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Dreist

Fürsten sind Menschen, vom Weib geboren, und kehren um zu ihrem Staub; ihre Anschläge sind auch verloren, wenn nun das Grab nimmt seinen Raub. (Johann Daniel Herrnschmidt 1714 im Evangelischen Gesangbuch Nr. 303,2)

Das ist schon ziemlich dreist: Der Minister, der für Grenzkontrollen und die Nachrichtendienste zuständig ist, Innenminister  Thomas de Maizière, spielt sich wie so oft in der Vergangenheit als der Saubermann auf, der in Sachen G20-Gipfel alles richtig gemacht hat, und legt nach: Er verlangt im Verein mit der AfD Sachsen die Schließung von Einrichtungen in Leipzig wie Conne Island und Werk 2. Beweise, ob und was die beiden Häuser mit den Gewaltausbrüchen in Hamburg zu tun haben, konnte er nicht liefern. Aber prophylaktisch wird schon einmal so getan, als trüge der Leipziger SPD-Oberbürgermeister eine Mitverantwortung für die Randale in Hamburg, weil der die Einrichtungen und damit angeblich linksradikale Umtriebe „duldet“.

Halten wir fest: Viele derer, die am vergangenen Wochenende in Hamburg Straftaten verübt haben, kamen aus dem europäischen Ausland, wurden durch die Bundespolizei nicht an der Reise nach Hamburg gehindert. Angeblich aber haben die Nachrichtendienste wie Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz alles gewusst, was die Polit-Hooligans in Hamburg vorhatten und dann auch tatsächlich durchführten. Bleibt die Frage: Warum haben die Bundesbehörden nicht präventiv gehandelt? Warum hat man sich in Hamburg nicht auf die tatsächlichen und den Behörden bekannten Gewalttäter konzentriert? Stattdessen wurde im Vorfeld des G20-Gipfels und massiv am vergangenen Donnerstag versucht, alle Demonstranten unter den Generalverdacht der Gewaltausübung zu stellen. Stattdessen wurden, wie sich jetzt herausstellt, Pressevertreter/innen die Akkreditierung entzogen, weil sie angeblich ein Sicherheitsrisiko darstellten. Und wer ist dafür zuständig und für die Nachrichtendienste verantwortlich? Der Minister, der sich seit Tagen als Law-and-Order-Mann zelebriert und mit dem Finger auf andere zeigt: Thomas de Maizière.

In seinem Windschatten führen CDU und CSU das Theater auf, was aus den 70er Jahren sattsam bekannt ist: da wurde auch von der Reform- und Ostpolitik Willy Brandts bis zu den Terrorakten der RAF eine direkte Linie gezogen – alle/s eine „linke Brut“, von Moskau gesteuert. Heute agieren CDU und CSU nach dem gleichen Strickmuster: Angela Merkel setzt einen im maßlosen Größenwahn inszenierten G20-Gipfel in ihrer Geburtsstadt an und hofft auf schöne Bilder. In einer Art „open-air-Bunker“, das Gegenbild zur offenen, demokratischen Gesellschaft, bewegen sich in Hamburg Politiker/innen, die tatsächlich glauben, sie seien die Weltenlenker, sie hätten die Menschheit in der Hand (im normalen Leben würde aber niemand von einem Donald Trump einen Gebrauchtwagen kaufen) – sie sind aber wie jede/r andere auch am Schluss nur Staub. Hätten sie in der Elbphilharmonie doch nur einmal die wunderbare Choralstrophe gesungen! Aber auch so stehen sie wie der Kaiser in Andersens Märchen mit weniger als „nackt“ da; reden in ihrer abgeschotteten, virtuellen Wirklichkeit über Armut, Hunger und Flüchtlinge so, als hätten sie ursächlich damit nichts zu tun. Kaum wieder zu Hause machen Trump und Erdogan der Moderatorin des G20-Gipfels eine lange Nase: Wieso sich auch nur an ein Wort halten, das theatralisch in eine Erklärung zusammengestückelt wurde.

Und dann? Dann ist der durch einen beispiellosen Sicherheitsapparat eingebunkerte G20-Gipfel beendet und die Merkels, de Maizières, Scheuers, Spahns werfen der SPD die Trümmer und Scherben aus dem Schanzenviertel vor die Füße: Dafür seid ihr, die Linken, verantwortlich. Das ist nicht nur dreist, es ist unverfroren – zumal derzeit niemand fragt, wer denn die politische Verantwortung für die grandiose Vergeudung von Steuergeldern übernimmt. Bezeichnenderweise hüllt sich Angela Merkel, was die Kosten des G20-Gipfels angeht, in Schweigen. Doch kann man getrost von mindestens 200 Millionen Euro ausgehen. Auch fragt niemand, was solch teures Theater mit Regierungshandeln zu tun hat. Von ihm geht weder nach innen noch nach außen eine Befriedung aus. Schon gar nicht trägt ein solcher Gipfel zu einer Stärkung der Demokratie bei. Auch ohne die zerstörerische Begleitmusik durch Polit-Hooligans in Hamburg geriet dieser G20-Gipfel zu einem monströsen Nichts. Wer für Gespräche zwischen denen ist, die zeitlich begrenzt Regierungsverantwortung tragen, der kann eigentlich nur dafür plädieren, diese Gespräche so oft wie möglich am Sitz der UNO in New York stattfinden zu lassen – in der Normalität, die auch Fürsten eigen sein kann.

15 Antworten

  1. Der Vorwurf, Sie hätten sich nicht klar gegen Gewalt geäussert, gehe „ins Leere“ schreiben Sie, lieber Herr Wolff – und da liegt das Problem: Alle Ihre politischen Äußerungen in diesem Blog enthalten Passagen, die von verbaler Gewalt, Intoleranz und Hetze nur so strotzen, und dies wird noch verschlimmert durch Ihre einseitige politische Blindheit. Es gibt für diese Behauptung derartig viele Beweise aus Ihren eigenen Texten heraus – ich habe sie ja immer wieder hervorgehoben – daß sich kaum noch lohnt, diesen berechtigten Vorwurf zu wiederholen oder erneut zu belegen.
    Und so ist es leider auch mit Ihren beiden Beiträgen zum G20 Gipfel: Auf inhaltliche Argumente – zB die Zurückweisung der angeblich nicht vorhandenen Legitimierung des Gipfels – gehen Sie nicht ein, stattdessen hetzen Sie gegen den Innenminister, wohl wissend, daß 1. für Sicherheit bei einem solchen Event die Bundesländer zuständig sind,
    2. Land und Bund in Bezug auf G20 einvernehmlich und gut zusammengearbeitet haben, und
    3. selbst wenn Fehler passiert sind, dies keine Rechtfertigung für Gewalt der anderen Seite darstellt.
    Es ist eben, wie Herr v. Heydebreck es zutreffend darstellt, daß allein schon Ihre quasi-Gleichstellung der links-autonomen Gewalt mit der rechtsstaatlichen Handlung der Bundes- und Landesregierung in diesem Fall entgegen Ihrer Meinung eine Rechtfertigung, mindestens eine billigende Entschuldigung der Gewalt ist.
    Es würde Sie ehren, wenn Sie über Ihren Schatten springen könnten und anerkennen, daß auch Sie nicht gänzlich unfehlbar sind – Diskussionen aber nur zu führen und auch noch unter der heuchlerischen Überschrift „demokratischer Diskurs“, indem man nichts anerkennt als die eigenen Statements und bei Gegenwind nur formal und nicht inhaltlich diskutiert, das ist an sich schon intolerant und aggressiv.
    Und deshalb ja auch finden sich hier als Antworten nur entweder (erfolglose) Versuche, Sie in eine sinnvolle und inhaltliche Diskussion in gegenseitigem Respekt zu ziehen oder eben etwas peinliche Lobhudeleien im Stile von Goll und Gold.
    Andreas Schwerdtfeger

  2. Lieber Herr Wolff, Ihre Behauptung, ich wolle die Verantwortung für die Hamburger Chaos-Tage der SPD in die Schuhe schieben, trifft nicht zu, hat Sie aber wohl nun zu diesem Artikel „Dreist“ angeregt. Im Gegenteil: Ich halte das Verhalten des SPD geführten Hamburger Senats und besonders ihres Bürgermeisters für sehr honorig und finde es völlig richtig, dass er weiter im Amt bleibt, ebenso wie die Bundesregierung.
    Meine Kritik richtet sich ausschließlich gegen Sie und Ihre auch in diesem Beitrag wieder zum Ausdruck kommende Gleichsetzung oder sogar Höherwertung des „schwarzen Blocks“ gegenüber den G20- Teilnehmern. Damit sich Ihre Leser selbst ein Bild davon machen können, ob Ihre Ausführungen, wie Sie schreiben, tatsächlich nichts mit den Argumenten des „schwarzen Blocks“ zu tun haben, füge ich hier die Fortsetzung meines letzten Zitats an:

    „Aus Sicht des schwarzen Blocks sind die G20 damit letztendlich gewalttätig. Gleichzeitig sehen sie die G20 als demokratisch illegitim. Es gibt kein demokratisches Fundament, auf das sich die G20 berufen können – oder wollen. Diese Gruppe basiert allein auf Wirtschaftskraft und behandelt wirtschaftliche Themen, die die ganze Welt betreffen. Der einzig demokratisch legitime Ort für diese Art von Gespräche sind die Vereinten Nationen.

    Das heißt, der schwarze Block will den Ablauf des G20-Gipfels mindestens stören, am liebsten verhindern, da die Autonomen ihn für nicht legitim, extremistisch und gewalttätig halten.

    Friedlicher Protest ist für ihn kein geeignetes Mittel, um das System zu stören

    So wird auch klar, warum friedlicher Protest, wie er dieses Wochenende in Hamburg ebenfalls stattgefunden hat (Konzerte von Popstars oder „Yoga für Gerechtigkeit“) für sie keine Ausdrucksform von Protest sind. Die notleidenden Menschen überall auf der Welt haben schlicht nicht den Luxus darauf zu warten, dass friedliche Demonstrationen irgendwann Anklang finden, oder eben, wie so oft, auch nicht. Es handelt sich aus der Perspektive des schwarzen Blocks um eine Krisensituation, die sofortiges Umschwenken im globalen Handeln braucht, weil jeden Tag Menschen leiden.

    Militanten Autonomen geht es daher explizit um nonkonformen Protest, sie stellen sich und ihren Protest bewusst und absichtlich außerhalb von anerkannten, also in der Regel friedlichen Demonstrationsformen. Jeglicher staatlich anerkannte oder sanktionierte Protest ist in ihren Augen der Gefahr ausgesetzt, von staatstragenden Prozessen für sich vereinnahmt zu werden. Aktive Behinderungen, Sachbeschädigungen bis hin zu Konfrontationen mit der Polizei sind in dieser Weltsicht daher legitimer, ja vielleicht sogar: die einzig legitime Art, wirklich zu protestieren.

    Die bunten Demonstrationen stützen das System

    Nach dem Gipfel in Hamburg würden sie darauf verweisen: Es gab fast 100.000 friedliche Demonstranten, aber die Zivilgesellschaft findet im Abschlussstatement nicht mal Erwähnung. Aus dieser Perspektive ist friedlicher Protest nicht nur nicht erfolgreich, sondern wirkt stabilisierend auf die Vorgänge, gegen die eigentlich protestiert wird. Denn sie kanalisieren gesellschaftliche Wut und lassen diese verpuffen, indem sie zu einem anerkannten Teil des ganzen Spektakels gemacht werden. Autonome wollen sich daher ganz bewusst von diesen Protestformen abgrenzen und „nicht anerkannte“ Protestformen für sich nutzen. Sie wollen auf eine Weise protestieren, die die Mächtigen nicht vereinnahmen können.

    Dabei steht die Polizei stellvertretend für das aus Sicht der Autonomen extremistische, gewalttätige System (denn Aufgabe der Polizei ist der Schutz dieses Systems) – und bricht durch die Unterbindung des Demonstrationsrechts selbst auch immer wieder Recht. Aus dieser Perspektive wird vielleicht ein bisschen klarer, woher dieses Uneinigkeit kommt, von wem die Gewalt ausgeht. Der schwarze Block würde argumentieren, solange der Status quo existiert, geht die Gewalt permanent vom System aus, und damit auch von der Polizei, die dieses System schützt.

    Das Thema Gewalt gegen Dinge, wie zum Beispiel Autos anzünden, ist … ein Protest, der sich vor allem gegen Massenkonsum richtet und absichtlich diese Menschen, die mit ihrem Verhalten den beschrieben Status quo tragen und fördern, gezielt in ihrem Alltag stören soll. Aus dieser Perspektive leben diese Menschen in einer Art Luxus-Konsum-Blase und es geht eben darum, diese Abschottung zu unterbrechen und die Krisen der Welt (die aus dieser Perspektive eben durch diesen blinden Massenkonsum mitgetragen wird) auch diesen Menschen immer wieder vor Augen zu führen. Hier vermischt sich aber sehr der Protest gegen Gentrifizierung mit dem G20.

    Dass in Hamburg auch alte Kleinwagen abbrannten, ist vermutlich nur durch die Taktik zu erklären, die Polizei an möglichst vielen Orten in der Stadt dauerhaft zu binden, um ihre Arbeit damit zu unterbinden. Wenn die Polizei überall verteilt ist, ist sie letztlich nirgendwo präsent.“
    Sicher entspricht nicht alles Ihrer zum Ausdruck gebrachten Meinung, aber es gibt doch wie zwei Parteien sagen würden, eine recht große „Schnittmenge“!

    1. Da ich mich in meinem Blog-Beitrag unmissverständlich geäußert habe, dass jede Form von Gewalt abzulehnen und vor allem nicht zu rechtfertigen ist, ergibt sich daraus, dass ich die Gewaltanwendung der sog. Autonomen bzw. des Schwarzen Blocks nicht nur ablehne, sondern sie für verwerflich halte. Darum geht jeder Versuch, mir dennoch Rechtfertigung von Gewalt durch o.g. Gruppe zu unterstellen, ins Leere. Christian Wolff

  3. Eine Frage bleibt:

    Was wäre, was würde geschehen, wenn an einem Haus unserer Stadt zu lesen wäre:

    „Töte Christen !“,
    oder
    „Töte Muslime !“
    oder
    „Töte Juden !“

    Oder
    „Töte Lehrer !“
    oder
    „Töte Ärzte !“
    oder
    „Töte Pfarrer !

    Diese Frage bleibt, solange „KILL COPS !“

    … zu lesen bleibt.

    1. Die Antwort ist relativ einfach: 1. Der Eigentümer kann dies sofort entfernen lassen. 2. Jede/r Bürger/in kann bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige wegen Aufrufs zu einer schweren Straftat stellen. Das ist auch Ihnen möglich. Christian Wolff

      1. Nein, es ist nicht einfach !

        So sagte Leipzigs Polizeipräsident Merbitz vor wenigen Tagen der LVZ:
        „Solange zum Beispiel auf Dachflächen des Geländes am Conne Island „Kill Cops“ („Töte Polizisten“) zu lesen ist, können öffentlich vorgetragene Zweifel an der Sozialverträglichkeit der unter diesem Dach durchgeführten Arbeit nicht einfach vom Tisch gefegt werden.“
        Siehe: http://www.lvz.de/Leipzig/Polizeiticker/Polizeiticker-Leipzig/Leipzigs-Polizeichef-ueber-Connewitz-Die-Zeit-des-Redens-muss-vorbei-sein

        Eigentümer des durch Steuermittel geförderten Hauses „Conne Island“ ist meines Wissens die Stadt Leipzig.

        Polizisten ist es nahezu unmöglich, dieses Haus zu betreten.
        Vgl.: http://www.lvz.de/Leipzig/Polizeiticker/Polizeiticker-Leipzig/Sexueller-Uebergriff-loest-Tumulte-und-Polizeieinsatz-am-Conne-Island-aus

        Es ist offensichtlich so, daß sich Leipzig Stadtspitze derzeit schützend vor ein Haus stellt, von dem aus zur Tötung von Menschen aufgerufen wird.

        Nun könnte die Stadt Leipzig die weitere Förderung des „Conne Island“ von der sofortigen Entfernung des Tötungsaufrufes abhängig machen.

        Warum dies bisher nicht geschehen ist, läßt verschiedene Deutungen zu.

        Zugleich dürfte es nicht Aufgabe von Bürgerinnen und Bürgern der Stadt Leipzig sein, in dieser Angelegenheit Strafanzeige zu stellen und sich dadurch – wie die Dinge in Leipzig nun einmal liegen – in Gefahr zu bringen, wenn Leipzigs Polizeipräsident wie auch die Stadtspitze bereits von diesem Tötungsaufruf wissen und dennoch nichts geschieht.

        1. 1. In der Demokratie ist der Bürger/die Bürgerin das wichtigste Organ. Das bedeutet: Ihre Verantwortung ist gefragt – gerade dann, wenn andere Organe nicht reagieren.
          2. Ein kleiner Hinweis auf einen Blog-Beitrag vom September 2015: >http://wolff-christian.de/klare-trennlinie-keine-gewalt/

  4. Herr Vogel – ich beglückwünsche Sie: es ist Ihnen gelungen, was selten ist. Herr Wolff ist wenigstens teilweise auf Ihre inhaltlich völlig richtige Argumentation eingegangen, macht allerdings vorzeitig schlapp und „darf“ zu Punkt 4 Ihre berechtigte und sinnvolle Frage „ … unter der Rubrik ‚Polemik‘ verbuchen“. Das alles errechen Sie, indem Sie einleitend von „Scharfsinn“ im Zusammenhang mit einem erneuten Wutausbruch reden – Chapeau!
    Das Problem der Diskussion ist doch in der Tat der Wahlkampf. Wer, wie es leider die Hamburger CDU tut, der SPD Schuld in dieser Sache zuschiebt, verkennt die Tatsachen. Die Retourkutsche unseres Pfarrers, es nun alles der CDU zuschieben zu wollen, ist gleichermaßen albern. Richtig bleibt eben, was ich gleich anfangs schrieb: Die Verwüstungen sind den Verwüstern anzulasten! Und richtig bleibt auch, daß die Verwüster diesmal aus der linken Szene kamen – diesmal! Die Anerkennung dieser simplen Tatsache ist kein Vorwurf gegen die politische Linke wie eben auch die Anerkennung der rechten Gewalt bei uns kein Vorwurf gegen die politische Rechte sein sollte.
    Und da genau liegt der Hase im Pfeffer und die Infamie der Beiträge von Herrn Wolff zu diesem Thema: Daß er nämlich versucht, die linke Gewalt durch die Umstände zu rechtfertigen. Es sei eben der „Größenwahn“ der (natürlich rechten) Politiker, es sei die Nutzlosigkeit des Gipfels an sich, es seien die undemokratischen Teilnehmer, es sei die Auswahl eines falschen Tagungsortes, es sei der übertriebene Sicherheitsapparat, etc, die „schuld“ seien an Gewalt und Verwüstung in Hamburg – und überdies (siehe auch Schulz) gebe es ja gar keine linke Gewalt, denn das sei eben dann zwar Gewalt aber nicht links. Man muß sich mal vorstellen, wie leicht es nun der Rechten gemacht wird, diesen Unsinn für sich auch zu reklamieren.
    Alle Argumente von Herrn Wolff gegen den Gipfel sind berechtigt, wenn ich sie auch nicht als „scharfsinnig“ bezeichnen würde. Aber sie sind „Meinung“, nicht „Faktum“ und die Gegenargumente sind ebenso berechtigt und deshalb müßte man eigentlich sachlich darüber diskutieren können. Aber sie zur Rechtfertigung von Gewalt zu nutzen, zeigt, wes Geistes Kind der Verfasser ist. Und seine Behauptung, er habe sich doch eindeutig gegen die Gewalt ausgesprochen, ist eben dann nicht glaubwürdig, wenn er beide Seiten auf dieselbe Stufe stellt, wo es doch auf der einen Seite (der der Randalierer) eindeutig und unstrittig um rechtsverletzende und kriminelle Gewalttaten geht, während es auf der anderen Seite (die der G20-Organisatoren und -teilnehmer) um die (berechtigte, aber eben nicht ausschließliche) politische Meinung eines Diskutanten geht. Der qualitative Unterschied ist mehr als deutlich.
    Der neuerliche Beitrag „Dreist“ im unnachahmlich unsachlich-aggressiven Stil seines Autors zeigt wieder nur eines: allzu oft sagen Berichte, Einschätzungen und Beurteilungen mehr über den Verfasser aus, als über den von ihm sezierten Sachverhalt.
    „Bleiben Sie streitbar“ schreiben Sie Herrn Wolff zum Schluß und dem möchte man aus vollem Herzen zustimmen. Aber das ist nur sinnvoll, wenn er die Streitbarkeit Anderer – zB des Herrn de Maizière – auch als etwas Positives annimmt und sich also sachlich auseindersetzt.
    Ich grüße Sie,
    Andreas Schwerdtfeger

  5. Lieber Christian Wolff, danke! Sehr präzis formuliert. Ich bin sehr genervt von der Ant-Links Kampagne, die losgetreten wurde, um abzulenken von der Verantwortung derer, die dafür zuständig sind. das Randalieren in HH hat nichts aber auch garnichts mit einer (politisch) linken Haltung zu tun. Augenzeugen wissen das bestens. Es sind auch keine „Distanzierungen“ der SPD oder auch der Linken erforderlich. Es ist erforderlich, die Verantwortungsträger namhaft zu machen und die sitzen vor allem in Berlin. Es sind sehr üble Wahlkampfzeiten derzeit…Grüsse

  6. Thomas de Maizière, an den sich nicht wenige Synodale unserer Landeskirche dankbar erinnern, weil er über sechs Jahre hinweg stets ein offenes Ohr für Sorgen und Nöte anderer hatte, liest nicht nur täglich die Herrnhuter Losung.

    Er, dessen Taufspruch „Die auf den Herrn hoffen, kriegen neue Kraft, daß sie auffahren mit Flügeln wie Adler“ lautet, wüßte auch die oben zitierte Strophe 2 (EG 303) zu ergänzen durch die ihm geläufige Strophe 7 …

    Nebenbei weiß er als Innenminister der Bundesrepublik Deutschland allerdings auch, welcher Schriftzug auf dem Dach des durch Steuermittel geförderten Hauses „Conne Island“ in Leipzig-Connewitz in großen Lettern prangt: „KILL COPS !“

  7. Lieber Herr Wolff,
    Ihre scharfsinnigen Kommentare habe ich bisher mit großem Interesse und in der Regel Zustimmung gelesen. Heute befinden Sie sich auf dem Irrweg und befördern mit Ihrem scharfen Ton eher die Ablehnung mancher Zeitgenossen gegen alles, was irgendwie „links“ sein soll.
    Im Einzelnen:
    1. Dass ein Riesengipfel mit einem solchen Aufwand fragwürdig ist und, wenn ja, lieber in New York stattfinden sollte – geschenkt! Aber Sie wissen selbst, dass er eben nicht in New York stattfinden würde und es besser ist, ein eingefahrenes Format weiterzuführen, um überhaupt solche Autokraten wie Trump, Putin und Erdogan zum Gespräch zu bewegen. Außerdem ist es eine Binsenweisheit, dass das persönliche Gespräch immer besser ist, als irgendwann aufeinander zu schießen.
    2. Ihre wütende Ablehnung von de Maizières Politik ist ungerechtfertigt. Selbst wenn die Geheimdienste und damit wahrscheinlich auch de Maizière von den Gewalttätern wussten, verbietet es das Rechtsstaaatsprinzip, ohne Nachweis einer bevorstehenden strafbaren Handlung Menschen festzusetzen.
    3. Rechtsfreie Räume darf der Rechtsstaat nicht dulden. Das gilt für Stadtviertel, in denen Rocker oder albanische Familien oder Rechtsradikale herrschen , genauso, wie für linke „Autonome“. Daran ist schon mal eine deutsche Demokratie gescheitert…
    4. Der „durch einen bespiellosen Sicherheitsapparat geschützte G20-Bunker“ und der Kampf gegen die Radikalen kostete viel Geld. Wär es Ihnen lieber, es hätte einen Anschlag auf Gipfelmitglieder gegeben oder die Polizei hätte sich aus dem Schanzenviertel erfolglos zurückziehen müssen und die Bewohner ihrem Schicksal überlassen?
    5. Ich halte es für einen Riesenerfolg von Frau Merkel, dass sich 19 von 20 Staaten für das Pariser Abkommen aussprachen. Das hätte auch ganz anders kommen können (z.B. Saudi Arabien). Und es liegt in der Natur der Diplomatie, dass die vielleicht wichtigsten Ergebnisse der Gespräche (z.B. Nordkorea?) nicht der Öffentlichkeit mitgeteilt werden.
    6. Die Gipfelthematik eignet sich für Diskussionen, wie man vieles später verbessern kann, aber mit Sicherheit nicht für den Wahlkampf!
    7. Dass Menschen, die Macht über andere haben, auch zu Staub werden und sich vor ihrem Schöpfer verantworten müssen, ist für uns Christen ein Trost. Bis dahin müssen wir alles dafür tun, deren Macht möglichst einzuschränken, zu begrenzen und sie vom Schlimmsten abzuhalten. Das haben Frau Merkel und Herr Scholz nach ihren Möglichkeiten getan!

    Herzliche Grüße – und bleiben Sie streitbar!
    Ihr MCVogel

    1. Lieber Herr Vogel, vielen Dank für die kritischen Anmerkungen. Mir war völlig klar, dass gerade dieser Blog Kritik erfahren wird. Aber die Art und Weise, wie derzeit insbesondere durch die CDU und CSU wieder alles der SPD in die Schuhe geschoben, ist unerträglich. Ebenso sind für mich die Fragen, die ich am Schluss aufwerfe, die entscheidenden. Nun versuche ich, im einzelnen auf Ihre Punkte einzugehen:
      zu 1. Dass Gipfeltreffen eines Aufwandes bedürfen, kritisiere ich nicht. Ich kritisiere die in meinen Augen größenwahnsinnige Maßlosigkeit. Alle Themen des Gipfels, wenn ich sie ernst nehme, müssten zu mehr Bescheidenheit führen – wobei dieser Begriff bei einer angemessenen Selbstbeschränkung noch immer nicht zutreffen wird. Dass eher mehr als weniger Gespräche nötig sind, auch mit denen, deren Politik ich ablehne, kann ich nur unterstützen. Aber niemand ist an solchen Gesprächen gehindert. Nur bitte alles mindestens drei Nummern kleiner und damit überzeugender. Form und Inhalt klafften in Hamburg extrem auseinander. Mich wundert und erschreckt, wie kritiklos der Aufwand dieses Gipfels, sozusagen als normal, hingenommen wird. An eine solche Normalität möchte ich mich nicht gewöhnen.
      zu 2. Ich lehne nicht die Politik de Maizières ab. Ich kritisiere sein selbstherrliches Auftreten nach dem G20-Gipfel – insbesondere auch in Sachsen. Er ist ja für Vieles, was in Hamburg nicht gut gelaufen ist, verantwortlich. Aber er hat immer alles richtig gemacht.
      zu 3. Dem stimme ich absolut zu – und da gibt es etliche Fehlentwicklungen.
      zu 4. Meine Kritik an den Kosten bezieht sich weniger auf die Sicherheitsmaßnahmen, sondern auf die Maßlosigkeit des Gipfels als solchem (in deren Folge ist dann auch ein aufgeblasener Sicherheitsapparat nötig). Ihre Frage darf ich unter der Rubrik „Polemik“ verbuchen.
      zu 5. Da sind wir in der Einschätzung unterschiedlicher Meinung. Aus den 19 sind inzwischen 18 geworden. Auch ist es sehr merkwürdig über Afrika zu reden – und es sitzt ein afrikanischer Präsident mit am Tisch.
      zu 6. Auch da stimme ich Ihnen nicht zu. In den Wahlkampf, d.h. in die öffentlich geführte Auseinandersetzung um die zukünftige Bundespolitik, gehören natürlich all die Fragen, die auf dem G20-Gipfel auch besprochen wurden, vor allem auch, die nicht besprochen wurden: Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen Osten. Nur ein solches Projekt auf mindestens 25 Jahre angelegt wird eine Friedensperspektive eröffnen können (und nicht ein 350 Milliarden Dollar Rüstungsdeal zwischen USA und Saudi Arabien).
      zu 7. Da stimme ich Ihnen zu – und den Beitrag von Angela Merkel will ich nicht in Abrede stellen.
      Viele Grüße und: Den Aufruf am Schluss will ich gerne befolgen! Ihr Christian Wolff

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