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Zwischenbilanz

Seit fast zwei Jahren verändert das Corona-Virus unser Leben. Alle Prognosen, dass wir bald zur „Normalität“ zurückkehren können, haben sich als falsch erwiesen. Das Virus erweist sich als resistenter und gefährlicher denn je – mit schwerwiegenden Folgen für jeden Einzelnen und die Gesellschaft. Das seit vier Wochen sich rasant entwickelnde Infektionsgeschehen gerade in Sachsen und die dramatische Situation in Krankenhäusern stellt uns alle vor große Herausforderungen. Wer vermag die derzeitige gesellschaftspolitische Situation und die Folgen der Pandemie richtig einzuschätzen? Wer verfügt über die richtige Strategie der Virus-Bekämpfung? Wie sehen die richtigen Maßnahmen aus? Wie bringen wir Gesundheitsschutz, Endlichkeit und Freiheit in eine angemessene Balance?

Die Diskussion darüber ist im vollen Gange. Wer kann, wer soll, wer darf sich an ihr beteiligen? In einer freiheitlichen Demokratie sind es die Bürger*innen, die sich den Kopf darüber zu zerbrechen haben, wie wir am besten die Gefahr des Virus eingrenzen. Aber natürlich steht jede*r, der*die sich an der Debatte beteiligt, in der Gefahr, nur partikulare Aspekte und dies noch Interesse geleitet anzusprechen. Dementsprechend wird man immer wieder mit belehrendem Unterton darauf hingewiesen, dass es doch in dieser Frage die Experten und Wissenschaftler sein sollen, die das Sagen behalten sollten. Aber sollen wir anderen alle verstummen – oder uns die Sprache nehmen lassen durch das Argument: Es geht um Leben und Tod? Ich denke nein. Darum möchte ich in dieser kritischen Phase der Pandemie eine kleine Zwischenbilanz ziehen und paar Klärungen zur Diskussion anbieten:

1             Merkwürdige Debattenkultur

Wer am Montagabend die Sendung „hartaberfair“ gesehen hat, wurde Zeuge davon, woran es der derzeitigen Debattenkultur mangelt: an der Bereitschaft, Alternativen zuzulassen und zu diskutieren. Frank Plasberg hatte fünf Gäste eingeladen, um über das Thema „Nur ja keinen Zwang: Ist unsere Politik beim Impfen zu feige?“(https://www1.wdr.de/daserste/hartaberfair/videos/video-nur-ja-keinen-zwang-ist-unsere-politik-beim-impfen-zu-feige-102.html) zu diskutieren – darunter die Philosophin Svenja Flaßpöhler. Selbst zweifach geimpft plädierte sie dafür, die Nichtgeimpften nicht pauschal als ein „unterschiedsloses dummes Kollektiv“ hinzustellen. Ihre entscheidende Einlassung lautete: „Ich halte es für fatal und falsch, Menschen zu kriminalisieren, die von ihrem Recht Gebrauch machen, Eingriffe in ihren Körper abzulehnen … Ich finde es hochproblematisch, dass man politisches Versagen (dass man Impfzentren geschlossen hat, dass man Tests kostenpflichtig gemacht hat, dass man es nicht geschafft hat, den Pflegesektor so umzubauen, dass nicht reihenweise Leute kündigen, was dazu geführt hat, dass wir 4000 Intensivbetten weniger haben …), dieses politische Versagen wird jetzt in einem Akt grandioser Komplexitätsreduktion übertragen auf die Menschen, die von ihrem Recht Gebrauch machen, sich nicht impfen zu lassen. …“ Diese Kurzanalyse reichte, um Flaßpöhler den Schwurblern und Querdenkern zuzuordnen, anstatt vielleicht einen Augenblick darüber nachzudenken, welchen Anteil die von ihr angesprochenen Versäumnisse am derzeitigen Infektionsgeschehen haben könnten. Dass Svenja Flaßpöhler eine besondere Aufmerksamkeit zuteilwurde, lag aber nicht nur an ihrer nachvollziehbaren Argumentation, sondern an Frank Plasberg. Denn er verließ sehr bald die Rolle des Moderators, um Flaßpöhler in die Nähe der Verschwörungserzähler zu rücken, anstatt es den anderen Diskutant*innen zu überlassen, sich mit Frau Flaßpöhler auseinanderzusetzen. Wenn aber ein Moderator die Position einer Diskutantin zu diskreditieren versucht, dann sendet er das Signal: Eigentlich will ich nicht, dass Du das hier äußerst. Genau diese bevormundende Attitüde ist es, die Menschen gegenüber Medien misstrauisch macht.

2             Die wichtigste Interventionsmaßnahme: Impfen, Impfen, Impfen – eben drei Mal!

Ein großes Problem der Corona-Politik: Nach wie vor wird sie an den Nichtgeimpften ausgerichtet. Sie werden als die „Tyrannen“, „Terroristen“, moralisch Verwerflichen angeprangert. Dabei ist es das Virus, das uns in die gefährliche Pandemie getrieben hat und zu Maßnahmen zwingt, deren Vereinbarkeit mit den demokratischen Grundrechten höchst umstritten ist.  Unabhängig davon steht für mich unzweifelhaft fest: Die wichtigste Interventionsmaßnahme gegen das Virus ist das Impfen, auch die Boosterung. Ebenso wichtig ist das konsequente Testen von Ungeimpften und Geimpften. Aus beidem folgt: Die Politik steht in der Verantwortung, die Impfquote zu erhöhen und Tests ortsnah und kostenfrei anzubieten. Da frage ich mich schon:

  • Wird wirklich genug getan, um Bürger*innen zum Impfen zu bewegen? Bis jetzt stolpere ich weder in Stadt noch in den Medien noch in den sog. sozialen Netzwerken über eine aufrüttelnde Impf-Werbung.
  • Warum werden nicht alle Nichtgeimpften über ihre Krankenkassen angeschrieben mit einem terminlichen Impfangebot beim Hausarzt oder in einem Impfzentrum?
  • Warum bekommen nicht alle, die zweifach geimpft sind, per iPhone oder Post eine Einladung zur termingerechten Boosterung?

Ich werde den Verdacht nicht los, dass in den vergangenen Monaten mehr darüber nachgedacht wurde, wie Nichtgeimpfte „bestraft“ werden können, als eine konsequente Impf- und Teststrategie aufzubauen und zu verfolgen.

3             Warum immer wieder diese Abwertung und Drohszenarien?

Es gehört zu den menschlichen Unarten, eigene Überzeugungen durch gezielte Abwertung anderer (Ansichten) zu unterstreichen. Niemand ist vor der Versuchung gefeit, das eigene Selbstwertgefühl dadurch zu stärken, dass man andere Lebensentwürfe pauschal abwertet – ich auch nicht. Im Ergebnis ist eine solche Verhaltensweise kontraproduktiv. Eine Partei, die sich im Wesentlichen darauf beschränkt, den politischen Gegner zu bekämpfen anstatt das eigene Programm zu kommunizieren, wird kaum Erfolg haben. Es ist eben keine Werbung für den christlichen Glauben, wenn ich polemisch über den Islam herziehe. Genau das aber geschieht in Sachen Corona. Der monatelange Panikton, die Drohszenarien haben bis jetzt nicht dazu geführt, dass sich die Coronasituation entspannt. Viel wichtiger wäre, das Impfen und Testen, die Abstandsregeln aus sich heraus plausibel und erstrebenswert zu machen.

4             Die Pandemie ist noch lange nicht zu Ende

Wir werden noch lange mit dem Virus leben bzw. unser Leben auf das Virus einstellen müssen. Schon jetzt zeigt sich: Das Impfen allein wird das Virus nicht beseitigen. Das deuten auch die neuesten Zahlen aus den Ländern mit hoher Impfquote an: Spanien (7-Tage-Inzidenz: 50) und Portugal (100) mit steigender Tendenz. Darum müssen wir jetzt darüber diskutieren, wie wir unabhängig vom Impfstatus der Bürger*innen unter den Bedingungen der Pandemie zusammenleben wollen – nicht nur in unserem Land, sondern weltweit. Denn selbst wenn wir in Deutschland die Immunität gegen das Virus erreicht hätten – weltweit gesehen stehen wir erst am Anfang. Das bedeutet: Wir werden uns noch für einen langen Zeitraum auf Einschränkungen und Bedrohungen einzustellen haben – selbst wenn wir in Deutschland eine Impfquote von 90 Prozent erreichen. Wir erleben und erleiden eben keine „Pandemie der Ungeimpften“ sondern eine Pandemie.

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