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Katastrophe und Wahlkampf – über das W(R)ichtige streiten

Man dürfe jetzt die Flut-Katastrophe in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Bayern nicht für den Wahlkampf instrumentalisieren, heißt es fast unisono in vielen Kommentaren. Mit diesem Argument begegnen auch Politiker*innen wie Innenminister Horst Seehofer (CSU) massiver Kritik z.B. am Katstrophenschutz. Aber wird die Abwehr solcher Debatten noch lange funktionieren? Sicher: Angesichts der über 170 Toten, der horrenden Zerstörungen, des Nichts, vor dem viele Menschen stehen, ist es richtig, Prioritäten zu setzen. Jetzt ist unmittelbare Hilfe vonnöten und seelische Stärkung der von der Katastrophe betroffenen Menschen. Aber dann stehen die Fragen an, die sich jede*r, der/die um einen nahen Menschen trauert oder sich in einer tiefen Lebenskrise befindet, auch stellt: Was ist mein Anteil an einem Unglück, an einer Krankheit, am Sterben? Habe ich etwas versäumt? Läuft nicht schon lange etwas falsch in meinem, unserem Leben? Natürlich kann man das verdrängen. Oft genug wird man von gut meinenden Menschen dazu ermutigt. Aber die Fragen nach der Verantwortung und möglicher Schuld bleiben dennoch.

Darum ist es jetzt angemessen, auf der politischen Ebene und im Vorfeld der Bundestagswahl sehr offen und streitig über die Bedingungen der Flut-Katastrophe zu reden und Verantwortlichkeiten zu benennen. Das steht nicht im Gegensatz zu der dringenden Hilfe und Solidarität, die die von der Flut betroffenen Menschen benötigen. Auch diese werden sich (hoffentlich) an der Bundestagswahl beteiligen. Auch in ihnen werden die o.g. Fragen bei den Aufräumarbeiten tiefe Furchen ziehen. Also reden wir schonungslos über all das, was durch die Fluten und Schlammmassen nicht verschlungen, sondern offenbar wurde: die verheerenden Folgen dessen, was wir euphemistisch „Klimawandel“ nennen. Doch hinter diesem harmlos klingenden Wort verbirgt das kollektive Versagen in der Klimapolitik und die verheerenden Folgen eines exzessiven Lebensstils. Bis zum Weckruf der jungen Menschen von FridaysForFuture vor drei Jahren und der bitteren Bilanz von drei Dürrejahren fand Klimapolitik faktisch nicht statt – bzw. bestand aus der Abwehr von notwendigen Maßnahmen. Man muss ja nur in die Archive gehen, um zu erkennen: Die seit Jahrzehnten vorliegenden Erkenntnisse der Klimaforschung wurden von den politischen Mehrheiten, insbesondere vom Regierungshandeln und hier insbesondere von der CDU, mehr oder weniger ignoriert. Es blieb weitgehend bei Lippenbekenntnissen. Noch im Juni 2018 warnten die beiden CDU-Ministerpräsidenten Michael Kretschmer und Armin Laschet in einem gemeinsamen Artikel im „Handelsblatt“ vor einem verfrühten Kohleausstieg und behaupteten: „Aktuelle Studien bestätigen die Erreichbarkeit der Klimaziele ohne beschleunigten Ausstieg aus der Braunkohle.“ (Deutschland darf den Kohleausstieg nicht überstürzen (handelsblatt.com)) Bis Ende 2019 ließ Michael Kretschmer keinen Zweifel an seiner Entschlossenheit, den über 700 Jahre alten Ort Pödelwitz samt Kirche zugunsten der Braunkohle abbaggern zu lassen. Und unmittelbar nachdem das ganze Ausmaß der Flutkatastrophe sichtbar geworden war, sagte Armin Laschet am vergangenen Donnerstag im WDR: „Weil jetzt ein solcher Tag ist, ändert man nicht die Politik“ (https://www1.wdr.de/fernsehen/aktuelle-stunde/alle-videos/video-studiogespraech-armin-laschet-cdu-ministerpraesident-nrw-108.html).

Es ist bitter: Weder die Oderflut 1997, noch die Flutkatastrophen 2002, 2005 und 2013 in Sachsen haben zu einem entscheidenden Umdenken geführt. Statt den Ausbau der erneuerbaren Energiequellen systematisch zu fördern, wurden die Solarindustrie in Deutschland mit ökonomischen Mitteln faktisch zugrunde gerichtet und das Aufstellen von Windkraftanlagen zum Stillstand gebracht. In wenigen Jahren gingen 80.000 Arbeitsplätze verloren, ohne dass es zu einem nationalen „Solarpakt“ gekommen wäre. Wenn man das vergleicht mit dem viel zu spät geplanten und mit 40 Milliarden Euro subventionierten Ausstieg aus der Braunkohle, dann wird deutlich: Das schrille Sirenengeheul, das die Klimakatastrophe sendet, wurde bis vor kurzem systematisch überhört. Diese Verdrängung ist seit vergangenen Mittwoch nicht mehr durchzuhalten (es sei denn, man gehört zu den Trump-Bewunderern und den dummdreisten Klimawandel-Leugnern in der AfD). Denn nun wird überdeutlich: Die angebliche Bedrohung von Wirtschaftskraft und Wohlstand in Deutschland durch die Energiewende und deren angebliche Nichtfinanzierbarkeit war und ist eine ideologische Schimäre. Tatsächlich wird beides durch die verheerenden, auf Dauer kaum zu finanzierenden Folgen der Klimazerstörung bedroht.

Bei der Bundestagswahl und natürlich jetzt im Wahlkampf sollten die politischen Kräfte, die die Hauptverantwortung für die jetzige Lage tragen, in der Debatte gestellt werden – und das sind CDU, CSU und FDP. Um es deutlicher zu sagen: Ja, es gibt viele Gründe, die SPD nicht zu wählen – zumal sie in der Koalition mit CDU und CSU viele Halbherzigkeiten in Sachen Klimaschutz mitgetragen hat. Ja, es gibt gute Gründe, Zweifel an der Kompetenz von Annalena Baerbock zu haben und den GRÜNEN die Stimme zu versagen. Aber: Es gibt nicht einen Grund, bei dieser Bundestagswahl CDU oder FDP zu wählen – vor allem nicht im Blick auf die jetzt notwendigen Weichenstellungen. Gerade das CDU-geführte Wirtschafts- und Landwirtschaftsministerium und das CSU-geführte Verkehrsministerium haben sich in den vergangenen vier Jahren als notorische Bremser in Sachen Klimaschutz hervorgetan.

Doch abseits der Parteipolitik und des Wahlkampfs müssen wir offen darüber reden, wie wir denn zusammenleben wollen, um die Klimaziele zu erreichen und die offene, demokratische Gesellschaft zu wahren. Wir müssen davon ausgehen, dass wir – völlig unabhängig von dem Wahlergebnis am 26. September 2021 – in den nächsten Jahren noch mehr solcher Katastrophen erleben werden wie in der vergangenen Woche. Wann, wo und in welchem Ausmaß kann keiner sagen. Aber an dem „Dass“ besteht leider wenig Zweifel. Darum werden wir uns alle ab sofort darum kümmern müssen, unseren Lebensalltag so auszurichten, dass wir die entfesselten Naturgewalten nicht noch stärken. Die Zeiten des Verdrängens und Beschönigens sind endgültig vorbei. Wir brauchen die Energiewende, neue Mobilitätskonzepte, eine ökologische Landwirtschafts- und Ernährungspolitik, eine Neuausrichtung der Stadtplanung und des Wohnungsbaus – riesige Herausforderungen nicht nur für die Politik, auch an jeden und jede Bürger*in.

18 Antworten

  1. Lässt man die billigen Ideologie-Einwände beiseite, ist ein interessanter – und nach meinem Eindruck überhaupt nicht widersprüchlicher – Klimawandel-Dialog mit diesem Blog-Beitrag entstanden.
    Wir brauchen beides, eine deutlich bessere Anpassung an/ Vorsorge gegenüber bereits existierenden Klimaveränderungen und ernsthafte Anstrengungen, die menschengemachte Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad zu beschränken!
    Eine Politik des „Weiter so“ verbietet sich damit; „Schwarze Null“ und rigorose Austeritätspolitik sind offensichtlich kontraproduktiv, Dekarbonisierung muss deutlich schneller umgesetzt werden, als dies bislang geplant ist – und muss durchaus nicht politisch oktroyiert werden, wenn man nur liebgewordene Subventionen/Ausblendung von Folgekosten korrigiert.
    Es ist eben mehr als nur „Symbolpolitik“, dass z.B. Leipzig den „Klimanotstand“ ausruft – wenn dahinter neue/bessere Stadtentwicklungs-/Raumplanungs-/Verkehrs-Konzepte entstehen und ernsthaft umgesetzt werden!
    Am 26.9. muss jede einzelne Wählerin und jeder einzelne Wähler darüber entscheiden und nicht darüber, ob sie/er Laschetlacht, Scholzomat oder Schummelbaerbock eher ertragen kann/mag.

  2. Auch ich danke Ihnen für Ihre interessanten Hinweise, Herr Lerchner. Ich habe mir die von Ihnen genannten links heute angesehen, sehe aber keine Widersprüche zu den von der NZZ zitierten Aussagen des russisch-amerikanischen Forschers. Die Informationen der Helmholtz-Gesellschaft stammen, soweit ich feststellen konnte, aus dem Jahr 2015. Darin heißt es:
    „Das Forscherteam geht davon aus, dass der Permafrost allmählich und kontinuierlich tauen wird. Dieser Prozess ist selbst durch drastisches Senken der industriellen Treibhausgas-Emission nur noch sehr schwer aufzuhalten….
    Noch in diesem Jahrhundert könnten 15 Prozent des leicht zu verwertenden Kohlenstoffs als Treibhausgase freigesetzt werden und zur globalen Erwärmung mit bis zu 0,27°C beitragen. Die Rückkopplung von Kohlenstofffreisetzung aus Permafrost mit der Klima-Erwärmung ist bisher nicht in den Klimamodellen des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change) berücksichtigt. Das AWI arbeitet in internationalen Projekten (GTN-P und PAGE21), Permafrost-Datensätze als essentielle Klimavariablen zu etablieren und in solche globalen Modelle einzuspeisen. Dies könnte noch kritischere Vorhersagen der Temperaturentwicklungen für das 21. Jahrhundert ergeben.“
    Vor 5 Jahren nahmen die Helmholtz-Forscher also an, dass nur 15 % des im Permafrost enthaltenen Kohlenstoffs (vermutlich sowohl als CO2 wie CH4) noch in diesem Jahrhundert freigesetzt werden KÖNNTEN. Interessant ist auch der Hinweis, dass die Kohlenstofffreisetzung aus Permafrost noch gar nicht in den Klimamodellen des IPCC berücksichtigt wurde. Schließlich berichtet die Helmholtz-Gesellschaft auf der gleichen Seite von neuen Forschungen über die bis dato vernachlässigten Wintertemperaturen im Permafrost, die im Gegensatz zu den erst in den letzten Jahrzehnten durch die Industrialisierung gestiegenen (und davor gefallenen oder gleich gebliebenen) Sommertemperaturen schon seit 7000 Jahren konstant steigen. Das alles war, wie gesagt, der Stand im Jahr 2015.
    Der russisch-amerikanische Permafrost-Experte Prof. Vladimir Romanovsky, der sich seit über 30 Jahren mit all diesen Fragen beschäftigt, kommt in dem Interview nun heute, also 5 bis 6 Jahre später, zu dem Ergebnis, dass die bisher in den Klimamodellen des IPCC noch gar nicht berücksichtigte Kohlenstofffreisetzung aus Permafrost noch intensiver ist, deutlich schneller geht und irreversibel ist. Dass solche „noch kritischere Vorhersagen der Temperaturentwicklungen für das 21. Jahrhundert“ möglich sein könnten, hatte ja auch Helmholtz schon 2015 voraus gesagt. Ich erwarte, dass das IPCC (und Helmholtz) diese neuen Ergebnisse nun auch in die Modelle einrechnet und zu neuen, leider deutlich kritischeren Ergebnissen kommen wird. Das wird nicht einfach sein wegen der von Ihnen schon angedeuteten politischen Folgen. Gerade jetzt im Wahlkampf darf man aber so wichtige Daten nicht einfach ausblenden.
    Dass die Welt trotzdem dem vorbildlichen deutschen Beispiel weiter folgen sollte, die erneuerbaren Energien durch Wind und Sonne weiter auszubauen, habe ich ja schon gesagt. Nur darf man sich nicht der Illusion hingeben, dass wir die Klimaerwärmung dadurch auf 1,5 °C begrenzen können. Statt dessen muss viel mehr für die Anpassung an die Erwärmung investiert werden. Dass das in den letzten Jahren versäumt wurde, kann man allen an den Regierungen in Bund und Ländern beteiligten Parteien vorwerfen. Aber die genauen Auswirkungen des Tauens der Permafrostgebiete sind, wie man der Helmholtz-Studie entnehmen kann, ja auch noch gar nicht lange bekannt. Deshalb bin ich da mit Kritik zurück haltend.
    Bin gespannt auf Ihre Reaktion!

    1. Sehr geehrter Herr von Heydebreck,

      ich gebe zu, dass die Mineralisierung des im Permafrostboden eingeschlossenen organischen Materials möglicherweise in Zukunft die CO2-Last in der Atmosphäre stärker erhöhen könnte als erwartet. Die 0.27-Grad-Prognose mag heute, d. h. sechs Jahre später zu optimistisch erscheinen. Mehr noch: Manche Klimaforscher sehen ja im Auftauen des Permafrostbodens einen der viel diskutierten Klima-Kipppunkte, d. h. einen (nichtlinearen) Prozess, der zum unkontrollierten, gegenseitigen Aufschaukeln von Temperatur und CO2-Generierung führt. Damit diese Katastrophe nicht passiert, damit der Verlust des Permafrostbodens hinreichend langsam vonstattengeht, um eventuell mit Aufforstungen entgegenwirken zu können, muss eben die antropogene CO2-Emission so schnell wie möglich verringert bzw. vermieden werden. Es ist sicherlich unbestritten, dass der Treiber für die aktuelle und zukunftsnahe Erderwärmung die Verbrennung fossiler Energieträger ist.

      Wie gesagt, mein Anliegen ist es, dem Herunterspielen der Bedeutung der zahlreichen und sicherlich wirtschaftlich äußerst schwerwiegenden Vorhaben zur CO2-Reduktion entgegenzuschreiben. Es gibt ja Stimmen, die für die Begründung der Erderwärmung gern natürliche Prozesse ins Feld führen, um solchen wirtschaftlichen Konsequenzen aus dem Weg gehen zu können. Dieser Tage gab es z. B. in unserem Lokalblatt (Leipziger Volkszeitung) ein Interview mit Tino Chrupalla (AfD), bei dem genau dieses herauszuhören war. Ehrlich gesagt, hatte ich Ihren Beitrag auch so verstanden. Sollte das ein Missverständnis gewesen sein, bitte ich um Entschuldigung.

      Übrigens halte ich alles, was in der Klimaskeptiker-Szene und angrenzenden Bereichen abläuft, gar nicht mehr so interessant. Der gesellschaftliche Konsens, dass aktives Handeln gegen den Klimawandel notwendig ist, scheint doch überwältigend zu sein. Was mich viel stärker umtreibt, ist die eurozentrierte Perspektive unserer Klimapolitik. Mir ist völlig unklar, wie man Länder wie China und Indien unterstützen kann und will, damit diese ebenfalls die Reduktionsziele für CO2-Emissions erreichen. Man bedenke, dass allein China jährlich mehr CO2 in die Atmosphäre bläst als alle OECD-Länder zusammen. Deutschland ist mit 2% beteiligt, die EU mit 7%. Meines Erachtens gibt es eine erhebliche Inkonsistenz zwischen Klima- und Außenpolitik.

      Beste Grüße,

      Johannes Lerchner

      1. Sehr geehrter Herr Lerchner, ich hoffe sehr, dass das INPCC in seiner wohl gegenwärtig in Arbeit befindlichen Neufassung der Weltklimamodelle die inzwischen bekannt gewordenen Auswirkungen der tauenden Permafrostgebiete einarbeitet und berücksichtigt, so dass man erkennen kann, ob und unter welchen Bedingungen (mit oder ohne Einsatz der CO2-neutralen Atomenergie) doch noch eine Abbremsung der Weltklima-Erwärmung möglich ist. Völlig Recht gebe ich Ihnen aber in Ihrer Feststellung, dass unsere Außenpolitik (und die der EU und möglichst aller OECD-Staaten) dringend dem Ziel gewidmet werden muss, China (sowie Indien, Indonesien und einige andere Länder) dazu zu bringen, ihren immer noch ungebremsten Ausbau der Stromerzeugung aus Kohle (und Kohlenwasserstoffen) endlich zu beenden.
        Beste Grüße
        Hans v. Heydebreck

        1. Von einem ungebremsten Ausbau der Stromerzeugung aus Kohle zu reden, halte ich für übertrieben und es erschwert eine vernünftige Einschätzung der Möglichkeiten und Perspektiven chinesischer Klimapolitik. Der Anteil der Kohle im Energiemix ist dort gewiss immer noch vergleichsweise hoch (59% in 2018; 24% in USA und 18% in der EU). Im Jahr 2010 waren es aber noch 80%. 2014 – 2020 sind 225 Gigawatt hinzugekommen, jedoch deutlich weniger als Solar- und Windenergiekapazitäten zusammen (235 GW bzw. 205 GW). Was kann westliche Außen(-handels)politik beitragen, damit die Entwicklung zu weniger Kohleverstromung noch schneller verläuft? Auf alle Fälle sind Technologieboykott und Entkopplungspolitik kontraproduktiv. Der extrem hohe Energiebedarf der chinesischen Volkswirtschaft rührt auch von deren geringen Energieeffizienz her (Energieeinheiten/BIP; 10% des europäischen Durchschnitts) und kann wesentlich nur durch technologischen Fortschritte reduziert werden. Kohle spielt in China auch wegen der Energiesicherheit eine große Rolle. Öl und Erdgas werden zu 40% importiert und sind blockadegefährdet. Jede Art von Konfrontationspolitik, aus welchen Gründen auch immer, würde eine Zementierung der stark kohlebasierten chinesischen Energiepolitik bewirken.

  3. Hallo Herr Wolff,

    Sie behaupten Dinge, die völlig unzutreffend sind: Die deutsche Solarindustrie ist nicht mit ökonomischen Mitteln zugrunde gerichtet worden. Richtig ist, dass sie viel zu stark wettbewerbsverzerrt subventioniert wurde und als das eingeschränkt worden ist, war sie international nicht mehr überlebensfähig.

    Im Moment erleben wir einen Wasserstoffboom. Ich hoffe, dass nicht das Gleiche passiert. Sie haben offensichtlich zu wenig Einblick, um zu erkennen, dass staatliche Subventionierung höchst ambivalent ist.

    Sie tun so, als sei die Forderung von klimapolitischen Zielen schon eine ausreichend umgesetzte Wirtschaftspolitik. Auch das ist falsch.
    Der gewünschte Fortschritt zur Vermeidung der Klimakatastrophe benötigt konsistente ganzheitliche Strategien, die wirtschaftspolitisch funktionieren und gesellschaftlich zusammenhalten.

    Sie tun so, als gäbe es ernsthafte Klimapolitik erst mit der Fridays for Future Bewegung.
    Das ist Ideologie. Schauen Sie sich die UN-Prozesse seit Brundtland, die PrepComs zu Rio 92 und die Folgeforen, an.
    Leider ist durch die neue Struktur des Global Compacts Anfang der 2000er viel von den basisgetragenen Ansprüchen und Lösungen verlorengegangen und haben die zivilgesellschaftlichen Player ihre gestalterische Macht stark eingebüsst.
    Solche Details sind wichtig, nicht ungerechtfertigte parteipolitische Polemik.

    Sorry, dass ich mich hier doch noch einmal zu Wort melde.

    Martin Haberland

    1. 1. Dafür, dass Sie einen kritischen Kommentar beisteuern, müssen Sie sich nicht entschuldigen. Wenn Sie es dennoch tun – dann ergibt sich die Frage, was an Ihrem Kommentar Sie selbst so sehr stört, dass Sie meinen, sich dafür entschuldigen zu müssen.
      2. Nennen Sie mir bitte eine der herkömmlichen Energiequellen, die nicht subventioniert werden? Durch Subventionen wird immer ein politisches Signal ausgesendet: Diese Energiequelle soll in Zukunft verstärkt genutzt werden. Doch die politisch Verantwortlichen haben, weil sie nach wie vor auf Kohleverstromung gesetzt hatten, versucht, sowohl die Solarenergie wie die Windkraft auszubremsen. Das ist einer der kapitalen Fehler der im vergangenen Jahrzehnt.
      3. Die „Vermeidung der Klimakatastrophe“ erfordert eigentlich ganz radikale Schritte. Aber diese sind derzeit gesellschaftlich nicht durchsetzbar. Also muss Politik dafür sorgen, unter Wahrung des gesellschaftlichen Konsenses das jetzt Notwendige zu tun. Die anstehenden Bundestagswahlen sind eine gute Möglichkeit, politische Mehrheiten für die jetzt notwendigen Entscheidungen herzustellen.
      4. Wer jetzt noch „FridaysForFuture“ als „Ideologie“ oder „ungerechtfertigte parteipolitische Polemik“ abtut, hat nichts von dem verstanden, was sich politisch außerhalb der Parlamente und Parteien vollzogen hat. FridaysForFuture hat das Verdienst, in die Klimapolitik eine neue Dynamik zu bringen auch dadurch, dass in der Debatte endlich die wissenschaftlichen Erkenntnis der Klimaforschung aus den vergangenen 40 Jahren Beachtung finden.

      1. Hallo Herr Wolff,

        Es ist nicht schlimm,

        – wenn man den Unterschied zischen „subventioniert“ und „übersubventioniert“ nicht kennt,

        – wenn Sie völlig falsch liegen, als hätte ich FfF als Ideologie bezeichnet. Die einseitige Deutung der FfF-Bewegung ist angesprochen.

        Aber dann kommen Sie eben zu falschen Schlüssen und Projektionen.

        Ihre Missverständnisse klären sich, wenn Sie meinen Beitrag aufmerksamer lesen.

        Dann wird auch deutlich werden, dass mein „Sorry“ im letzten Satz nicht der Relativierung meiner Position gilt, sondern Sie mit dieser Wendung freundlich um Verständnis bittet, dass Ihnen in der Sache widersprochen werden muss.

        Das ist meine Art, mich kritisch aber freundlich zugewandt zu äußern , doch ich gebe zu, in der SPD-nahen Umgebung ist dieser Stil des Umgangs nicht allzu bekannt.

        Ich wünsche Ihnen sehr freundlich einen guten Tag.

        Martin Haberland

  4. „Es gibt nicht einen Grund, bei dieser Bundestagswahl CDU oder FDP zu wählen“
    ======================================================
    Der Kontrollverlust des Jahres 2015 an den Grenzen wird niemals vergessen werden. Ich traue einer CDU/CSU ohne Frau Dr. Merkel zu, daraus die richtigen Lehren gezogen zu haben. Ich glaube das nicht von den Grünen und der SPD. Deshalb wird sich meine Wahlentscheidung, die ich seit 31 Jahren treffe, nicht verändern.

    1. 2015 gab es keinen „Kontrollverlust“, sondern eine Sternstunde der offenen, demokratischen Gesellschaft. Es war kein „Staatsversagen“, sondern ein „Staatsgelingen, es war Demokratie ohne Anleitung, es war Bürgertriumph, weil die Menschen von selbst das Richtige taten, ohne zu warten, was gewünscht oder gefordert war, es war etwas, das in der deutschen Geschichte, die so obrigkeitsstaatlich von Abwarten und Argwohn und Angst geprägt ist, eher rar ist“ (so der Publizist Georg Diez) Im Übrigen stehen auch die Fluchtbewegungen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Klimakrise.

      1. Bundesinnenminister Seehofer hat in einem Interview in der ZEIT vom 22. 7. 21 seine Flüchtlingspolitik erläutert. Das hat mich zufriedengestellt:

        ZEIT: Das stimmt doch so nicht: Sie haben die Regierung
        im Sommer 2018 an den Abgrund geführt.

        Seehofer: Nein.Wir waren damals der Überzeugung,
        dass wir Leute, die an der deutschen Grenze
        ankamen und schon in einem anderen EU-Land
        einen Asylantrag gestellt haben, zurückweisen
        können. Die Kanzlerin hat in der Fraktion darum
        gebeten, dass man ihr vierzehn Tage Zeit gibt, um
        eine europäische Lösung herbeizuführen. Das haben
        wir akzeptiert. Aber die europäische Lösung
        blieb aus, übrigens bis zum heutigen Tag. Nun
        haben wir durch viele Einzelmaßnahmen erreicht,
        dass die Zugangszahlen deutlich gesunken sind

    2. 2015 habe ich (Jahrgang 1950) in meinem Leben ein- und wohl auch letztmalig erlebt, das die Kanzlerin mit ihrer „Grenz-Politik“ dem „C“ ihrer Partei zur Echtheit verholfen hat. Ansonsten habe ich dieses „C“ immer dem der Zeitschrift „C“apital entlehnt erleb t, also als Etikettenschwindel! Ich denke nur an die Friedensostpolitik Willy Brandts in den 60ziger/70zigern des vorigen Jahrhunderts. Diese von der Union damals massiv bekämpfte Politik war doch letztlich Wegbereiterin für die Wiedervereinigung, mit der sich Kohl dann „Einheitskanzler“ titulieren und leere Versprechungen (blühende Landschaften) geben ließ. Und ewig bremsend steht die sogenannte „C“-Partei seit Jahrzehnten einer konsequenten Umweltpolitik entgegen, die „Frieden“ mit der Natur macht, die ihr nicht nur ständig nimmt, nein, die ihr gibt, die sie pflegt. Wir brauchen die Natur, nicht sie uns. Leider wurde sie darin von einer SPD mit Dominanz der Seeheimer*innen, einer „Heillos“ schröderianisierten und scholzomatischen Partei letztlich unterstützt. Schade!
      Ein Laschet, den ich in NRW erlebe (erleide) und ein – gelinde gesagt – Wirtschafts-Lindner sind für mich Grund genug, auch weiterhin sagen zu können: „Noch nie im Leben diese Parteien gewählt.“ Die Lehren, die die Union bis jetzt für die Post-Merkel-Zeit gezogen hat, ist ein – in vieler Beziehung – leerer Laschet.“

  5. „Die Zeiten des Verdrängens und Beschönigens sind endgültig vorbei.“!!! Das ist der Kernsatz! Danke, Christian Wolff.

  6. Lieber Herr Wolff,
    wenn Sie als Theologe so krasse Wahlpropaganda machen wollen, so müssen Sie sich zunächst von reinen Glaubenslehren abwenden und zumindest versuchen, die naturwissenschaftlichen Ursachen und Folgen der Klimaerwärmung richtig zu verstehen.
    Dass die vom Menschen (und von Tieren) verursachte Erhöhung des Anteils zweier Gase, nämlich CO2 und (in noch stärkerem Maße) Methan, an der Atmosphäre zur Klimaerwärmung beitragen, dürfte mittlerweile unstreitig sein. Es geht nur noch um die Frage, ob, in welchem Maße und unter welchen Bedingungen die Menschheit in der Lage ist, diese Erwärmung zu stoppen oder sogar rückgängig zu machen, oder ob die Entwicklung nicht schon so weit fortgeschritten ist, dass wir alle Kraft darauf verwenden müssen, uns an die Folgen der Klimaerwärmung anzupassen, d. h. u. a. verstärkt Deiche und Rückhaltebecken zu bauen, die Bodenversiegelung einzuschränken oder sogar rückgängig zu machen.
    Dieser kürzlich in der NZZ erschienene Bericht ( https://www.nzz.ch/international/alaska-das-auftauen-des-permafrosts-laesst-sich-nicht-stoppen-ld.1631095 ), der noch vor der jetzigen Überschwemmungskatastrophe erschienen war, hat mich leider davon überzeugt, dass uns gar nichts anderes übrig bleibt, als uns auf die Anpassung an das sich weltweit erwärmende Klima zu konzentrieren. Geologen haben mir bestätigt, dass die Aussage des Interviewten russisch-amerikanischen Permafrost-Forschers richtig (und sogar bekannt) ist, dass das schon vor 40 Jahren begonnene Tauen der Permafrostgebiete irreversibel ist und zwangsläufig dazu führen wird, dass sich der gegenwärtige Anteil von CO2 an der Atmosphäre in den nächsten Jahrzehnten allein aus den Permafrostgebieten der nördlichen Halbkugel um rund 50 % erhöhen wird. Hinzu kommt noch, dass der dadurch gleichzeitig frei gesetzte Anteil des noch schädlicheren Methangases, auf die der Wissenschaftler in dem Interview gar nicht hingewiesen hat, zu einer weiteren und zusätzlichen Klimaerwärmung führen wird.
    Das soll nun nicht heißen, dass die Menschheit nicht weiterhin den Anteil der erneuerbaren Energie ausbauen sollte – wir können stolz darauf sein, dass Deutschland auf diesem Gebiet zu den fortschrittlichsten Ländern gehört – , denn Kohle, Öl und Gas sind, wenn auch nicht ganz so schnell am Ende, wie der „Club of Rome“ 1972 dachte, aber doch endlich.
    Nur darf uns dieser Ausbau nicht zu der Illusion führen, als wenn wir dadurch den Klimawandel wirklich aufhalten könnten. Wir müssen vielmehr alle Energie, und das heißt alle verfügbaren finanziellen Mittel, dafür aufwenden, die negativen Folgen der Klimaerwärmung abzuwehren bzw. zu begrenzen und die (wahrscheinlich geringeren) positiven Folgen zu nutzen. Die jetzt zu beklagenden massiven Überschwemmungen mit mindestens 170 Toten zeigen uns doch, wie dringend die Anpassung an die Klimaerwärmung ist und wieviel wichtiger als der langfristige und sehr wahrscheinlich erfolglose Kampf gegen sie.
    Ich fürchte zwar, lieber Herr Wolff, Sie werden sich durch diese Argumente nicht von Ihrem Glauben abbringen lassen. Aber ich wollte es jedenfalls mal versuchen!
    Ihr Hans v. Heydebreck

    1. Lieber Herr von Heydebreck, niemand bestreitet, dass angesichts der dramatischen Folgen der Klimakrise auch die Anpassung an nicht mehr aufhaltbare Prozesse notwendig ist. Gefährlich wird es nur, wenn eine solche Interventionspolitik zur Therapie erklärt wird und diese ersetzt. Noch zwei Bemerkungen:
      1. Als „Theologe“ habe ich in der demokratischen Gesellschaft die gleichen Rechte und Möglichkeiten, mich im Vorfeld einer Wahl zu positionieren und für eine politische Richtung/Partei zu werben, wie ein Schreiner, eine Kassiererin, ein Arzt, ein Studierender. Dazu muss ich mich von nichts „abwenden“, schon gar nicht von meiner Glaubensüberzeugung. Aber natürlich muss ich im Meinungsstreit mit Sachargumenten aufwarten können.
      2. Sie haben recht: Von meinem Glauben lasse ich mich nicht abbringen, denn dieser erweitert meinen Horizont und mein Denken und hilft mir, Wirklichkeit zu verstehen.
      Beste Grüße Ihr Christian Wolff

    2. Sehr geehrter Herr Heydebreck,

      Ihre Aussage, dass die globale Erwärmung sowieso kaum begrenzt werden kann, nicht zuletzt wegen des unaufhaltsamen Auftauens des Permafrostbodens, und folglich Bemühungen zur Reduzierung der CO2-Emissionen mehr oder weniger müßig sind, es also vorrangig um die Abwendung von Folgeschäden des Klimawandels gehen sollte, widersprechen meines Wissens dem Stand der Wissenschaft.

      Es stimmt, der Permafrostboden speichert riesige Mengen Kohlenstoff, mehr als doppelt so viel wie die Erdatmosphäre, und dessen auch nur teilweise Freisetzung wird signifikant zur Erderwärmung beitragen. Einer Publikation der Helmholtz-Gesellschaft ist zu entnehmen, dass möglicherweise noch in diesem Jahrhundert ein Beitrag zur Temperaturerhöhung von ca. 0.27 Grad zu erwarten ist (https://www.eskp.de/klimawandel/tauender-permafrost-verstaerkt-den-klimawandel/).

      Es ist auch richtig, dass Methan eine größere Klimasensitivität hat (Temperaturänderung pro Konzentrationsänderung). Der Anteil am natürlichen Treibhauseffekt beträgt aber nur 0.7% im Vergleich zu 14% für CO2 und 39% für Wasserdampf (Genaueres dazu in Schmidt et al., J. Geophys. Res., 2010, Vol. 115, D20106). Da der Wasserdampfgehalt in der Atmosphäre eine Gleichgewichtsgröße ist (Wasserdampf kann kondensieren), steht er nicht vorrangig zur Debatte. Betrachtet man nur den antropogenen Anteil betragen die Werte 14% (Methan) und 56.6% (CO2 aus fossilen Brennstoffen).

      Gemäß den Berechnungen des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) kann die Erderwärmung sehr wohl durch Reduzierung bzw. Verhinderung anthropogener CO2-Emissionen entscheidend abgebremst werden (s. z. B. https://www.de-ipcc.de/256.php). Da in den Veröffentlichungen des IPCC die Ergebnisse der weltweiten Klimaforschung zusammengefasst und kritisch bewertet werden, repräsentieren diese m. E. ganz gut den aktuellen Stand der Wissenschaft. Um z. B. eine Begrenzung auf <1,7 Grad (Erwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Niveau) mit einer Wahrscheinlichkeit von 67% zu erreichen, müsste sofort beginnend die globale CO2-Nettoemission bis 2050 gleichmäßig auf null sinken (S. Rahmstorf, SPON 04.10.2020). Um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, würde das verbleibende Budget noch ca. 500 Mrd. t CO2 betragen, viel weniger als der noch verfügbaren Menge an fossilen Energieträgern entspräche. Gegenwärtig liegt die globale CO2-Emission bei 45 Mrd. t. Wie mit diesem Budget umgegangen werden sollte, d . h. auch wie schnell das Budget in Hinblick auf die Generationengerechtigkeit verbraucht werden darf, ist die entscheidende Frage.

      Ihre These ist Wasser auf die Mühlen derer, die die Dringlichkeit einer CO2-Emissionsreduktion relativieren („schwarze Null“ ist wichtiger als „grüne Null“). Wahlkampf hin oder her, es lässt sich kaum abstreiten, dass die Bremser in bestimmten politischen Lagern zu finden sind. Eine gewisse Affinität zur Klimaleugner-Szene gibt und gab es eben vorrangig in der CDU und der FDP (s. das von mir bereits zitierte „Klima-Manifest 2020“ der Werteunion). Eine Liste von Vorstößen, im EU-Parlament beschlossene Klimamaßnahmen zu unterlaufen, wurde seinerzeit von Sven Giegold (MEP Grüne) vorgelegt (https://sven-giegold.de/lobbyisten-verwaessern-green-deal/). Diese kamen durchweg aus den Reihen der konservativen Parteien. Insofern kann ich den Grundaussagen im Beitrag von Herrn Wolff nur zustimmen.

      Mit freundlichen Grüßen,

      Johannes Lerchner

      1. Noch ein kurzer Nachtrag zur Bewertung des Permafrostboden-Effekts: Extrapoliert man den seit den 70er Jahren im Mittel linear verlaufenden Temperaturanstieg in der Atmosphäre bis zur Jahrhundertwende, käme man auf eine positive Abweichung gegenüber dem vorindustriellen Niveau von ca. 3 Grad. Trotz aller Unsicherheiten bedeutet das, dass der Auftaueffekt des Permafrostbodens relevant aber nicht bestimmend ist.

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