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Kirche auf gutem Grund? Eher nicht. Dafür zerstört die EKD ihre eigenen Fundamente – einige Anmerkungen zu den „Elf Leitsätze“ der EKD

An sich ist es zu begrüßen, dass die Repräsentant/innen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) auf die dramatische Krise der eigenen Institution reagieren. Seit einigen Tagen liegt ein Papier des „Z-Teams“ vor – eine Kommission, die sich mit Zukunftsfragen der Kirche beschäftigt. Dem Team gehören 18 Personen an, darunter allein 10 Bischöf/innen, Oberkirchenrät/innen und ein Superintendent. Doch wer die „Elf Leitsätze für eine aufgeschlossene Kirche“  liest, der kann die Kirche nicht „auf gutem Grund“ basierend sehen. Vielmehr gewinnt jede/r schnell den Eindruck: Hier wird mit viel die eigene Ratlosigkeit übertünchendem, pseudo-intellektuellem, theologisch verbrämtem Wortgeklingel das Fundament der Kirche zermahlen. Weder setzt sich das Papier mit dem dramatischen Erosionsprozess, dem die Institution Kirche in Deutschland ausgesetzt ist, ehrlich auseinander, noch können die Autor/innen eine diskussionswürdige Zukunftsperspektive aufzeigen. Das liegt auch daran, dass überhaupt nicht klar ist, welche Funktion die „Elf Leitsätze“ haben. Sollen sie eine Zukunftsidee von Kirche entwickeln, oder handelt es sich um einen Kriterienkatalog für zukünftige Fördermaßnahmen der EKD? Zehn der „Elf Leitsätze“ beginnen mit dem Satzgefüge „Zukünftig wird … gefördert …“ – was sofort den Anschein erweckt: Es geht um Verteilung von Geldern. Doch ist das das Hauptproblem der Kirche, der EKD? Auffällig ist, was in dem Papier überhaupt nicht vorkommt: der Mensch, der nach Orientierung, nach Gewissheit, nach Trost und Wegweisung sucht. Der Mensch, der sich in der digitalen Welt nicht in Algorithmen auflöst. Er/Sie lebt an einem bestimmten Ort, will in seinen/ihren Ängsten, seinen/ihren Bedürfnissen ernst genommen werden und ist sicher empfänglich für ermutigende Hinweise, welchen Mehrwert oder Gewinn es hat, wenn er/sie Mitglied in der evangelischen Kirche ist, bleibt oder wird. Ebenso wird mit keinem Gedanken reflektiert, dass die Krise der Kirche zu einem erheblichen Teil hausgemacht ist: der Verlust der Menschennähe durch seelenlose Funktionalisierung kirchgemeindlicher Arbeit und aberwitzige Strukturmaßnahmen, mit denen Kirchgemeinden nachhaltig beschädigt, wenn nicht zerstört werden.

Bei sorgfältiger Lektüre des Papiers wird sehr schnell klar, was es bezweckt – die Abkehr von zwei Grundsäulen kirchlichen Lebens: die Gemeinde vor Ort und der Gottesdienst an Sonn- und Feiertagen. Beidem soll der Todesstoß (oder in der Sprache des Papiers: „Versäulte Strukturen werden abgebaut …“ – 10. Leitsatz) versetzt werden:

  • „Parochiale Strukturen werden sich wandeln weg von flächendeckendem Handeln hin zu einem dynamischen und vielgestaltigen Miteinander wechselseitiger Ergänzung“ (6. Leitsatz) Es geht aber noch blumig-verräterischer: „Die Organisation und Institution wird insgesamt fluider und risikobereiter werden. Es gilt Beharrungskräfte einzuhegen. Parochiale Strukturen werden sich verändern …“ (10. Leitsatz, Zeile 469ff) Man könnte es auch einfacher sagen: Lösen wir doch die Ortsgemeinden auf und gründen virtuelle Glaubenszentren, die „dynamisch“ und „vielgestaltig“ agieren.
  • „Das Gottesdienstangebot wird insgesamt kleiner, aber es wird auch vielfältiger und darum nicht ärmer werden. Die evangelische Kirche braucht eine differenzierte und analytisch aufmerksame Selbstwahrnehmung ihres geistlich-gottesdienstlichen Lebens, um die Bedeutung des traditionellen Sonntagsgottesdienstes in Relation zu setzen zu den vielen gelingenden Alternativen gottesdienstlicher Feiern und christlicher Gemeinschaft.“ (6. Leitsatz, Zeile 268ff). Kein Wort zu den Alleinstellungsmerkmalen des Gottesdienstes: Liturgie, Predigt, Kirchenmusik und deren dringend erforderliche Qualifizierung, dafür ein Plädoyer für Luftnummern.

Da wird das ganze Dilemma des Papiers deutlich: Nicht einmal wird das thematisiert, worum sich die EKD-Gremien wirklich kümmern müssten, nämlich die Tatsache, dass der Kirche mit zunehmender Rasanz die Kundschaft wegläuft, und für viele Menschen nicht mehr erkennbar ist, warum Kirche für ihr Leben existenziell wichtig sein soll. Stattdessen nimmt man die Coronapandemie und das Reformationsjubiläum 2017 zum Ausgangspunkt für ein Schön-Wörter-Kartenhaus – ohne auch nur im Ansatz darüber nachzudenken, dass die Coronapandemie die schon lange währende Krise der Kirche krass an die Oberfläche gespült hat und das Reformationsjubiläum alles andere als gelungen betrachtet werden kann, geschweige denn nachhaltig wirksam war. So wird mit dem EKD-Papier der Weg der Selbsttäuschung weiter beschritten, den man schon 2017 eingeschlagen hatte.

Der Kirchenhistoriker Göttinger Thomas Kaufmann hat am Schluss seines Buches „Erlöste und Verdammte. Eine Geschichte der Reformation“ (München 2016) sieben prägnante Thesen auf die Frage „Was könnten wir in der frühen Reformation finden?“ notiert. Die erste These lautet: „Eine Organisationsvision der Kirche, die von der Gemeinde her gedacht und angelegt ist, nicht von einer klerikalen Funktionärshierarchie;“ (S. 426) Genau diesem reformatorischen Kriterium entsprechen die „Elf Leitsätze“ nicht. Sie wollen offensichtlich das vollenden, was in vielen Landeskirchen schon ziemlich weit gediehen ist: die Auflösung der Parochie (Ortsgemeinde) in funktional agierende Regionalstrukturen. Da werden nicht nur sinnlos Personalressourcen verbrannt, es geht auch die Nähe zum Menschen, zum Kirchenmitglied verloren. Ohne Menschennähe lässt sich das Evangelium von Jesus Christus aber nicht kommunizieren. Dabei könnte die Kirche an kriselnden Kaufhausketten wie traditionsreichen Parteien erkennen, was geschieht, wenn man die Fläche aufgibt und meint, sich auf einige Zentren konzentrieren zu können: Man entfernt sich immer mehr von der eigenen Klientel und trocknet so auch die vermeintlichen Zentren aus.

Ich bin jetzt 50 Jahre Mitglied der SPD, davon fast 29 Jahre in Leipzig. In Ostdeutschland hat die SPD nach 1990 den kapitalen strategischen Fehler gemacht, nicht in die Fläche zu gehen. Ebenso wurde versäumt, die Vernetzung der Parteiarbeit mit den anderen Vereinen und Institutionen vor Ort ernsthaft zu betreiben. Jetzt bleibt man dort, wo es überhaupt noch regelmäßig tagende Ortsvereine gibt, weitgehend unter sich – kaum verbunden mit dem, was am Ort geschieht, und erreicht die Menschen nicht mehr. In Sachsen steht die SPD dicht vor der Fünf-Prozent-Hürde. Eine solche Entwicklung scheint die EKD für sich selbst befördern zu wollen – anstatt alles zu tun, um die Ortsgemeinden zu stärken, Kirchgemeinden als Motor, Motivator und Moderator wirksam werden zu lassen und um größtmögliche personale Nähe zu gewährleisten. Denn nur so und durch eine darauf ausgerichtete entschlossene Qualifizierung des hauptamtlichen Personals der Kirche werden wir der Aufgabe gerecht, „in alle Welt“ zu gehen, für die Menschen (unabhängig von Kirchenmitgliedschaft) da zu sein und ihnen die biblische Botschaft nahe zu bringen.

Man kann der EKD-Synode nur dringend raten, sich auf ihrer nächsten Tagung nicht mit diesem peinlichen Papier zu beschäftigen, sondern sich zum Beispiel einem sehr konkreten Problem exemplarisch zuzuwenden: Was bedeutet es, dass sich seit Jahren in Deutschland 25 Prozent der Kirchenmitglieder (in den Städten sind es 50 Prozent und darüber) nicht mehr kirchlich bestatten lassen, und was müssen wir verändern, um diese Entwicklung entschlossen umzukehren? Wer sich damit ernsthaft auseinandersetzt, der verlässt jede Form von „Selbstbezüglichkeit“ (eine der blumigen Wortschöpfungen in den „Elf Leitsätzen“) und beginnt zu begreifen, wie weit weg wir inzwischen von den Menschen sind und was wir an Kernkompetenzen bereits verloren haben. Es ist leider so: Da, wo Kirche den Menschen ganz nahe ist, wie in diakonischen Einrichtungen, ist sie zu oft nicht erkennbar. Da wo Menschen unsere Nähe brauchen, sind wir nicht mehr vorhanden und ansprechbar.

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Nachtrag:

  1. Mit diesem Blogbeitrag knüpfe ich an die beiden vorherigen Beiträge an: http://wolff-christian.de/die-basis-broeckelt-leise-anmerkungen-zu-den-kirchenaustritten/ und http://wolff-christian.de/was-tun-praktische-erwaegungen-zur-krise-der-kirche/
  2. Man fragt sich, wieso honorige Leute und gute Theolog/innen wie Heinrich Bedford-Strohm, Annette Kurschus oder Friedrich Kramer einen solchen Text mit zeichnen. Oder ist es doch so, wie manche vermuten, dass der Text allein aus der Feder des Vizepräsidenten Thies Gundlach geflossen ist? Dann aber wäre es jetzt höchste Zeit, dies klarzustellen.

25 Antworten

  1. Hören Sie auf, andere Leute zu belehren, die Abrüstung folgt dann von selbst.“ (Andreas Schwerdtfeger)
    Danke vielmals.
    Aber: Die Kunde hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube (was Ihre Abrüstung betrifft). Vorerst kommuniziere ich in der Sache (!) nur mit denen, die gar nicht erst abrüsten müssen, was den themenbezogenen Diskurs wesentlich bereichert!
    Mal so nebenbei: Ich halte die Noten hoch, musikalisch; und glauben Sie mir, das bereichert enorm; vor allem dann geht es wohltemperiert zu. Und es tut gut.
    Nur: Es kommt freilich darauf an, auf welcher Klaviatur man spielt – bewegen Sie es mal in Ihrem Herzen!
    Guten Abend

  2. Und gern (als Wiederholung) an Sie Herr A. Schwerdtfeger erneut die meinige Empfehlung:
    Rüsten Sie in Ihren Kommentierungen doch endlich und einfach mal ab – Frieden war schon immer die bessere Möglichkeit gegenseitigen Miteinanders, auch im Austausch themenbezogener Gedanken und Selbsterkenntnisse! Als ranghohem, weltgereisten Bundeswehroffizier a.D. dürfte Ihnen dieser Gedanke eigentlich nicht von ungefähr vorkommen – oder?
    Auf diese Empfehlung zum vorherigen Thema reagierten Sie bisher nicht, was ich durchaus positiv zu interpretieren suchte. Allein Ihre (aktuell) kriegerischen Anwürfe kontra Chr. Wolff (mit Rechthaberei scheint mir, haben Sie offensichtlich ein sehr eigenes Problem) korrigierten meine positive Annahme, was eine niveauvolle Debattenkultur anbelangt.
    Nun ja – auch ich meine, Sie sollten ganz konkret auf die Sachlage einzugehen versuchen, was freilich voraussetzt, man beschäftigt sich detailliert mit den aufgezeigten Problemen, mit der KIRCHE konfrontiert ist.
    Versuchen Sie es doch wenigsten mal, vielleicht kommen wir dann wieder auf das von Ihnen permanent reklamierte Diskurs-Niveau – es wäre gut und hilfreich, denn wir debattieren über ziemlich relevante Sach-Probleme, und allein nur um die geht es!!
    Bester Gruß – Jo.Flade

    1. Flades neuester Belehrungstrip! Nur jetzt müssen Sie aufpassen: Herr Wolff mag „Haltungsnoten“ nicht – und was ist Ihr Beitrag anderes als eine Haltungsnote! Ich habe nichts getan als Herrn Wolff darauf hinzuweisen, daß seine Intoleranz anderen gegenüber seinem eigenen Konzept widerspricht und daß möglicherweise Herr Schurig trotz Herrn Wolffs überflüssiger Beleidigungen ein Mensch guten Willens sein könnte. Und mein Hinweis, daß Herr Wolff sich generell überschätzt, wurde vor einigen Jahren noch mit Humor aufgenommen. „Empfehlungen“ ausgerechnet von Herrn Flade – man kann nur lachen, nachdem ich zum Thema (Kirche) in den drei letzten Beiträgen von Herrn Wolff konkrete Sachargumente vorgetragen habe, die Sie in keinem Fall aufgegriffen und kommentiert haben. Und auch meine Einlassung hier war sachlich, denn ich habe Herrn Wolff darauf aufmerksam gemacht, daß OLKR Schurig vielleicht doch eine zulässige und argumentierbare Meinung hat und nicht nur „Ideen- und Trostlosigkeit“ verbreitet. Aber das alles, lieber Herr Flade, ist über Ihrem Niveau. Konkret: Hören Sie auf, andere Leute zu belehren, die Abrüstung folgt dann von selbst
      Andreas Schwerdtfeger

  3. Wolkig , unkonkret, Kommandosprache! Und dann – weiterhin fällt den Damen und Herren nichts anderes ein, als das konkrete Wirken vor Ort und den Sonntagsgottesdienst in der bisherigen Gestalt infrage zu stellen.-Gerade in diesen beiden Punkten habe ich die dankbarsten Reaktionen in meiner aktiven Zeit von meinen Gemeindegliedern und auch den Nichtgemeindemitgliedern erhalten. Und das trug sich nicht vor langer, langer Zeit , Anno – Dazumal zu .Finanziell Nichtmitlgieder beteiligen- wie soll das gehen? In Baden wollte man für Mitglieder zusätzlich zur Mitgliedschaft das Kirchgeld einführen- ein Flop. Danke , dass dieses Blog existiert in dem durch empathische und kritische Diskussion und Reflexion vieles auf den Punkt gebracht wird.
    Es bestürzt, dass das Z- Team sich einem überlebenswichtigen Thema über lange Zeit gewidmet hat- jedoch mit dürftigem Resultat, das wenig tauglich ist der Bedeutungslosigkeit und dem Mitgliederschwund entgegenzuwirken.
    Ein Ortspfarrer*in – der/die visitiert wird, muss zuvor einen Bericht schreiben, um seine/ihre Tätigkeiten, den Ist- Zustand der Gemeinde und die Ziele für die Zukunft darlegen. Hätte der / die so einen dürftigen Bericht vorgelegt, wäre ein Kopfschütteln der Visitationskommission noch die mildeste Reaktion gewesen.

  4. „Im Kern sind Strukturanpassungen aber nicht mehr als aus der Not geborene Reaktionen einer schwächer werdenden Kirche, die versucht, die wenigen Ressourcen halbwegs nachvollziehbar in der Fläche zu verteilen.“
    Werter OLKR Schurig – mit diesem Fazit Ihres Kommentars auf Chr. Wolffs „Kirche auf gutem Grund…“ wird die Ohnmacht der Institution Kirche unübersehbar und es macht fast traurig, wie hilflos Sie reagieren – geradezu ein Eingeständnis zur Ausweglosigkeit. Und es verwundert eigentlich nicht, denn es gibt – Sie lassen es deutlich werden – eindeutig bis dato keine Antwort auf längst gestellte Fragen, z.B. auf jene, die auch ich Ihnen einst während eines Debattenabends in der Dresdner Dreikönigskirche öffentlich stellte (es ging um Strukturänderungen in der LKA Sachsens): „Macht sich die Landeskirche Gedanken zu den wahren Gründe über die unaufhaltsame Abwendung von Kirche?“ Ihre Antwort, unisono mit OLKR Bauer vom Podium: „Sie können sicher sein, dass wir uns Gedanken machen.“ Auf die drängende Nachfrage aus dem Auditorium, welche Gedanken denn – Schweigen.
    Ich muss zur Kenntnis nehmen, dass Ihre o.g. Reaktion noch immer eine Nichtbeantwortung in erschreckender Weise dokumentiert – sehr schade und eben hochproblematisch.
    Wenn keine Antworten gefunden werden, wie soll dann Kirche zukunftsfähig sein in dieser pluralistischen und mehr und mehr überindividualisierten Welt ? Gott sei Dank gibt es Ortskirchen und engagierte Kirchgemeinden, die wissen, was derzeit und auch zukünftig zu tun ist: KIRCHE vor Ort LEBEN!
    Mit Gruß – JO.Flade

  5. Es ist „keinem Menschen erlaubt …, sich an die Stelle Gottes zu setzen“ schreiben Sie in einer Antwort, lieber Herr Wolff. Haben Sie nicht vielleicht vergessen hinzuzufügen „… außer mir …“? Den Eindruck kann man jedenfalls bekommen (wie so oft bei Ihnen), wenn man lesen muß, wie Sie Herrn Schurig mal eben abkanzeln. Schon vor ganz langer Zeit stellte ich fest – immer nach der Lektüre Ihrer Antworten zu Beiträgen anderer – daß in Ihrem Weltbild alles besser wäre, wenn sich nur die Ämter des Papstes, des Kanzlers, des Parteivorsitzenden und natürlich aller EKD-Posten in Ihrer Person vereinigen liessen. Vielleicht aber – nur ganz vielleicht – ist ja auch der OLKR Schurig ein Mann guten Willens und Wollens und nicht nur ein Repräsentant der ganzen „Trost- und Ideenlosigkeit“, die Sie ihm mit Ihrer ganzen alleinigen Weisheit unterstellen.
    Es ist immer wieder traurig feststellen zu müssen, wie sehr Sie der fairen und achtungsvollen Diskussion ausweichen und stattdessen Recht haben!
    Sie sollten so nicht weitermachen.
    Andreas Schwerdtfeger

    1. So sehr mich Ihre Sorge um mein Wohlergehen anrührt – es wäre mir insgesamt sehr angenehm, wenn Sie sich, ohne persönliche Haltungsnoten an mich zu verteilen, an der Debatte um die Sache beteiligen. Vielen Dank. Christian Wolff

      1. Sie verwechseln Haltungsnoten mit demokratischem Diskurs – ganz abgesehen davon, daß Sie bei anderen über Monate offensichtlich nichts gegen Haltungsnoten hatten. Nein, hier geht es nicht um Haltungsnoten – hier geht es um Ihre Art, der Diskussion durch Rechthaberei auszuweichen, also Ihre eigenen Prinzipien mit Füßen zu treten und ohne Not – denn Sie haben ja wohl Argumente – verdiente Andersdenkende abzukanzeln – oder ist „Trost- und Ideenlosigkeit“ etwa keine Haltungsnote und ein ernsthaftes Argument? Es ist schon lustig aufgefordert zu werden, die Sache zu diskutieren, wenn Sie das permanent verweigern. Machen Sie so lieber nicht weiter.
        Andreas Schwerdtfeger

  6. Sich mit dem Papier kritisch auseinander zu setzen, ist richtig – es polemisch in Grund und Boden zu verdammen, nicht. Acht (und nicht zehn) der Leitsätze beginnen mit „Zukünftig wird … gefördert“, was die Sache allerdings nicht besser macht. Man überlegt, denkt und handelt in der EKD klar „top – down“ – die EKD hat bekanntlich keine Gemeinden (sondern Gliedkirchen). Dass es im Übrigen nicht nur um Geld geht, stellt das Papier zu Beginn ab Zeile 15 klar. Auch hier wird dem Papier manches unterstellt, was nicht seine Absicht sein dürfte.

    Zu fördern vermag eine Kirchenorganisation wie die EKD nur, was ihr hierfür an Mitteln der Gliedkirchen zur Verfügung gestellt wird (und manche Gliedkirche ist wiederum sehr abhängig von den Mitteln anderer Gliedkirchen).

    Es ist richtig, dass im Ergebnis einer zu befürchtenden Umsetzung des Papiers der Sonntagsgottesdienst und die Ortsgemeinde geschwächt werden – aber dass dies ein oder gar das(!) Ziel des Papieres sein soll, ist eine Unterstellung.

    Strukturdebatten zielen nicht auf die Auflösung der Parochie hin, sondern auf die Vergrößerung der Parochie angesichts von Siedlungsräumen mit prozentual weniger Christen als früher. Natürlich wird damit die Ortsferne besonders in ländlichen Räumen (leider!) größer. Natürlich kann man darüber diskutieren, ob aus den städtischen Zentren nicht mehr Ressourcen zugunsten ländlicher Räume zur Verfügung gestellt werden sollten. Man kann auch darüber streiten, ob die Ortsferne eine Reaktion auf den Gemeindegliederschwund ist oder der Gemeindegliederschwund eine Reaktion auf die Ortsferne. Im Kern sind Strukturanpassungen aber nicht mehr als aus der Not geborene Reaktionen einer schwächer werdenden Kirche, die versucht, die wenigen Ressourcen halbwegs nachvollziehbar in der Fläche zu verteilen.

    1. Nicht nur in der EKD, auch und vor allem in der sächsische Landeskirche wird „top-down“ gehandelt. Der Autor des Kommentars dürfte sich da bestens auskennen, ist er doch als juristischer Oberlandeskirchenrat zuständig für die Umsetzung der sog. Strukturreform. Offensichtlich rührt daher sein irenischer Umgang mit den „Elf Leitsätzen“ der EKD. Deren Sprache ist gewollt blumig, seine funktionalistisch: „Vergrößerung der Parochie angesichts von Siedlungsräumen mit prozentual weniger Christen als früher“. So hört sich Strukturreform auf dem Reisbrett an, auf dem das „in der Fläche verteilt“ wird, was noch da ist. Darum auch die Wortwahl „Ortsferne“ für die tatsächliche Abwesenheit von Kirche am Ort. Dass es sich dabei im Ergebnis aber um Menschenferne der Kirche handelt – darüber verliert OLKR Schurig kein Wort. Der letzte Satz in seinem Kommentar offenbart die ganze Trost- und Ideenlosigkeit in den Planungsstuben von Kirchenleitungen. Irgendwie hört sich das so an: Der Letzte macht das Licht aus … Christian Wolff

      1. Stimme ich zu. Vorher einigermaßen gesunde (Dorf-)Gemeinden mit viel ehrenamtlichem Engagement werden in eine Strukturreform nach der anderen und zu todesbringenden Vereinigungen gezwungen. Sups treten wie hirnlos-linientreue Funktionäre auf, die ausschließlich Beschlüsse aus Dresden umsetzen, wahrscheinlich weil sie selber dort mal einen Posten haben wollen (zumindest ist das im südlichen Kreis Görlitz so).

        Eigenverantwortliches Handeln auf Gemeindeebene wird in der sächsischen Landeskirche systematisch unterbunden und gutes Personal verheizt. Und genau weil dieses System anscheinend nicht reformfähig ist, habe ich mich mental aus dem Laden verabschiedet. Die jetzt publizierten Leitsätze bestätigen mich darin einmal mehr, auch wenn sie dieses mal nicht aus Dresden kommen.

        Bin durch das DLF Interview auf diesen Blog aufmerksam geworden.

  7. Herr Wolff, Sie bemängeln, dass die SPD im Osten nicht in die Fläche gegangen sei. War denn das Potential dafür überhaupt vorhanden? Der Tod des großen Sozialdemokraten Hans-Jochen Vogel erinnert daran, dass es auch großer Persönlichkeiten bedarf, um eine Partei für die Wähler attraktiv zu machen. Das gilt auch für andere Großorganisationen wie die Kirchen.

    1. Zum Zeitpunkt, von dem ich rede, die 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts, lebten noch viele derer, die wir heute als „große Persönlichkeiten“ ansehen und waren auch noch aktiv am politischen Geschehen beteiligt. Außerdem dachte damals ein großer Teil der ostdeutschen Bevölkerung durchaus sozialdemokratisch. Leider hat die SPD dieses Potential nicht nutzen können – zum einen, weil die damalige Parteiführung um Oskar Lafontaine ein sehr merkwürdiges Verhältnis zur deutschen Einheit hatte, zum andern, weil die westdeutsche SPD den Parteiaufbau Ost sträflich vernachlässigte. Christian Wolff

  8. Als Nichttheologe habe ich mich schon über die Sprache, in der die 11 Leitsätze formuliert wurden, gewundert. Die Satzbildung erreicht einen Laien nicht. Diese können mit den Leitsätzen nichts aber auch gar nichts anfangen. Eine Diskussion wird in den Gemeinden auf dieser Basis nicht stattfinden können. Zum Glück erklärt hier Pfr. Wolff nachvollziehbar, was gemeint sein könnte.

    Wer hat eigentlich noch Lust, sich in einer solchen abgehobenen Amts- Kirche zu engagieren?

    Ein wesentlicher Punkt wurde nicht angesprochen. Das Gottesbild. Es wäre Zeit darüber nachzudenken, ob das hierarchische aus dem Altertum überkommene Gottesbild noch zeitgemäß ist und ob nicht auch die zum Glück erlebte Demokratie dem nicht entgegensteht. Die Praxis vieler Menschen zeigt doch, dass Kirche mit ihrem permanent erhobenen Zeigefinger nicht mehr gebraucht wird und das Thema Sünde/ Erbsünde von keinem mehr verstanden wird. Gebraucht wird eine Kirche die Zuspruch, Zuspruch und nochmals Zuspruch gibt.

    1. Lieber Herr Wirth, man sollte das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Das biblische Gottesbild lehrt uns vor allem eines: dass es keinem Menschen erlaubt ist, sich an die Stelle Gottes zu setzen. Allein dieser Gedanke, der von Jesus bekräftigt wurde, stellt nicht nur alle autoriätren Hierarchisierungen gerade in der Kirche radikal infrage, er beinhaltet auch das Erfordernis einer tiefgreifenden Demokratisierung aller Lebensbereiche. Dass es außer Gott niemandem gibt, der Anspruch auf uns Menschen hat, legt auch den Gedanken nahe, dass die Demokratie die dem biblischen Glauben gemäße Form des gesellschaftlichen Zusammenlebens ist.
      Daran schließt sich an, dass die Ursünde des Menschen die ist, sich an die Stelle Gottes zu setzen – was ja vor allem Autokraten/Diktatoren machen. Diese gibt es aber nicht nur auf staatlicher Ebene, sondern auch im normalen Miteinander der Menschnen. Insofern hilft es uns wenig, wenn wir das Thema Sünde ad acta legen. Eine andere Frage ist, inwieweit Kirche die Sünde als Machtinstrument eingesetzt hat und einsetzt, um Herrschaft über Menschen auszuüben. Beste Grüße Christian Wolff

  9. Herr Wolff, Sie spekulieren, dass das in Rede stehende Papier vom Vizepräsidenten im Kirchenamt der EKD, Dr. Thies Gundlach (der lt. Wikipedia mit der Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckart liiert ist – https://de.wikipedia.org/wiki/Thies_Gundlach) verfasst worden sei und Bischof Prof. Bedford-Strohm und andere hohe Kleriker es lediglich abgezeichnet hätten.
    Herr Dr. Gundlach hat in einem Interview das Papier verteidigt: https://www.domradio.de/themen/%C3%B6kumene/2020-07-19/das-ende-der-kirche-wie-wir-sie-kennen-thies-gundlach-verteidigt-die-elf-leitsaetze-der-ekd.

    1. Wer mit wem auf persönlicher Ebene liiert ist, sollte nichts zur Sache tun. Es bleibt aber die Frage, ob der sprachliche und sachliche Unsinn der „Elf Leitsätze“ tatsächlich das Ergebnis eines dreijährigen Meinungsbildungsprozesses des „Z-Teams“ der EKD ist (das wäre allerdings ein Armutszeugnis der besonderen Art) oder doch „nur“ ein Erguss der „Funktionärshierarchie“ der EKD. Das müssen die Damen und Herren möglichst bald selbst öffentlich erklären. Ein dürftiges Interview von Thies Gundlach reicht da nicht. Christian Wolff

  10. Lieber Bruder Wolff,
    ich bin Ihnen so dankbar, dass Sie zu Papier gebracht haben, was viele nach der Lektüre dieser „11 Leitsätze“ denken. Zur Sprache muss kommen, dass die 11 „Leitsätze“ verfasst sind in der „Kommando-Sprache“ des Militärs nämlich als Imperativ in der Form des Futurs, das jede Alternative ausschließt: „Zukünftig wird … / Zukünftig werden ,,, „- Ich bin ebenso wie Sie in der SPD. Seit 1972. Und ich muss leider bestätigen, dass hier in Gütersloh, das noch etwas Anderes ist als ein Corona-Hot-Spot, auch die Basis der ca. vierhundert Parteimitglieder verloren gegangen ist. Im September wird es bei den Kommunalwahlen ein Desaster geben.
    Trotzdem: Dank Ihnen und brüderliche / sozialdemokratische Grüße!
    Ihr Rolf Wischnath

    1. Lieber Herr Wischnaht,
      ich schreibe gerade einen Kommentar zu den Leitsätzen für die nächste Ausgabe des Pfarrvereinsblatts der Landeskirche Hannover und würde gerne Ihre Anmerkung zur „Kommandosprache“ zitieren. Ist das in Ordnung?
      Liebe Grüße
      Martina Janßen

  11. Ich danke sehr für diese präzise Erklärung eines schwülstigen und von Wortgeklingel überlaufenden Textes. Was wirklich gewollt und gespielt wird, bringt Pfr. Wolff auf den Punkt. Die Abschaffung von örtlichen Gemeinden und des zum Fundament der Kirche gehörenden sonntäglichen Gottesdienstes. An deren Stelle treten „Luftnummern“. Ich frage nur, wie man diese Entlarvung den kirchlichen Entscheidungsträgern zu Gehör bringt. Denn den Blog eines Kirchenkritikers werden sie nicht lesen.

    1. Werte Frau Kittel, Sie könnten aber die kirchlichen Entscheidungsträger*innen auf den Blog von Chiristian Wolff hinweisen. Ganz gezielt auch bestimmte Beiträge als Link – mit Herrn Wolffs Genehmigung – auch verschicken. Die mttlerweile auch schon fast altmodische Email bietet da doch hinreichend Möglichkeiten, diese Gedanken zu kommunizieren (wie es neudeutsch heißt).Ich „erlese“ Herrn Wolff übrigens nicht als „Kirchenkritiker“, sondern als kritischen Hinterfrager und konstruktiven, postionierten Menschen, der sich an „kirchlichen Funktionären*innen“ u. a. reibt. So wie ich auch einige hier im Blog erlebe, die sich regelmäßig an ihm reiben. Könnte man sich nicht an ihm reiben, wäre sein Blog halb so interessant …. Vor ein paar Jahrzehnten erklärte mal eine Kollegin von mir, sie „liebe ihre Kirche in kritischer Solidarität“. Als „kritisch-solidarisch“ mit der Kirche und als beherzt evangelisch erlebe ich diesen Blog.

  12. Sehr geehrter Herr Wolff, Ihrer Analyse von Papier und Situation der Gemeinden vor Ort stimme ich zu. Es fehlen zwischenzeitlich und an nicht wenigen Orten auch schon die finanziellen Ressourcen, um eine angemessene Arbeit vor Ort zu leisten. Das fängt bei den Bürostunden in Sekretariaten an und hört bei der technischen Infrastruktur noch lange nicht auf. Ich kann auch nicht erkennen, wo eine den Sparrunden an der Basis entsprechende Anpassung auf der mittleren und oberen Ebene stattgefunden hätte. Beispiel:In der vergangenen Legislaturperiode der Synode der hannoverschen Landeskirche hat dieselbe – entgegen der eigenen erklärten Absicht – die Zahl der Funktionspfarrstellen erhöht.- Dass eine von der Ortsgemeinde her konzipierte gute Arbeit möglich ist, und die Basis stark und der Verwaltungsapparat überschaubar bleibt, kann man m.E. in Skandinavien beobachten.Konkret denke ich z.B. an Dänemark. Die Typusbezeichnung von Herrn Kaufmann, die derzeit einer an der Basis orientierten Arbeit im Weg zu stehen scheint, ist außerordentlich pointiert, aber wohl zutreffend:klerikale Funktionärshierarchie – ich ergänze: beiderlei Geschlechts.Beste Grüße! Andrea Wauer-Höflich

  13. Das „Z-Team“ der EKD erwartet, dass die Kirchensteuer reformiert werden muss, etwa indem man Menschen finanziell beteiligt, „die sich ohne formelle Mitgliedschaft der Kirche zugehörig fühlen“. Was soll das heißen? Wie soll man Steuerzahler herausfinden, die sich „ohne formelle Mitgliedschaft der Kirche zugehörig fühlen“? Da wäre es doch praktikabler, für Nichtmitglieder Eintrittskarten zum weihnachtlichen Gottesdienst zu verkaufen.

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