Ja, es ist ein Segen, dass die AfD bei der Landtagswahl in Sachsen nicht stärkte Kraft wurde. Dennoch ist das Wahlergebnis ziemlich katastrophal – für Sachsen, für die Demokratie, für die SPD: 27,5 % für die Rechtsnationalisten der AfD – und das an einem Tag, an dem vor 80 Jahren die deutschen Nationalsozialisten Europa in einen zerstörerischen Vernichtungskrieg stürzten. Noch katastrophaler nimmt sich dieses Ergebnis aus, wenn wir ein wichtiges Resultat der Wahlforscher beachten. Auf die Frage, warum sie AfD wählen, antworteten in Sachsen über 70 % der Wähler/innen: wegen der politischen Forderungen der AfD; 28 % verstanden ihre Stimmabgabe als „Denkzettel“. Das bedeutet: Über Zweidrittel der AfD-Wähler/innen verstehen ihre Wahlentscheidung nicht als Protest. Sie haben ihre Stimme aus Überzeugung abgegeben. Was aber sind die Forderungen der AfD? Der Generalsekretär der AfD Sachsen, Jan Zwerg, hatte es zum Wahlkampfauftakt auf den Punkt gebracht: „Die Landtagswahl ist die Abstimmung darüber, ob Sachsen deutsch bleibt.“ Unter dieser nationalistischen Überschrift können die anderen politischen Forderungen subsumiert werden – wie der „Systemwechsel“, das Ende des „Bevölkerungsaustauschs“, die Verleugnung des Klimawandels und der weitere Ausbau der Kohleindustrie, die Orientierung an Politikern wie Salvini, Trump oder Orban. Deren Demontage der Demokratie, deren völkischer Nationalismus, deren offener Rassismus erscheinen vielen Wähler/innen der AfD erstrebenswert. Ihnen sind Abschottung, Nationalismus, ethnische Homogenität, Demokratieverachtung, Rassismus wichtiger als innergesellschaftliche Solidarität, soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz – zumindest nehmen sie dies in Kauf, auch wenn es den Grundwerten der Verfassung widerspricht. Sie glauben, dass über eine rechtsnationalistische Politik ihre Unzufriedenheit über bestimmte Zustände behoben werden kann. Das erklärt übrigens auch, warum die rechtsextremistische Propaganda von Andreas Kalbitz, Björn Höcke, Jörg Urban, ihre Gleichsetzung des heutigen Deutschlands mit der DDR, ihre unerträglichen Hass-Äußerung dem Wahlerfolg der AfD nichts anhaben konnten. Im Gegenteil: Dies macht die AfD für viele ihrer-Wähler/innen besonders attraktiv. Darum meinen über 90 Prozent der AfD-Wähler/innen, dass die Partei das ausspricht, was sich die anderen nicht mehr trauen: Und was ist das? Z.B. der Tweet der AfD Bundestagsabgeordneten Verena Hartmann aus Pirna, in dem sie Angela Merkel zuruft „Aber ich verfluche den Tag Ihrer Geburt.“ oder das montägliche Pegida/AfD-Geschrei „Absaufen“ oder der „Systemwechsel“, also der Abschied vom Deutschland des Grundgesetzes.
Das es soweit kommen konnte, hat nicht nur eine Ursache. Ich nenne eine und weiß, dass das Widerspruch auslöst: Viele Menschen haben mit der zu DDR-Zeiten verordneten Entchristianisierung ihre innere Mitte und ihr Selbstvertrauen verloren, ohne dass das nach 1990 doppelte Vakuum gefüllt werden konnte. Da greift man dann gerne zum ideologischen Strohhalm des Nationalismus, der Sicherheit vor allem Fremden verspricht. Entscheidend sind aber weitere Versäumnisse der vergangenen 30 Jahre:
- Die Friedliche Revolution von 1989/90 wurde nicht genutzt, um das vereinigte Deutschland demokratisch, sozial zu erneuern.
- Die inhaltlichen Zielsetzungen des konziliaren Prozesses für Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung, die heute auf der politischen Agenda obenan stehen (müssten), verschwanden in den 90er Jahren aus dem politischen Diskurs.
- Die politische Bildung kam zum Erliegen. Es wurde versäumt, die parlamentarische Demokratie, die europäische Einigung als Friedensprojekt, kulturelle und religiöse Vielfalt auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens als Errungenschaften zu kommunizieren.
Für diese Fehlentwicklungen trägt die CDU Sachsen ein hohes Maß an Verantwortung. Sie hatte schon zu NPD-Zeiten eine offene Flanke zum Rechtsextremismus in Sachsen. Insofern hat es einen durchaus bitteren Beigeschmack, dass diese CDU gestern davon profitiert hat, dass sich viele Bürger/innen in zahlreichen überparteilichen Initiativen in den vergangenen Monaten dafür eingesetzt haben, dass die Rechtsnationalisten zurückgedrängt werden. Das hatte die erfreuliche Folge, dass Ministerpräsident Michael Kretschmer sich persönlich klar von der AfD distanziert hat und für die CDU ein beachtliches Wahlergebnis eingefahren konnte. Gleichzeitig aber kungelt und kuschelt die CDU auf kommunaler Ebene mit der AfD – gegen Grüne, LINKE, SPD.
Angesichts dieser durchaus fragilen Situation ist es unerlässlich, dass die beiden möglichen Koalitionspartner der CDU, Bündnis 90/Die Grünen und die SPD, der CDU einen klaren Schnitt zu den Rechtsextremisten der AfD abverlangen und dafür sorgen, dass die Demokratiebildung als entscheidendes Element der politischen und wirtschaftlichen Entwicklung implementiert wird. Die Frage ist, ob die SPD dafür genug Kraft aufbringt. Denn sie ist im Wahlkampf fast untergegangen. Zwei gravierende strategische Fehler haben das befördert:
- Zum einen hat die SPD auf den Schwiegersohn-Effekt gesetzt und Martin Dulig als Sympathieträger in den Mittelpunkt gesetzt. Das führte dazu, dass das inhaltliche Profil der SPD noch undeutlicher wurde. Die SPD hat es nicht vermocht dazulegen, dass alles, was seit 2014, aber vor allem seit 2018 in Sachsen auf den Weg gebracht wurde, entscheidend von ihr ausgegangen ist. Die blumige Forderung nach „Respekt und Anerkennung“ hat keinen mobilisierenden Effekt gehabt, sondern Menschen eher in ihrer Ablehnung der Demokratie bestätigt.
- Zum andern haben der Zustand der SPD auf Bundesebene und vor allem der absurde Wettkampf um den SPD-Vorsitz den Wahlkampf in Sachsen verhagelt. Es war signifikant, dass am vergangenen Freitag CDU, LINKE und Bündnis 90/Die Grünen in Leipzig ihren zentralen Wahlkampfabschluss hatten – von einer SPD-Kundgebung keine Spur.
Nun müssen wir alle dafür sorgen, dass der rechtsnationalistischen Politik von Pegida/AfD weder ein Resonanzboden noch eine Rechtfertigung bzw. Daseinsberechtigung geliefert wird. Wir brauchen die harte politische Auseinandersetzung mit denen, die AfD gewählt haben. Sie und niemand sonst sind dafür verantwortlich, dass die AfD 27,5 % Stimmenanteil hat. Niemand hat sie zur Stimmabgabe für die AfD gezwungen. Das haben sie aus freien Stücken getan. Das müssen wir im Blick haben, wenn wir nach dem katastrophalen Wahlergebnis in die Auseinandersetzung eintreten. Denn miteinander reden heißt nicht: Ich gebe dem anderen recht oder zolle ihm unbesehen Respekt und Anerkennung. Miteinander reden, heißt: ringen um die Grundwerte der Verfassung und des Glaubens, um Menschenwürde, sozialen Zusammenhalt und kulturelle und religiöse Vielfalt. Dieses Ringen beginnt am besten da, wo die politischen Vorstellungen noch nicht in völkisch-nationalistischer Kälte erstarrt sind. Darum sollte ein pädagogischer Grundsatz greifen: Wenn Dinge völlig aus dem Ruder gelaufen sind, muss dort angesetzt werden, wo sich Leben neu entwickelt. Das ist jetzt die politische Aufgabe.
14 Antworten
Ganz herzlichen Dank an Johannes Lerchner für seinen vorzüglichen Beitrag (3.9., 23:05 Uhr). Damit brauche ich als Replik auf H. Schwerdtfeger nur noch wenige Aspekte anzuführen und kurz Gedanken für eine „Vision“ anzusprechen.
Sie dürfen mir glauben, lieber H. Schwerdtfeger, „Zorn“ würde bei mir deutlich anders klingen; „Altersmilde“ kennzeichnet meine Einstellungen und Diskussionsbeiträge der letzten Jahre (hoffentlich) eher.
Ich bezeichne es als bewusste Manipulation, wenn Sie aus …“die AfD und deren Wähler immer wieder mit Widersprüchen (usw.) konfrontieren“ ein …“ihre Meinungen ausschließlich als Widersprüche (usw.) bezeichnen“ machen. Aus dieser manipulierten Aussage leiten Sie dann die (Mit-) Schuld von H. Wolff und anderen am Erstarken der AfD ab.
Sie unterstellen mir, …“Gespräche zwischen Parlamentsfraktionen zu verweigern, um der Demokratie zu dienen“, weil ich auf mögliche Gefahren von Sondierungsgesprächen oder gar Koalitionsverhandlungen hingewiesen habe?
Sie selbst wollen auch keine Koalition zwischen CDU und AfD, man solle nur „pro forma“ verhandeln, um so die AfD wegen deren inhaltlicher Schwächen/Leere vorzuführen. Gerne würde ich Ihre impliziten Annahmen über mangelnde strategische und taktische Intelligenz der AfD-Funktionäre teilen.
Das Entwickeln von Visionen halten Sie für gar nicht oder nur sehr schwer möglich, weil weder Medien noch Politiker dazu heute noch in der Lage seien.
Ich sehe die Presselandschaft in Deutschland nicht so pessimistisch; sie besteht nicht nur aus Boulevard-, Klatsch-, oder „Lügen-“ Presseorganen, sondern immer noch auch aus etlichen Qualitäts-Medien (Print, Rundfunk und Digital), die uns, anders als z.B. in den USA, ein relativ ausgewogenes Meinungsspektrum zumindest anbieten.
Auch hinsichtlich der Parteienlandschaft bin ich nicht so pessimistisch; Grundsatzkommissionen gibt es in allen im Parlament vertretenen Parteien – in wieweit diese immer zielführend und effizient arbeiten, oder sich Gehör verschaffen können, darüber kann man trefflich streiten.
Ich verstehe Sie so, dass Ihnen das Streben nach „absoluter Gerechtigkeit“ im Zusammenhang mit „Visionen“ wichtig ist. Diese zu erreichen halte ich, wie vermutlich aber auch Sie, für unmöglich.
Zum Themenkomplex der „sozialen Gerechtigkeit“ habe ich bereits zwei rein persönliche Überlegungen hinsichtlich Einkommens- und Erbschaftsgerechtigkeit (18.8., 14:57 Uhr) formuliert; darüber hinaus sind hier noch Fragen der Absicherung des Lebensstandards, Gesundheits- und andere Risikovorsorgen zu betrachten.
Beim Unterpunkt „Chancengerechtigkeit“ wären z.B. Bildung, Teilhabe an Kultur, Medienkompetenz, Stadt/Land, aber auch das Entstehen/Steuern/Vermeiden von großen Migrationsbewegungen genauer zu betrachten.
Schließlich beim Thema „Generationengerechtigkeit“ sind Vorschläge für ein verbindliches Klimaschutz-, ein langfristig tragfähiges Rentenkonzept und ein Konzept für Infrastruktur-Investitionen notwendig.
Die Parteien insgesamt, im Speziellen aber die SPD, sehe ich in der Pflicht (Chance !!), eine solche Vision anzustoßen, zu entwickeln und schließlich umzusetzen.
Zum Schluss noch eine kurze Bemerkung zu Ihrem Vorwurf, Christian Wolff und andere hielten sich nicht an „Knigge“ – Regeln (2.9., 15:59 Uhr): Bitte lesen Sie den Großteil Ihrer eigenen Beiträge in dieser Plattform noch einmal selbstkritisch durch und beginnen Sie z.B. mit jenem vom 3.9. um 8:41 Uhr!
Lieber Herr Lerchner,
ich habe es ja selbst schon geschrieben, wie Sie es jetzt bestätigen, daß viele meine Fragen schon als meine Antworten ansehen und also als vorurteilsgeprägt zurückweisen werden. Das ist ihr (Ihr) gutes Recht. Mir ging es nicht darum, erneut meine Meinung zu propagieren, sondern ich wollte vielmehr ein mögliches Modell aufzeigen, wie man langfristige Perspektiven – also Visionen oder Konzepte – im gemeinsamen Gespräch über Fronten hinweg entwickeln kann. Und daß dazu erstmal ein grundsätzlicher gesellschaftlicher Konsens über das ZIEL erreicht werden muß, bevor man in klein-klein-Schritten einzelne (und dazu teure und bürokratische) Teillösungen in Konkurrenz entwickelt, scheint mir zumindest ein vernünftiger Vorschag zu sein. Daß dann im Falle der „sozialen Gerechtigkeit“ auch eine einigermaßen verbindliche Definition dieses Begriffes erforderlich wäre (100% nicht erreichbar, wieviel weniger ist maximal akzeptabel?), erscheint wohl logisch – und daß meine Maßstäbe dafür nicht grundlegend sind, ist doch klar.
Und daß dazu eben das Gespräch, die Diskussion, der Austausch zwingend sind, ist ebenfalls klar. Eine Partei, die mit 25% im Parlament sitzt, ist eben schon hoffähig, denn das Parlament ist ja der „Hof“. Und Ihre Meinung, daß es eine „enge Verwandtschaft“ zwischen CDU und AfD gebe, erscheint mir eben falsch. Richtig wäre wohl: Es gibt in einer Volkspartei ein breites Spektrum von Meinungen, von denen EINIGE – richtig – auch in den Bereich der Nachbarpartei hineinreichen. Ich zB fand gestern Frau Wagenknecht richtig gut, als sie sich auch für Gespräche mit der AfD aussprach.
Ich grüße Sie,
Andreas Schwerdtfeger
Lieber Herr Wolff,
dass jetzt vielerorts fleißig geübt oder zumindest darüber nachgedacht wird, doch demnächst die AfD für die CDU als „bürgerlichen“ Partner hoffähig zu machen (am Sonntagabend in der ARD und hier Herr Schwerdtfeger und Herr v. Heydebreck), kann eigentlich nur diejenigen verwundern oder erregen, die noch nicht die in ihrem wirtschafts- und sozialpolitischem Kern enge Verwandtschaft beider Parteien erkannt haben.
Im Programmentwurf der AfD von 2016 (nur den habe ich eingehend gelesen) heißt es:
Je mehr Wettbewerb und je geringer die Staatsquote, desto besser für alle. Jede Form von Eingriffen staatlicher Planwirtschaft führt früher oder später zu Fehlallokationen und Korruption.
Finanziellen Staatszugriff auf die Einkommen und Vermögen der Bürger ist zu reduzieren. Analog zur Schuldenbremse … eine verbindliche Steuer- und Abgabenbremse im Grundgesetz, um die maximale Summe der Belastung auf einen bestimmten Prozentsatz im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt festzuschreiben.
Alice Weidel ist Mitglied der ultra-wirtschaftsliberalen Hayek-Gesellschaft und der AfD-Parteichef Jörg Meuthen möchte die gesetzliche Rente defacto abschaffen (https://www.aachener-nachrichten.de/politik/holger-balodis-ueber-die-rentenpolitik-von-afd-parteichef-joerg-meuthen_aid-34419107).
Wie Herr Schwerdtfeger hier sehr richtig feststellt, ist es wichtig, sich über die Grundprinzipien klar zu werden, die eventuell unterschiedlichen Politikansätzen zugrunde liegen. Nur so lassen sich klare Positionen entwickeln und potentielle Koalitionäre bzw. politische Gegner ausmachen. Zumindest auf der Ebene, auf der seine Vorschläge angesiedelt sind, ist der anvisierte Konsens kaum zu erwarten, spiegeln diese doch eine sehr spezifische, „vorurteilsgeprägte“ Sichtweise wider.
Lieber Herr Schwerdtfeger, ihre Thesen
– „the pursuit of happpiness“ ist nicht nur Recht, sondern auch Pflicht; in anderen Worten: zunächst einmal ist jeder seines eigenen Glückes Schmied und nicht Sozialempfänger.
– für die überwiegende Menge der Menschen ist Verdienst und Vermögen Ergebnis harter Arbeit und eigener Initiative und Erfindungsgabe.
– die Suche nach Bildung, die Neugier nach mehr Erkenntnis ist eine individuelle Gabe des Menschen, die aus ihm selbst heraus zu verfolgen ist.
kann man als Linker nicht ohne weiteres akzeptieren. Sie machen den Erfolg und die soziale Lage des Einzelnen vorrangig von dessen individuellen Bemühungen und Talenten abhängig und vernachlässigen den Einfluss der sozial-ökonomischen Verhältnisse. Ist die Tatsache, dass seit 1990 bei zwanzig Prozent der Haushalte in Deutschland das verfügbare Haushaltseinkommen stagniert oder abgesunken ist, mangelndem Fleiß und Engagement in dieser Personengruppe geschuldet? Ist der Zuwachs von fünfundzwanzig Prozentpunkten bei den oberen zwanzig Prozent der Haushalte Ausdruck besonderer Leistungsfähigkeit? Warum ist die soziale Durchlässigkeit des Bildungssystems in Deutschland immer noch so schlecht (https://www.boell.de/de/navigation/akademie-5202.html)? Muss man Menschen in sozial unterprivilegierten Schichten den Vorwurf der Lernfaulheit machen? Hat der Umstand, dass in Deutschland die Reallöhne deutlich hinter der Entwicklung der Produktivität nachhinken (Makroskop, 29.08.2019), die Arbeitnehmer also nicht angemessen am Ergebnis ihrer Arbeit beteiligt werden, irgendetwas mit individuellem Verhalten zu tun oder sind nicht die Machtverhältnisse entscheidend?
Ich bin gespannt auf Ihre Antworten und Argumente. Dass wir es in der Zukunft mit einem Zusammengehen von CDU und AfD zu tun haben werden, ob nun in einer Koalition oder als CDU-Minderheitsregierung geduldet durch die AfD (Heydebreck), ist m. E. ziemlich wahrscheinliche. Beide Parteien stimmen zu sehr in den von Ihnen propagierten Grundprinzipien überein. Umso mehr müssen wir über diese streiten.
Mit freundlichen Grüßen,
Johannes Lerchner
Von allen Kommentaren zu den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen bringt es Paul Ingendaay heute in der FAZ am besten auf den Punkt: „Eine phantasielose, ängstliche Gesellschaft starrt auf die Störenfriede vom rechten Rand und ist zu träge, in deren Themen die eigene Aufgabe zu erkennen.“ Die bisherigen „Altparteien“ zeigen alle „Klare Kante“ gegen die AfD und werten diese dadurch zur angeblich einzigen Opposition auf, anstatt sich darauf zu konzentrieren, ihre jeweils eigenen Positionen aufzuzeigen und zu verteidigen. Warum suchen die (immer noch) stärksten beiden Regierungsparteien CDU und SPD in Sachsen und Brandenburg nun „Schnittmengen“ mit den anderen Parteien, um in vermutlich langen Verhandlungen zu Kompromissen zwischen widerstreitenden Standpunkten und zu am Ende niemanden befriedigenden Koalitionsverträgen zu kommen? Warum haben sie nicht den Mut zu Minderheitsregierungen? Das würde ihnen vermutlich wieder mehr Anerkennung bei ihrer Stammwählerschaft verschaffen und dazu dienen, ihre jeweils eigenen Vorstellungen mit wechselnden Mehrheiten besser durchzusetzen. Zugleich würde dadurch das Gleichgewicht zwischen den drei Gewalten wieder hergestellt, welches heute durch ein Übergewicht der Exekutive gestört ist, und der Wähler hätte nicht mehr den Eindruck, seine Stimme habe ohnehin keinen Einfluss, weil „die da oben“ doch machten, was sie wollten. Die SPD hat es doch in NRW erfolgreich vorgemacht!
Sehen Sie, Herr Käfer, ich verstehe ja Ihren Zorn, aber man macht das Argument, daß in der Demokratie miteinander geredet und nicht übereinander geschimpft werden muss, damit leider nicht ungültig. Glauben Sie wirklich, daß mein Argument, man schweiße Leute zusammen und kreiere ein „jetzt-erst-recht-Gefühl“, wenn man ihre (möglicherweise noch so unverständlichen) Meinungen ausschließlich als „Widersprüche, Falschaussagen, irrige Annahmen und drohende (nationalistische) Entwicklungen“ bezeichnet, ohne dies je zu begründen, und mit diesen Schlagworten die inhaltliche Diskussion verweigert, gar keine Berechtigung hat? Glauben Sie wirklich, daß Gespräche zwischen Parlamentsfraktionen zu verweigern der Demokratie dient oder auch nur eine erfolgversprechende Taktik ist bzgl des Ziels „Vertrauen der Wähler – in diesem Fall der irregeleiteten AfD-Wähler – zurück zu gewinnen“? Haben Sie wirklich die Angst, daß solche Gespräche dann aus Einfachheitsgründen zur falschen Koalition führen würden – welch‘ geringes Vertrauen in die Kraft der Demokratie! Man muß nicht in die Vergangenheit zurückgreifen, als die SPD sich gegenüber der KPD und dem „DDR“-Regime weniger zimperlich gezeigt hat, um hier den Kopf zu schütteln.
Ich stimme durchaus ihren Themenvorschlägen im letzten Absatz zu. Sondierungs- (nicht Koalitions-) Gespräche mit der AfD würden ja doch wohl nach Ihrer eigenen Meinung – siehe Ihre oben zitierte Bewertung der AfD – schnell die Inkompetenz dieser Partei aufzeigen und dies wäre dann wohl überzeugender als eine stupide Gesprächsbarriere gegenüber 25% der Wähler und der Abgeordneten.
Sie selbst stellen ja immer wieder die Forderung nach der „Vision“ – die dann wohl auch solche Populistenparteien eingrenzen könnte. Lassen Sie uns doch mal an einem Beispiel an ein solches Problem herangehen, um dieser Forderung „Beschreibung und Diskussion“ eines „größeren“ Ziels, einer Vision, eines langfristigen Konzepts, die ich ja auch erhebe, näher zu kommen. Ich zweifele, ob es gelingt, weil weder unsere Medien – die es könnten und müßten – noch unsere politischen Parteien – die verzweifelt versuchen (müssen), die kurzfristigen Begehrlichkeiten im Volke zu befriedigen und die „zu wenig-Vorwürfe“ der NGOs abzuwehren – dazu in der Lage zu sein scheinen.
Ich versuche einmal, dies an dem besonders sensiblen, emotionalen, dem Egoismus und der Polemik weit offenen Thema der „sozialen Gerechtigkeit“ aus meiner Sicht zu verdeutlichen:
Es wird ausgegangen von einigen Prämissen:
– die Einkommensunterschiede sind ungerechtfertigt groß
– die Steuerlast ist ungerecht verteilt
– vor allem unverdientes Vermögen (Erbschaften) muß stärker der Allgemeinheit dienen
– (gefühlte oder tatsächliche) Armut ist häufig unverschuldet
– bestimmte Berufsgruppen sind unterbezahlt und überlastet
– bestimmte Kosten (Mieten) laufen aus dem Ruder
– etc.
Es wird niemand bestreiten, daß diese Feststellungen (und sicherlich viele weitere) mindestens als Meinungen im demokratischen Diskurs berechtigt und begründet sind. Es wird auch niemand bestreiten, daß sie sozialen Sprengstoff enthalten und das Gerechtigkeitsgefühl im Lande beeinflussen. Aber welche Konsequenzen sind im Hinblick auf eine „Vision“ zu mehr sozialer Gerechtigkeit zu ziehen. Regierung, Parteien, Öffentlichkeit und Medien, Verbände und Lobbies ziehen die Konsequenz, daß sie je nach Interessenlage und Dringlichkeit EINZELNE Gebiete aus diesem Katalog isolieren, eine – in der Regel für die Gesellschaft teure – Lösung erarbeiten, diese Lösung mit „Totschlagargumenten“ verteidigen (wenn sie nicht, wie die Opposition und die NGOs sie schlicht als „nicht weitreichend genug“ abtun und also nur noch mehr verteuern wollen) wie zB „Lebensleistung“, „Respekt und Würde“, „ein reiches Land darf nicht …“, usw. Ich nutze den Begriff des Totschlagarguments nicht in polemischem Sinne, sondern weil sich gegen Forderungen nach Respekt oder Würde ja schließlich schlecht argumentieren läßt.
Vielleicht aber ist dies eben der falsche Ansatz für eine „Vision“. Vielleicht ist es vielmehr notwendig, in einem so grundsätzlichen und wichtigen Themenbereich erst einmal den Versuch einiger Einigung über Grundsätze zu machen anstatt viele kleine Einzelschritte zu versuchen, die offensichtlich Kontroversen auslösen:
– die amerikanische Verfassung schreibt „the pursuit of happiness“ als Grundrecht fest
– das deutsche Grundgesetz legt die Sozialbindung von Eigentum fest
– es gibt wohl in den westlichen Demokratien einen (unterschiedlich weit gefassten) Konsens darüber, daß der soziale Staat ein Umverteilungsstaat ist und daß dies richtig ist. Allein das deutsche Modell der „sozialen Marktwirtschaft“ ist ja der – bisher erfolgreiche – Versuch, dem Kapitalismus das für den gesellschaftlichen Frieden wichtige soziale Gesicht zu geben.
Es scheint, daß ein solches System besser funktioniert, wenn die Gesellschaft im Aufbau und vielleicht auch unter äußerlichem Druck steht – siehe die Zeiten des Beginns der Bundesrepublik und des Kalten Krieges, vielleicht auch noch des „Neuanfangs“ nach der Wende – als wenn sie „Dividenden“ kassieren und aus anderen Gründen bestimmte „Freiheiten“ (Mobilität, Eßgewohnheiten, Energieverbrauch) zurückfahren will. Erfordert „soziale Gerechtigkeit“ unter solchen Umständen dann nicht vor den kostenträchtigen Einzelmaßnahmen, mit denen einerseits der Staat bestimmte Gruppen umsorgt bzw mit denen Individuen je nach ihrer Präferenz die Gesellschaft belasten, eine Einigung über die Grundprinzipien, die der Vision zugrunde liegen müßten?
– „the pursuit of happpiness“ ist nicht nur Recht, sondern auch Pflicht; in anderen Worten: zunächst einmal ist jeder seines eigenen Glückes Schmied und nicht Sozialempfänger
– für die überwiegende Menge der Menschen ist Verdienst und Vermögen Ergebnis harter Arbeit und eigener Initiative und Erfindungsgabe
– die Suche nach Bildung, die Neugier nach mehr Erkenntnis ist eine individuelle Gabe des Menschen, die aus ihm selbst heraus zu verfolgen ist (ex-Bundeskanzler Schröder ist hier ein schönes Beispiel)
– soziale Gerechtigkeit kann es nur geben, wenn in der individuellen Sicht die Gemeinschaft und nicht das Individuum im Vordergrund steht
– jeder (auch der reichste) Staat ist überfordert, wenn er absolute Gerechtigkeit in jedem Einzelfall anstrebt, und dies sowohl finanziell wie auch bezüglich der Bürokratie. Es ist also nötig, sich zu einigen (brutal gesagt), wieviel Leute hinten runter fallen dürfen und trotzdem soziale Gerechtigkeit besteht
– und natürlich muß auch „soziale Gerechtigkeit“ mit Grenzen aller Art leben: wie hoch, wie lange, welche Umstände, wie weit nachprüfbar, etc.
Diese – und mehr – Fragen sind zu diskutieren. Meine Gegner werden mir vorwerfen, daß MEINE Fragen vorurteilsgeprägt sind und die Antworten schon enthalten. Aber es sind ja nur Anregungen, der Katalog kann ja ergänzt werden, solange die Fragen nur – im ersten Stadium – grundsätzlicher und nicht konkreter Natur zur Lösung eines jeweiligen Teilaspekts sind.
Eine „Vision“ jedenfalls kriegt man nur hin, wenn man zu solchen Grundsatzfragen Konsens erzielt – und natürlich, wenn man erkennt, daß der Weg zur „Vision“ also ein zeitlich sehr langer ist und man den Politikern viel Zeit geben muß.
Und nur ein solcher Ansatz wird übrigens die radikalen Vereinfacher von rechts und links erfolgreich bekämpfen können. Insofern hat eine solche „abstrakte“ Argumentationslinie auch durchaus konkreten Bezug zu den Wahlen.
Andreas Schwerdtfeger
Das Wort „ziemlich“ in der Überschrift des Blog-Beitrags von Christian Wolff ist für mich ein Euphemismus! Der Ausgang der Wahlen zum sächsischen Landtag vom 1.9.2019 ist eine wirkliche und totale Katastrophe; 27,5% für die AfD, bestes Wahlergebnis ever!!
Ich schäme mich, als Wahlberechtigter dieses Landes, dafür „mitverantwortlich“ zu sein.
Gott sei Dank haben kluge Köpfe aber auch einleuchtende Erklärungen parat, wie es zu dieser Katastrophe kommen konnte und was jetzt zu tun ist:
Christian Wollf ist (mit-) schuldig, weil er die AfD und deren Wähler immer wieder mit Widersprüchen, Falschaussagen, irrigen Annahmen und drohenden (nationalistischen) Entwicklungen konfrontiert hat.
Und weiterhelfen könnten uns nun Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und AfD (evtl. nur pro forma).
Was aber, wenn solche Koalitionsverhandlungen sich für die CDU als sehr viel einfacher, mit viel mehr Übereinstimmungen in Sachfragen herausstellen sollten, als z.B. Verhandlungen mit den Grünen? Soll die CDU dann ernsthaft einen Koalitionsvertrag mit dieser AfD schließen? Soll sie sich dann auf dieselben Hoffnungen wie vor 86 Jahren stützen, dass man diese radikalen Kräfte, eingebunden in eine Regierung , schon unter Kontrolle halten könne, dass der nationalistische Spuk schon schnell zu Ende gehe?
NEIN!!! KEINE SPIELCHEN! Konzentration auf die drängenden Sachthemen, stärkere Berücksichtigung des ländlichen Raums und Lösungsvorschläge zur Beseitigung der Ungerechtigkeiten/Verwerfungen im Zuge der Wiedervereinigung.
Danke, lieber Michael!!!
Lieber Herr Wolff,
wie hilflos und inhaltsleer wirkt doch Ihre Antwort auf meinen Beitrag – man kann das ja vielleicht verstehen, wenn Sie halt noch in der Schockstarre sind. Wie immer weichen Sie also der Diskussion in der Sache aus und geben sich mit unsachlichen Unterstellungen zufrieden. Man muß Ihnen, wie das zu Recht hier getan wird, danken dafür, daß Sie eine Diskussionsplattform zur Verfügung stellen, aber Beratung für Kirche, Politik und Kultur sieht wohl anders aus!
Mit freundlichem Gruß,
Andreas Schwerdtfeger
Lieber Herr Schwerdtfeger, ich will mich nicht wiederholen. Einfach den Blog-Beitrag noch einmal lesen und vielleicht dazu noch ein paar analytische Presseartikel. Beste Grüße Christian Wolff
Lieber Her Wolff,
ja, es hätte schlimmer kommen können und trotzdem ist es schlimm genug, was politisch in Sachsen passiert ist. Immerhin scheint die SPD ja dank des knappen Ergebnisses in Regierungsverantwortung gebraucht zu werden. Statt auf die AfD-Wähler*innen mit Fingern zu zeigen, finde ich, sollte sich die SPD wieder stärker ihres sozialen Profiles, dass sich in der Vergangenheit durchaus auch kirchlich-diakonisch gezeigt hat, bewusst werden und dies im Sinne von Lessings Ringparabel zur Geltung bringen. Die Sorgen der kleinen Leute müssten wieder stärker die Sorgen der SPD werden, dann hätte ich Hoffnung, dass sich die Leute in Sachsen wieder von der AfD abwenden und einer Partei zuwenden, die ihnen dann auch wirklich hilft. Dies müsste vorrangiges Ziel sozialdemokratischer Arbeit in Sachsen werden.
Es ist wirklich bedauerlich, dass so wenige Leute wissen, dass alle? politischen Errungenschaften der letzten vier Jahre in Sachsen auf die SPD zurückgehen. Wenn es so ist, wie Sie behaupten, machen Sie sich doch einmal die Mühe, dies öffentlichkeitswirksam zu propagieren. Davon würde die SPD sicher sehr profitieren.
Wie geht es eigentlich dem Arbeitskreis „Christen in der SPD“ in Sachsen?
In Leipzig sind wir recht aktiv. Haben diskutiert über Schwangerschaftsabbruch und hatten eine schöne Radtour zu ehemaligen Kirchen in Leipzig. Außerdem haben wir versucht, verschiedene kirchliche Stellungnahmen zur Wahl öffentlich zu verbreiten.
Beste Grüße und wir freuen uns immer über mehr Beteiligung!
Sehr geehrter Herr Wolff, ich gebe Ihnen in ganz vielen Punkten recht. Aber: Die SPD hat mir ihrer – aus meiner Sicht – langjährigen populistischen Propaganda für die rechnerisch völlig unsinnige ´Bürgerversicherung` schon bei der letzten Wahl massiv an Zustimmung in der Bevölkerung verloren. Ebenso das Puschen des Ex-EU Abgeordneten Martin Schulz, sein kometenhafter Aufstieg (quasi aus dem NICHTS) und sein kläglicher „Absturz“ hat bei Vielen nach Zirkus ausgesehen, nur noch Kopfschütteln ausgelöst und extem viel an Image zerstört. Auch gibt es anscheinend kein wirklich gutes, massenwirksames und realistisches Ziel, was die SPD sich auf ihre Fahnen schreiben konnte und somit von anderen abhebt, wählbar macht, wie in früheren Jahren. Sie hat sich damit selbst augenscheinlich überflüssig oder verzichtbar gemacht. Sehr sehr schade.
„Schwiegersoh-Effekt“ bei Martin Dulig? Der ist Großvater! Ich erinnere mich noch gut an frühere SPD-Knallchargen wie Karl Nolle oder Karl August Kamilli, der schließlich Mitglied der Schill-Partei wurde und aus der SPD ausgeschlossen wurde.
Die Enttäuschung ist verständlich – die Reaktion nicht! Man muß aus einem Wahlergebnis lernen, nicht es mit denselben Parolen wie gestern bekämpfen und dann noch mit einem grandiosen bla-bla-Satz abschliessen wie: Es „muss dort angesetzt werden, wo sich Leben neu entwickelt. Das ist jetzt die politische Aufgabe.“
1. Als erstes gebietet der Anstand, das zu tun, was deutsche Politiker und Medien in ihrem Drang, auch am Wahlabend und nächsten Morgen den Wahlkampf fortzusetzen, immer vergessen (und Herr Wolff auch): Herzlichen Glückwunsch an die Herren Woidke und Kretschmer dafür, daß sie trotz sehr widriger Umstände einschließlich des manipulativen Gegenwindes der Medien ihren jeweiligen Parteien den ersten Platz in der Wählergunst gesichert haben. Ich weiß, daß es Leute gibt, die sich verächtlich über den Knigge äußern – aber in Wirklichkeit ist das eben eine Frage des Umgangs miteinander und über den Stil prägt man die Inhalte.
2. Als zweites zeigt sich überdeutlich, daß Ihre Taktik, lieber Herr Wolff, wie von mir vorausgesagt, gewaltig gescheitert ist. „Keine Stimme der AfD“ in Verbindung mit Beschimpfung aller in deren Umfeld als Nazis und braune Soße ist keine wirksame Strategie GEGEN sondern eine ermutigende Strategie FÜR diese Partei, da sie ein „jetzt-erst-recht-Gefühl“ erzeugt (hat) und insofern waren Ihre Beiträge hier eher AfD-stärkend. Ihre zusätzliche Polemik gegen die CDU hat ebenfalls nichts gefruchtet – man könnte also schon lernen!
3. Es ist befriedigend, daß die LINKE sich nun bei 10% einpendelt (Thüringen wird sicherlich nochmal eine Amtsbonus-Ausnahme sein) und die Menschen endlich erkennen, daß sie durch diese Partei eher entmündigt werden, wie ja der Sozialregelungsfanatismus überall dort, wo sie mitregiert, deutlich macht (auch Herr Dulig sprach dieses Problem in seinem Pressestatement heute an)(ganz abgesehen von ihrer außenpolitischen Inkompetenz). Und es zeigt sich, daß eine monothematische Partei wie die Grünen eben nach oben begrenzt ist, weil die Mehrheit der Menschen eben doch erkennt, daß die Probleme vernetzt und komplizierter sind.
4. Der Aufschwung der AfD war vorhersehbar und hätte vermieden werden können, wenn
a. SPD und CDU nicht sich so sehr gegenseitig sondern vielmehr die beiden Flanken – und im konkreten Fall auch die AfD INHALTLICH und nicht nur polemisch bekämpft hätten (was Herr Wolff unverdrossen tut). SPD und CDU sind sich inzwischen zum verwechseln ähnlich und unterscheiden sich nur noch in Nuancen und der verbissene Kampf zwischen beiden um Nebensächlichkeiten bei gleicher Zielsetzung in vielen Gebieten ist eben nicht nur abschreckend sondern auch langweilig und unproduktiv. Und was Herr Wolff der CDU dauernd unterstellt, grenzt zusätzlich ans Peinliche.
b. die CDU (durch SPD- und Medien-Hysterien) nicht dauernd gezwungen worden wäre, sich vehement gegen die AfD zu äußern. Auch wenn einige hier in vermeintlich überlegener Übersicht vorhandene Schemata ablehnen: Die CDU hat die rechte Flanke aufgemacht (wie vor 40 Jahren umgekehrt die SPD) und sie fährt dasselbe Ergebnis ein – eine neue Partei rechts von ihr. Volksparteien müssen eben auch ein breites Spektrum jeweils „nach außen“ abdecken (dürfen). Und das hindert nicht, klare Kante zu zeigen – die CDU setzt nur die Grenzlinie falsch. Natürlich hat die CDU in ihrer Bewegung zur Mitte / nach links hin zusätzlich auch den Fehler gemacht, die falsche Person als Vorsitzende zu wählen.
5. Und schließlich: Die öffentliche Meinung sowie die Medien und dadurch gezwungen auch die Politiker machen ja bereits jetzt den nächsten Fehler. Richtig wäre es in beiden Bundesländern, wenn die Parteien mit Anspruch auf den Ministerpräsidentenposten proforma auch Sondierungsgespräche mit der AfD führen würden (insbesondere natürlich in Sachsen). Man kann nicht 25% der Wähler und also auch des Parlaments ignorieren. Daß das Ziel solcher Gespräche natürlich nicht die Koalition wäre sondern erstens demokratische Vernunft und zweitens die Verdeutlichung gegenüber der Öffentlichkeit der tatsächlichen Inhaltslosigkeit der AfD ist eine andere Sache. Ignorieren anstelle von diskutieren war jedenfalls noch nie erfolgreich. Aber man stelle sich das Geschrei – selbst nur hier auf diesem blog – vor, wenn die CDU diesen logischen Schritt täte!
Also: Weiter so und setzen wir dort an, wo sich Leben entwickelt.
Andreas Schwerdtfeger