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Der österliche Quantensprung: von Knechtschaft zur Befreiung

Für die einen ist das große Ärgernis an Karfreitag, dass Tanzveranstaltungen und laute Musik einem allgemeinen Verbot unterliegen. Ein Tag ohne Disco, an einem Tag im Jahr sich den religiösen Gefühlen einer Minderheit beugen zu müssen – für etliche Zeitgenossen:innen selbst in Krisen- und Kriegszeiten eine schier unerträgliche Zumutung! Für andere steht – Tanzverbot hin oder her – an Karfreitag das im Mittelpunkt, was jeden Menschen zumindest einmal im Jahr beschäftigen sollte: seine Knechtschaft, sein Gefangensein im Alltagstrott, sein Gefängnis, dessen Gitterstangen sich aus sich Abfinden, Egoismus, Herrschsucht, Maßlosigkeit, Verbitterung zusammensetzen; seine Abhängigkeit von Menschen und Mächten, durch die er sich selbst und andere schädigt. Christen belegen diese Knechtschaft mit dem schillernden Begriff Sünde. Dahinter verbirgt sich nichts anderes als: wissentlich das Falsche tun; die eigene Freiheit vorschnell für ein Linsengericht des Konsums, der Bequemlichkeit, des Vorteils aufgeben; sich den Sachzwängen anpassen und ergeben; sich in selbstverschuldeter Unmündigkeit gütlich einrichten. Sehr bedauerlich, dass viele Menschen auch einen entschleunigten, eher stillen Tag wie Karfreitag verstreichen lassen, ohne sich auch nur einen Augenblick Zeit zu nehmen, um die eigene Knechtschaft zu bedenken und Wege aus der Verstrickung zu suchen. Unbemerkt beteiligen sie sich damit an dem, was durch die Passion Jesu schonungslos aufgedeckt wird: die Sünde verdrängen und auf andere abwälzen.

Derzeit sind wir kollektiv gefangen in der Knechtschaft des Krieges. Eine unschuldige Zone scheint es nicht zu geben, obwohl wir stark damit beschäftigt sind, die Hände in Unschuld zu waschen. Wir folgen unerbittlich den Gesetzen des Wie-du-mir-so-ich-dir, des Ohne-mich, des Sieh-du-doch-zu. Die Leidensgeschichte Jesu zeigt in aller Dramatik die damit verbundene Verstrickung auf: Menschen, die an sich genau wissen, was richtig und falsch ist, werden zu mordenden Monstern; folgen den Gesetzen, die sie für falsch halten; wenden die Gewalt an, die ihnen eigentlich zuwider ist; erklären andere für Sündenböcke, um von der eigenen Verantwortung abzulenken – und landen so im Gefängnis von Vernunft und Verblendung, von Banalität und Verbrechen. Was viele dabei nicht mitbekommen: In dieses Gefängnis begibt sich auch Jesus. Er bleibt nicht außen vor. Er sieht sich aber nicht als Opfer unserer Knechtschaft. Nein: Er, der zum Sündenbock gemacht wird, erweist sich als der, der unser Gefängnis von innen aufbricht, damit die Knechtschaft beendet wird. Er lässt uns so an seiner Freiheit teilhaben. Diese Bewegung wird im zentralen Choral der Johannespassion von Johann Sebastian Bach (1685-1750) beschrieben:

Durch dein Gefängnis Gottes Sohn
Muss uns die Freiheit kommen:
Dein Kerker ist der Gnadenthron,
Die Freistatt aller Frommen;
Denn gingst du nicht die Knechtschaft ein,
Müsst unsre Knechtschaft ewig sein.
Christian Ritter (1645/50- nach 1725)

Das ist die zentrale Botschaft an Karfreitag: Des Menschen Knechtschaft, sein Gefangensein in den Zwangsläufigkeiten von Gewalt und Gegengewalt, seine Sünde sind eine erschreckende Realität, die das persönliche wie gesellschaftliche Leben in Krisen stürzt und auf Dauer zerstört. Aber: Diese Realtität ist endlich! Sie kann aufgebrochen werden – und zwar von innen. Genau das geschieht an Ostern: Jesus, der sich den Bedingungen der Knechtschaft ausliefert hat, bleibt darin nicht gefangen. Er bricht am Ostermorgen die Gefangenschaft des Grabes auf. Dann dringt er in die abgeschlossenen Räume ein, in die sich seine Anhänger verbarrikadiert hatten, und stößt die Türen von innen auf. Womit? Mit einem Schlüsselwort: „Ich bringe euch Frieden.“ (Die Bibel: Johannes 20,21) Da wird sehr konkret, was Bach alle Mauern überwindend strahlend singen lässt: „Durch dein Gefängnis Gottes Sohn muss uns die Freiheit kommen …“. Jetzt können, ja müssen wir neu unsere Verantwortung wahrnehmen – so wie sie in dem anderen zentralen Choral der Johannespassion beschrieben wird:

O Mensch, mache Richtigkeit,
Gott und Menschen liebe,
Stirb darauf ohn alles Leid
Und dich nicht betrübe.
Paul Stockmann (1602/03-1636)

Auch wenn unser Alltag weiter von Knechtschaft geprägt ist – wir können trotzdem richtig leben, müssen nicht zwangsläufig wissentlich das Falsche tun, können uns dem nahen und fernen Nächsten zuwenden. Doch das setzt eines voraus: das Vertrauen darauf, dass nichts unumstößlich ist, auch nicht die Knechtschaft. Darum muss sich niemand den vermeintlichen Zwangsläufigkeiten ergeben. Der österliche Quantensprung von der Knechtschaft zur Freiheit lässt uns schon vor dem eigenen Sterben dem folgen, was durch Jesu Tod ausgeschaltet werden sollte: die Wirklichkeit des Friedens.

29 Antworten

  1. Mit dem „österlichen Quantensprung“ hat das eigentlich alles wenig zu tun, was uns Haspelmath an Irrationalem alles hier eifernd aufzwingt. Unabhängig davon hat der damalige Gesundheitsminister Spahn eigentlich alles gesagt und längst vorweggenommen, was zur Pandemiebewältigung zu sagen notwendig war: Noch ziemlich am Anfang nämlich prophezeite er sinngemäß, dass er befürchte, wir würden uns nach der Pandemie alle gegenseitig viel zu verzeihen haben. Eine solche Aussage nimmt ja die Erkenntnis vorweg, dass man hinterher schlauer ist und in der Nachschau Fehler entdecken wird und eingestehen muss. Haspelmath läuft also durch weit offene Tore in der Sache und vergreift sich völlig im Urteil, was den Inhalt seiner Kritik angeht. Er ist nur noch langweilig.
    Andreas Schwerdtfeger

    1. Ganz so ist es ja nicht, Herr Schwerdtfeger, dass Herr Dr. Haspelmath diesem Blog eine Diskussion „eifernd aufgezwungen“ hätte. Schließlich obliegt es Herrn Wolff, Postings freizuschalten, die mit dem Thema des Threads nichts zu tun haben. Gerade bei theologischen Betrachtungen finde ich es schade, wenn Profanes gepostet wird. Aber wer im Glashaus sitzt … schließlich habe ich mich auch daran beteiligt.

      1. Wenn Theologie/Glaube/Kirche sich nicht mit Profanem beschäftigt, nicht ins Profane wirkt, dann verharrt sie im Elfenbeinturm, im Wolkenkuckucksheim und beschäftigt sich nur mit sich selbst – so, wie es leider die Kirche seit Jahren praktiziert. Daher sind Anfragen aus dem Profanen an die Theologie durchaus sinnig. Ob „sinnig“ auch für jede (An-)Frage/Argumentation zutrifft, ist dann noch einmal eine ganz andere Frage …
        Ich bin ein großer Anhänger von „Kirche in der Welt“. Und dazu gehört auch Kirche im Profanen und für Profanes. Ich ärgere mich jedoch, dass ich überwiegend „Kirche wie die Welt“ erlebe und ihr Gejammer über abnehmende Relevanz in der/für die Welt. Wer sich aber z. B. strukturell nicht von der Welt unterscheidet (z. B. kircheninterner Bürokratismus, Kirchenordnung übertrumpft Evangelium uvm), bildet/bietet kein einladendes Klima, keinen vom Spiritus Sanctus „geschwängerten“, genährten, beflügelten Spirit. Zu viele Pfarrer*innen sind in meiner Wahrnehmung mental mehr Beamte i. K. statt vom Selbstverständnis her Prophetenamt. Der formale Status färbt zu oft zu sehr auf das Dienstverständnis ab. Man stelle sich beispielsweise Jesaja oder Jeremia oder Amos mit Beamten*innenstatus vor. Von ihnen hätte wohl nie jemand gehört, geschweige bis auf den heutigen Tag von ihnen gelesen.

    2. Vielen Dank, Herr Schwerdtfeger, dass Sie an das Verzeihen erinnern! Durch die österliche Botschaft haben wir ja die Zuversicht, dass Umkehr, Vergebung und Versöhnung möglich ist. Aber Versöhnung setzt ja tatsächliche Umkehr voraus, und da bin ich weiterhin „eifrig“ unterwegs, die Texte von Christian Wolff zu lesen – wenn er etwa davon spricht, dass es nicht gut ist, „sich den Sachzwängen anzupassen und zu ergeben; sich in selbstverschuldeter Unmündigkeit gütlich einzurichten.“ Die Corona-Krise war die größte Krise der letzten sieben Jahrezehnte, und viele haben sie als „Sachzwang“ behandelt, und haben sich „unmündig“ verhalten (und andere für „unmündig“ gehalten) – genau das ist die Kritik, die nicht nur Jens Spahn trifft. Wenn die Gesellschaft meinte, sich extrem einschränken zu müssen, hätte das demokratisch vom Parlament beschlossen werden müssen, nicht von Ministern oder MPKs. Und Gottesdienste oder Demonstrationen hätte man auf keinen Fall verbieten dürfen.

  2. Ja, das „Gefangensein in den Zwangsläufigkeiten von Gewalt und Gegengewalt, die das persönliche wie gesellschaftliche Leben in Krisen stürzt und auf Dauer zerstört“, kann aufgebrochen werden. Vor nur zwei Jahren ergoss sich eine schreckliche Welle des Hasses und der Ausgrenzung über eine Minderheit, die sich nicht impfen lassen wollte – wodurch das Leben der Gesellschaft bis heute in einer großen Krise ist. Die New York Times schrieb gerade erst wieder, dass die Frustationen der Pandemie-Verbote und -Streitigkeiten (auch innerhalb von Familien und Freundeskreisen) wahrscheinlich Trump wieder zur Präsidentschaft verhelfen werden: https://www.nytimes.com/2024/03/24/us/politics/pandemic-politics-malaise.html. In Deutschland hat jetzt endlich eine breitere Diskussion über die Aufarbeitung begonnen, anlässlich der RKI-Protokolle. Hier könnten die Kirchen eine heilsame Rolle spielen, denn wir brauchen keine Untrsuchungs-Ausschüsse (das wäre nur Gegengewalt), sondern eher – nach südafrikanischem Vorbild – „Wahrheits- und Versöhnungskommissionen“. So könnte das, was durch die Panik und den Hass kaputt gegangen ist, langsam wieder heil werden.

    1. Ganz ehrlich: Mich öden die Krododilstränen, die jetzt in Sachen Corona-Pandemie wohlfeil und moralisierend vergossen werden, an. Auch kann ich wenig Sinn in einer „Wahrheits- und Versöhnungskommission“ erkennen, solange nicht die Konsequenzen aus der Corona-Pandemie gezogen werden, die offen zutage liegen: nämlich größere Wohnflächen für die Familien, die auf geförderten sozialen Wohnungsbau angewiesen sind; kleinere Gruppenstärken im Kita- und Schulbereich – kurz: größere Räume für kleinere Gruppen. Sind in allen Unterrichtsräumen CO²-Messgeräte installiert? Sind irgendwelche Konsequenzen gezogen worden aus der Tatsache, das sich das Corona-Virus vor allem in den Bevölkerungsgruppen verbreitet hat (mit den entsprechenden Folgen), die in sozial prekären Verhältnissen leben? Hat sich irgendetwas geändert im Ernährungsangebot in Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen, Universitäts- und Schulmensen? Mir ist nicht bekannt, dass darüber auch nur ein Stadt-, Landes- oder Bundesparlament beraten geschweige denn entschieden hat. Mir ist nicht bekannt, dass diese notwendigen Maßnahmen in irgendeinem Artikel über die Konsequenzen der Corona-Pandemie thematisiert wurden.

      1. Vielen Dank für Ihre Antwort, Herr Wolff! Ja, mehr Gleichheit und mehr Wohlstand für alle wäre wunderbar, aber das kann man nicht einfach so umsetzen – Versöhnung dagegen ist durch Gespräche möglich, und diese könnten in den Kirchen stattfinden. Im Jahr 2021 wollte die Thomaskirche die 2G-Ausgrenzungen im Matthäi-Haus diskutieren, aber dann wurde die Veranstaltung von der Regierung verboten („wegen Corona“). Jetzt könnte man so etwas doch nachholen, oder? Vielleicht haben Sie noch Verbindungen zum Kirchenvorstand, z.B. Herrn Schwarz oder Herrn Hüneburg? Übrigens gibt es keine wissenschaftliche Evidenz, die zeigt, dass Belüftung wirklich die Viren-Ausbreitung vermindert. Und Viren sind sicher nicht das größte Gesundheitsproblem unserer Gesellschaft. Auch gesunde Ernährung ist sicher wichtig (viel wichtiger als Viren!), aber wohl nicht unbedingt eine politische Frage, sondern eine gesellschaftliche. Die Corona-Verbote dagegen haben viele Menschen massiv frustriert und zu Anti-System-Parteien getrieben, und das ist momentan die größte Bedrohung unserer Politik.

          1. Das verstehe ich nicht, Herr Wolff – es geht nicht um „Beharren auf moralischer Richtigkeit“, sondern um das Heilen von tiefen gesellschaftlichen Wunden. In Südafrika gab es viele Radikale, die die Apartheid-Verbrechen mit massiven Strafen ahnden wollten. Nelson Mandela, Desmond Tutu und viele andere haben sich gerade *gegen* die juristische Aufarbeitung ausgesprochen – und daraus sollten wir lernen. Die Apartheid war ja damals auch „gut gemeint“ – die Weißen wollten nicht länger über die Schwarzen herrschen, aber sie wollten ihre Lebensgewohnheiten eben auch nicht ändern. Letztlich führte das zu einer wahnhaft grausamen Politik. Die (2G/3G-)Impf-Apartheid, die Sie ja selbst kritisiert haben, war in gewisser Weise vergleichbar – wahnhaft und grausam in ihrer Ausgrenzungs-Konsequenz. Selbstverständlich braucht es natürlich auch mehr gesellschaftliche Gerechtigkeit, und mehr Bemühungen um Frieden, usw. – aber ohne eine Heilung der schlimmen Wunden wird das sehr schwierig werden. Die AfD-Rufe nach juristischen Konsequenzen für Spahn und Lauterbach werden nicht so bald verstummen, wenn es keine friedlich-versöhnliche Aufarbeitung gibt.

          2. Es ist allmählich müßig, auf die ewigen Wiederholungen einzugehen. Nur eines: Es ist mehr als vermessen (für einen Wissenschaftler oberpeinlich!), die Politik während der Corona-Zeit mit der Apartheid-Politik in Südafrika zu vergleichen.

        1. „Die Corona-Verbote dagegen haben viele Menschen massiv frustriert und zu Anti-System-Parteien getrieben, und das ist momentan die größte Bedrohung unserer Politik.“
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          Ich erlebe das in meinem Umfeld nicht. Die Corona-Politik ist weitgehend aus dem Blickfeld verschwunden. Diskussionswürdig wäre vor allem der damalige Umgang mit den Kindern. Vielmehr lässt derzeit die Bereitschaft zur militärischen Unterstützung der Ukraine nach. Diese Stimmung wird von Rechtsaußen und anderen Gruppierungen ausgenutzt. Man kann nur hoffen, dass dieser verdammte Krieg rechtzeitig vor der nächsten Bundestagswahl beendet sein wird.

          1. Was ist denn „Ihr Umfeld“, Herr Plätzsch? Wie repräsentativ ist das? Viele Medien haben immer wieder darüber berichtet, z.B. dieser Artikel aus der ZEIT, wo es um die überraschende Unterstützung für die AfD in migrantischen Kreise geht: „Spricht man mit Menschen mit Migrationshintergrund, die sich vorstellen können, die AfD zu wählen, wird die migrantische Frage von anderen Begründungen überlagert. Während der Pandemie sei die AfD die einzige Partei gewesen, die die offizielle Corona-Politik kritisiert habe. Ähnlich sei es beim Ukrainekrieg.“ https://www.zeit.de/2024/11/afd-migrantische-waehler-bundestagswahl-2025-tiktok/komplettansicht

      2. Sehr geehrter Herr Wolff,
        so wünschenswert Ihre Forderungen nach besserem Essen, mehr Wohnfläche, kleinere KIGA- und Schulgruppen sind – mit der Realität der Coronainfektionen hatte das nichts zu tuen. Darüber gibt es keine belastbaren Daten.
        Infiziert hat sich nach und nach fast jeder, gestorben sind vor allem die Alten – ohne einen nennenswerten Gradienten hin zu prekären Lebensverhältnissen.
        mMn typische Ablenkungsdebatte….

        @ Herr Haspelmath, Sie werden in diesem Forum mit diesem Thema keine Punkte machen, dazu fehlen im Forum die Kenntnisse, der Wille sich mit dem Thema auseinander zusetzen (man müsste ja eventuell zugeben, dass man Fehler gemacht hat oder selbst hinters Licht geführt wurde ) und die Meinungen sind solide einbetoniert…..
        Schreiben Sie da, wo die Chancen größer sind, Gehör zu finden.
        MFG
        Erwin Breuer

        1. Lieber Herr Breuer, danke für Ihren pertinenten Kommentar – ja, es gibt leider unter Nichtwissenschaftler:innen viel Unwissen darüber, was in der Pandemie eventuell geholfen hat und was nicht. Ich hatte Herrn Wolff immer wieder gesagt, dass ich es ihm nicht übel nehme, dass er teilweise falsch geurteilt hat (aber eben nur teilweise – gegen die 2G-Ausgrenzungen hatte er sich ja deutlich ausgesprochen: https://wolff-christian.de/2g-regel-und-kostenpflichtige-tests-das-virus-triumphiert/). Und er kennt Herrn Prof. Matthias Schwarz aus dem Thomas-Kirchvorstand persönlich – Herr Schwarz ist Mathematiker und kann Herrn Wolff erklären, was alles schief gelaufen ist in der wissenschaftlichen Politikberatung und den Medien. Deshalb habe ich die Hoffnung, dass Herr Wolff seine Unterschrift unter die antidemokratische Erklärung vom Dezember 2021 zurücknimmt und damit zu einem Heilungsprozess beiträgt. Immerhin hat er meine kritischen Kommentare meistens freigeschaltet, d.h. im Prinzip ist er auch an kontroversen Diskussionen interessiert. In einer Demokratie braucht man solche Diskussionen ja wien die Luft zum Atmen.

        2. „Was ist denn „Ihr Umfeld“, Herr Plätzsch? Wie repräsentativ ist das?“
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          Zugegeben, Dr. Haspelmath, das sind „Mainstream-Leute“. Aber ob die Soziologin Naika Foroutan in der „Zeit“ eine unter Migranten repräsentative Meinung wiedergibt, wage ich zu bezweifeln. Völlig bizarr ist Ihre Aussage:

          “ Die Apartheid war ja damals auch „gut gemeint““

          1. Wieso ist die Aussage „bizarr“? Die Weißen in Südafrika hatten damals keinen Zweifel, dass sie die führende Rasse waren, aber sie wollten ab den 1950ern nicht mehr in derselben Weise über die Schwarzen herrschen, wie es noch zur Kolonialzeit der Fall war. Auch in den USA gab es ja ähnliche Tendenzen, je mehr Rechte die Schwarzen im 20. Jahrhundert bekamen – die Weißen wollten sich dann mehr und mehr abgrenzen. Die heutige Vorstellung einer harmonischen multiethnischen Gesellschaft entstand erst in den 1980er Jahren, und man könnte es als „bizarr“ bezeichnen, die Apartheid-Politik an den heutigen Vorstellungen zu messen. Die Impf-Apartheid allerdings wurde 2021/22 eingeführt, und damals musste man die Politik durchaus an heutigen Vorstellungen von Nichtdiskriminierung messen (das hat Herr Wolff ja auch gemacht). Die Proteste gegen die 2G-Ausgrenzungen waren Menschenrechts-Demos, und die Verunglimpfungen („Ihr seid nicht das Volk“) waren super peinlich für die Leipziger Bürgerrechtler:innen (vergleichbar mit Biermanns peinlicher Unterstützung für den verbrecherischen Irak-Krieg). Sehr viel politisches Kapital ist dadurch kaputt gegangen, aber man müsste versuchen, es durch Aufarbeitung wiederzugewinnen.

    2. „Vor nur zwei Jahren ergoss sich eine schreckliche Welle des Hasses und der Ausgrenzung über eine Minderheit, die sich nicht impfen lassen wollte – wodurch das Leben der Gesellschaft bis heute in einer großen Krise ist“.
      Ernsthaft? Ginge es auch 1-X Nummern kleiner, Herr Haspelmath?

      Vielleicht nehme ich ja „das Leben der Gesellschaft“ nicht mehr so ganz korrekt wahr…
      Hass bemerke ich da durchaus und auch gar nicht so selten – aber Hass auf die Minderheit, die sich nicht impfen lassen wollte??? Das habe ich weder vor zwei Jahren, noch in den letzten 8 – 10 Monaten persönlich erlebt! Was ich dagegen ganz aktuell wahrnehme, ist Wut bis hin zu Hass auf alle, die den Umgang mit der Pandemie in Deutschland als zumindest pragmatisch und „dem Wohle des Volkes“ angemessen ansehen (siehe z.B. die massiven Pöbeleien gegen Alena Buyx bei den Leipziger Gesprächen neulich).
      Beunruhigt es Sie überhaupt nicht, wie Sie und Ihre radikale Sicht der Pandemie-Restriktionen, von Seiten der Rechtspopulisten und Rechtsradikalen vereinnahmt und missbraucht werden?
      Halten Sie Ihren „Heiligen Krieg“ gegen eine (vermeintliche) Corona-Diktatur angesichts der aktuellen kriegerischen Auseinandersetzungen, drohender Wahlerfolge der unsäglichen AfD in Ostdeutschland und Trump in den USA für angemessen?

      1. Lieber Herr Käfer, die Welle des Hasses wurde von Klöckner & Wernicke gut dokumentiert: https://www.buecher.de/artikel/buch/moege-die-gesamte-republik-mit-dem-finger-auf-sie-zeigen-/64131334/#product_description – in der LVZ schrieb Kai Kollenberg damals, man solle nicht die Regierung kritisieren, sondern „die Wut solle sich gegen die Ungeimpften richten“ https://www.lvz.de/mitteldeutschland/lockdown-fuer-ungeimpfte-der-aerger-muss-den-corona-leugnern-gelten-OK73FF6GTB3SDKSU3R33OFMGRE.html – das war eindeutig Volkverhetzung, oder? Ich frage mich, warum Sie das nicht wahrgenommen haben – in welcher Blase leben Sie? Sie wissen vielleicht, dass die Leitmedien viele Menschen immer weniger erreichen – sehr viele Menschen wissen, wie massiv Ungeimpfte auch verbal unter Druck gesetzt werden (vielleicht werden Sie sich immerhin an Joshua Kimmich erinnern).

        1. Er wird immer absurder! Wenn Ihre Kinder Fieber hatten, werden Sie sie auch ihrer Freiheit beraubt und sie ins Bett verbannt haben, bis sie die Grippe auskuriert haben. Was Sie hier mit Penetranz betreiben, ist eine unerträgliche Aburteilung vom moralischen Hochsitz aus, die sich nur jemand leisten kann, der keinerlei politische Verantwortung zu tragen hatte – und sich jetzt in der Opoferrolle sonnt.

          1. Ich vestehe nicht: Meinen Sie, Ungeimpfte wären als Kranke zu behandeln, die man zum Hausarrest verurteilen darf? Sie haben sich damals doch selbst vehement gegen die ungerechten 2G-Diskriminierungen ausgesprochen. Wenn man Menschen vor Infektion hätte schützen wollen, hätte man alle Kontakte nur noch mit 1G (negativ getestet) erlauben sollen – aber das wurde nie durchgeführt. Es gab massivste behördliche Diskriminierung, und massive Hetze gegen Ungeimpfte – das hat mich sehr an dunkle Zeiten in der deutschen Geschichte erinnert. Hatten wir nicht immer gesagt: „Nie wieder!“?

        2. Herr Haspelmath,
          ausnahmsweise bin ich Ihrem Link zu Klöckner/Wernicke gefolgt. Direkt in Absatz 2 steht da zu lesen:

          „Der neue Totalitarismus zielte niemals nur auf Ungeimpfte, sondern betreibt die planmäßige Entrechtung und Unterwerfung aller Menschen weltweit“.
          Wer entrechtet und unterwirft planmäßig? Sind es „Die da oben“, das links/grün versiffte Mainstream-Gesocks, das internationale Finanz-Judentum???
          Sie fragen mich, in welcher Blase ich lebe?
          Ja, es gab eine Diskussion über die Einführung einer Impfpflicht – auch im Bundestag (ich persönlich war übrigens DAFÜR); sie kam im demokratischen Diskurs nicht durch. Ist es das, was Sie unter Totalitarismus verstehen?
          Da passt es dann auch, ausgerechnet Kai Kollenberg der „Volksverhetzung“ zu bezichtigen (über Josh Kimmich hier zu diskutieren, würde mE zu weit führen; Beleg für Teile Ihrer krudenThesen ist er jedenfalls nicht).

          Ausdrücklich stimme ich Alena Buyx zu, die bei den Leipziger Gesprächen sagte, ihre grösste Befürchtung wäre, dass wir die nächste Pandemie (die garantiert kommen wird) einfach so durchrauschen lassen… Hirnrissige, vielfach von Rechtspopulisten und -extremisten missbrauchte Ängste und (Falsch-) Behauptungen, lassen dieses Szenario allerdings ziemlich wahrscheinlich erscheinen!

          1. Natürlich ist es Quatsch, von „planmäßiger Entrechtung und Unterwerfung“ (oder Totalitarismus) zu reden, aber dass Ungeimpfte massiv verunglimpft wurden, daran besteht kein Zweifel (und Klöckner/Werniche haben viele Originalzitate gesammelt). Das Zitat von Kollenberg ist ja sehr eindeutig volksverhetzend, und es wurde anderswo von „asozialen Trittbrettfahrern“ geredet, von „Tyrannei“, von „Aasgeiern der Pandemie“ usw. (https://www.tagblatt.de/Nachrichten/Sich-entschuldigen-570773.html). Die Leipziger Bürgerrechtler:innen haben im Dezember 2021 den Menschenrechts-Verfechter:innen „aggressives, den Nächsten verachtendes Agieren“ vorgeworfen, nur weil diese sich völlig zu Recht gegen 2G-Diskriminierung gewehrt haben. Das muss aufgearbeitet werden, finde ich. Das Problem war nicht die Impfpflicht (die ist ja demokratisch diskutiert und teilweise beschlossen worden, wie Sie richtig sagen), sondern die grundgesetzwidrige Ausgrenzung von andersdenkenden Menschen. Das hätte man von der AfD erwartet, aber auch Leute aus anderen Parteien (und Bürgerrechtler:innen) haben sich an der Ausgrenzung beteiligt. – Was man in der Pandemie am besten gemacht hätte, ist leider völlig unklar, aber offenbar war der schwedische Ansatz mit Abstand der beste. Ich empfehle dazu den gestrigen Artikel von Wallace-Wells in der New York Times: https://www.nytimes.com/2024/04/03/opinion/politics/covid-measurement-memory.html

          2. Es ist schon erstaunlich, wie jemand, der für sich Wissenschaftlichkeit in Anspruch nimmt, so penetrant ziemlich dummes Zeug verbreitet und vor allem nicht erkennt, dass er durch seine Behauptungen nur eines erreicht: der AfD den Steigbügel zu halten. Nun hat sich Herr Haspelmath genug ausbreiten und wiederholen können.

  3. Die kollektive Gefangenschaft in die Kriege, die immer selbstvertändlicher werdende Kriegsrhetorik, die Verdrängung der Klimakrise verbunden mit einer nicht ehrlich geführten Diskussion um Nachhaltigkeit und das Ausweichen, die Generationengerechtigkeit zu fördern, sind schwer auszuhalten. Vielleicht ist der Karsamstag der richtige Tag des Aushaltens und Wartens, des Zweifels und der Trauer, der Ratlosigkeit und Enttäuschung. Wer weiß, wer morgen uns sagen wird: das Leben ist stärker als der Tod.! Und dies gehört, werden wir dann mutig, gestärkt, ehrlich und voller Hoffnung uns für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung einzusetzen.

    1. Einsatz für „Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“ – das klingt sehr nach Nelson Mandela und Desmond Tutu, die es auch geschafft haben, mit ihren „Wahrheits- und Versöhnungskommissionen“ einen Weg zur gesellschaftlichen Aussöhnung zu finden. Diese Haltung kann uns ein gutes Vorbild sein und einen Weg aus der Ratlosigkeit und Enttäuschung weisen.

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