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Was braucht der Mensch?

Der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen Michael Kretschmer (CDU) ruft dazu auf, über Weihnachten keine Gottesdienste zu besuchen. Er brauche nicht „die schöne Kirche zu Weihnachten“, ließ er im Landtag verlauten. Zusätzlich wies er darauf hin, dass Maria und Joseph auch einsam in Krippe und Stall gewesen wären. Das Argument ist so stichhaltig wie die Antwort vieler Menschen auf die Frage, warum sie nie einen Gottesdienst besuchen: „Ich finde meinen Herrgott auch beim Spaziergang im Wald; da muss ich nicht in die Kirche gehen“ oder warum sie aus der Kirche ausgetreten sind: „Ich muss doch nicht einer Kirche angehören, um Christ zu sein.“ Natürlich muss man das alles nicht. Es muss auch niemand in ein Konzert, ins Kino oder Restaurant gehen. Niemand muss an Weihnachten nach Mallorca oder auf die Kanarischen Inseln fliegen oder die Eltern, Enkel oder Oma und Opa besuchen – oder eben in die Kirche gehen.

Und doch hat die Empfehlung des Ministerpräsidenten einen faden Beigeschmack. Denn sie blendet die Menschen aus, denen ein Verzicht auf den Gottesdienstbesuch sehr schwer fällt; für die der Kirchgang an Heiligabend nicht bloße Familientradition, sondern der Glaube ein Herzensanliegen, ein Lebensfundament ist (warum sonst ist die Religionsfreiheit als Grundrecht in der Verfassung verankert?); die nicht erst seit Corona vereinsamt sind; denen ein Gottesdienstbesuch so viel bedeutet wie das tägliche Brot. Für diese Menschen sind wir als Kirche da, öffnen nicht nur die Türen, sondern feiern mit ihnen Gottesdienst – um ihnen die Gemeinschaft anzubieten, die sie sonst vergeblich suchen. Ich kann nämlich die Weihnachtsgeschichte auch so lesen: Da werden die Hirten aus ihrer Tristesse, ihrer Isolation herausgerufen, um im Stall an der Krippe neue Gemeinschaft und neue Maßstäbe des Lebens zu finden und in schwerer Zeit aufzublühen – ein Gottesdienst der besonderen Art!

Ohne Zweifel: Wir müssen in diesen Wochen der Pandemie besonders behutsam, umsichtig leben und viel mehr bedenken, welche Konsequenzen meine Lebensweise für den Nächsten hat. Aber genau dafür wird uns durch die christliche Weihnachtsbotschaft der Blick geschärft – nicht zuletzt in den Gottesdiensten und durch analoge Kommunikation … und natürlich auf der Straße. Darum spielen Bläser*innen des Posaunenchors sonntags im Gemeindegebiet und vor Alten- und Pflegeheimen Choräle – mit Begeisterung und Abstand, den Menschen zur Freude, zum Trost und Gott zum Lobe. So etwas sollte niemand der Beliebigkeit und politischen Opportunität aussetzen.

23 Antworten

  1. Auch für die Kirchen ist die Pandemie eine harte Realität und Gottesdienste haben zu Ansteckungen geführt und Infektionsketten in Gang gesetzt.
    Eine Ausgangssperre und harte Einschnitte in das soziale und gemeinschaftliche Leben sind notwendig geworden, um die Betagten und Risikogruppen zu schützen. Deshalb sollten die christlichen Gemeinschaften bereit sein, die staatlichen (befristeten) Maßnahmen voll mitzutragen.
    Die Vereinsamung der Menschen wird durch Maßnahmen (wie die Beschränkungen von Gottesdiensten) sicherlich gefördert, womöglich kommt es häufiger zum psychischen Zusammenbruch und Selbstmord. Deshalb muss das Gefühl der Gemeinschaft und die Solidarität auch im Notstand, der in der Tat durch die Intensivmedizin nicht mehr beherrschbar ist und beängstigend ist, auch von der Seelsorge ganz besonders betont werden, anders als von der Politik.
    Bei einer Abwägung sollte man jetzt auf gemeinschaftliche Gottesdienste verzichten. Es braucht auch von den Kirchen diese Beispiel – auch schon weil das Gefühl des Zusammengehörens nicht vom Gottesdienstbesuch abhängen darf und kann.

  2. Wieviel Trost erfahren wir doch in dieser schwierigen Zeit:
    Mag auch die Amtszeit des GröPräZ am 20.1. 2021 zur Neige gehen, so bleibt uns doch ein anderes „stabiles Genie“ erhalten, das uns die Welt weiterhin verbindlich erklären, letzte Wahrheiten liefern und politische Richtungsentscheidungen erleichtern kann. Unermüdlich kämpft er für das Gute, sprich Konservative mit militaristischen Machtphantasien, und gegen das Böse, sprich links-/grün-versifftes Blendwerk und pazifistische Nächstenliebe.
    Ich bedauere, nicht den Langmut und die Geduld eines Christian Wolff zu haben, über verschiedene aktuelle Anwürfe hinwegzusehen. Es schmerzt mich, wenn er, kurz vor Heiligabend, wieder einmal als „Besserwisser“, dessen „Ratschläge zur Corona-Bekämpfung nicht nur nichts beitrugen, sondern sie eher behinderten“, als „Egoist, der der Sache der Kirche schadet“, als „Berater der Kirche, dessen Rat kein Mensch braucht“, oder als jemand, dessen „Kommentar ärgerlich und unangebracht“ ist, geschmäht wird.
    Ich denke, wer Christian’s Beiträge regelmäßig verfolgt, sie offen und vorurteilsfrei aufnimmt, kann zwar durchaus anderer Meinung als er sein, aber derartige Angriffe bis hin zu Diffamierungen nicht nachvollziehen!

    1. Na, Herr Käfer, Ihre Empörung liest sich aber schön, da wird sich Herr Wolff aber gefreut haben. Wie er auf seine Kritiker reagiert ist auch erfreulich, sagt das doch alles über ihn aus. Nett von Ihnen, auch meine Meinung und die anderer Kritiker zu verurteilen.
      So kennen wir Kirche, so erlebte ich als Sexualopfer Kirche in Verbindung mit der Diakonie. Die Moralprediger entpuppten sich als Kinderschänder – und geben sich immer noch als Hüter der Moral aus.
      Erfreulich ist allerdings, dass Herr Wolff als Berater der Kirchen (welche beriet er?) klar erkennbar jämmerlich versagte, denn er kann den Mitglieder-Schwund nicht nur nicht verhindern, im Gegenteil, er trägt mit seinen Anhängern zu weiteren Austritten bei.

      Auch Ihnen wünsche ich ein schönes Weihnachtsfest. Lernen Sie doch in 2021 mit der
      Kritik anderer Menschen umzugehen – und bringen Sie auch Herrn Wolff bei. Machen
      Sie ihm mal den Berater, falls Sie das können.

      Mit freundlichen Grüßen
      E.Kronschnabel

  3. Herr Schubert fasst die Lage richtig zusammen. Herr Wolff dagegen, „alleiniger Weltversteher“ der er ist (wobei er das gerne anderen vorwirft), hält unbeirrt dagegen:
    „ … habe ich von Anfang an dafür plädiert, zu Regeln zu kommen, die zum einen die Situation verhindern, in die wir jetzt geraten sind, und zum andern nicht nur auf Sicht getroffen werden, sondern längerfristig Gültigkeit behalten.“ Ich glaube, man wird sich mehr erinnern an Ihre Aussage, lieber Herr Wolff, daß die (Bundes-)Regierung „allzu sorglos“ Grundrechte eingeschränkt habe, als an Ihre so unglaublich zukunftsträchtigen Ratschläge, die zur jeweils akuten Corona-Bekämpfung nicht nur nichts beitrugen, sondern sie eher behinderten durch Ablenkung vom jeweils wesentlichen.
    Und dann stellen Sie fest: „Nur es ist etwas anderes, ob ein Kirchenvorstand entscheidet oder ein Ministerpräsident Nachdruck empfiehlt.“ Recht haben Sie – allerdings vergessen sie darauf hinzuweisen, daß der MP als gewählter Vertreter des Volkes Verantwortung für alle trägt; der Kirchenvorstand entscheidet für seine (in Sachsen) kleine Gruppe und taucht im Zweifelsfall ab, wenn es später um die POLITISCHE Verantwortung geht (wie es leider so oft passiert).
    Der von der SPD und den Grünen gestützte MP Sachsens handelt in schwerer Lage vorbildlich. Daß der Erfolg ausbleibt, liegt ja insgesamt weniger an der Politik im Lande sondern an einigen Menschen, die eben anderer Meinung sind, was sich in der Pandemie extrem schädlich auswirkt, und die unterstützt werden von Menschen, die – anstatt diese unverantwortlichen Minderheiten bloßzustellen als solche, die keine „mündigen Bürger“ sind, ihre Würde beschädigen und ihre Rechte mißbrauchen – den Regierungen „allzu sorglosen“ Umgang mit Menschenrechten vorwerfen und dadurch mit zu der jetzigen Lage beigetragen haben.
    Ich kann mich keines Beitrages von Ihnen erinnern, lieber Herr Wolff, der außer klugem und abstrakten Rat nach dem Motto „Pandemie und Klima zusammen betrachten“ zur Lösung des jeweils aktuellen Geschehens einen nützlichen Weg aufgezeigt hätte. Sie haben aber im Gegenteil bei jeder Regierungsmaßnahme eifrig Kritik geübt nach dem Motto „alle Regeln eingehalten und trotzdem geschlossen“ – ein Motto, das wesentlich zur jetzigen Lage beigetragen hat und im übrigen auch von den Betroffenen überwiegend abgelehnt wurde.
    Man muß dankbar sein, daß nicht Kirchenvertreter sondern der MP in politischen Fragen zu entscheiden hat. Und die Kirche könnte einen positiven Beitrag leisten, indem sie die politischen Entscheidungen – von denen jeder weiß, daß sie in derzeitiger Lage nur reaktiv, jeweils kurzfristig und auch unvollständig sein können – mitträgt und unterstützt anstatt ohne eigene Verantwortung zu besserwissern (und sich auch noch im Nachhinein zu glorifizieren: „Ich habe von Anfang an …“).
    Einen schönen 4. Advent wünsche ich Ihnen.
    Andreas Schwerdtfeger

  4. „Gott nahe zu sein, ist mein Glück.“ Dieser Vers aus Psalm 73 war vor ein paar Jahren die Jahreslosung. Menschen, die an Gott glauben, haben das Glück zu wissen, dass Gott nahe ist und dass wir nicht tiefer fallen können als in seine Hand, auch wenn wir untereinander Abstand halten müssen.
    Und nun meine Frage:
    Warum macht „Gott“ dann seine Tür zu und lässt uns nicht in sein Haus?

    Meine Mutter würde gerne noch einmal in den Gottesdienst besonders an Weihnachten gehen, sie hat vielleicht nicht mehr die Zeit auf das nächste Weihnachten zu hoffen.

    So geht es vielen Menschen in diesem hohen Alter- Corona hin oder her –

    Ehem. Ambulante Hozpisbegleiterin
    Geni

  5. Mich macht Ihr Kommentar seehr nachdenklich, denn ich stoße auf einen Egoismus, der
    der Sache der Kirche mit Sicherheit schadet. Sie nennen sich Berater der Kirche, aber den Rat, den Sie hier geben, braucht kein Mensch. Wer in der heutigen Pandemie-Zeit den erzkonservativen „Gläubigen“ und deren Forderungen nach uneingeschränkten Gottesdiensten das Wort redet, muss sich fragen lassen, ob er noch real denken kann. Altenheime und Kliniken werden abgeschottet! Die konservativen Kirchenfreunde interessiert das nicht, sie schreien nach Gottesdiensten!!! EGOISMUS wird wieder mal
    ganz groß geschrieben, aber so kennt man die unbelehrbare Kirche, wenn sie durch
    „Berater“ wie Sie beraten wird. Eine Frage des Anstands, Herr Wolff, nicht des Handstands. Kretschmer macht mir keine Sorgen, seine Entscheidungen sind der Realität angepasst. Sie und Ihre Meinungsanhänger sind die Problebären! Frohe Weihnachten wünsche ich trotzdem.

    1. Sehr geehrter Herr Kronschnabel, zunächst danke ich Ihnen, dass sie mein Blog-Beitrag nachdenklich gemacht hat. Leider aber kann ich nicht erkennen, dass das, was Sie schreiben, ein Produkt von Nachdenklichkeit ist. Weder habe ich etwas mit „erzkonservativen ‚Gläubigen‘ und deren Forderungen nach uneingeschränkten Gottesdiensten“ zu tun, noch „schreie“ ich nach Gottesdiensten. Vielmehr geht es um die Frage – und mit der beschäftige nicht nur ich mich seit Monaten: Wie können wir in den Zeiten der Pandemie verantwortlich Kirche leben? Wer sich an diesem Diskurs beteiligt, löst auch Kontroversen aus. Aber sich daran zu beteiligen, ist Ihnen offensichtlich wenig gelegen. Vielmehr scheinen Sie – auch gegenüber Frau Frey – Ihren Aggressionen gegen die Kirche freien Lauf zu lassen. Das können Sie gerne tun (und hoffentlich geht es Ihnen danach besser) – nur bin ich mir nicht sicher, ob wir so zu einem produktiven Gespräch finden. Ihnen wünsche ich ein gesegnetes Weihnachtsfest Christian Wolff

  6. Gottesdienste sind vermutlich für viele Menschen wichtig und decken sicherlich ein religiöses Grundbedürfnis ab. Allerdings nicht für alle. Denn ich habe aus der Vergangenheit aufgrund des Verhaltens vieler Gottesdienstteilnehmer , insbesondere von Famiien mit kleinen Kindern, den allerdings oberflächlichen Eindruck, dass der GD als so eine Art Eingangszeromonie zum Weihnachtsfest verstanden wird. Andere brauchen dazu unbedingt das Weihnachtsoratorium in Originalaufführung. Inwieweit diese Ansprüche in der heutigen Situation bedient werden müssen, ist mindestens fraglich. Auch bin ich fest davon überzeugt, dass durch den traditionellen Weihnachtsgottesdienst kaum jemand zum christichen Glauben findet.
    Gut finde ich, was Herr Christian Schubert am 18. Dezember 2020 – 8:55 aus seiner Gemeinde schreibt. Zu den Menschen hingehen.
    Zum Glück gibt es ja vielfältige Angebote der verschiedenen Rundfunk- und Fernsehstationen, die alle Gottesdienste oder Konzerte übertragen werden. Manche Gemeinden übertragen ihre GD selbst. Die Technik ermöglicht es uns, die Sendungen zu jeder beliebigen Zeit zu hören oder zu sehen. Es gibt zudem kein christliches Gebot zum GD -Besuch und gleich gar nicht durch den GD – Besuch die Gefährdung anderer Menschen beim Beten und Singen billigend in Kauf zu nehmen. Im Gegenteil, jede Infektion, die verhindert wird, entspannt die Situation und rettet Leben.
    Der Vorwurf an Hrn. MP Kretschmer, dass er die christlich – abendländische Tradition leichtfertig preisgäbe, verkennt, dass 90 % der Bevölkerung nicht christlich sind. Außerdem wäre zu klären, was mit Blick auf die Gesamtbevölkerung unter einer solchen Tradtion verstanden werden soll. Und leichtfertig war die Entscheidung des MP bestimmt nicht.
    Eine Aufforderung, mit Masken und Abstand trotzdem GD zu besuchen, verkennt die Wirkmechanismen einer Corona-Infektion und ist bezüglich der möglichen Schäden und der Belastung des Krankenhauspersonals (das sowieso nicht zum GD gehen kann, weil es sehr wahrscheinlich Dienst haben muss) nicht verantwortbar.

  7. Was braucht der Mensch? Darauf gibt es (unendlich) viele, individuelle Antworten. Darunter sicher:

    • Den (Weihnachts-) Gottesdienst. Christian Wolff erinnert in seinem Text eindringlich an Gläubige, denen ihr Glaube ebenso wichtig ist, wie das tägliche Brot; ich vermute allerdings, sie würden an Heiligabend Corona-konform Platz in der Thomaskirche finden – ohne Not und vorherige schriftliche Anmeldung. Daneben macht er kreative, alternative Vorschläge (dezentraler Einsatz von z.B. Bläserchor und Kurzansprache im Gemeindegebiet).
    • Einen entschlossen zupackenden MP. Obwohl Michael Kretschmer nicht unbedingt zum von mir bevorzugten politischen Spektrum gehört, habe ich ihm lange Zeit Achtung gezollt für Engagement, Entscheidungsfreude und Regierungsstil; in der Pandemie gilt das, seltsamerweise, nicht mehr. Wo war der MP, als sich am 7.11. Event-Touristen und esoterisch angehauchte „Blumenkinder“, unter dem Schutz auf-“rechter“ OVG-Richter in der Leipziger Innenstadt austoben durften? Wo blieb die Diskussion, was da schief gelaufen ist und zu bundesweiter „Berühmtheit“ führte?
    • Ein abgestimmtes, transparentes Versorgungskonzept der ambulanten und stationären ärztlichen Versorgung für Leipzig, Sachsen und Deutschland.
    • Ein abgestimmtes, transparentes Infektionsschutzkonzept für Leipzig, Sachsen und Deutschland.
    • Eine Langfrist-Strategie zur Gestaltung des Alltags in der Pandemie, die eine realistische (und akzeptable) Perspektive bis zum Herbst 2021 aufzeigt.
    • Und, jenseits der akuten Pandemie-Herausforderungen, eine aufrichtige Diskussion darüber, wie wir zukünftig (zusammen) leben wollen angesichts Klimakatastrophe und wachsender sozialer Ungerechtigkeiten (Christian Wolff hat das ja bereits mehrfach angemahnt).

    Ich wünsche allen Lesern und Mitdiskutanten des Blogs besinnliche Festtage und ein glückliches, gesundes Neues Jahr!

  8. Sehr geehrter Herr Wolff,

    Ihr Kommentar ist ärgerlich und unangebracht. Vor allem Ihre Unterstellung, der Ministerpräsident würde den Gottesdienst der politischen Opportunität anheim stellen. Das ist nicht der Fall. Es geht einzig und allein um die Verhinderung von vielen Toten mehr.

    Unser Kirchenvorstand hat entschieden, dass wir für die Zeit des harten Lockdowns die Gottesdienste aussetzen. Nur Heiligabend wird es kurze gottesdienstliche Angebote in der Kirche geben, zu denen man sich vorher anmelden muss. Das ist eine mehr als nur verantwortliche Entscheidung. Sie ist richtig!

    Zu den ursprünglich geplanten Gottesdienstzeiten werden die Pfarrer immer in den Kirchen sei, um mit Menschen seelsorgerlich zu reden und zu beten. Die Kirchen bleiben ohnehin offen. Es wird eine Telefonaktion geben, die jedes Gemeindeglied bittet, sich an den Weihnachtstagen jeweils 15 Minuten Zeit zu nehmen, um mit Menschen zu telefonieren, denen es gut tut. Fürbitten für das neue Jahr sollen uns geschickt werden, sie werden vor den Altar gebracht. Das Friedenslicht von Bethlehem wird nicht im Gottesdienst verteilt, sondern zu den Menschen nach Hause gebracht, ohne die Möglichkeit einer Infektion zu geben. Eine Weihnachtsverkündigung wird in alle Haushalte verteilt, in die man Grüße eintragen kann und an seine Nachbarn verteilen. Dazu gibt es einen aufgezeichneten Weihnachtsgottesdienst. Das alles sind Dinge, die man tun kann, auch wenn es nicht das ist, was wir eigentlich gern tun würden. Wir nehmen unseren seelsorgerlichen und diakonischen Auftrag sehr ernst. Wir nehmen die Weihnachtsbotschaft sehr ernst.

    Meine Frau arbeitet als Ärztin in einem Krankenhaus jeden Tag mit Covid-Patienten. Alle Kapazitäten sind ausgeschöpft, auch die zusätzlichen, die extra in diesem Jahr geschaffen wurden. Es ist nicht verantwortlich, auch nur eine weitere Infektionskette zuzulassen, weil das Risiko hoch ist, dass Menschen dann nicht mehr behandelt werden können. Das ist kein Alarmismus, das ist bittere Realität.

    Aus dieser Verantwortung heraus haben wir uns mehr als nur schweren Herzens entschieden, keine Gottesdienste feiern zu können. Diese Entscheidung ist unserem Kirchenvorstand mit Sicherheit schwerer gefallen, als Ihnen Ihr leichthändiger Kommentar. Übrigens: Vielleicht hat der Ministerpräsident einfach den besseren Überblick über die Lage als Sie, wäre das möglich? Waren Sie es nicht, der noch vor wenigen Wochen in diesem Blog dafür plädiert hat, Weihnachtsmärkte stattfinden zu lassen? Wie weit wir doch im Moment davon entfernt sind! Vielleicht wäre Selbstreflexion und Selbstkritik auch angemessen? Wo ist eigentlich Ihre politische Opportunität?

    Mit freundlichen Grüßen,
    Christian Schubert

    1. Sehr geehrter Herr Schubert,
      vielen Dank für Ihre kritischen Anmerkungen. Für die Entscheidung Ihres Kirchenvorstands habe ich volles Verständnis. Ich hätte wahrscheinlich auch dafür plädiert, auf Gottesdienste weitgehend zu verzichten und dafür mit Bläsern durch das Gemeindegebiet zu ziehen, an verschiedenen Stationen drei bis fünf Choräle zu spielen, eine kurze Ansprache zu halten und die Menschen zu bitten, ihre Fenster zu öffnen. Nur es ist etwas anderes, ob ein Kirchenvorstand entscheidet oder ein Ministerpräsident Nachdruck empfiehlt. Außerdem sollten wir es uns in der Kirche nicht zu leicht machen, Gottesdienste zur Disposition zu stellen.
      Wenn Sie meinen Blog verfolgen, dann habe ich von Anfang an dafür plädiert, zu Regeln zu kommen, die zum einen die Situation verhindern, in die wir jetzt geraten sind, und zum andern nicht nur auf Sicht getroffen werden, sondern längerfristig Gültigkeit behalten. Was den Weihnachtsmarkt angeht, so habe ich vorgeschlagen, einen aufzustellen ohne Angebot von Essen und Trinken. Ich hätte mir gewünscht, dass man auch hier mehr Phantasie eingesetzt hätte. Aber da kann man sicher unterschiedlicher Meinung sein.
      Dass alle, die sich zum Thema Corona öffentlich äußern, durch die Wirklichkeit widerlegt werden können und sich u.U. korrigieren müssen, ist unstrittig. Dass kann aber nicht bedeuten, sich am wichtigen Diskurs nicht zu beteiligen – u.a. um das Feld nicht denen zu überlassen, die bis zum heutigen Tag die Gefahr des Virus verleugnen.
      Im Übrigen möchte ich nur darauf hinweisen, dass die hohen Inzidenzzahlen in Sachsen auch etwas mit der Landespolitik zu tun haben. Angesichts der dramatischen Situation in den Krankenhäusern hat die Diskussion darüber derzeit nicht die Priorität.
      Ihnen einen gesegneten 4. Advent Ihr Christian Wolff

      1. Sehr geehrter Herr Wolff,

        ich bedanke mich für Ihre Antwort und Ihre kritischen Ergänzungen. Aus meinem ersten ärgerlichen Kommentar entnehmen Sie sicherlich, dass die Entscheidung unseres Kirchenvorstandes für uns durchaus sehr emotional war. Trotzdem ist sie einmütig gefallen. Sie werden sich sicher vorstellen können, wie schwer es war, Christvesper und Christmette nicht feiern zu können. Dazu darf in allen Gottesdiensten nicht gesungen werden. Vieles von dem, was einen Gottesdienst ausmacht, ist leider gerade nicht möglich außer die Gemeinschaft. Und die ist gerade besonders schwierig. Deswegen versuchen wir Gemeinschaft auf allen möglichen anderen Wegen zu erzeugen, wenngleich das auch wesentlich schwieriger erscheint, weil sie wichtig ist.

        Für den Diskurs bin ich dankbar. Natürlich haben Sie mit Ihrem Verweis auf die Verantwortung der Landespolitik recht. Es ist zur Zeit allerdings auch sehr schwer. Viele warten auf die Entscheidung der nächsthöheren Ebene, weil sie Angst haben, sonst allein im Kreuzfeuer der Kritik zu stehen. So hatte ich im Übrigen Herrn Kretschmer auch verstanden: ich höre aus seinen Worten die Bitte, nicht die Grenzen auszuloten und nicht das Maximale zu veranstalten, was die Verordnungen hergeben. Damit haben wir als Gesellschaft generell ein Problem: wir gehen immer an das Maximale in allen möglichen Bereichen. Von dieser Kritik nehme ich mich selbst nicht aus. Darüber ist in Ihrem Blog auch richtigerweise viel zu lesen. Es ist gut, dass unsere Religionsfreiheit nicht angetastet wird. Aber aus dieser Freiheit heraus folgt Verantwortung. Wir können das nicht an die Politiker delegieren: an den Landrat, den Ministerpräsidenten oder die Bundeskanzlerin. Wir selbst sind verantwortlich. Auch und besonders vor Gott. Insofern haben Sie völlig recht, dass die Absage von Gottesdiensten einem Kirchenvorstand eher ansteht als einem Ministerpräsidenten. Ich habe nur das Gefühl, dass manche sich gern hinter den Verordnungen verstecken und froh wären, wenn sie gesagt bekommen würden, was verboten ist und was nicht. Dann kann man die Verantwortung abschieben. Gerade jetzt zeigt sich, dass die demokratisch legitimierten Ämter führen müssen. So hatte ich die Einlassung von Herrn Kretschmer verstanden und dafür war ich dankbar. Unser Kirchenvorstand hatte übrigens seine Entscheidung schon wenige Tage vorher beschlossen. Aber es macht ein besseres Gefühl, damit nicht allein zu stehen. Ich gestehe gern zu, dass man das anders beurteilen kann.

        Insofern wünsche ich Ihnen auch einen gesegneten 4. Advent. Bleiben Sie gesund und vor allem behütet.

        Mit freundlichen Grüßen,
        Christian Schubert

  9. In Sachsen sieht es schlimm aus mit Corona.
    Kretschmer ist ein sehr guter Min Präs.
    Leider gibt es in Sachsen, vor allem in ländlichen Gebieten oder im.Erzgebirge, sehr viele evangelische Christen ,die die AFD wählen und sich in Gottesdienste ohne klare Berücksichtigung der AHA -Regeln setzen, um bewusst zu zeigen, was sie von staatlichen Maßnahmen halten, nämlich wenig.
    Ich würde Herrn Kretschmer nicht kritisieren wollen. Die Regierenden führen derzeit einen verzweifelten Kampf gegen diese heimtückische Krankheit und gleichzeitig gegen Menschen, die daraus ihr politischen Vorteil ziehen wollen. Wozu dies führt, sieht man gerade in den USA, immer noch, in Brasilien und in Indien weiterhin.
    Ich wünsche Ihnen , lieber Herr Wolff, ein Frohes Weihnachtsfest in Erwartung unseres Herrn.
    Wir versuchen einen Gottesdienst im Freien zu besuchen, der hier in Berlin-Britz Gott sei Dank angeboten wird.
    Ihr Erhard Wagner

  10. Vielleicht ist das nur der verzweifelte Versuch, der dramatischen Corona-Lage in Sachsen noch irgendwie begegnen zu können. Ich würde den Ministerpräsidenten Kretschmer deswegen nicht kritisieren. Nach meinen Beobachtungen wurden die Corona-Schutzverordnungen in vereinzelten Kirchgemeinden mitunter ziemlich „entspannt“ umgesetzt: mit ausgiebigem Gemeindegesang, sogar auch mal ohne Maske, manchmal ohne Mindestabstände und gelegentlich ohne Registrierung der Gottesdienstbesucher. Mancherorts gab es Versuche, nicht mehr zulässige Konzerte zu musikalischen Andachten „umzuetikettieren“. Noch am 31. Oktober erklang Bachs h-Moll-Messe in einer anhaltischen Kirche mit dem Ergebnis von Corona-Infizierungen. Eine woanders beheimatete Organistin (vermutlich „Querdenkerin“) erklärte vehement Ihre Sympathie für die Gegner der Corona-Schutzverordnungen. Die Einschränkungen des Lockdown Light wurden u.a. kritisiert als Anordnungen „ohne Maß und Ziel“. Heute wissen wir, dass diese schon damals schärfer hätten ausfallen müssen.
    Dies ließe sich alles verkraften, wären wir nicht jetzt in einer Situation, die uns ein Weihnachtsfest beschert, das wir uns so niemals hätten vorstellen können: Ohne Kirchenmusik und vielleicht am Ende sogar noch ohne Gottesdienste. Auf letztere zu verzichten, wäre in der Tat kaum zu vermitteln! Uns fällt in dieser Corona-Pandemie vermutlich eines besonders schwer: Entscheidungen, die aus der Vernunft heraus getroffen werden (oder werden müssen), sind oft mit unserer Herzenshaltung oder unserem Bauchgefühl kaum vereinbar. Das betrifft zu Weihnachten nicht nur die Haltung zu den Gottesdiensten, sondern insbesondere auch den „analogen“ Kontakt zu unseren Familienangehörigen, besonders zu denen, die nicht zu unserem Haushalt gehören: zu Kindern, Enkelkindern und Geschwistern.

  11. Ministerpräsident Kretschmer schlägt denen ins Gesicht, die sich unendlich um eine Christvesper bemühen, die den Corona-Erfordernissen entspricht. Er gibt unsere christlich- abendländische Tradition fahrlässig preis. Keine andere Religion würde sich derart selbst verraten. Ich weiß, wie sehr gerade in diesem Jahr unsere Werte und unser Potential zu Trösten und Hoffnung zu geben erwartet werden. Lassen Sie sich nicht irritieren, tragen Sie eine Maske und halten Sie Abstand im Stall und vor der Krippe und bei den Christvespern. Was zählt, ist das Herz und das Vertrauen und die Liebe, die diese Welt erhalten. Fernbleiben ist keine Option! Frohe Weihnachten wünscht Ihnen allen Dorothea Frey

    1. Sehr geehrte Frau Frey,
      wenn Sie etwas mehr über „ihre“ christlich-abendländische Kultur“ erfahren möchten, dann
      befassen Sie sich doch mal intensiv mit den Skandalen um den sexuellen Mißbrauch von
      tausenden Kindern. Die EKD und die Gliedkirchen kommen mit der Aufarbeitung dieser
      Skandale nicht nach -und Sie schreiben was von christlich-abendländischer Kultur. Nicht
      MP Kretschmer schlägt Gläubigen ins Gesicht, Sie schlagen jedem Anstand ins Gesicht!
      Wenn Glaube so gelebt werden soll, wie Sie es haben möchten, versenkt sich die KIRCHE selbst.

  12. Es ist schon eine gefühlte Ewigkeit her, dass ich aus der katholischen Kirche ausgetreten bin. Aber die Ursache ist mit noch klar vor Augen: Zwei Religionslehrer meiner Schule redeten auf einer Klassenfahrt lange auf mich ein und machten mir klar: An Gott glauben könne man nur, wenn man auch an die römisch-katholische Kirche glauben würde. Von Dogmen hatte ich noch keine Ahnung, auch nicht, dass sich die Hostie tatsächlich in den Leib Christi verwandeln sollte. Im Kern ging es genau um die Idee: Beten muss doch auch außerhalb des Kirchengebäudes zielführend möglich sein. Nein, war die damals die klare Antwort, die ich bekam.
    Vielleicht ist unser Ministerpräsident vielleicht eher mit dem Protestantismus, denn mit dem Katholizismus vertraut, vielleicht haben mich meine Lehrer nur aufs Glatteis geführt. Oder der Politiker lässt gleiche Regeln für alle gelten. Ich kenne genügend (junge) Menschen, denen das Treffen mit Freunden ein Herzensanliegen ist, die enorm unter den Kontaktbeschränkungen leiden und denen der Clubbesuch soviel bedeutet wie das täglich Brot. Denn für einen 10, 14 oder 18jährigen ist die Vereinzelung kalter Entzug, der Schäden mit sich bringen wird.

    1. Lieber Dr. Schubert, es ist eine der zahlreichen sächsischen „Besonderheiten“ das ein „katholisches Herrscherhaus“ wie die Wettiner, eine „Herzkammer“ der Reformation regiert haben. Das hat Sachsen und auch die sächsische CDU geprägt. und trotzdem hat es zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine Kirchenaustrittsbewegung gegeben. Bis in meine Familie hinein. Mein Vater Jahrgang 1911 wurde noch getauft, gehörte aber der evangelischen Kirche nicht an. Auch meine Groß-Eltern sind im Gefolge des 1. Weltkrieges ausgetreten. Speziell meine Thüringer Großmutter hatte ein „gestörtes“ Verhältnis zur Religion und deren „Vertretern“.

    2. Lieber Herr Schubert, natürlich kann und muss auch alles, was wir in den Kirchen tun (Singen, Beten, auf Gottes hören), auf der Straße, im Wald oder in den eigenen vier Wänden praktiziert werden. Auch stimme ich Ihnen zu, dass die Vereinzelung noch manche negative Folgen zeitigen wird. Aber aus der Tatsache, dass es auch in anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zu Einschränkungen gekommen ist, zu schließen, dass die Kirche sich mal nicht so haben soll, halte ich für falsch. Die Religionsgemeinschaften müssen sich überhaupt nicht dafür rechtfertigen, dass sie ihren Bereich selbst regeln können und dass sie die Religionsfreiheit als Grundrecht in Anspruch nehmen – solange sie dies im Rahmen des geltenden Rechtes und verantwortungsbewusst tun. Konkret: Nach wie vor halte ich es für einen großen Fehler, dass man über Monate die Einhaltung der Schutzregeln nicht wirklich kontrolliert hat, dafür aber all die Bereiche (gerade in den Kulturinstitutionen), die die Hygienevorschriften umgesetzt haben, Anfang November vor den Kopf gestoßen und geschlossen hat. Was bleibt, ist das, was jeder Pädagoge kennt: Wer seine Autorität verspielt, kann nur noch autoritär handeln. Musterbeispiel: Ministerpräsident Kretschmer. Ihnen ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest Christian Wolff

      1. „Wer seine Autorität verspielt, kann nur noch autoritär handeln. Musterbeispiel: Ministerpräsident Kretschmer.“
        ================================================================
        Herr Kretschmer handelt keineswegs autoritär. Er bemüht sich ohne Ende, diese beispiellosen Krise auf demokratische Weise zu meistern. Bundesminister Spahn hat gesagt, dass man sich nach Ende der Krise viel zu verzeihen habe. Fehllerlos wird niemand dastehen, ob Politiker, Virologe oder einfacher Bürger.

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