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Leicht durchschaubar, schwer zu bekämpfen: der Dreisprung der Rechtsnationalisten

Sie häufen sich wieder: Brandanschläge auf Asylunterkünfte – in Leipzig im August, vor über zwei Wochen in Groß Strömkendorf in Mecklenburg-Vorpommern, vergangene Woche in Bautzen und gestern in Neukieritzsch bei Leipzig. Und in den USA? Da dringt ein glühender Trump-Anhänger in die Privatwohnung der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, ein, um dieser Gewalt anzutun, und verletzt ihren Mann schwer. Es ist zu befürchten: Diese Gewalttaten der international vernetzten Rechtsnationalisten werden nicht die letzten gewesen. Worin sie sich gleichen: Sie stehen am Ende des Dreisprungs der Rechtsnationalisten. Dieser ist eine international ausgeübte Bewegung des Autokratismus.

  • Zuerst ist da die sog. Selbstverharmlosung: Man übernimmt den Wertekanon der Gegner, um Menschen zu fangen und zu überzeugen, und kehrt sie dann um, die Werte, um sie zu zerstören. In dieser Weise missbrauchen die Rechtsnationalisten die Parolen der Friedlichen Revolution „Keine Gewalt“, „Wir sind das Volk“ oder die der Friedensbewegung „Frieden schaffen ohne Waffen“. Sie skandieren „Frieden, Freiheit, Demokratie“ in den nächtlichen Himmel und sehen im Kriegsverbrecher Wladimir Putin das Opfer der westlichen Kriegstreiber und bedienen sich christlicher Symbole. Die Rechtsnationalisten besetzen damit Begriffe, deren Inhalt sie verachten. Dadurch soll der Anschein erweckt werden, als folgten den Rechtsnationalisten (AfD, Freie Sachsen, Freies Thüringen, „Leipzig steht auf“, Querdenken) ganz normale, anständige Bürger*innen, die nichts anderes wollen als das, was vielen Menschen ein Herzensanliegen ist: Ruhe, eine warme Stube, nichts Fremdes.
  • Der Selbstverharmlosung folgt als nächster Schritt die Widerstandsrhetorik. Da wird auf den sog. Spaziergängen suggeriert: Wir leben in einer Diktatur, schlimmer als vor ’89 in der DDR. Man darf nicht mehr seine Meinung sagen. Die Mainstreammedien sind gleichgeschaltet. Die Regierung regiert gegen das Volk. Sie muss sofort abgelöst werden. Richter müssen vom Volk gewählt werden – so die wiederkehrenden Parolen seit Pegida 2014. Mit dieser Rhetorik, in den Netzwerken millionenfach verstärkt, soll den Menschen eingetrichtert werden: Auf normalem Weg, z.B. über Wahlen, lassen sich keine Veränderungen erzeugen. Es geht nur über „Widerstand“. Also wird dieses Wort voller Aggression herausgeschrien: „Widerstand“. Wir müssen jetzt handeln. Wir müssen die Regierung jagen und verjagen. Wir, das Volk, muss in Zukunft die Richter wählen. Da die Organe der repräsentativen Demokratie nicht funktionieren und die Regierung gegen das Volk arbeitet, muss Widerstand geleistet werden. Diese wahnhafte Hybris ist das Sprunbrett für den dritten Schritt:
  • Die Gewalt – in den Augen der Rechtsnationalisten das einzige und letzte und in ihren Augen legitime Mittel. Wenn die Politik nicht dafür sorgt, dass keine Geflüchteten mehr zu uns kommen, wenn Politik sogar noch Unterkünfte schafft und sei es für Ukrainer*innen, dann sind wir es, die dies verhindern, das Volk! Da ist dann der Boden bereitet für massive Bedrohungen der Entscheidungsträger*innen in den Kommunen, für Brandanschläge auf Asylunterkünfte, für tödliche Gewalt gegen Fremde. Mehrheitsentscheidungen in den Parlamenten sind bedeutungslos. Sie kommen in den Augen der Rechtsnationalisten nur zustande, weil die Mehrheit der Parlamentarier*innen unabhängig vom jeweiligen Wahlergebnis gegen das Volk ist. Längst haben die Drahtzieher des Dreisprungs die entsprechenden Gruppen gebildet, die das einzig verbleidende Mittel vorbereiten und durchführen: Gewaltakte. Längst herrscht auch hier internationale Zusammenarbeit: siehe die gewaltsame Erstürmung des Capitol in Washington am 6. Januar 2021 oder die Gewaltakte nach den Präsidentschaftswahlen in Brasilien.

An sich ist die Strategie und Funktion des Dreisprungs leicht zu durchschauen. Mit ihm sollen die Strukturen und Institutionen von freiheitlichen, demokratischen Gesellschaften zerstört werden. Umso so nachdenklicher muss es jede*n wache*n Bürger*in machen, wie viele Menschen immer noch auf diese plumpe Strategie hereinfallen und mitmachen – auch wenn sich erfreulicherweise der Zulauf zu den Aufmärschen der Rechtsnationalisten in Grenzen hält. Dabei bedarf es keiner besonderen Intelligenz, um zu der Erkenntnis zu gelangen: Wer unter der Fahne von „Freie Sachsen“ bei sog. Spaziergängen mitläuft, der unterstützt aktiv die Zerstörung der Demokratie und die Gewalt, die sich sehr bald gegen Menschen richtet. Alle, die immer noch meinen, die Menschen, die mit AfD, „Freie Sachsen“, „Freies Thüringen“, „Deligitimierer des Staates“ und wie sie heißen auf die Straße gehen, in Schutz nehmen zu müssen, sollten endlich erkennen: Wer hier mitläuft, nimmt Gewalt gegen Menschen billigend in Kauf und tritt damit all die Werte mit Füßen, die im ersten Schritt des Dreisprungs noch heuchlerisch hochgehalten werden.

Jetzt ist auch eine klare Haltung der Kirche gegen den ideologischen Dreisprung der Rechtsnationalisten angesagt! Denn zur Strategie der Selbstverharmlosung der Rechtsnationalisten gehört auch der schamlose Rückbezug auf den christlichen Glauben. Doch mit diesem haben die Rechtsnationalisten so viel zu tun wie ein Donald Trump mit der Bergpredigt Jesu (die er wahrscheinlich noch nie gelesen hat) oder Wladimir Putin mit dem Kreuz Jesu. Für ihn ist die russisch-orthodoxe Kirche nichts anderes als eine spezielle Propagandaabteilung des Kreml. Dennoch versucht der Autokratismus in aller Welt, mit dem Dreiklang „Gott, Familie, Nation“ bewusst den christlichen Glauben als ideologischen Überbau faschistischer Vorstellungen einzusetzen. Dem müssen wir als Kirche endlich klar und deutlich widersprechen und eine offene, öffentliche Auseinandersetzung führen – aus meiner Sicht die vordringliche Aufgabe der Kirche in ihrer Gesamtheit. Es kann nicht sein, dass die Grundwerte des Glaubens von den Putins, Bolsonaros, Trumps, Melonis, Orbáns Tag für Tag besudelt werden – und wir als Kirche sehen dem schändlichen Treiben nur noch zu.

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