Am 08. Mai 1985 hat der damaligen Bundespräsident Richard von Weizsäcker in einer historischen Rede vor dem Deutschen Bundestag ausgerufen: „Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.“ Damit hatte von Weizsäcker deutlich gemacht: Mit dem 8. Mai 1945 konnte in Deutschland eine Freiheitsgeschichte beginnen, die Westdeutschland 1949 mit dem Grundgesetz eine demokratische Entwicklung ermöglichte und die in der Friedlichen Revolution 1989 ihre Fortsetzung fand. Doch seltsam: Heute, am 08. Mai 2023 ist in den Nachrichtensendungen des Deutschlandfunks nur noch vom „Ende des 2. Weltkrieges“ die Rede. Mit keinem Wort wird die Befreiung vom Faschismus thematisiert – und das in Tagen, in denen der alltägliche Faschismus vor allem in Ostdeutschland unverhohlen seine Fratze zeigt und der Demokratieverachtung Vorschub leistet:
- Am vergangenen Mittwoch, 03. Mai 2023, wurde auf das Wahlkreisbüro des SPD-Bundestagsabgeordneten Karamba Diaby in Halle/Saale ein Brandanschlag verübt. Durch die Aufmerksamkeit und das schnelle Eingreifen von Passanten konnten der Brand schnell gelöscht und der Täter kurz nach dem verübten Anschlag gefasst werden. Merkwürdig nur: Für Karamba Diaby ist der Täter kein Unbekannter. Er ist schon öfters durch seine rassistischen Äußerungen aufgefallen. Doch die Polizei sagt, dass „der mutmaßliche Täter … den Beamten bereits bekannt (sei).“ Er sei zuletzt „wiederholt aufgefallen“. Derzeit werde geprüft, ob der Mann in eine Psychiatrie eingewiesen werden solle. Und die Staatsanwaltschaft hat sich bis jetzt im Blick auf das Motiv des Täters noch nicht festgelegt. Seit einigen Tagen hört man über den Anschlag nichts mehr.
- In der Nacht vom 06. auf den 07. Mai 2023 wurde in der Ferienanlage „Nora Runneck“ in Heidesee (Brandenburg) am Frauensee gelegen eine 10. Klasse aus Berlin rassistisch beleidigt und bedroht – von einer Gruppe, die teilweise auch in der Ferienanlage untergebracht war. Sie wollte dort mit ortsansässigen Gästen einen 18. Geburtstag zu feiern. Viele der bedrohten Schüler:innen haben Migrationshintergrund, etliche Schülerinnen trugen ein Kopftuch. Die Schulklasse aus Berlin wollte sich auf eine Mathematikprüfung vorbereiten. Die verantwortlichen Lehrer baten die Eltern der Schüler:innen, diese noch in der Nacht abzuholen. Sie selbst fuhren am frühen Sontagmorgen mit den verbliebenen Schüler:innen nach Berlin zurück.
- In einem Offenen Brief haben Lehrer:innen einer Schule in Spree-Neiße auf den wachsenden Rechtsextremismus im Schulalltag hingewiesen: „Wir werden in unserem Arbeitsalltag als Schulpersonal täglich mit Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie konfrontiert. … Schulmobiliar wird mit Hakenkreuzen beschmiert, rechtsextreme Musik wird im Unterricht gehört und das Rufen von demokratiefeindlichen Parolen füllt die Schulflure.“ Täglich würden die wenigen migrantischen Schüler bedroht und gemobbt. Lehrkräfte seien „damit beschäftigt, Schüler vor psychischer und physischer rechter Gewalt zu schützen und demokratische Grundwerte zu vermitteln“ heißt es in dem Brief. Lehrkräfte und Schüler, die offen gegen rechtsorientierte Schüler- und Elternhäuser agieren, würden um ihre Sicherheit fürchten. Aus Gespräche mit Lehrer:innen in Sachsen weiß ich, dass gerade im ländlichen Bereich rechtsextremistische Ansichten unter Schüler:innen, aber auch unter Lehrer:innen weit verbreitet sind.
Dazu passt, dass die rechtsnationalistische AfD in Ostdeutschland laut dem Meinungsforschungsinstitut INSA derzeit bei der Bundestagswahl mit 27 Prozent der Stimmen stärkste Partei würde. Das zeigt: Inzwischen hat sich ein festes Wählerpotential für den organisierten Rechtsextremismus von gut einem Viertel der Wahlberechtigten gebildet. Dies ist mehr als alarmierend. Denn auch wenn es sich „nur“ um eine Meinungsumfrage handelt – deutlich ist: Der Rechtsnationalismus ist in vielen Regionen Ostdeutschlands längst zur gesellschaftlichen Normalität geworden, fest verankert in den Köpfen und Herzen zu vieler Menschen bei gleichzeitiger Verachtung der Grundlagen der repräsentativen Demokratie. Dieses weiter mit den Verwerfungen der deutschen Einheit zu erklären und damit zu verharmlosen, greift viel zu kurz. Vielmehr stehen wir vor dem alarmierenden Ergebnis verfehlter, bzw. kaum vorhandener Demokratiepolitik in den vergangenen über 30 Jahren.
Doch die eigentliche Hauptursache für die durchaus bedrohliche Lage sehe ich woanders: Die Führungskräfte vor Ort: Bürgermeister:innen, Rektor:innen der Schulen, Kita-Leiter:in, Sparkassen-Filialleiter:in, Vereinsvorsitzende, Pfarrer:innen, Handwerksmeister:innen, sind ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung nicht gerecht geworden. Denn eines ist deutlich: Überall dort, wo Persönlichkeiten, die das Leben einer Ortschaft prägen, eine klare Haltung zur Demokratie, zum Rechtsstaat, zur Vielfalt und Weltoffenheit einnehmen, hat der Rechtsextremismus wenig Chancen. Überall dort, wo dem Rassismus, der Fremdenfeindlichkeit, der Demokratieverachtung deutlich entgegengetreten wird, werden die Höckes, Urbans, Weidels, Chrupalla schnell entzaubert – vor allem wird den wenigen Mutigen vor Ort der Rücken gestärkt und Angst genommen. Doch das geschieht viel zu wenig. Darum ist die politische Lage in Ostdeutschland nicht nur im Blick auf die kommenden Wahlen mehr als beunruhigend: Es brau(n)t sich was zusammen! Hier sind alle gesellschaftlichen Kräfte gefordert. Es muss aufhören, dass wir dem rechtsextremistischen Denken immer mehr Raum geben – durch Beschwichtigen, Verharmlosen, Schweigen. Am heutigen Tag möchte ich erinnern an den berühmten Ausspruch von Pastor Martin Niemöller (1892-1984). Er war ab 1937 persönlicher Gefangener Adolf Hitlers im KZ Dachau: „Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie die Gewerkschaftler holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschaftler. Als sie die Juden holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Jude. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“
11 Antworten
Ich habe mittlerweile zunehmend Sorge um unsere „Diskussionskultur“. Themen werden eher nachrangig behandelt; stattdessen sind Parteien/Organisationen (insbesondere NGOs) „Gegner“, oder gar die neuen Faschisten!
Wenn nach der „…SPD auch die Linke keine Politik mehr für die produktiv tätige Bevölkerung macht, wandern auch viele dieser Stimmen zur AfD“. Parallel wird behauptet „daneben gleiten wir immer mehr in einen Verbots- und Vorschriftenstaat ab“.
Mit Christian Wolff fürchte auch ich, „da brau(n)t sich was zusammen“.
Um nicht missverstanden zu werden: Fehler passieren immer und immer wieder, sind ganz klar als solche zu benennen, aufzuklären, und müssen, wenn möglich, auch schnell behoben werden. Und ja, es ist nicht nur legitim, sondern sogar ursprüngliche Aufgabe von Opposition (und Medien), Fehler aufzuspüren und einer breiten Öffentlichkeit verständlich darzulegen.
Anders liegt der Fall jedoch bei der in diesem Zusammenhang auch zu beobachtenden immer stärkeren Zuspitzung, Personalisierung und in populistische Formulierungen gegossenen Vereinfachung („Cancel Culture“, „Gender Wahnsinn“, „Heizungs-Hammer“, „Klima-Terroristen“, „Nazis“, „Faschisten“…) von Themen. Mir scheint, damit soll primär Stimmung gegen Organisationen/Personen geschürt werden, und weniger eine Debatte mit Argumenten pro und contra geführt werden.
Selbstverständlich überhaupt nicht repräsentativ, aber auch in meinem privaten Umfeld bemerke ich eine gewisse Veränderung der Streitkultur: der Ton wird rauer, es wird abwertender, verletzlicher und polarisierender argumentiert. Die offene, inhaltliche Diskussion über so wichtige Themen wie Klimakrise, neue Friedensordnung, Corona-Folgen usw. findet kaum noch bis gar nicht statt!
Hier wird wohl ein brauner Popanz aufgebaut, um von den Schwierigkeiten in unserer Gesellschaft abzulenken, ähnlich wie es nach den migrantischen Silvesterkravallen durch Herrn Klingbeil geschah.
Man erinnert sich: Er behauptete öffentlich, dass in mehreren Städten (unter anderem in Borna, einer Stadt bei Leipzig) öffentliche Gebäude von Rechten unter „Sieg Heil“ Rufen in der Silvesternacht gestürmt worden waren. Schmälich mußte er nach einiger Zeit zugeben, dass er Fakenews verbreitet hatte.
Der Anschlag auf das Büro von herrn Diaby ist nicht zu entschuldigen. Brandanschläge sind aber auch eine besondere Spezialität linker Aktivisten, so dass es kein braunes Alleinstellungsmerkmal darstellt. Natürlich wundert man sich über das Verhalten von Polizei und Justiz, aber auch das ist kein Alleinstellungsmerkmal speziell für rechte Delikte. Wenn man über Messerstechereien durch migrantische Täter, Vergewaltigungen, Eisenbahnschubser, die Vorgänge um Lina E., oder auch ganz gewöhnliche Eigentums- oder Raubdelikte liest, kann man sehr häufig nur den Kopf schütteln. Dabei ist es natürlich klar, dass man bei Delikten gegen die eigene Weltanschauung immer für ein schnelles, hartes durchgreifen ist, ansonsten muß natürlich berücksichtigt werden, dass der Täter (beispielhaft) eine „schwere Kindheit hatte oder für ein gute Sache kämpft.
Wenn man sich mit einem Juristen über die Fälle unterhält, kommt schnell der Hinweis auf den Rechtsstaat und die Rechte der Täter.- ob es einem passt oder nicht.
Beim Ihrem 2. Bsp. ist es ja ganz offensichtlich so gewesen (wenn mann den verlinkten Bericht liest), dass keine Personen- oder Sachschäden erwähnt werden –, offenbar deshalb, weil es keine gab. Die Angreifer hätten gegen Türen und Fenster geschlagen, wohl nur nicht allzu heftig, da sonst etwas zu Bruch gegangen wäre.
Das wirft die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der Berichterstattung auf. Bei jedem nächtlichen Spaziergang durch Berlin oder gar einer Fahrt mit der U8 kann man unfreiwillig Zeuge von durchaus weit drastischeren Gewalttaten werden.
Als Pudels Kern bleibt eine hormongesteuerte, rassistische Pöbelei unter Jugendlichen.
Im Grunde hat in der Bevölkerung ein Anteil im niedrigen Einstelligen Prozentbereich eine rechte teils extreme Einstellung. Wenn rechte Parteien höhere Wahlergebnissse erzielen, ist das auf die MIESERABELE POLITIK zurückzuführen. Es gelingt dann die Stimmen von Protestwählern abzugreifen. Nach dem nach der SPD auch die Linke keine Politik mehr für die produktiv tätige Bevölkerung macht, wandern auch viele dieser Stimmen zur AfD.
Einige Punkte hat unten schon Herr Plätzsch beispielhaft angeführt: Grundsätzlich kann man feststellen , dass seit einigen Jahren eine massive Enteignungs- und Umverteilungspolitik von unten und der Mitte nach ganz Oben betrieben wird.
Daneben gleiten wir immer mehr in einen Verbots- und Vorschriftenstaat ab.
Ich persönlich habe seit meiner Jugend und dem frühen Erwachsenenalter eine ganz entschiedene Abneigung gegen die massiven Einschnitte und Vorschriften von außerhalb der Politik nicht eben erfolgreichen Leuten (Lebensläufe!!! / Ausbildung!!! /
berufliche Erfolgsgeschichte!!!) in mein persönliches Leben. – Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass diese Leute besser wissen als ich, was gut für mich und unsere Gesellschaft ist.
Der von Ihnen zitierte Niemöllerausspruch ist zwar sehr bekannt, passt aber außerhalb des Gedanken „wehret den Anfängen“ nicht in die heutige Zeit. Zur damaligen Zeit handelte es sich vor allem um staatlichen Terror.Dass der miese kleine Bürger / Blockwart seinen Anteil hatte, ist unbestritten, aber das Entscheidende war, dass die Eliten / Wirtschaft irgendwann erkannten, dass durch eine Förderung der Nazis noch besser Gewinne gemacht werden konnte.
Hört sich so an wie: Alles nicht so schlimm mit dem Rechtsnationalismus, denn was Herrn Diaby widerfahren ist, stellen auch Linksradikale an, am Heidesee gab es keine Verletzten, der Nationalsozialismus war Ergebnis der Eliten und der Wirtschaft und überhaupt: Heute ist nur in einem kleinen Bereich der Bevölkerung eine rechtsradikale Gesinnung vorzufinden. Also passt auch das Niemöller-Zitat nicht, denn in der Nazi-Zeit herrschte „staatlicher Terror“, hatte also mit der Bevölkerung nichts zu tun. Genau diese, in hiesigen Regionen durchaus verbreitete Sicht auf die Dinge, ist eine der Ursachen dafür, warum der Rechtsnationalismus sich ausbreiten kann: Man projiziert alle Missstände, Unzufriedenheiten, „Sorgen und Ängste“ auf Eliten und „die Wirtschaft“, bestätigt also die politische Unmündigkeit des einzelnen Bürgers, und rechtfertigt damit einige Grundelemente des Rechtsnationalismus. Dieser kann im Windschatten dieser Blindheit seinen Kampf gegen Demokratie und Freiheit fortsetzen. Ich kann es nur immer wieder betonen: Der Kampf gegen den alltäglichen Faschismus ist Aufgabe eines jeden Bürgers, einer jeden Bürgerin, genauso wie die Demokratie nur von Beteilung lebt.
Ich stimme Christian Wolff voll und ganz zu. Es muss gar kein „brauner Popanz aufgebaut“ (Erwin Breuer, 16.05.) werden, denn er ist leider schon da. Als Lehrerin und Ausbilderin von Referendar:innen kenne ich viele Schulen, auch im ländlichen Raum. Ja: es gibt Lehrkräfte und Schulleitungen, die wegschauen und/oder nicht deutlich genug intervenieren, wenn Hakenkreuze gezeichnet oder antisemitische, rassistische und sexistische Stereotype aufgerufen werden. Was sind die Gründe? Sind es eigene (braune) Überzeugungen? Oder Unwissenheit und Unsicherheit, was richtig und was falsch ist? Oder sind Einschüchterungen und daraus resultierende Angst Gründe fürs Wegschauen?
Fakt ist, dass auch durch neuere Studien (bspw. die Autoritarismus-Studien des Leipziger Else-Frenkel-Brunswik-Instituts und das aktuelle Jahrbuch https://efbi.de/details/zweites-efbi-jahrbuch-demokratie-in-sachsen-2022.html) belegt ist: Teile der sog. Mitte der Gesellschaft teilen einige der braunen Überzeugungen.
Ich finde es aber zu kurz gedacht, die ‚Schuld‘ für das Erstarken rechtsradikaler Parteien und Positionen der „miserablen Politik“ zu geben, wie es Erwin Breuer nahelegt. Abgesehen davon, dass damit die Verantwortung der Zivilgesellschaft, also von uns allen, relativiert wird, ist es meiner Erfahrung nach leider nicht nur Protest, der Leute so wählen lässt, zumal hier in Sachsen. Das brauchen wir uns nicht schönzureden. Das Argument ist auch deshalb etwas merkwürdig, weil es impliziert, demokratische Parteien würden die ‚Protestwähler‘ nur dann zurückgewinnen, wenn sie sich Teile der Agenda rechtsnationalistischer und populistischer Akteure zu eigen machten (bspw. die Wut gegen das Gendern mit Sonderzeichen); ein fataler Trugschluss, wie man an der CDU Sachsen sehen kann.
Ähnlich auch Klaus Plätzsch (08.05.): es wird sicher Leute geben, die aufgrund von Verhaltensweisen aktueller Politiker:innen rechtsradikale Positionen eher bereit sind, diese zu übernehmen. Ich finde es aber ein wenig abenteuerlich, zu denken, dass Personen rechtsradikalen Parteien deshalb wählen, weil sie sich bspw. darüber ärgern, dass Robert Habeck zunächst an seinem in Sachen erneuerbare Energien hochqualifizierten Staatssekretär festhalten wollte, obwohl dieser bedauerlicherweise gegen Compliance-Regeln verstoßen hatte, oder weil sie kein Verständnis dafür haben, dass und wie gerade um ein Gesetz zum verantwortungsvollen Umgang mit Heizungen, das für den Klimaschutz dringend notwendig ist, gestritten wird. Gerade fehlerhaftes Verhalten wird ja zumeist u.a. von Journalist:innen offengelegt, benannt und diskutiert. Jedoch tut das der Affinität zu rechtsradikalen Positionen keinen Abbruch. Diese fallen ja auch nicht erst in dem Moment vom Himmel, wenn Poltiker:innen Fehler machen oder wenn unübersichtliche, neue und krisenhafte Situationen Maßnahmen verlangen (Corona, Waffenlieferungen, Erwärmung über 1,5°C etc.), die manchen Leuten nicht gefallen. Rechtsradikale Akteure instrumentalisieren medial permanent sowohl Krisen als auch Fehler von Politiker:innen, und sie treffen damit offenbar auf eine gesellschaftliche ‚Mitte‘, zumal in Sachsen, die für derartige Narrative bereits offen ist und dann nicht adäquat reagiert, um rechte Umtriebe, bspw. an Schulen, beizeiten und wirksam einzudämmen.
Hallo Frau Keitel,
danke für den Hinweis auf die Autoritarismusstudie. Man sollte die Studie dann aber auch im Original lesen und nicht nur Auszüge von Dritten. Die Studie ist übrigens nicht von dem von Ihnen erwähnten Institut, sondern von der Heinrich Böll / Otto Brenner Stiftung.
In den Grafiken 7 bis 13 „Die Entwicklung der rechtsextremen Einstellung
in Deutschland von 2002 bis 2022“ wird meine oben ausgeführte Meinung ganz klar gestützt: Rückgang von „braunen“ Einstellungen und Meinungen z.T. um weit über 50%
im angegebenen Zeitraum auch in Ostdeutschland. Auf jeden Fall kein gravierender Anstieg.
MfG
Erwin Breuer
Ja, ich habe leider – aus Versehen – ein wenig ungenau zitiert; eigentlich wollte ich es so formuliert haben: „(bspw. die Autoritarismus-Studien und das aktuelle Jahrbuch des Leipziger Else-Frenkel-Brunswik-Institutshttps://efbi.de/details/zweites-efbi-jahrbuch-demokratie-in-sachsen-2022.html)“ – danke für den Hinweis, Herr Breuer.
Wie man ausgerechnet mit der Autoritarismusstudie von 2022 (https://www.boell.de/sites/default/files/2022-11/decker-kiess-heller-braehler-2022-leipziger-autoritarismus-studie-autoritaere-dynamiken-in-unsicheren-zeiten_0.pdf) allerdings Ihre ‚Thesen‘ bestärkt finden könnte, bleibt mir schleierhaft. Die Messungen gerade in Ostdeutschland weisen über die Jahre Schwankungen auf, was bedeutet, dass dort ein hohes Mobilisierungspotenzial für rechtsextreme Einstellungen jeglicher Art vorhanden ist (man sollte auch die Texte zwischen den Grafiken lesen). Und schon im Vorwort schreiben die Herausgeber:innen: „Der Rückgang in den Dimensionen der rechtsextremen Einstellung zeigt also einen Wandel der antidemokratischen Motive an, nicht deren verschwinden [sic!].“ (S. 13) und sprechen u.a. von einem „Rechtsextremismus der Mitte“ (S. 21). Zudem unterscheiden die Autor:innen der Studie kontinuierlich zwischen manifester und latenter Zustimmung zu rechtsextremen Positionen (siehe dazu die methodischen Ausführungen zur Studie in Kap. 2), und die Werte der latenten Zustimmung sind ziemlich hoch, bei fast jedem Thema, und insbesonder auch bei Proband:innen aus Ostdeutschland. Und um abschließend nur mal bei den von Ihnen angesprochenen Grafiken zu bleiben: Es gibt durchaus auch aktuelle, krasse, manifeste Belege für rechtsextreme Haltungen in Ostdeutschland, z.B. für Ausländerfeindlichkeit (Grafik 12, S. 52; siehe dazu auch Grafik 6, S. 46).
Beruhigend ist das alles mitnichten, auch wenn es in etlichen der untersuchten Dimensionen gerade keinen „gravierenden Anstieg“ zu beobachten gibt. Es ist vielmehr notwendig, dass politisch und aus der sog. Mitte der Gesellschaft unmissverständlich darauf reagiert wird.
Bravo, endlich mal jemand mit Durchblick! Ich vermute mal, Sie sind kein alimentierter Staatsdiener und haben daher den Bezug zur Realität noch nicht verloren, im Gegensatz zu einigen anderen hier.
Weiter so: Eckhard Pönisch
Lieber Christian,
ich bin sehr nachdenklich geworden über Deinen Artikel „Es brau(n)t sich etwas zusammen und stimme Dir zu. Ich lebe im Westen und beobachte seit einigen Monaten, wie sich die Erschöpftheit wandelt in Unzufriedenheit und in eine sehr brenzlige Atmosphäre: es braut sich etwas zusammen – und auch: es wird radikaler. Hier ist es gut, an die Rede von Weizäckers zu erinnern und uns ermutigen, das Gespräch zu suchen, wo wir sind. Dabei auch die, die Verantwortung tragen wie Bürgermeister und Gemeinderäte zu unterstützen. Wir brauchen den offenen Dialog, wo klar nach den Ursachen gefragt wird, warum die Unzufriedenheit so um sich greift.
Bundespräsident Dr. von Weizsäcker sprach in seiner berühmten Rede am 8. Mai 1985 bewusst von der Befreiung Deutschlands „von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.“ Heute wird zu häufig der Begriff des Faschismus synonym für die NS-Diktatur verwendet.
„Der deutsche Nationalsozialismus teilte zwar viele Merkmale der faschistischen Bewegung (insbesondere das Führerprinzip), unterschied sich aber v.a. in seinem obsessiven Antisemitismus, der über die anfängliche Entrechtung der Juden schließlich in deren systematische Vernichtung (Genozid) mündete, wesentlich vom italienischen Faschismus, der im Prinzip an der Monarchie und der Verbundenheit zur katholischen Kirche und deren Werten festhielt.“
https://dasrotewien.at/seite/faschismus
Im Januar 1993, also vor fast genau 30 Jahren, trat der deutsche Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Jürgen W. Möllemann, FDP („Riesenstaatsmann Mümmelmann“ – F. J. Strauß) von seinem Amt zurück. Was war geschehen? Er hatte auf amtlichem Briefpapier die Geschäftsidee (Einkaufswagenchip) eines Vetters seiner Frau empfohlen. Dies wurde als „Briefbogenaffäre“ bekannt.
Heute sorgt ein in den Medien gern als „bullig“ bezeichneter Staatssekretär für einen sehr gut bezahlten Posten seines Trauzeugens in einer staatlichen Einrichtung. Sein Chef, Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister, hält diese Handlungsweise für „heilbar“. Um die übrigen grünen Verwandtschaftsverquickungen bei der Vergabe staatlicher Posten darstellen zu können, bedarf es Schaubilder.
Aber diese Leute greifen brutal in das Privateigentum von Millionen Haus-, und Wohnungsbesitzern ein und schreiben ihnen vor, welche Heizungstechnik sie in wenigen Monaten nur noch einbauen dürfen. Gerade im Osten Deutschlands, wo die Vermögenslage zum großen Teil prekär ist, sorgt dies für Unmut.
Der Bundeskanzler (und sein Nachfolger als Erster Bürgermeister in Hamburg) kann sich partout nicht mehr an den Inhalt von Gesprächen bezüglich Erlass von 47 Mio € mit einem Bankmanager, der jetzt vor Gericht steht, erinnern.
Solche Verhaltensweisen tragen dazu bei, dass sich immer mehr Menschen von den etablierten Parteien abwenden. Das nutzen nicht nur die Rechts-, sondern auch Linkspopulisten wie Frau Dr. Wagenknecht, um ihr trübes Süppchen zu kochen.
Das ist mir auch aufgefallen. Der 8.Mai wurde im DLF nur als Tag benannt an dem der 2.Weltkrieg endete. Leider ist auch das nicht ganz richtig. In Ostasien ging der Weltkrieg noch einige Monate weiter und endete erst kurz nach 2 Atombombenabwürfen im August 45. Vorgestern waren wir mit unseren Enkeln, 17 und 18 Jahre alt, zu einem Besuch mit Führung in der Gedenkstätte Buchenwald. An so einem Ort wird das faschistische Grauen, in Buchenwald ausgeübt von meist 18jährigen SS-Leuten, jedenfalls in der Anfangszeit des Lagers von 1937 an, spürbar und geht unter die Haut. Es wäre allen Jugendlichen ein solcher Besuch zu wünschen. Es ist beängstigend, dass Höcke mit seiner neufaschistischen AfD-Truppe heute ausgerechnet in Weimar auftreten will und ja, dass sich so wenig Menschen davon beunruhigen lassen.
In der DDR musste auch ich im Zuge der Vorbereitung auf die Jugendweihe an einem Besuch der Gedenkstätte Buchenwald teilnehmen. Weil das staatlich verordnet war und vor allem die Kommunisten als Opfer dargestellt wurden, war der Eindruck auf die Klasse nicht sehr nachhaltig.