutig auf rechtsstaatliche Verfahren hinzuweisen. Das Gutschten des Verfassungsschutzes, die gesicherte Einsicht in die Unterlagen bei Klage und die von Parteien unabhängige Rechtsprechung sind frei von politischer Manipulation. Wenn das durch die AFD propagandistisch missbraucht wird, muss die Antwort auf in- und ausländische Verunglimpfungen sachlich und schneidend klar sein/bleiben. Die historische Würdigung des Grundgesetzartikels mag das noch unterstreichen.

    Dann erst mag je nach politischer Strategie, Klarheit und Mut klar werden, ob man sich für einen Verbotsantrag entscheidet. Darüber laufen schon jetzt Diskussionen, die allerdings nicht vermischt werden sollten. Es ist jetzt die Zeit, sich (im besten Fall) in der Mitte über eine Haltung zu einigen.
    Wolfgang

  5. Lieber Christian:
    Deine Argumentation ist gut nachvollziehbar.
    Das Gutachten muss nun ausgewertet werden und andere Quellen könnten eventuell auch zusätzliche Begründungen für eine Verbotsantrag liefern.
    Nun hat die AfD bekannt gegeben, dass sie selbst klagen will. Deren Begründung der Klage sollte man abwarten.
    Es scheint schon nicht uninteressant, wogegen die AfD eigentlich klagen will und welche Gründe die Partei in einer Begründung ihrer Klage anführen wird. Und ob sie eine einstweilige Anordnung beantragen wird.

    Besondere Beachtung dient jedenfalls die Geschichte der Partei. Der Ursprung def Partei ist nicht „rechtsradikal“. Viele ihrer Wähler sind sicher auch keine Nationalsozialisten.
    Es kommt also darauf an auch einen „Kipppunkt“ herauszuarbeiten. Dabei könnten die ehemaligen AfD Mitglieder Lucke, Henkel, Petry, Meuten wichtige Personen sein, die es zu befragen gilt. Das Gutachten des Verfassungsschutzes sollte freigegeben werden, spätestens wenn ein Verbotsantrag beschlossen wird.

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