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„Verklumpung“ oder die Verachtung des demokratischen Diskurses

„Verklumpung“ – mit diesem Begriff beschreibt die Wochenzeitung „DIE ZEIT“ in ihrer neuesten Ausgabe die politische Debattenlage in Deutschland. Verklumpung – das passt auch gut zum gemeinsamen Wahlprogramm der CDU und CSU. „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“ lautet der Titel. Es liest sich so, als sei die Bundestagswahl nur noch eine lästige Pflicht. Denn eigentlich besteht kein Anlass, irgendetwas zu ändern: Angela Merkel forever. Dazu passt auch die Hauptaussage im Wahlprogramm: Vollbeschäftigung bis 2025! In sieben Jahren haben wir es geschafft: das Paradies. Wieso überhaupt noch debattieren, wählen, Koalitionen bilden? Konsequenterweise wurde dieses „Wahlprogramm“ erstellt von ein paar hoch angesiedelten Parteifunktionären der CDU und CSU, abgeknickt in den beiden Parteivorständen und dann von Angela Merkel und Horst Seehofer vorgestellt – ohne jegliche Diskussion in den Gliederungen der Partei, und so dargeboten, als ob es nie Differenzen zwischen CDU und CSU gegeben hätte.

„Verklumpung“ – das ist auch eine gute Beschreibung für die Art und Weise, wie Bundeskanzlerin derzeit auf- aber vor allem abtritt. Gestern startete die Leipziger Volkszeitung (LVZ), Partnerin im Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), die Leseraktion zur Bundestagswahl. Auf einer „Bundesleserkonferenz“ können Bürgerinnen und Bürger mit den Spitzenkandidat/innen der Parteien in der Bundespressekonferenz diskutieren. Für jede/n Kandidaten/Kandidatin gibt es in Berlin einen gesonderten Termin. Wer nicht mitmacht: die Kanzlerkandidatin der CDU Angela Merkel. Sie bleibt sich in der Verweigerung von Debatten treu und will damit offensichtlich signalisieren: Ich bin die Chefmoderatorin der Republik; ich bestimme, wann und was geschieht. So war es konsequent, dass sie auch am vergangenen Freitag während der Bundestagsdebatte über die „Ehe für alle“ nicht das Wort ergriff. Dafür verkündete sie dann nach der Entscheidung auf den Fluren des Parlaments, dass sie mit Nein gestimmt habe – nicht ohne die Mär zu verbreiten, dass die CDU doch schon so viel für die gleichgeschlechtliche Partnerschaften getan habe. Dabei ist fast alles, was mit der schließlichen Abschaffung des Paragrafen 175 StGB (Strafbarkeit der Homosexualität) 1994 und dem Abbau der Diskriminierung von Schwulen und Lesben bis hin zur „Ehe für alle“ zu tun hat, gegen die CDU/CSU durchgesetzt wurde – wie auch die Ermöglichung von eigetragenen gleichgeschlechtlichen Partnerschaften im Jahr 2001. Insofern hatte der SPD Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs absolut recht, als er Bundeskanzlerin Angela Merkel im Bundestag am vergangenen Freitag bitter entgegenschleuderte: „Vielen Dank für Nichts“.

Mit etwas mehr als Nichts, aber mit leeren Händen stünde Angela Merkel auch da, wenn nicht der Koalitionspartner SPD in den vergangenen vier Jahren die Entscheidungen durchgesetzt hätte, die dazu führen, dass eine Mehrheit der Deutschen mit der Arbeit der Großen Koalition einigermaßen zufrieden sind: Mindestlohn, eine herausragende Errungenschaft in dieser Legislaturperiode, Rente mit 63, Mietpreisbremse, eine solide Familien- und gediegene Außenpolitik. Über weite Strecken wurde Angela Merkel in den vergangenen vier Jahren von der SPD gestützt und geschützt, während die CSU ihr eine „Herrschaft des Unrechts“ und verfassungswidriges Handeln in der Flüchtlingspolitik unterstellte.

Doch all das spielt nun keine Rolle mehr. Stattdessen die Verweigerung der Debatte – auch über die Fragen, die noch vor kurzem die Gemüter erregten: europäische Einigung, gerechte . So ist auch zu erklären, dass Angela Merkel und Horst Seehofer sich darauf verständigten, das Streitthema „Ehe für alle“ zu entschärfen, ohne es einer Entscheidung zuzuführen. Doch dieser schnöde Versuch misslang. Ob das nun zu einem Strategiewechsel in der CDU führen wird? Wohl kaum. Angela Merkel wird sich auch weiter einer normalen demokratischen Auseinandersetzung entziehen. Schon seit Jahren finden keine öffentlichen Diskussionen zwischen den Vorsitzenden der im Bundestag vertretenden Parteien statt. Wenn Angela Merkel im Fernsehen auftritt, dann nur allein und mit vorher ausgehandelten Fragen. Da gerät die Verklumpung zu einer Verachtung, der Verachtung des öffentlichen demokratischen Diskurses, des öffentlichen, streitigen Ringens um die besten Lösungen. Das ist vielleicht noch kein „Anschlag auf die Demokratie“ (Martin Schulz), aber es führt zur Verkümmerung einer demokratischen Streitkultur.

Es ist zu wünschen und zu hoffen, dass der CDU und ihrer Kanzlerkandidatin diese Strategie in den kommenden Wochen schwer auf die Füße fällt – dann nämlich, wenn die Menschen merken: „gut und gerne leben“ bedeutet vor allem, sich um die Grundfragen des Lebens kümmern, sich einmischen, selbst Verantwortung übernehmen, Politiker/innen stellen und befragen – unabhängig davon, welche Partei ich bei einer Wahl präferiere. Es bedeutet, dafür eintreten, dass gleichberechtigte Teilhabe an Bildung, Arbeit und Einkommen entscheidende Voraussetzungen dafür sind, dass Menschen sich ernst genommen und wohl fühlen. „gut und gerne leben“ – das geht nur, wenn wir bereit sind, für ein demokratisches und soziales Europa zu streiten und alles zu unterlassen, was Konflikte auf dieser Welt anheizt, also eine aktive Friedenspolitik zu betreiben. „gut und gerne leben“ – das lässt sich nicht vereinbaren mit neuen Aufrüstungsprogrammen und Rüstungsexporten. „gut und gerne leben“ – das setzt die Debatte, den Disput, den Diskurs voraus. Sie sind die Lebensadern der Demokratie. Lassen wir nicht zu, dass diese weiter verklumpt werden.

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8 Antworten

  1. Liebe Frau Binder,
    auch wenn ich nicht in allem Ihre Meinung teile – wie es ja auch umgekehrt nicht der Fall ist – ist es doch schön, daß mit Ihnen noch jemand in vernünftigem Stil diskutiert und auch seine Argumente bringt. Wir haben sie nun ausgetauscht und ich glaube, wir würden uns im Kreise drehen, wenn wir weitermachten. Also Glückwunsch zu Ihren Ansichten, die ich ernst nehmen kann und die ich als möglich respektiere, auch wenn sie teilweise von meinen abweichen.
    Wenn Sie allerdings schreiben, unser „lieber Christian (sei) auch „verbaler Gewalt ausgeliefert“, so werden Sie wohl dieses Fehlurteil nun nach seinem nächsten unsinnigen Rundumschlag unter dem Titel „Gewalt in der Sackgasse“ revidieren müssen. Wolff ist eben im Gegensatz zu Ihnen leider nicht verbaler Gewalt ausgesetzt sondern in erheblichem und für einen Pfarrer unwürdigen Maße Absender von verbaler Gewalt, die er nun bald nicht mehr unter seinem heuchlerisch vorgebrachten „christlichen“ Argument, die Menschen seien doch ALLE Geschöpfe Gottes verstecken kann.
    Ich grüße Sie,
    Andreas Schwerdtfeger

  2. Lieber Herr Schwerdtfeger, schön wie intensiv Sie sich mit meinem Beitrag auseinandersetzen. Ja und d `accord – ich halte es für ein gutes Zeichen, wenn man seine Meinung ändern kann, wenn man neue Argumente hören und gelten lassen kann.ds gilt auch für Angela Merkel. Jetzt jedoch kommt das berühmte aber: In der Position von Angela Merkel NICHT SO UND AUF DIESE WEISE.( in Puncto AKWs finde ich das prima) Die Dinge wollen auch vom Ende her bedacht sein und da ist es auch bei Änderung der eigenen Meinung ratsam, sich abzustimmen. Ihre Volten kommen aus heiterem Himmel. In ihrer Position wäre es notwendig gewesen,den Versuch zu unternehmen sich abzustimmen und vor der monatelangen Grenzöffnung die politischen Mitstreiter, Parteigenossen , Koalitionspartner und auch die Gegner, ebenso die europäischen Verbündeten zu konsultieren.( Auch auf dem Budapester Bahnhof gab es noch ein Zeitfenster und es gab eine Alternative zum Alleingang.): Wie machen wir`s denn, was können wir jeweils leisten? Mit solchen integrativen Fragestellungen fühlt man sich sowohl auf der persönlichen als auch auf der politischen Ebene ernst genommen und zum Mitdenken und sicher auch zum Mithandeln animiert. Monatelang rechtsfreie Räume an den Grenzen- das nenne ich: Hier wird nicht “ Schaden vom deutschen Volk abgewendet“.Übrigens : Von Anfang an war ich gegen diese Art der Flüchtlingspolitik. Der Zwang zum Deal mit Herrn Erdogan- das ist das unselige Ergebnis.Und die Volte mit den AKWs ist nicht viel anders. Ebenso von heute auf morgen unvermittelt den Ausstieg aus der Kernenergie zu vollziehen, das halte ich auf diese Art nicht für richtig. Denn so wie es momentan läuft, zahlen wieder einmal die“ kleinen Leute“ in Form von ihrer hohen Stromrechnung die Zeche. Das kann man anders und überlegter gestalten. Dazu hätte ich von Frau Merkel gern etwas gehört. Und die Missachtung von akademischen Abschlüssen: “ Ich habe keinen Doktoranden, angestellt sic! über Guttenberg“- das passt überhaupt nicht. Allerdings passt es in unsere verkorkste Landschaft der Schulpolitik.Und als überzeugte Gegnerin des verpflichteten Wehrdienstes, trauere ich nun der Bundeswehr wirklich nach. a. Wie gut ,wenn jeder ohne Ausnahme- ob Frau oder Mann- Wehrdienst oder Zivildienst ableisten muss.Noch besser, wenn man schriftlich begründen muss, warum man sich für das eine oder andere entscheidet. Das ist einen gute Übung den eigenen Standpunkt zu reflektieren und sich eventuell wieder für Politik zu interessieren, weil man nun selbst davon betroffen ist. b. eine bessere Integrationsmöglichkeit als die allgemeine Wehr- oder Zivildienstpflicht kann ich mir nicht vorstellen. Söldnerheeren habe ich schon immer noch mehr misstraut, als einem Heer, das alle Bürger umfasst.
    Und nun zum Schluss: Die Volten von Frau Merkel finden in ihrer eigenen Partei viel mehr Gegner als wir denken. Jedoch- sie fürchten alle um ihre Listenpltätze , Pöstchen usw. – daher schweigen die allermeisten.
    Einst habe ich mich gefreut über die erste weibliche Kanzlerin.Nun jedoch empfinde ich sie nur noch als eine 9x geschickte Machtpolitikerin, deren Handeln Politikverdrossenheit fördert und den demokratischen Diskurs schwächt.
    Es grüßt sie herzlich
    Adelheid Binder

  3. Ja, liebe Frau Binder, da müssen Sie aber aufpassen, daß Sie aus Ihrem schönen „sapere aude“ nicht dann das Gegenteil machen und der Propaganda von Ideologen aufsitzen: Erklären Sie mal, warum ein oder auch mehrfache Meinungswechsel – unabhängig davon, ob man sie mag oder nicht – ein „Anschlag auf die Demokratie“ seien. Das ist es doch: Man kann Merkel für diese politischen Volten kritisieren oder man kann sie als politische Notwendigkeiten im Wandel der Zeit empfinden – legitim sind sie in der Demokratie allemal und wenn die eigenen Parteigliederungen sie mitmachen, dann sind sie auch demokratisch. Nehmen wir doch Ihre Liste einmal unter die Lupe:
    1. Bundeswehr: die zahlenmäßige Verringerung von Streitkräften nach dem Ende des Kalten Krieges führte zu immer größerer Wehrungerechtigkeit beim Einziehen der Wehrfähigen; gleichzeitig war eine sinnvolle Ausbildung Wehrpflichtiger in immer kürzeren Wehrpflichtdienstzeiten nicht mehr möglich; schließlich stellte sich die rechtliche und moralische Frage des Einsatzen von Wehrpflichtigen bei Auslandseinsätzen. Der Entschluß zur Aussetzung (nicht Abschaffung) der Wehrpflicht war also dann durchaus einer neuen Lage geschuldet.
    2. AKWs: Die deutschen AKWs haben sicherlich einen sehr hohen Grad von Sicherheit und die Entscheidung zur Laufzeit-Verlängerung war also nachvollziehbar. Der Unfall in Japan dann – einem Land mit ebenso hohen Standards (im Gegensatz zum früheren Tschernobyl) – schuf ebenfalls eine neue Lage, sowohl tatsächlich als auch im Umschwung der deutschen öffentlichen und politischen Meinung. Da ist ein Umsteuern wohl akzeptabel.
    3. Flüchtlingspolitik: Es ist interessant, wie schnell sich aus der großen Zustimmung zu Merkels „Wir schaffen das“ jetzt aus nachträglicher Einsicht die sogenannte „Planlosigkeit“ entwickelt. Merkel hat aus humanitären Gründen die Grenzen aufgemacht; sie hat dadurch vorübergehend das in Kauf genommen, was zu unrechtmäßigen Zuständen in DEU führte; sie hat dies in angemessener Weise korrigiert. Für jeden dieser Schritte wurde sie von besserwisserischen Ideologen kritisiert, die zwar keinerlei Alternativen je angeboten hätten, aber sich in gutmenschlicher Verantwortungslosigkeit überboten. Das ausserordentlich komplexe Thema Flüchtlinge als Merkel-Versagen oder – Volte darzustellen, greift sehr kurz und ist Ihrer sonstigen Ausgewogenheit nicht würdig, liebe Frau Binder.
    4. Bankenrettung und Griechenlandpolitik: Sehen Sie, man schwatzt immer den Unsinn von „Bankenrettung“ anstelle von Unterstützung des kleinen Mannes. Aber Bankenrettung ist Unterstützung des kleinen Mannes, denn der Großanleger kann Verluste verschmerzen, der kleine Sparer aber ist seine Grundlage los. Die sogenannte Bankenrettung war die Aufrechterhaltung des Wirtschaftslebens zur Rettung der Spareinlagen sehr vieler Menschen. Und die Griechenlandpolitik scheitert ja nicht am guten Willen der Bundesregierung, sondern an der vollständigen Untätigkeit der linken griechischen Regierung, die nichts aber auch wirklich gar nichts getan hat seit ihrem Amtsantritt außer gnadenlos die kleinen Leute zu belasten: kein Aufbau leistungsfähiger Behörden, kein Abbau von Betrug und Korruption, keine Einschränkung der eigenen Privilegien, kein Zurückfahren der Staatsausgaben zB im militärischen Bereich, keine Steuern für die Luxusjachten im Hafen von Piräus. Und die griechischen Rentner bekommen immer noch deutlich mehr als die in Estland, aber Letzere sollen mitbezahlen für die selbstverschuldete griechische Pleite!
    5. Ja, Wulfs unsinnnige Aussage zum Islam zu unterstützen oder auch nur nachzuplappern, ist eher unglücklich. Aber dieser Versuchung unterliegen ja alle diejenigen in Deutschland auch, die uns ewig den Unsinn von Multikulti predigen oder den sogenannten „Wurzeln“, die nur über den Doppelpass aufrecht zu erhalten seien.
    6. Osama Bin Laden: Sehen Sie, dramatische Worte wie „Krieg“ bringen uns vielleicht nicht weiter, aber die Lage ist so, daß eine bewaffnete Auseinandersetzung, die eine der beiden Seiten ohne jegliche rechtliche Bindung führt, während die andere Seite sich an Völkerrecht und Menschlichkeit orientieren soll und muß, nicht nach den Regeln des Strafgesetzbuches geführt werden kann. ObL war nicht „Verbrecher“ oder „Straftäter“; ObL war „Kriegsgegner“ und in einer derartigen Lage ist es legitim, ja geboten, ihn zu töten. Ob es nun „Freude“ oder „Genugtuung“ oder auch nur „Erfolg“ ist, wenn der oder einer der Anführer der feindlichen Seite getötet wird, ist dabei eher nebensächlich.
    7. Und schließlich: Schieben Sie die sogenannte Resignation der Wähler nicht auf die Politiker: Diese stehen vor gewaltigen Problemen inhaltlicher aber eben auch sozial-psychologischer Probleme, denn wenn sie es dem einen recht machen, ziehen sie unweigerlich die Kritik der anderen auf sich. Politik ist Kompromiß und Kompromiß hat immer ein Element von Lavieren. Die Resignation der Wähler hat aber damit nichts zu tun. Sie ist in Wirklichkeit der Kokon, in den sich der Wähler zurückzieht, weil er selbst die Probleme auch nicht annähernd überblickt und weil er nur aus diesem Kokon heraus seine „Überlegenheit“ in „Kritik“ wandeln kann. Die Art und Weise, wie sich gerade die Deutschen, aber auch die Menschen in anderen westlichen Demokratien den Demagogen der NGOs und vieler weiterer Gruppen und Grüppchen ausliefern und deren völlig einseitige ideologische Forderungen ohne realen Handlungshintergrund gedankenlos für sich übernehmen, zeigt doch wie sehr sie daran interessiert sind, andere für sich denken zu lassen. Daß wir dadurch unsere Demokratie schädigen, indem wir uns immer stärker dogmatischen Minderheiten ausliefern, merkt kaum jemand. In der Entmündigung der Menschen durch einige NGOs liegt der wahre Anschlag auf unsere Demokratie.
    Ich grüße Sie, liebe Frau Binmder,
    Andreas Schwerdtfeger

  4. Lieber Christian, Ja. sapere aude! oder: Aufklärung ist das Heraustreten des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit.
    Was, wenn wir aber nur noch eingelullt werden von taktischen Spielchen und gefälligen PR- Bildern?Und das schlimme ist: damit hat man Erfolg. Der Weg zur Gleichgültigkeit der Wähler/Innen ist schon lange beschritten. Und ehrlich gesagt- ich, die ich keine Freundin von Verunglimpfung der anderen Seite bin- ich halte Angela Merkels Volten tatsächlich für einen Anschlag auf die Demokratie, somit nehme ich Martin Schulz das Gesagte nicht übel. Unvermittelt zähle ich hier auf: Bundeswehr wird Berufsarmee, kurz vorher Verlängerung der Laufzeiten der AKW`s und dann 180Grad Wende ( und dass wir uns richtig verstehen. Ja, der Ausstieg aus der Kernenergie ist mehr als notwendig), dann planlose Flüchtlingspolitik,Bankenrettung und fatale Griechenlandpolitik, dann Nachgeplappere von Wulffs fatalem “ Bonmot“: Der Islam gehört zu Deutschland. Dann die Freude Merkels -wir erinnern uns an die Bilder von Obama und Hillary Clinton, sie sehen der Tötung eines Menschen( Osama Ben Laden) mit offener Freude zu.Merkels geäusserte Freude über diesen Streich der Amerikaner.( Es geht mir um das Vorgehen und die PR- Berichte der Amerikaner. Auch Osama Ben Laden war immer noch ein Mensch.)
    In dieser bundesepublikanischen Einheitssosse, wo praktisch keine Partei mehr ein wirkliches Profil hat, weil Angela Merkel im gesamten Parteienspektrum unvermittelt ihre Themen findet- was soll`s? Es ist alles beliebig geworden. Und das ist das “ Verdienst “ von Angela Merkel. Um es kurz zu sagen: Dazu bedarf es schon ganz besonderer Spezialtugenden! Und die hat die Kanzlerin zweifelsohne. Das fatale ihrer Politik wird man erst in der Zukunft sehen. Aber jetzt schon : Viele kapieren wie machtlos sie als Wähler/ Innen diesem Treiben ausgeliefert sind. Sie sind verbittert und ziehen sich resigniert zurück. Und manche greifen darüber hinaus zu den falschen Mitteln, wählen AfD oder greifen zur aktiven oder verbalen Gewalt, der auch Du-lieber Christian- ausgeliefert bist.

    1. Liebe Adelheid, ich bin da nicht so pessimistisch. Es gibt doch eine Menge Menschen, die nach einer politischen Alternative suchen und die bereit sind, sich dafür zu engagieren. Nur muss ihnen auch ein entsprechendes inhaltliches und personelles Angebot gemacht werden. Das lässt noch auf sich warten. Ich bin skeptisch, aber nicht hoffnungslos, dass dieses Angebot sich in den nächsten Wochen des Wahlkampfes deutlich herauskristallisiert. In diesem Sinn herzliche Grüße Christian Wolff

  5. Scherzhaft, lieber Herr Wolff, beginne ich mit der Feststellung, daß Ihre rosa Brille Sie doch zu den lustigsten Feststellungen veranlaßt, wie dieser Beitrag wieder zeigt, der auch durch loyale Zitate eines Jüngers aus Kants Schrift “Was ist Aufklärung” nicht geistig geadelt werden kann (ich weiß, Sie sind gegen Knigge und auch vermutlich gegen Adel, also nehmen Sie dies nicht zu wörtlich). Und bevor Sie mir nun vorwerfen, daß ich eventuell durch die schwarze Brille gar nichts sehe, weise ich darauf hin, daß dunkle Sonnenbrillen sehr nützlich vor Blendung schützen und insofern vorteilhaft sind.
    Es wundert nicht, daß Sie die schöne These der SPD, sie habe die großen Leistungen der letzten Jahre innerhalb der Regierung und gegen den – leider die Koalition anführenden – eigentlichen politischen Gegner durchgesetzt, hier noch einmal aufgreifen. Aber es gelingt eben der SPD nicht so recht, dieses Märchen dem deutschen Volk aufzuschwatzen, weil es zu durchsichtig ist. Ja, CDU und SPD haben in der Mitte des politischen Spektrums große Überschneidungsflächen – und also ist es logisch, daß beide Parteien mit ähnlichen innen- und sozialpolitischen Themen und Lösungsansätzen aufwarten – nicht umsonst regieren sie ja im Bund und einigen Ländern einträchtig zusammen. Es ist auch richtig, daß Merkel mit der CDU in ihrer Zeit als Parteivorsitzende – unglücklicherweise – die rechte Flanke im konservativen Lager aufgemacht, gegen den berechtigten Widerstand der CSU, und damit denselben Fehler gemacht hat, den Brandt, Schmidt und Schröder jeweils bezüglich der linken Flanke gemacht und mit der folgenden Gründung der “Abweichler” erst in Grüne und dann mit Linken schon vorher gemacht hatten. Die SPD ist also an ihrer Schwäche selbst schuld und wird an dieser auch nichts wesentliches mehr ändern können. CDU und CSU haben noch die Chance, uns durch ein breites Spektrum von rechts bis Mitte vor solchen schädlichen und dann sich radikalisierenden Abspaltungen zu bewahren.
    Sehen wir uns das CDU-Programm ein bißchen an:
    – Vollbeschäftigung: Dies ist ein sozialpolitisches Ziel, das mehr für Gerechtigkeit tut als alles, was Herr Schulz so an populistischen Einzelmaßnahmen anbietet. Und wenn die CDU/CSU dieses Ziel dann auch noch mit der “schwarzen Null” und in einer Welt des Freihandels erreichen sollte, dann wäre das ein wirklicher Sieg der Gerechtigkeit.
    – Friedenspolitik: Merkels Erfolge im Zusammenhalten der EU, in der Aufrechterhaltung des internationalen Dialoges auch mit Partnern, die politisch “schwierig” sind, in der Stärkung des deutschen Gewichts im internationalen Dialog, im Versuch des wenigstens gelegentlichen Einhaltens von klar vereinbarten rechtlichen Regelungen (insbesondere im EU-Rahmen), insbesondere auch in ausgewogener, durchdachter und zurückhaltender Formulierung, sind beachtlich und haben gleichermaßen deutsche Interessen (ein legitimes politisches Ziel) als auch internationales Zusammenwirken und europäisches Mitsprachevermögen sehr gefördert. Besserwisserische Taktlosigkeiten sind “kernig” – aber eben politisch schädlich. Zum Glück also hatte die deutsche Politik an Merkels Seite einen zurückhaltenden und stilvollen Außenminister Steinmeier und keinen Trampel.
    – Und dann kommen Sie nochmal zur gleichgeschlechtlichen Partnerschaft:
    “Was semantisch entwertet ist, hat seinen Sinn verloren, kann nicht mehr gewogen werden“ schreibt Egon Flaig; „When words lose their integrity so do the ideas they express“ schreibt Tony Judd; „Die Unterminierung feststehender Begriffe … (ist) das im negativen Sinne erfolgreichste und gefährlichste …, was in der Menschen Möglichkeit liegt“ schrieb Heinrich Brüning; alle und viele mehr in der Tradition von Sokrates‘ Feststellung „Der Beginn der Weisheit ist die Definition der Begriffe“. In Ihrem mißgeleiteten Triumph haben Sie eben leider nichts begriffen! Verräter werden heutzutage zu „whistleblowern“, Haus- oder Landfriedensbrecher zu „Aktivisten“, Krawallmacher à la Hamburg zu „Demonstranten“ umpositiviert – und am Schluß haben wir babylonische Verhältnisse, in der die Minderheit durch ihre Interpretationen Inhalte zum Dominieren von Menschen verbiegt. Der von Ihnen gelegentlich als Schreckgespenst wieder aufgerufene Hitler hat’s vorgemacht.
    Sehen wir uns nun das CDU-Verfahren an:
    – im Gegensatz zu Ihrer etwas billigen Aussage, man hätte nichts diskutiert sondern von oben verordnet hat die CDU in verschiedenen Parteigremien und -versammlungen ein Programm erarbeitet und dann beschlossen. Die Farce der anderen Parteien, an einem Vormittag 1000 Anträge zu “diskutieren”, ist doch Scheindemokratie fürs Fernsehen ebenso wie die alberne “Mitgliederbefragung” bei Koalitionsverträgen. Was ist demokratisch daran, wenn ein paar hunderttausend Parteimitglieder sich über das Wählervotum von Millionen hinwegsetzen könn(t)en?
    – Wie albern zu behaupten, Merkel entziehe sich der demokratischen Diskussion! Richtig ist allerdings, daß sie nicht dauernd schwatzt, daß sie erst denkt und dann spricht, daß sie sich aussucht, mit wem sie spricht (das tut doch Ihr Jünger Flade auch – siehe sein letzter “Kommentar” im vorherigen Beitrag – nur er tut es aus mangelndem, Frau Merkel aus gesundem Selbstvertrauen).

    Ja, Sie haben Recht. Es wäre besser, wenn unsere Parteien ein größeres Personaltableau hätten; es wäre vielleicht auch gut, wenn ein Amt wie das des Kanzlers auf zwei Legislaturen begrenzt würde. Aber dieses Argument würde Ihnen nicht einfallen, wenn es je ein SPD-Kanzler überhaupt auf solche Amtszeiten gebracht hätte – Vogel, Scharping, Lafontaine, Steinmeier, Steinbrück, Gabriel (hat’s gar nicht versucht) sind gar nicht hingekommen; in Bremen gilt Ihr Argument offensichtlich nicht, in Berlin auch nicht; bei Frau Dreyer (vorher Beck) fanden Sie’s gut; bei Kraft haben Sie’s bedauert – was für eine emotionale Polemik!
    Und schließlich kritisieren Sie den Slogan „gut und gerne leben“. „Mehr soziale Gerechtigkeit“ ist ja auch nicht gerade präziser und genauso oberflächlich. Aber wenn man die Inhalte vergleicht, dann fällt auf: Mehr soziale Gerechtigkeit ist die Ausrede der SPD zur Umverteilung, zur stärkeren Belastung oder Vertreibung der unverzichtbaren Eliten in unserem Lande, die den Umverteilungsspielraum überhaupt erst schaffen, denn schließlich besitzen die „oberen 10%“ nicht nur (wieviel?) 80 % des Vermögens, sie zahlen auch (wieviel?) 80 % der Steuern (und die „unteren“ 40 % zahlen überhaupt keine Steuern). „Gut und gerne leben“ dagegen ist Vorsorge für unsere Kinder / Enkel durch die schwarze Null, ist diplomatische Vorsorge zur Einbettung Deutschlands in den internationalen Dialog = aktive Friedenspolitik), ist das Machbare und Mögliche anstelle von inhaltslosen – oder jedenfalls von Ihnen noch nie inhaltlich ausformulierten – Worthülsen wie eben „aktive Friedenspolitik“. Merkel macht’s – Sie können es nicht mal beschreiben (von Flade ganz zu schweigen)!
    Mit meinem wie immer herzlichen Gruß,
    Andreas Schwerdtfeger

  6. Statt sich – wie es gerade Herr Schubert mit Immanuel Kant empfiehlt – Ihres „Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen“, benutzen Sie, lieber Herr Wolff, in letzter Zeit Ihren Blog leider nur noch als Bühne für Wahlpropaganda für Ihre Partei. Die bekannte Klage von Martin Schulz über den „Anschlag auf die Demokratie“ schwächen Sie dabei mit der Bemerkung, Angela Merkel entziehe sich einer normalen demokratischen Auseinandersetzung, nur leicht ab. Ich fürchte, diese Art der Wahlpropaganda wird nicht der CDU auf die Füße fallen, sondern wie schon bei den letzten Landtagswahlen der SPD, weil sich der aufgeklärte Wähler von der Politik mehr konkrete Taten als theoretische Streitkultur wünscht. Immerhin scheinen Sie ja auf dem Wege der Besserung zu sein, wenn Sie künftig im Streit Ihrem eigenen Wahlspruch folgen wollen „alles zu unterlassen, was Konflikte auf dieser Welt anheizt“!
    In diesem Sinne viele Grüße!

  7. „Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. […] Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. […]

    Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen […] gerne zeitlebens unmündig bleiben; und warum es Anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein. […] Daß der bei weitem größte Teil der Menschen […] den Schritt zur Mündigkeit, außer dem daß er beschwerlich ist, auch für sehr gefährlich halte: dafür sorgen schon jene Vormünder, die die Oberaufsicht über sie gütigst auf sich genommen haben. Nachdem sie ihr Hausvieh zuerst dumm gemacht haben und sorgfältig verhüteten, daß diese ruhigen Geschöpfe ja keinen Schritt außer dem Gängelwagen, darin sie sie einsperrten, wagen durften, so zeigen sie ihnen nachher die Gefahr, die ihnen droht, wenn sie es versuchen allein zu gehen.“

    Ein weiser Mann, dieser Herr Kant.
    Taktisch genial, diese Parteistrategen, die den beschriebenen Umstand sich nutzbar machen. Meine Anerkennung für die Entwicklung dieser Entpolitisierungstrategie – und meine tiefste Verachtung dafür, sie tatsächliche anzuwenden!

    (http://gutenberg.spiegel.de/buch/-3505/1)

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