Es war vor einer Woche. Wahlkampfstand der SPD vor dem Hit-Markt. Ich gehe auf eine junge Frau zu, die gerade vom Einkauf kommt und ihr Rad samt Kid Car bepackt. Zwei kleine Kinder stehen um sie. Die Frau mustert mich und sieht mich fragend an: „Sind Sie nicht der Pfarrer Wolff?“ „Ja, der bin ich.“ „Hier hätte ich Sie jetzt nicht vermutet.“ sagt die Frau erstaunt. „Wundert es Sie, dass ich für die SPD werbe?“ erwidere ich. „Eigentlich schon. Ich hätte sie eher bei der CDU vermutet.“ „Weil ich Pfarrer bin?“ „Ja, irgendwie schon.“ „Wissen Sie, schon vor 50 Jahren habe ich mich darüber geärgert, dass CDU und Kirche bei vielen in eins gesehen wird. Damals aber war die CDU rechts und konservativ. Allein aus diesem Grund habe ich mich als Jugendlicher zur SPD hingezogen gefühlt. Denn für mich gibt es keine ‚christliche‘ Politik. Wohl engagieren sich Christen in verschiedenen Parteien. Ich trete für die SPD ein, weil sie in meinen Augen auch für Christen wichtige Anliegen vertritt.“ „Welche denn?“ fragt die Frau und ich versuche ihr zu erklären, was mich bewogen hat, 1970 in die SPD einzutreten. Entscheidend waren für mich:
- die Friedenspolitik; ohne diese würde ich nicht in Leipzig leben. Friedenspolitik war immer ein Schwerpunkt und Aushängeschild der Sozialdemokratie.
- die SPD ist die Partei, die in ihrer 154-jährigen Geschichte für Demokratie, Gerechtigkeit und für ein geeintes Europa eingetreten ist.
- die SPD engagiert sich für gleiche Bildungschancen und für gesellschaftliche Vielfalt.
Deswegen empfehle ich auch als überzeugter Christ, die SPD zu wählen. Die Frau antwortet, auch um mir zu signalisieren, dass sie nun weiter will: „Na ja, ich werde es mir überlegen.“ Während sie ihr Fahrrad weiter bepackt und den Jüngsten ins Kid Car verfrachtet, unterhalte ich mich noch mit ihrer kleinen Tochter, die dem Dialog mit großen, erwartungsvollen Augen verfolgt. Wir verabschieden uns freundlich.
Da lebte ein sich permanent haltendes Vorurteil für einen kurzen Moment wieder auf. Christen wählen „christlich“, also CDU. Es wurde über Jahrzehnte gefüttert und erfuhr auch nach der Friedlichen Revolution gerade in Sachsen reichlich Nahrung. Als ich mich im September 1991 im Kirchenvorstand von St. Thomas vorstellte, fragte mich ein Mitglied: „Würden Sie denn aus der SPD austreten, wenn sie zum Pfarrer an der Thomaskirche gewählt werden?“ Nach kurzer Überlegung fragte ich zurück: „Hätten Sie mir diese Frage gestellt, wenn ich CDU-Mitglied wäre?“ Eine Antwort habe ich nicht erhalten, aber die Diskussion über diese Frage war damit beendet. Als 2010 die Kirchen die CDU-FDP Landesregierung des Freistaates Sachsen kritisierte, weil diese faktisch die Gründung von Schulen in privater, also vor allem kirchlicher Trägerschaft verunmöglichen wollte, da verstieg sich der damalige Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion Steffen Flath zu dem mehr als verräterischen Satz: „Kirche ja, aber nicht in Opposition zur CDU“. Und wie ist zu bewerten, dass nach dem Tod von Helmut Kohl im Juni 2017 in der Dresdner Frauenkirche ein Kondolenzbuch ausgelegt wurde, in das sich als erste in einer gemeinsamen Aktion Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU), Landtagspräsident Matthias Rößler (CDU), Oberbürgermeister Hilbert und Landesbischof Carsten Rentzing eintrugen? Da war sie mit Händen zu greifen: die Symbiose von Freistaat Sachsen, CDU und evangelischer Kirche. Inhaltlich hat sie keine Basis, aber sie trägt dazu bei, dass nicht wenige Kirchenmitglieder denken: als Christ hast du CDU zu wählen.
Unbestritten: Die CDU ist eine demokratische Partei. Sie kann auch von Christen gewählt werden. Aber ob sie für christliche Werte einsteht, ist eine mehr als diskussionswürdige Frage. Man denke nur an die von der CDU geforderte Abschiebepraxis, an die Bedenkenlosigkeit in Sachen Rüstungspolitik, an das Vorhaben der CDU, den Rüstungshaushalt faktisch zu verdoppeln. Das hat mit christlichen Grundwerten sehr wenig zu tun. Und schließlich möchte ich an die drei Punkte erinnern, die Frank Richter, jetzt Geschäftsführer der Stiftung Frauenkirche Dresden, zum Austritt aus der CDU veranlasst haben: Rüstungsexportpolitik, verfehlte Bildungspolitik in Sachsen, mangelnde innerparteiliche Demokratie. All das müsste jeden von der Selbstverständlichkeit abhalten, als Christ CDU zu wählen. Die Wahlentscheidung ist alles andere als ein geistlicher Akt. Sie basiert auf nüchterner Abwägung. Da kann man sicher zu unterschiedlichen Präferenzen gelangen. Klar aber sollte sein: es gibt für einen Christenmenschen mindestens so viel Gründe SPD zu wählen wie der CDU die Stimme zu geben. In einem allerdings sollte sich Christen einige sein: eine Stimmabgabe für die AfD ist mit den Grundaussagen des christlichen Glaubens nicht vereinbar. Wer die Verbrechen der Nazis und der deutschen Wehrmacht während des 2. Weltkrieges relativiert und darauf einen „Stolz“ herbeireden und wer Flüchtlinge wie feindliche Eindringlinge, die es abseits aller Menschenrechte zurückzuschlagen gilt, behandeln will, der kann sich in die Tradition der dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte stellen, aber er kann dafür nicht den christlichen Glauben in Anspruch nehmen.
P.S. Am kommenden Donnerstag findet in Leipzig der sächsische Pfarrertag statt. Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) soll in der Nikolaikirche ein Grußwort sprechen. Laut Landeskirchenamt wird der CDU-Politiker die Frage „Wie politisch soll, darf und kann Kirche heute (noch) sein?“ behandeln. Das also soll den ca. 700 Pfarrer/innen drei Tage vor der Bundestagswahl von der „Obrigkeit“ ex cathedra gesagt werden – eine mehr als peinliche Merkwürdigkeit im Jahr des Reformationsjubiläums und in der Kirche der Friedlichen Revolution. Martin Luther hat bekanntlich nicht die Fürsten gefragt, was sich für die Kirche ziemt. Mit seiner Schrift „An den christlichen Adel deutscher Nation“ hat er 1521 ihnen seine klaren Erwartungen in Sachen Bildung und Beteiligung ins Stammbuch geschrieben. Da kann es kaum noch überraschen, dass auf besagtem Pfarrertag die AfD-Versteherin Antje Hermenau einen der beiden Hauptvorträge zum Thema „Kirche und Politik“ halten wird. Man reibt sich verwundert die Augen ob solcher Geschmacklosigkeiten.
17 Antworten
Ach – ich hab es ja gewusst: Rheinländer sind schon ganz schöne Spaßvögel. Und Sie, Kollege Ewigschreiber, sind einer der größten. Schöne Woche noch und ach ja: ich fahre u.a. lieber nach Leipzig – in dieser Weltstadt wird man ernst genommen.
Adieu – der verschrobelte Flade
Da isser wieder – unser alter verschrobelter Flade! Wenn Sie gerne mit mir direkt diskutieren wollen, dann kommen Sie doch her ins Rheinland. Die Reise ist nicht länger als umgekehrt. „Meine Auffassung zum streitbarem Diskurs ist das sich Gegenübersitzen“, schreiben Sie – ja, warum sind Sie dann noch nicht hier? Meine Auffassung dazu ist, daß ein Forum wie dieses denselben Zweck erfüllt und eine Reise zum Diskutieren mit Ihnen, erscheint mir sowieso nicht lohnend. Und daß dies alles nichts mit „Öffentlichkeit scheuen“ zu hat, ist nur allzu offensichtlich. Es ist das Gewicht der Argumente, das zählt; aber ich verstehe, daß Sie das nicht verstehen.
Ich freue mich aber, daß Sie meine Beiträge als „inhaltsschwere Texte“ bezeichnen. Denn das ist das Entscheidende – und dazu fordere ich eben unseren Diskussionspartner Wolff – und eigentlich auch Sie – ja immer auf: inhaltsschwer anstatt polemisch oder formalistisch zu argumentieren. Deshalb warte ich noch auf seine Stellungnahme zum eigentlichen Thema, wie nämlich Kirche sich am überzeugensten in politische Diskussionen einmischt.
Schliesslich: Ihre Auffassung zur Burka in Ehren. Der Widerspruch jedoch zu Ihren großartigen Äußerungen zum „öffentlichen Bekenntnis“ ist allerdings entlarvend.
Ich schreibe Ihnen gerne wieder, wenn Sie mal was zu sagen haben.
Andreas Schwerdtfeger
Herr Schwerdtfeger: wenn Sie jüngst reagieren: “ Dass wir uns nicht Auge in Auge gegenüber sitzen , mag bedauerlich sein, spiegelt aber eben die Realität – und ist auch kein Schade…“ und später die Burka-Verschleierung etc. bemühen, dann haben Sie etwas missverstanden. Wenn Ihre permanente realitätsargumentierte, körperliche Abwesenheit als Variante angeführt wird, sich leider nur schriftlich (natürlich mit geöffnetem Visier) dem Meinungsstreit aussetzen zu können, dann kann ich diese Ihre Enthaltsamkeit der direkten Austausches immer wieder nur bedauern – und bis heute überzeugen mich Ihre verwuselten Erklärungen, sich nicht direkt stellen zu wollen, ganz und gar nicht. Wolff ist da ein ganz anderer Typ: es scheut die Öffentlichkeit so gar nicht, sucht den Kontakt und offenbart sich wo auch immer; ansonsten wäre er ja als Pfarrer untauglich gewesen. Und eigentlich gehen Militärs auch in die Offensive, scheuen den Angriff nicht und lassen den Gegner sichtbar erleben, was man für ein Kerl ist. Sie scheinen als in Ruhe Befindlicher die Schrift zu bevorzugen – Ihre inhaltsschweren Texte als Gegenangriff auf Wolff bezeugen dies. Sie wollen also nicht aus der Deckung – nun ja. Ich bleibe dabei – elektronische Diskussionen sind eine Möglichkeit, die beste scheint sie mir nicht zu sein. Und ich werde nicht müde ständig zu wiederholen, dass das öffentliche Podium die bessere Variante ist (vom Bundestag rede ich hier allerdings nicht!). Ihnen wünsche ich nun für den 24.09. die richtige Wahlentscheidung; jedenfalls kann und darf es wie bisher nicht weitergehen. Der allgemein chloroformierte Zustand in unserem Lande ist wahrlich der erstrebenswert lebendigen Demokratie mehr als abträglich und befördert keine Visionen. Entgegen der Helmut Schmidtschen Ansicht ist vielmehr Visionslosigkeit und Lethargie Krankheitssymptom! Auch das hält mich davon ab, CDCSU zu wählen. In Ihre Kemenate herzliche Empfehlungen – Jo.Flade Ein PS: trotz Burka ist es möglich, durch den Gewandschlitz in die Augen zu sehen – man muss es nur wollen!
Na, lieber Herr Flade, dann sind wir ja schon weit gekommen, wenn Sie jetzt erkennen, daß „Meldungen“ zur „Reflektion“ Anlaß geben und nicht immer zum Schaden. Daß wir uns nicht Auge in Auge gegenüber sitzen , mag bedauerlich sein, spiegelt aber eben die Realität – und ist auch kein Schade, denn viele Meinungen artilkulieren sich in schriftlichen Foren und nicht nur im unmmittelbaren Gespräch.
Und was Sie so „großartig“ nennen – nämlich sachliche Diskussion und Austausch sachlicher Argumente – habe ich ja nun schon ewig erfolglos eingefordert. Es bedürfte dazu – das ist wichtiger – einer gewissen Gelassenheit und der grundssätzlichen Erkenntnis, daß der politische Gegner zwar eine andere Meinung hat, aber trotzdem durchaus mal was Richtiges denken oder sagen kann. Das versuche ich ja, Herrn Wolff verständlich zu machen. Und seine Reaktionen – „ich habe aber das Recht, meine Kirche zu kritisieren“, „ich darf aber als Pfarrer meine politische Meinung sagen“, etc – zeigen doch, daß er sich angegriffen fühlt, anstatt die inhaltliche Herausforderung anzunehmen.
Ich freue mich aber, daß wir beide wieder eine Übereinstimmung haben: daß man sich nämlich in die Augen sehen muß. Das heißt: keine Burka, keine Verschleierung des eigenen Namens auf einem blog, klares Bekenntnis zur eigenen Meinung auch in der elektronischen Diskussion!
Ich schließe mich Ihnen an – Adieu,
Andreas Schwerdtfeger
Nachtrag: An der Podiumsdiskussion zum Pfarrertag am Donnerstag wird es nach den Vorträgen auch eine Podiumsdiskussion zum Thema geben. Der Leipziger Oberbürgermeister Jung (SPD) wird mitdiskutieren, als Einziger in der Runde, der zurzeit ein politisches Amt bekleidet. Das hat bestimmt die CDU eingefädelt…
Verehrter A. Schwerdtfeger – Sie formulieren bemerkenswerter Weise in Ihrer vorletzten Reaktion: „Ich würde gerne Ihre sachlichen Gegenargumente hören und dann mit Ihnen diskutieren“ – großartig! Genau dies wünschte ich mir, und ich gab diesem Ansinnen, nun auch Ihrerseits angeboten, vergangenheitlich in diesem Portal vehement Ausdruck! Meine Auffassung zum streitbarem Diskurs ist das sich Gegenübersitzen, sich in die Augen sehen können, selbst bei bzw. erst recht divergierenden Standpunkten (was ja ein Gespräch ja erst interessant macht, sonst kann man es ja bleiben lassen bei Gleichartigkeit oder Übereinstimmung). Und noch etwas: ich bin seit Jahren überzeugt davon, dass Kirche ein politisches Mandat hat, sich einzumischen hat, sich klar positionieren, vor allem dann, droht Demokratie in Lethargie zu zerbröseln. Und dass der sächs. MP St. Tillich demnächst zum Pfarrertag in Leipzig (St.Nicolai) ein Grusswort sprechen soll (die Sächs. Landeskirche hat aber auch eigenartige Ideen…; von gebotener Staatsferne ist da kaum etwas zu spüren) zu: „Wie politisch soll, darf und kann Kirche heute (noch) sein?“ ist nach meiner Wahrnehmung völlig daneben; dieses Thema wäre doch eher eines, was in der Amtskirche und auch in der EKD ventiliert werden sollte. Und Herr Schwerdtfeger: meinen Sie wirklich, Chr. Wolff fühle sich durch Ihre Reaktionen persönlich angegriffen? Wenn ja, dann mutmaße ich, dass eher Sie in Verteidigungsposition Lust haben zu gehen, was ja Angriff voraussetzt (Sie wissen als ehem. Militär viel besser, dass es da eine Kausalität gibt. Und ein letztes: tatsächlich – Ihre Skriptmeldungen animieren mich zu reflektieren, und dies nicht immer zu Ihrem Schaden. Adieu – Jo.Flade
Lieber Herr Wollf,
ich gehe nicht davon aus, am Donnerstag in Leipzig einer Wahlkampfveranstaltung der CDU beizuwohnen oder gar mein Wahlverhalten davon beeinflussen zu lassen – das wäre auch völlig unangemessen. Da haben Sie sicher recht. Nun ist der Ministerpräsident Sachsens aber Mitglied der CDU. Und er ist eingeladen. Das mag Ihnen nicht gefallen, so ist aber das Leben.
Daraus abzuleiten, dass die Sächsische Landeskirche sich der CDU anbiedert, halte ich für hanebüchen. Mir würde auch nicht einfallen, dass landläufig die Kirche mit der CDU identifiziert werden würde. Wer sich an die letzten Präsides und die Ratsvorsitzenden der EKD erinnert, wird wohl unschwer feststellen können, dass viele ein Parteibuch hatten und haben (Grüne, hautsächlich SPD, zurzeit auch FDP), ein CDU/CSU-Parteibuch war und ist nicht dabei. Merkwürdig, da höre ich keine Kritik oder das Heulen von Frau Kallenbach. Wieso bloß?
Das Kondolenzbuch für Helmut Kohl in der Frauenkirche wurde neben dem Ministerpräsidenten und dem Landesbischof auch vom Dresdner Oberbürgermeister unterschrieben. Der ist FDP-Mitglied und hatte sich im ersten Wahlgang gegen einen CDU-Kandidaten behauptet. Insofern ist die Kritik haltlos.
Mit freundlichen Grüßen,
Christian Schubert
Lieber Herr Schubert, lassen Sie mich ein paar Dinge festhalten: 1. In der Mitteilung des Landeskirchenamtes heißt es „der CDU-Politiker wird die Frage ‚Wie politisch soll, darf und kann Kirche heute (noch) sein?‘ behandeln“. 2. Ein Kondolenzbuch für einen Politiker hat seinen Platz im Landtag oder Rathaus, nicht aber in einer Kirche. Gerne kann in einer Kirche ein Kondolenzbuch für einen Obdachlosen liegen, der seit Jahren die Kirche zum Aufwärmen aufsucht und nun unter der Brücke gestorben ist. 3. Dass sich der Landesbischof in ein Kondolenzbuch für wen auch immer einträgt, ist sein gutes Recht. Wenn er dies eingerahmt von der Staatsspitze tut, bekommt die Sache ein sehr unangenehmes „Geschmäckle“ – völlig unabhängig davon, um wen und mit welcher Parteizugehörigkeit es sich da handelt. 4. Die vorgesehene Podiumsdiskussion macht die Sache nicht besser. Denn was völlig fehlt – und da sind sich dann CDU Sachsen und Landeskirchenamt wieder ganz nahe: eine offene Diskussion derer, die am Donnerstag zusammenkommen – Pfarrerinnen und Pfarrer. 5. Meine Kritik richtet sich nicht gegen die CDU. Sie richtet sich gegen die Veranstalter des Pfarrertages. Beste Grüße Christian Wolff
„Unfähigkeit, Verschwendung und Leistungsfeindlichkeit erlebe ich, wenn ich, was oft vorkommt, mit Staatsdienern verhandeln muss“ – ist das nicht eigentlich pauschale „Beleidigung und Beschimpfung“? Wir wollen nicht kleinlich sein und ich bin sowieso nicht betroffen, da ich nicht Beamter war. Aber der Autor dieser Zeilen erlebt wahrscheinlich nur die Realität des Sprichworts „wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus“. Unsere Beamten sind so schlecht nun auch wieder nicht.
Schön aber, daß unsere Demokratie solche kleinlichen und überwiegend unzutreffenden Sottisen auch erlaubt (oder darf ich nicht „Sottisen“ sagen?).
Andreas Schwerdtfeger
Andreas: Meine bessere Hälfte ist Beamtin, die sieht jeden Tag, was dort herauskommen kann! Ich bin immer freundlich und versuche jeden Tag, für meine Angestellten und mich das Beste zu erreichen. Auch ich bin der Meinung, dass man AFD und die Linkspartei akzeptieren muss, eine Demokratie hält die aus und die führen die Großen dazu, mehr über gute Politik nachzudenken! Die Demokratie erlaubt es auch, zum Thema 3. Reich, den dt. Dauerbrenner, eine andere Meinung zu haben. Ich lehne es ab, jedem dt. Bürger eine Schuld einzureden, die ist immer persönlich! Die BRD/Europa wird nicht jeden Flüchtling aufnehmen können, da ist kein neuer Schuldkult aufzubauen, da bitte ich die Politik eindeutig! Wir haben gemeinsam, immerhin, dass mit Putin geredet werden soll, was auch sonst!? Einmalige Beamtenprivilegien, damit soll es beendet sein, halte ich übrigens nicht für eine unwichtige Kleinigkeit!?
Habe ich bestritten, daß Sie Ihre Landeskirche kritisieren dürfen? Ich habe Sie gefragt, warum in einem Fall eine Rede zu „Politik und Kirche“ eine „peinliche Merkwürdigkeit“ ist und in Ihrem Fall eine Stellungnahme zum gleichen Thema nicht.
Und wer hat denn von Autobahnen gesprochen? Ich habe ausgeführt, daß die Leistungen der deutschen Soldaten in den beiden unsäglichen Kriegen des letzten Jahrhunderts psychisch und physisch herausragend waren (der sowjetischen übrigens auch) – und dies unabhängig davon, daß zwischen uns beiden Konsens besteht in Sachen Würdigung des 3. Reiches und der Nationalsozialisten.
Es ist mir ein Rätsel, warum Sie sich ständig angegriffen fühlen, wenn man anderer Meinung ist als Sie. Auch dazu fällt mir nur Stephen Green ein (siehe oben): „… an identity that seeks security through aggression is fundamentally insecure. Aggression is one step away from self-doubt“ – also bleiben Sie doch besser gelassen im Meinungsstreit. Ich bin anderer Meinung als Sie, ja, aber – im Gegensatz zu Ihnen in umgekehrter Richtung – achte ich Ihre Meinung und Ihre Person. Nehmen Sie doch – als Fachmann schließlich – einmal Stellung zu meiner These, daß Kirche dann glaubwürdiger sei, wenn sie sich politisch eher durch langfristige und also etwas abstraktere „Leitlinien“ in Politik einmischt, als wenn sie sich ständig in tagespolitischen Diskussionen selbst zum Streitobjekt macht. Ich würde gerne Ihre sachlichen Gegenargumente hören und dann mit Ihnen diskutieren.
Und ja: Ich bin optimistisch in Sachen der Wahl bezüglich ihres Ausgangs. Daß allerdings AfD und SPD oder „Linke“ und SPD nur ein paar %punkte trennen werden, das stimmt mich traurig – und da ist doch wohl auch Gemeinsamkeit zwischen uns!
Mit herzlichem Gruß,
Andreas Schwerdtfeger
Erklären Sie mir, lieber Herr Wolff, warum es eine „peinliche Merkwürdigkeit“ ist, wenn Herr Tillich vor der Wahl seine Meinung zum Thema „Kirche und Politik“ sagt, es aber offensichtlich keine Peinlichkeit ist, wenn Sie das gleiche tun. Im übrigen wurde ja wohl das Datum der Veranstaltung ebenso wie die Einladung an Tillich von der Kirche festgelegt.
Und erklären Sie mir, warum es eine „Geschmacklosigkeit“ ist, wenn jemand, der sich mit der AfD sachlich auseinanderzusetzen versucht, dort eine Rede hält (wohl ebenfalls auf Einladung). Schon im Falle Putin wurde versucht, diejenigen an den Pranger zu stellen, die sich bemühten, eine vorhandene politische Größe sachlich-argumentativ zu bekämpfen, als „-Versteher“ zu diffamieren. Richtig aber ist: Nur wer die vorhandenen Stimmungen ernst nimmt – also inhaltlich „versteht“, auch wenn er sie nicht teilt – hat eine Chance, sie überzeugend zu bekämpfen. Das ist ja Ihr ständiges Problem.
Und drittens: Die „Linke“ und die „AfD“ sind radikale und eigentlich nicht wählbare Parteien. Daß aber trotzdem auch aus diesen Lagern bisweilen Richtiges zu hören ist, läßt sich nicht bestreiten. Es ist kein Widerspruch, wenn man die Verbrechen der Nazis und die erhebliche Verstrickung der Wehrmacht in diese Verbrechen anerkennt und kritisiert und gleichzeitig die Tapferkeit und unglaublichen (physischen und psychischen) Leistungen der Wehrmachtssoldaten im Felde bestätigt. Auch der Sozialist Mitterand hat dies – zu Recht – getan. Und was für eine „Beschimpfung“ ist es, ALLE Wehrmachtssoldaten pauschal zu verurteilen!
Sie haben neulich einen Kommentar von mir über die Zensurklinge springen lassen, weil ich einen Beitrag auf Ihrem blog als „wirr“, den Autoren konsequent als „Wirrkopf“ bezeichnet hatte, mit der fadenscheinigen Begründung, daß „Beleidigungen und Beschimpfungen auf (dem) blog nichts zu suchen“ hätten – ich kann zwischen „wirr“ und „peinlich“ oder „Geschmacklosigkeit“ keinen wirklichen Unterschied erkennen (und das muß Ihr demokratischer Diskurs auch aushalten können).
Zur Sache: Wir haben uns ja schon öfter ausgetauscht über die Frage, wie politisch Kirche sein darf – und es besteht, glaube ich, Einigkeit, daß Kirche politisch ist und auch sein muß. Die Frage ist also eine des wie, nicht des ob. Ich bleibe dabei, daß Kirche dann am glaubwürdigsten ist, wenn sie sich aus unmittelbaren tagespolitischen Diskussionen im Sinne eines Für oder Wider heraushält und stattdessen langfristig gültige Grundsätze und Gedanken formuliert – ich würde ja „Leitgedanken“ sagen, wenn ich nicht Ihre Scheu vor dem Wort „Leit-“ kennte.
Und neben dieser Einigkeit zwischen uns besteht dann eben der Dissenz zum „C“ im Namen der CDU/CSU. Der christliche Gedanke äussert sich nicht, jedenfalls nicht ausschließlich in mantrahaft vorgetragener Abneigung gegen legale Abschiebungen, sparsam gehandhabte Rüstungsexporte, Unterminierung der Rechtsstaatlichkeit durch Kirchenasyl und Gegnerschaft zur Gleichmacherei in Bildungsfragen. Er äußert sich doch vielmehr in friedenserhaltender Politik – die im übrigen augenblicklich zB Herr Gabriel im Auftrag der Kanzlerin in Sachen Nordkorea betreibt –, in der Schwarzen Null – die einigermaßen für die Chancen unserer Nachkommen sorgt –, im Abbau der Arbeitslosigkeit und Stärkung nachhaltiger Arbeitsplätze sowie auch in der klugen Abwägung zwischen konkurrierenden Zielen, wenn man zB an die augenblickliche Kontroverse zwischen Umwelt und (Auto-)Industrie denkt. Reduziert man natürlich das Wort „christlich“ auf religiösen Fundamentalismus, dann stimmt es wohl, daß das nicht zur CDU paßt.
Die Wahlentscheidung ist „nüchterne Abwägung“, schreiben Sie und ich stimme Ihnen zu. In seinem ausgezeichneten Buch über Deutschland „Reluctant Meister“ schreibt der englische Autor Stephen Green: „…the stark lesson of the 20th century is that even when it triumphs, socialism proves unable to inspire the human spirit for long“. Das genau ist „nüchterne Abwägung“ – belegt in der Geschichte seit der vor 100 Jahren erfolgten Russischen Revolution bis zum heutigen Venezuela.
Wir werden ein Parlament bekommen mit einer einigermaßen starken CDU/CSU und fünf kleinen Parteien. Auch wenn „Jamaika“ keine wirklich gute Option ist, wünsche ich der SPD, daß sie in einer Phase der Opposition endlich wieder das wird, was Sie so optimistisch als augenblicklichen Ist-Zustand beschreiben: Eine Partei realistischer Friedenspolitik, verantwortlichen Umgangs mit dem Geld Anderer (des Steuerzahlers nämlich und das heißt: Der Leistungsträger in diesem Lande), der Anerkennung des Wunsches der meisten Deutschen nach Beibehaltung unseres Lebensstils, unserer Rechtsordnung, unseres Umgangs miteinander, und schließlich der Zukunftsorientierung im Gegensatz zum Beschwören vergangener Leistungen.
Mit herzlichem Gruß und möge der Bessere gewinnen – ich würde es (Konjunktiv!) neidlos, wenn auch unglücklich anerkennen, wenn wider Erwarten SPD mit Fortschritt verwechselt würde;
Andreas Schwerdtfeger
1. Ich bin weder Landeskirche, noch Landesbischof, noch Einladender. Also ist es mir sehr wohl erlaubt, diese Veranstaltung im Vorfeld zu kritisieren – weniger die eingeladenen Akteure, sondern den Veranstalter.
2. Nein, lieber Herr Schwerdtfeger, das „Autobahn-Argument“ greift eben nicht, um die Verbrechen Hitlers zu relativieren bzw. wer es benutzt, hat nur die Absicht, etwas zu beschönigen, um genau an die Bedingungen, die zu den Verbrechen geführt haben, anknüpfen zu können. Genau diese Absicht verfolgen die AfD und ein Herr Gauland.
Ansonsten werden wir sehen, wie die Wahlen am nächsten Sonntag ausgehen. Über ihre optimistische Prognose kann ich mich nur freuen. Ihr Christian Wolff
Ja, gehen wir mit dem Geld der Anderen gut um, dann aber auch in allen Punkten! Zum Sozialismus, arbeite als Geschäftführer eines Betriebes, mehr dazu nicht- aber: Unfähigkeit, Verschwendung und Leistungsfeindlichkeit erlebe ich, wenn ich, was oft vorkommt, mit Staatsdienern verhandeln muss. Da ist meist kein Verständns für Arbeit und Einsatz, scheinbar schlafen die auf Akten. Faulheit wird nicht bestraft!
Christian: Warum keine Abschiebungen? Die SPD bekennt sich auch im Wahlprogramm dazu, natürlich immer hinsehen, aber generell sollte abgeschoben werden, wenn möglich! Die Wahl ist gelaufen. Eine GroKo finde ich besser als andere Lösungen! Ja zum Realismus, aber bitte in möglichst allen Punkten, Danke!
Den Sächischen Pfarrertag so kurz vor der BT-Wahl unter ein solches Motto/Agenda mit den ausgewählten Referent*innen zu stellen, widerspiegelt den Zustand unserer Landeskirche. Es ist zum Heulen. Aber wir geben nicht auf, schließlich haben wir eine persönliche Verantwortung vor Gott und den Menschen. Um diese wahrzunehmen, dürfen Christ*innen auch gerne Bündnisgrün wählen mit guten Konzepten zur Bewahrung Gottes guter Schöpfung.
Lieber Herr Wolff, mögen viele Christen Ihrem Appell folgen und wählen gehen. Ob nun die SPD oder doch die CDU oder eine andere Partei – gemessen an christlichen Wertvorstellungen – die beste Wahl ist, muss eine jede und ein jeder für sich selbst entscheiden. Die AfD ist für Christen auch aus meiner Sicht nicht wählbar. Noch ein „redaktioneller“ Hinweis: der Präsident des Sächsischen Landtages ist Dr. Matthias Rößler. Herzliche Grüße, Ihr Roman Götze
Nun, das war auch hier im Ländle lange ähnlich, wie Sie sich vielleicht als Ex-Mannheimer erinnern. Es hat sich geändert, zumindest für die Evangelischen. Nun, dass es interessant sein kann eine AfD Versteherin mal anzuhören, kann ich etwas nachvollziehen. Ich würde aber gerne auch Frank Richter dazu hören. Der gehört da unbedingt als Co-Referent hin. Ich bin überzeugt, nur wenn man ein bisschen was davon versteht, war und was Leute daran gut finden – und das hat mE etwas mit dem politischen Abgehängt sein zu tun – werden wir ab dem 25.9. dran gehen können und müssen, den offenen und öffentlichen Diskurs zu eröffnen, mit dem was die AfD Wähler, vor allem die Verdrossenen und allgemein Frustierten, umtreibt und warum.