Seit Monaten provoziert er, der ukrainische Botschafter in Berlin Andrij Melnyk. Von Teilen der deutschen Medien begierig promotet, angestachelt von medialer Präsenz und genüsslich seine Unangreifbarkeit einkalkulierend (schließlich muss man einem Botschafter, dessen Land sich eines Vernichtungsfeldzuges erwehrt, manchen Ausrutscher nachsehen), gefällt er sich in immer neuen und wüsten Beschimpfungen gegen führende Politiker*innen insbesondere der SPD: Keiner bleibt vor seinen Attacken verschont, kein Bundespräsident und kein*e Bundeskanzler*in, ehemalig wie aktuell. Letzter Ausbruch gestern: Weil Bundeskanzler Olaf Scholz es ablehnt, vor dem Bundespräsidenten nach Kiew zu reisen (dessen vor Wochen beabsichtigte Reise von der Kiewer Regierung als „unerwünscht“ abgelehnt wurde), bezeichnet Melnyk ihn als „beleidigte Leberwurst“. Als ob das eine völlig normale Qualifizierung politischen Handelns ist, wird diese Beleidigung sofort von etlichen Medien mit dem Unterton übernommen: der Bundeskanzler solle sich bitte nicht so haben …
Würden diese Beschimpfungen aus einem Bunker in Kiew oder Charkiw nach außen dringen, könnte man noch ein gewisses Maß an Verständnis aufbringen. Aber Melnyk lebt gut beschützt in Berlin. Was er sagt, ist wohl überlegt – auch dann, wenn er sich der Gossensprache bedient. Doch das ist nicht alles. Melnyk gefällt sich darin, Forderungen, was Deutschland der Ukraine an Waffen zu liefern habe, mit der nächsten zu toppen, um dadurch anzuzeigen: alles unzureichend. Dass es in Deutschland aber demokratische Entscheidungsprozesse zu beachten gilt, ist für Melnyk genauso unerheblich, wie die Beachtung der Versammlungs-, Presse- und Redefreiheit. Wenn es nach ihm ginge, dürften bestimmte Personen in den Medien nicht mehr auftreten und Meinungen nicht mehr öffentlich vertreten werden. So beschwerte er sich kürzlich per Twitter darüber, dass der Merkel-Berater Brigade-General a.D. Erich Vad in einer Talkshow auftreten durfte – und beschimpfte diesen unflätig.
Mit Diplomatie hat das alles nichts zu tun, mit weitsichtiger Politik schon gar nicht. Dennoch sollte man Melnyks Auftritte nicht unterschätzen. Ich lasse einmal die Frage beiseite, welche persönlichen Ambitionen er mit seinem Wirken als Botschafter verbindet. Dann bleiben zwei strategische Absichten übrig:
- Zum einen versucht Melnyk die Sozialdemokratie als aktiven Teil, als Marionette Putin‘scher Expansionspolitik zu diskreditieren, die nach der Pfeife des Kreml tanzt. Nicht anders ist ja sein Vorwurf zu verstehen, Steinmeier habe als Außenminister ein „Spinnennetz der Kontakte mit Russland“ geknüpft. Darum macht Melnyk die Politik, die bis zum 24. Februar 2022 darauf ausgerichtet war, in der Region keinen Krieg entstehen zu lassen bzw. dort wie im Donbas, wo kriegerische Auseinandersetzungen geführt wurden, diese einzugrenzen, direkt für den Überfall Russland auf die Ukraine am 24. Februar 2022 verantwortlich.
- Zum andern versucht er, Deutschland in die Rolle einer kriegführenden Partei zu drängen. Darum die immer neuen Forderungen nach „schweren Waffen“ und zuvor nach einer Schließung des Luftraums über der Ukraine.
Nun kann man an der Politik Deutschlands gegenüber Russlands viel kritisieren – nur ihr zu unterstellen, sie habe den Angriffskrieg gegen die Ukraine befördert oder den Weg zu einer Vernichtung der Ukraine bereitet, ist absurd und in der Intension nur noch böswillig. Was aber an den Einlassungen Melnyks besonders beunruhigend ist, sind zwei Dinge:
- Melnyk stellt mit seinen Eskapaden auch die Politik der Europäischen Union im Blick auf eine europäische Friedensordnung infrage. Denn Deutschland hat in den vergangenen 20 Jahren nicht isoliert gehandelt. Das Minsker Abkommen war der Versuch, den von Putin beabsichtigten Zerfall der Ukraine zu stoppen. Dass dieses Abkommen gescheitert ist, lag nicht an Deutschland oder Frankreich, sondern daran, dass vor allem Russland dieses nie beachtet und zwei Tage vor dem Überfall auf die Ukraine faktisch aufgekündigt hat.
- Melnyk konterkariert das Narrativ, dass die Ukraine im von Russland aufgezwungenen Krieg die Freiheit, Demokratie, Werte Europas verteidigt. Dazu gehört, dass die demokratischen Institutionen und die gewählte Repräsentanten eines Landes anerkannt werden – auch wenn man politisch anders denkt als die jeweilige Regierungsmehrheit in einem Land.
Kurzum: Wenn Botschafter Andrij Melnyk als Repräsentant der politischen Klasse der Ukraine gelten soll, die nach dem hoffentlich baldigen Ende des Krieges die Geschicke der Ukraine bestimmt, dann sehe ich mit einiger Skepsis einer EU-Mitgliedschaft der Ukraine entgegen. Denn Melnyk erfüllt in seinem Verhalten alle Kriterien eines autokratischen Politikertyps. Das erkennt man allein daran, dass er sich um die rechtsstaatlichen Gepflogenheiten von Regierungspolitik nicht sonderlich schert. Wir sollten aber sehr wachsam sein gegenüber Entwicklungen, die uns am Ende einen Orbán II bescheren. Auch in Kriegszeiten ist Solidarität keine Einbahnstraße – vor allem dann nicht, wenn es wie in diesem Krieg auch um die Verteidigung der Demokratie gegen nationalistischen Autokratismus geht. Das sollten alle bedenken, die sich derzeit dem ukrainischen Botschafter allzu zu eilfertig an die Brust werfen.
21 Antworten
Über den von Ihnen, lieber Herr Wolff, erwähnten General a. D. Dr. Vad liest man in der gestrigen WamS „abenteuerliche Dinge“ im Zusammenhang mit dem flüchtigen Wirecard-Manager Marsala. Zu dem Linke-Politiker Fabio De Masi habe Dr. Vad gesagt, dass sich Marsala (mit dem er früher regelmäßigen Kontakt hatte), nicht in Russland befinde, der Mossad seinen Aufenthaltsort kenne und er, Dr. Vad, sich diesbezüglich erkundigen würde.
Eine umfangreiche Recherche über den „General der neuen Rechten“ finden Sie hier:
https://www.volksverpetzer.de/hintergrund/vad-general/
Wir sind keine Verbündete der Ukraine
Man kann Flüchtlinge aus der Ukraine aufnehmen, besser als die reine Moraldebatte
Bizarr: Der größte Verbrecher des 21. Jahrhunderts bittet Israel um Entschuldigung (man kann sich nicht selbst entschuldigen) für Äußerungen seines stets willfährigen Außenministers.
https://www.spiegel.de/ausland/wladimir-putin-entschuldigt-sich-nach-israelischen-angaben-fuer-lawrows-hitler-vergleich-a-ff6e72dc-9ff5-4752-90bc-03511c26a4f4
Mir ist nicht ganz klar, was sich der osteuropäische Staat wagt herauszunehmen?
Deutschland und Italien schulden denen nichts, außer vielleicht Mitleid, aber keine unbegrenzten Opfern!
Die ganze Propaganda von Neokonservativen Scharfmachern nervt!
Trennt Euch, hasst Euch, zieht uns nicht mit ein! Gilt auch und gerade an die raumgreifenden Supermacht, Kujat brachte es auf den Punkt.
Es liegt übrigens an den Russen, wen oder wen nicht sie zu ihrem Präsidenten machen. Wir anderen Europäer werden mit dem jeweiligen Staatoberhaupt zu verhandeln haben!
Heute Abend bei der Frau Will, können sich die Deutschen wieder Angriffe aus „edlem Munde“ anhören, ebenso Gerede über die Ukraine als westliche Vorhut und Verbündetem.dies wird wieder ein Spaß
Moral und Verteufeln des Anderen sind noch keine politische Strategie!
Krieg vereinsamt noch mehr als unsere Lebensformen , die wir für liberal , aufgeklärt , demokratisch halten. So ein offenes Forum, wie dieses hier – mit der klar benannten Linie des gegenseitigen persönlichen Respektes voreinander – ist wirklich eine Kostbarkeit in meinem Empfinden. Eine Kostbarkeit für eine notwendige Streitkultur. Es geht ja nicht um Recht behalten, wir alle können dabei unserer eigenen möglichen ideologischen Grenzen bewusst werden, uns irren in unseren Einschätzungen und Stellungnahmen, Christian Wolff , wie auch der Bundespräsident oder ich ,denn wir sind alle geprägte Menschen, bevor wir selbstbewusst werden können oder in unsere Rollen schlüpfen und wir alle können auch wieder auf primitivere Ebenen , z.B. eines “ entweder / oder“ abrutschen,weil,wir die Spannungen und Bedrohungsgefühle , die Unterschiede nicht mehr benennen, aushalten und nicht vertrauensvoll vertrauten oder auch fremden , anonymen Mitmenschen mit- teilen können. Das ist die Gefahr , in solch einem Blog zu kommunizieren, die wir immer bedenken und einander mitteilen müssen, damit wir sie uns immer wieder neu auch vom Gegenüber vorstellen können. Sonst entsteht schnell ein demotivierender Schlagabtausch! Mir geht es so: ich wähnte mich , als unmittelbares Nachkriegskind , schon manchmal da, dass ich mir Krieg hier innerhalb Europas nicht mehr vorstellen wollte und konnte. Ich baute auf Aufklärung, Bildung, vertraute, befreundete und mit mir verbundene Mitmenschen und meine christliche Prägung. Wer aber schwere Verletzungen, Enttäuschungen ,Bedrohungen erfahren hat , auch im Zusammenleben und sich damit alleingelassen fühlen musste, nicht verständnisvoll und bedingungslos begleitet , neigt zu Verniedlichungen, zu Dramatisierung Verharmlosungen und idealisierenden Einseitigkeiten. Mit diesen simplifizierten und simplifizierenden Äußerungen kann Spannung nicht mehr im Austausch geteilt werden, wozu auch? : ich rieche ja mein Gegenüber in diesem Blog nicht, habe keine Ahnung , was meine Bemerkungen auslösen können. Ein offener Blog kann enthemmen, zu sehr polarisierenden und ungerechten “ Stellungnahmen“ wie das ja auch in diesem Blog vorkommt. Da wir uns nur mit einigen Teilnehmern vertraut fühlen können, ist die Gefahr und Versuchung größer,, hier mal so richtig abzuziehen, dann brauchen wir uns nicht mehr so sehr mit unseren ganz persönlichen Ängsten, abgebrühten oder beschämenden Seiten beschäftigen. Ehrlich gesagt, ich werde mich im Moment mehr mit mir hier ganz vertrauten Menschen austauschen, wobei ich unmittelbare Regungen , meine eigenen und die meines Gegenübers eher spüren und aushalten kann. Da ist das besser aufgehoben , als in einem Blog. Die Versuchung, da eher eine „Rolle“ einzunehmen , sei es die eines Provokateurs oder Alles-Erklärers ist groß, aber nicht hilfreich . Denn: was wir jetzt gut gebrauchen können , besser: was ich jetzt gebrauchen kann sind keine schlagenden Argumente , sondern adäquate , vertraute Bindungen mit gebildeten und herzensgebildeten kritischen ,Mitmenschen. Entsprechend halte ich mich im Moment etwas zurück in diesem geschätzten Blog. Ich sehe ein, dass dieser Austausch mir in dieser Form im Angesicht der Kriegs-Bedrohung wenig helfen kann, Widerstand leisten zu können, mich nicht mitreißen zu lassen, nur,,weil ich schon mal Krieg und seine Folgen unmittelbar zu spüren bekommen habe. Und darum bemühe ich mich: widerstehen zu können, ohne gleichgültig werden zu müssen.
Sicher war es nicht die klügste Entscheidung der Ukrainischen Regierung den Bundespräsidenten Deutschlands auszuladen, einem Land was die Hand reicht von Beginn an, wenn auch zögerlich. Dialog muß immer sein! Was ich aber in der vorrangegangen Argumentation total vermisse, ist Empathie und Verständnis und mangelnde Nachvollziehbarkeit für die Aktionen, dieses sich im Ausnahmezustand befindlichen, geschundenen, überrollten, massakrierten Landes. Sicher ist da nicht immer ein kühler Kopf zu bewahren, auch in Berlin nicht, wenn es Freunde, Weggefährten oder Familie in der Heimat betrifft?! Nicht einer benennt das Grundübel, „Putin“ und sein Gefolge, den Kriegsherren, den KGB-Mann, den Menschenverachter in stalinistischer Manier, und wo ist die Haltung und Konsequenz in der Handlung unserer Regierung, mit Sympathisanten, die sich teilweise jahrzehntelang angebiedert haben und es immernoch tun, eindeutig zu verfahren, auch für das Ukrainische Volk sichtbar? Die Liste ist lang, in hoher Anzahl SPD, Altkanzler Schröder, MP Schwesig, AMP Sellering, Platzek ect. und wo ist eigentlich unser OBM,… außer,
“ Lieber Wladimir…“, hab ich noch nicht viel gelesen, was Haltung und Rückrad betrifft?!
Ich halte den geplanten Besuch von Bundestagspräsidentin Bas in Kiew für konstruktiv. Sie wäre dann die höchste Repräsentantin Deutschlands in der Ukraine seit Kriegsbeginn. Nach einer angemessenen Frist könnte der Bundeskanzler folgen, ohne dass der ausgeladene Bundespräsident brüskiert wäre.
Ich stimme Fr. Kinder voll und ganz zu.
Persönliche Begegnungen können einen guten Eindruck geben und ich habe im Zusammenhang einer Initiative für geflüchtete Menschen aus der Ukraine Seine Exzellenz als äußerst sympathischen, emphatischen und sachlichen Menschen kennengelernt.
Zudem rechne ich es dem Botschafter hoch an, dass er gerade nicht(!) aus der Haltung seiner sicheren Situation in Berlin spricht, sondern durchaus so, als hörten wir einen, der dieses Völkermorden erlebt, um Hilfe schreien. Das ist O-Ton aus der Ukraine, den haben wir verdient, dem haben wir uns zu stellen. Dass er das tut, zeichnet ihn aus!
Ich kenne Botschaften, in denen es sich viele hier vermutlich etwas gemütlicher machen, obwohl sie allen Grund hätten, die Anliegen Ihres Landes im Sinne der Menschen dort 1:1 vorzutragen.
Ja, Botschafter Melnyk ist fordernd und er möchte sich mit seinen Forderungen durchsetzen. Das verstehe ich sehr gut, denn es geht für sein Land und für die Menschen in seinem Land um das Überleben. Und es geht auch um uns, werte Damen und Herren, um unsere Freiheit und Sicherheit, um die Abwehr eines Putinrussland, das auch unsere Völkerrechtsordnung und die Sicherheit von Grenzen mit höhnischen Lügen und fürchterlicher Gewalt auslöschen will. Und es geht darum, dass es einen immensen Zeitdruck gibt. Sehen Sie sich um, wie schnell andere Länder reagiert haben. Aber Deutschland nimmt sich Zeit und prüft und überlegt und wägt ab und und und.
Ist das „Gossensprache“, Herr Wolff, wenn man es deutlich auf den Punkt bringt?
Hingegen lässt tief blicken, dass Herr Wolff und andere diesen Ernst offensichtlich nicht wahrhaben möchten und angesichts des völkermordenden und barbarischen Putinrussland lieber über die Form diskutieren wollen, in der jemand seine Freunde um Hilfe bittet und in seiner Not, ja, auch zu drängen versucht.
Mich erschreckt, wie weit entfernt diese selbstreferenzielle Haltung von dem Ernst derer ist, die in der Ukraine sind.
Das lässt indes tief blicken, worum es denjenigen hier wohl geht. Ich vermute auch Herr Wolff es ist ein wenig das parteipolitische Ansehen der SPD, das für Sie im Mittelpunkt steht. Na dann 🙂
Ihnen allen ein schönes Wochenende
Martin Haberland
Ein guter Beitrag, Herr Haberland. Heute hielt BK Scholz eine Fernsehansprache ans Volk und bekräftigte die Lieferung von „schwerem Gerät“ an die Ukraine. Es war ihm wohl selbst zu peinlich von schweren Waffen angesichts von den zugesagten 7 Haubitzen zu sprechen. Die „Geparde“ werden wohl nie geliefert werden, müssen sie doch von der Industrie erst hergerichtet werden. Da der Hersteller der Spezialmunition, die Schweizer Firma Oerlikon-Bührle ist, muss die Weitergabe in Deutschland befindlicher Munition an die Ukraine von der Schweiz genehmigt werden, was diese ablehnt. Im 2. Weltkrieg verdiente Herr Bührle kräftig mit Waffenlieferungen an Nazideutschland. Auch der Versuch, Munition von Brasilien zu erhalten (dorthin wurden „Geparde“ geliefert) ist gescheitert.
Widerwärtig wie der linke Prof. Welzer Herrn Melnyk heute bei „Anne Will“ abkanzelte: „einfach borniert“.
Widerwärtig? Ich fand, dass Herr Welzer mehr als zurückhaltend auf die ständigen Unterbrechungen und das wieder einmal anmaßende Auftreten von Herrn Melnyk reagiert hat. Botschafter Melnyk hat wieder einmal unterstrichen, dass er ein mehr als gebrochenes Verhältnis zum demokratischen Diskurs in einer offenen Gesellschaft hat. Verräterisch seine Einlassung: Während hier philosophische Debatten geführt werden, sterben in der Ukraine Menschen. Ja, mit diesem „Argument“ kann ich jede Debatte moralisch diskreditieren. Schließlich sterben weltweit auch Menschen an Hunger, Unterdrückung, Krieg, während ich diese Zeilen schreibe.
Sie haben natürlich recht, lieber Herr Wolff. Ich hatte mich nur gefreut, dass das „schlumpfige Grinsen“ (Markus Söder) einmal aus Herrn Welzers Gesicht wich als er hart angegangen wurde.
Ich habe den Offenen Brief, der sich für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine ausspricht, unterzeichnet.
https://www.zeit.de/2022/19/waffenlieferung-ukraine-offener-brief-olaf-scholz
Als Einziger sprach sich am Montag bei der CDU-Präsidiumssitzung Sachsen-MP Kretschmer gegen die Lieferung schwerer Waffen aus – angeblich aus Populismus wegen der Wählermeinung in Sachsen. Dabei steht Rußland an 18. Stelle von 20 Ländern bei den Exporten.
Hier mein Facebookeintrag vom 07.03.2022:
„Was wir in zurzeit in der Ukraine sehen, ist das schlimmste Kriegsverbrechen, das wir in diesem Jahrhundert erleben mussten und ich hoffe sehr, dass das Grauen bald ein Ende hat. Ich habe Verständnis dafür, dass ukrainische Politiker um (noch) mehr Hilfe bitten, diese auch fordern. Die Ansprachen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sind zutiefst beeindruckend. Aber die Auftritte des ukrainischen Botschafters Andrej Melnyk im deutschen Fernsehen sind auch vor diesem Hintergrund nicht mehr angemessen. Zwei Tage nach Kriegsbeginn beklagte er, dass er noch keine festen Zusagen bekommen hatte. Er habe nicht nur wegen des Krieges, sondern auch wegen der Kaltherzigkeit der deutschen Politiker geweint. Gestern erklärte er die Absage an eine Flugverbotszone und damit einen unmittelbaren Kriegseintritt mit der typischen deutschen Angst, die Argumente dagegen seien Ausreden. Ankündigungen von Waffenlieferungen seien Lippenbekenntnisse usw.. Trotz umfangreicher Sanktionen ist ihm nichts genug, mit scharfen Worten verurteilt er nicht ergriffene Maßnahmen, bis hin zum Kriegseintritt, den er fordert. Der Spiegel bezeichnete ihn neulich als Undiplomat. Das trifft es. Ich glaube, dass Melnyk mit seiner Polemik der ukrainischen Sache keinen Gefallen tut.“
Merkwürdigerweise macht sich die Diskussion um Melnyk nun an der „Leberwurst“ fest, bei der ich noch sagen würde, dass dies eine vielleicht etwas flapsige, aber nicht sehr schlimme Äußerung darstellt. Melnyk hat sich in den letzten Wochen noch ganz andere Beleidigungen und rigide Forderungen erlaubt.
Aus WIKIPEDIA zu diesem „Diplomaten“:
HALTUNG ZU STEPAN BANDERA
Am 27 April 2015 besuchte Melnyk das Grab des Partisanenführers und NS-Kollaborateurs Stepan Bandera in München und legte dort Blumen nieder. Dies veranlasste die Linken-Abgeordnete Sevim Dağdelen zu einer Anfrage an die Bundesregierung. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt Michael Roth (SPD) teilte dazu im Mai 2015 mit, dass Melnyk die Position der Bundesregierung dazu hinlänglich bekannt sei. Die Bundesregierung verurteile die von der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) teilweise unter Leitung Banderas begangenen Verbrechen an polnischen, jüdischen und ukrainischen Zivilisten und Amtsträgern. Dabei sei sie sich bewusst, dass ein erheblicher Anteil an diesen Verbrechen in Kollaboration mit deutschen Besatzungstruppen begangen worden sei.
ÄUßERUNG ZU KAY-ACHIM SCHÖNBACH
Nach der Affäre im Januar 2022 um Kay-Achim Schönbach im Russland-Ukraine-Konflikts verglich Melnyk dessen Haltung indirekt mit dem Nationalsozialismus („Die Ukrainer fühlten sich bei dieser herablassenden Attitüde unbewusst auch an die Schrecken der Nazi-Besatzung erinnert, als die Ukrainer als Untermenschen behandelt wurden.“) und warf dem Vizeadmiral „deutsche Arroganz und Größenwahn“ vor. Die „internationale Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit Deutschlands“ stünden „massiv infrage“. Zugleich erneuerte er die Forderungen nach Waffenlieferungen Deutschlands an die Ukraine. Die Lieferung von Schutzausrüstung bezeichnete Melnyk als „Tropfen auf dem heißen Stein“. Dieser Sichtweise widersprach der frühere CDU-Politiker Friedbert Pflüger in einem offenen Brief an Melnyk.
…
BEZEICHNUNG DES REGIMENTS ASOW ALS MUTIGE KÄMPFER
In einem Tweet vom 16. März 2022 bezeichnete er einen kurz zuvor veröffentlichten Artikel[19] der Zeit über das rechtsextreme Regiment Asow als russische Propaganda. Man solle aufhören, „das Asow-Regiment zu dämonisieren“; diese „mutigen Kämpfer“ verteidigten „ihre Heimat“. Den Linken-Politiker und ehemaligen Bundestagsabgeordneten Fabio De Masi, der die rechtsextreme Identität des Regiments Asow bekräftigt hatte, beschied Melnyk in diesem Zusammenhang, „die linke Klappe zu halten“.
Das Tragische an Melnyks Auftreten besteht darin, dass er einen hervorragenden Vorwand bietet, dass die deutsche Öffentlichkeit die „beleidigte Leberwurst“ spielen kann. So rekurierte General Dr. Vad auf die Anwürfe Melnyks ihm gegenüber, dass die Ukraine „ein bisschen Dankbarkeit“ gegenüber Deutschland zeigen solle.
https://presse-augsburg.de/ex-brigadegeneral-erich-vad-wuensche-mir-ein-bisschen-dankbarkeit-von-der-ukraine/789055/
Christine Althauser, deutsche Diplomatin im Ruhestand, hat ein gewisses Verständnis für Melnyks Auftreten:
„Die Ukraine lebt spätestens seit dem 24. Februar in einem unvorstellbaren Alptraum. Putin hat das Schachbrett der internationalen Ordnung umgeworfen. Dass sich in so einer Situation die Tonlage etwa des ukrainischen Botschafters Andrij Melnyk verändert, finde ich verständlich.“
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/melnyk-scholz-ukraine-krieg-russland-100.html
Ihren Hinweis, lieber Herr Wolff, auf einen eventuellen Orban II nehme ich mit den gleichen gemischten Gefühlen auf wie Melnyks Aufforderung an den Linken-Politiker Fabio de Masi, er solle seine „linke Klappe“ halten.
https://twitter.com/MelnykAndrij/status/1506174473199919106?ref_src=twsrc%5Etfw
Ich kann mich einer „klammheimlichen Freude“ nicht erwehren.
https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/buback-nachruf-von-1977-der-klammheimliche-eine-begegnung-mit-klaus-huelbrock/20452424.html
1. Melnyk vergreift sich nicht erst seit dem 24.02.2022 im Ton. Das hat Methode bei ihm.
2. Ich bin mir derzeit nicht mehr so sicher, auf welcher Seite leute wie Andrij Melnyk in der innergesellschaftlichen Auseinandersetzung zwischen Demokratie und Freiheit auf der einen und nationalistischer Autokratismus auf der anderen Seite stehen.
In der gestrigen NZZ war ein ausführlicher Artikel über Selenski (dortige Schreibweise) zu lesen, auch kein „lupenreiner Demokrat“.
Die Standards für eine EU-Aufnahme der Ukraine dürfen jedenfalls nicht abgesenkt werden.
Kristina Dunz hatte im Leitartikel der LVZ von heute mehr Nachsicht von Scholz gegenüber Selenskyj gefordert. Ich habe daraufhin einen Leserbrief geschrieben (vor Veröffentlichung des Beitrags von Christian Wolff zur „beleidigten Leberwurst“):
„Eigentlich genießt Präsident Selenskyj durch seinen Mut und seine Haltung in diesem verbrecherischen Krieg meinen vollen Respekt. Sein bewusst gesetzter Affront gegenüber unserem Bundespräsidenten Steinmeier kann aber nicht einfach hingenommen oder bagatellisiert werden!
Er kannte offensichtlich seit mehreren Tagen die Reisepläne des Bundespräsidenten, hat ihn aber wohl erst unmittelbar vor Beginn dessen letzter Reise-Etappe nach Kiew als unerwünscht erklärt. Damit hat er nicht nur Steinmeier als Person, sondern alle Deutschen vor den Kopf gestoßen!
Ich persönlich betrachte mich seither als unerwünschte Person z.B. bei Ukraine-Demos in Leipzig. Hochrangige deutsche Regierungsvertreter (Scholz, Habeck, Baerbock, Lindner) sollten bis auf Weiteres von Reisen nach Kiew absehen!“
Rolle und Auftreten von Botschafter Melnyk hatten mich schon vor dem 24.2. befremdet. Gerne hätte ich mit Joachim Gauck darüber gesprochen, ob und wenn ja warum er nach Meinung einiger Journalisten Herrn Melnyk schon seit langem freundschaftlich verbunden sei…
Allerdings glaube ich nicht, dass sich Melnyk speziell die Sozialdemokraten als Ziel seiner Attacken auserkoren hat – die generelle Rolle des Elefanten im Porzellanladen scheint ihm wohl eher zunehmend Spaß zu bereiten. Inwieweit er damit weitergehende Karriere-Interessen verbindet, kann ich nicht einschätzen.
Insgesamt entbehrt das „undiplomatische“ Auftreten Melnyks und manchmal auch Selenskyjs dennoch nicht eines gewissen Reizes auf einer ansonsten allzu glatt-gebügelten „Verlautbarungsplattform“.
Danke für diesen richtigen Kommentar! Ich vermisse aus unseren Regierungskreisen eine überlegene Antwort auf diesen ungeheuerlichen Ausrutscher des ukrainischen Botschafters. So stärkt man nicht die Beziehungen zwischen unseren Völkern. Sympathien gegenüber der Ukraine gehen verloren.
Ich möchte mich der Kritik an Botschafter Melnyk anschließen. Sie bewegt mich seit Wochen und ich bin Herrn Wolff dankbar für diesen Blog-Beitrag. Bei allem Verständnis für die dramatische Lage der Menschen in der Ukraine, denen wir mit allen uns möglichen und vernünftigen Mitteln helfen müssen, überschreitet Melnyk – aus meiner Sicht – seine Rolle als Diplomat seit einiger Zeit deutlich. Wo kämen wir hin, wenn das Diplomaten auch anderer Länder tun würden. Botschafter haben dem Land und seiner Regierung, in das sie geschickt werden, Achtung zu bezeugen und bestimmte Linien nicht zu überschreiten. Melnyk kann nicht herumziehen und deutsche Spitzenpolitiker beleidigen. Ich würde ihn ins Auswärtige Amt einbestellen und Entschuldigungen von ihm fordern. Auch ich würde es nicht befürworten, dass Bundeskanzler Scholz vor dem Bundespräsidenten nach Kiew reist. Ich erwarte von deutschen Spitzenpolitikern auch, dass sie Haltung zeigen und sich nicht treiben lassen, von wem auch immer.
Gerlinde Frey-Vor