Jetzt wissen wir es aus berufenem Munde: Der Präsident des Bach-Archivs, Sir John Eliot Gardiner, ist bei der Eröffnung des diesjährigen Bachfestes ein bedauernswertes Opfer schlechter Kommunikation durch den Geschäftsführer des Bach-Archivs, Alexander Steinhilber, geworden (siehe Artikel von Peter Korfmacher „Es klemmt bei der Kommunikation“ in der Leipziger Volkszeitung (LVZ) vom 20. Juni 2017). Weil dieser versäumt habe, einen Vertreter des Gewandhauses zu einer Pressekonferenz einzuladen, sei Gardiner sozusagen „gezwungen“ gewesen, bei der Eröffnung des Bachfestes in der Thomaskirche „Schadensbegrenzung“ zu betreiben. Ja, und dann ist der arme Herr Gardiner auch noch viel zu spät darüber informiert worden, dass er eine Rede in der Thomaskirche zu halten habe. Ach so, dass der Präsident des Bach-Archivs einführende Worte zur Eröffnung des Bachfestes sprechen soll – es ist wirklich etwas völlig Neues und Überraschendes, mit dem Herr Gardiner nicht rechnen konnte. Es war ja auch erst die 19. Eröffnung des Bachfestes in der Thomaskirche.
Was immer der Feuilleton-Chef der LVZ, Peter Korfmacher, mit seinem Artikel bezweckt – es zeugt nicht gerade von journalistischem Mut, einen Bückling vor dem großen Sir John Eliot zu machen, um dann den Geschäftsführer des Bach-Archivs in die Pfanne zu hauen. Da kann es auch nicht verwundern, dass Herr Korfmacher sich ausgiebig darüber auslässt, dass diejenigen, die sich von einem Empfang zum nächsten hangeln, sich in diesem Jahr im VIP-Zelt auf dem Marktplatz nicht mehr auf Kosten der Stadt Leipzig rundum satt essen konnten. Was für ein kultureller Verlust, wenn sich Sponsoren auch einmal unters Bachfest-Volk mischen sollen! So wie Korfmacher kann nur einer schreiben, der offensichtlich über Hinterzimmer Klatsch und Tratsch vergisst, die Wirklichkeit wahrzunehmen. Diese Wirklichkeit sieht so aus: Dem Leitungsteam des Bach-Archivs ist es gelungen, den Versuch, das Bachfest in der glamourösen Unkenntlichkeit eines Musikfestivals aufgehen zu lassen, abzuwehren. An diesem Abwehrversuch hat Herr Korfmacher leider wenig Anteil. Außerdem ist es dem Bachfest-Team gelungen, ein inhaltlich wie musikalisch hervorragendes Bachfest auf höchstem Niveau zu organisieren und gleichzeitig die Kostenseite im Blick zu behalten. Beides hat zur Stärkung der internationalen Reputation dieses weltweit singulären Festivals beigetragen. Das kann dann sogar Herr Korfmacher nicht weg schreiben.
Allerdings: Dieses ist auch ohne den derzeitigen Präsidenten des Bach-Archivs möglich. Sein Anteil am Bachfest – und das zeigt, wie fatal die Interessenskollision zwischen Präsidentenamt und aktivem Musiker ist – beschränkt sich auf die Absicherung der Auftritte seiner Ensembles beim Bachfest und seiner Dirigate im Gewandhaus. Kaum ist der letzte Ton der von ihm geleiteten Konzerte verklungen, zeigt der Präsident der Musikstadt Leipzig die kalte Schulter. Was andere zum Bachfest beizutragen haben, interessiert ihn herzlich wenig. Das erklärt übrigens auch, warum der löbliche Kantatenring im nächsten Jahr innerhalb von 48 Stunden stattfinden muss: Er beginnt am Freitag unmittelbar nach dem Eröffnungskonzert, natürlich mit den Gardiner-Ensembles, und wird durch dieselben am darauffolgenden Sonntag abgeschlossen. Da weiß man jetzt schon, dass Gardiner – wenn überhaupt – zur Eröffnung nur kurz in der Thomaskirche weilen und spätestens montags Leipzig wieder verlassen wird.
Dem Präsidenten des Bachfestes hätte es aber gut angestanden, am vergangenen Sonntag das Abschlusskonzert des diesjährigen Bachfestes mitzuerleben. Da hat der ehemalige Gewandhauskapellmeister Herbert Blomstdedt wie kein anderer verdeutlicht, was die Musik Johann Sebastian Bachs, insbesondere die h-Moll-Messe, so einmalig macht: Es geht eben nicht nur darum, die in Noten gesetzte Musik mit Perfektion zu Gehör zu bringen, sondern auch die Botschaft, die unter den Noten steht, zu interpretieren und als für uns Menschen unverzichtbar zu kommunizieren. Das ist Herbert Blomstedt mit dem Dresdner Kammerchor und dem Gewandhausorchester in eindrucksvoller Weise gelungen – ein Bekenntnis zur universalen Gültigkeit des Glaubens und zur Bachstadt Leipzig. Diese Verbindung zwischen absoluter Professionalität und Demut vor dem Werk und der Botschaft zeichnet die Leipziger Musiktradition aus. Sie wird auch in Zukunft Menschen aus aller Welt nach Leipzig zum Bachfest kommen lassen.
Eine Antwort
Lieber Herr Wolff,
vielen Dank für Ihre klaren Worte. Immerin bleibt sich Herr Korfmacher wieder mal treu in seiner öffentlich vorgetragenen Bückhaltung gegenüber altgedienten Künstlergrößen, die ihren Zenit überschritten haben. Ein Motiv dafür aufgrund privater Verbindung zu suchen bleibt Spekulation, scheint aber wie in vergleichbaren Fällen sehr wahrscheinlich. Nur zeigt sich damit einmal mehr, dass sein Job, der eine objektive Berichterstattung erfordert (ja, auch in der Kultur darf es das geben!), nicht zu ihm passt. Doch wer darf den Hauptkritiker in Leipzig schon öffentlich kritisieren? Herr Korfmacher gehört in meinen Augen mittlerweile selbst zu den „alten Künstlergrößen“, die ihren Zenit hinter sich haben. Jetzt verstehen Sie vielleicht auch seine Position.