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„Nie wieder!“ – oder doch? Rede auf der Kundgebung am 9. Mai 2022

Am 9. Mai 2022 hatte die Stiftung Friedliche Revolution zu einer Kundgebung auf dem Nikolaikirchhof aufgerufen unter dem Motto „8. Mai, Tag der Befreiung vom Faschismus – 9. Mai, Tag der Mahnung und Solidarität“. Es gab vier sehr differenzierte Redebeiträge. Nachfolgend veröffentliche ich meinen.

„Nie wieder!“ – oder doch?

Viele von uns treibt es täglich um: das Entsetzen, Erschrecken, die Wut über diesen Krieg, über die unvorstellbaren und doch so sinnlosen Zerstörungen von Natur, Kirchen, Kulturgütern, über das elende Sterben und Leiden von unzähligen Frauen, Männern und Kindern. Sicher sind wir uns darin einig: Dieser Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine ist ein großes Verbrechen. Dieser Krieg ist auch nur deswegen möglich, weil Putin in zwei Jahrzehnten der russischen Gesellschaft ein faschistisch-autokratisches Korsett verpasst hat. Natürlich hoffe ich mit vielen anderen darauf, dass Putin und seine Vasallen keinen nachhaltigen Erfolg haben werden mit ihrer nationalistischen, militaristischen Gewaltpolitik nach innen und nach außen. Aber mit solchen Feststellungen ist der Krieg nicht beendet. Er wütet weiter. Niemand verfügt derzeit über die eine richtige Lösung, die eine verheißungsvolle Perspektive – auch die nicht, die ihr Handeln leiten lassen von der Option, Russland militärisch zu besiegen. Darum müssen wir weiter ringen um den Frieden in der Ukraine, um eine neue Friedensordnung für Europa, um eine vor Gott und den Menschen zu verantwortende Politik …

… auch an Gedenktagen wie diesen – 77 Jahre nach der Befreiung Deutschlands vom nationalsozialistischen Terror und nach dem Ende des von Deutschland begonnenen 2. Weltkriegs mit unvorstellbaren Verbrechen; aber auch mitten in einem aktuellen Angriffs- und Vernichtungskrieg, von Russland begonnen und in aller Brutalität gegen die Ukraine – und wie wir heute von Putin gehört haben – gegen Europa geführt. Hat sich damit das „Nie wieder!“ von 1945 erledigt? Ist damit alles gescheitert, was nach 1945 an Verständigung und Aussöhnung mit Frankreich, mit den Beneluxstaaten, mit Großbritannien, mit Polen und Tschechien, mit der Sowjetunion und später mit der Russischen Föderation, der Ukraine, Belarus, Georgien und Moldawien initiiert wurde? Nein! Auch heute, auch angesichts eines Krieges mitten in Europa, bleibt die Eindringlichkeit des „Nie wieder!“ so aktuell wie vor 77 Jahren: Nie wieder Faschismus! Nie wieder Nationalismus! Nie wieder Diktatur! Nie wieder Völkermord! Nie mehr bei uns, nie mehr in Europa! Denn dieses „Nie wieder!“ sagt ja auch aus: Wir wissen, dass aus Kriegen nichts Gutes entstehen kann. Wir wissen, dass in Kriegen alles Menschliche unter den Soldatenstiefeln zertrampelt wird. Wir wissen, dass Kriege aus jedem Menschen, aus Freund und Feind, ein mordendes, plünderndes, vergewaltigendes Monster machen kann.

„Nie wieder!“ ist also mehr als ein Traditionsslogan für Gedenktage. „Nie wieder!“ ist die tägliche Mahnung an das Wissenkönnen und die tägliche Mahnung für die Demokratie, für die Freiheit und gegen den elenden, nationalistischen Autokratismus einzutreten, zu kämpfen – im eigenen Land, in Europa, weltweit. Darum möchte ich uns allen an diesem Tag zwei Dinge ans Herz legen:

  • Das „Nie wieder!“ hat seine Gültigkeit und Richtigkeit weder durch die über 200 kriegerischen Auseinandersetzungen, mit denen seit 1945 Mensch und Natur drangsaliert und unendliches Leid verursacht wurde, verloren noch durch den schrecklichen Angriffskrieg Putins. Dass jetzt Krieg geführt wird und wir in ihn involviert sind, darf kriegerische Gewalt nicht gesellschaftsfähig machen, darf uns nicht bedenkenlos in eine neue Spirale der Hochrüstung führen.
  • Die entscheidenden zivilisatorischen Fortschritte sind nicht durch kriegerische Gewalt erzeugt worden, sondern durch Menschen, Bürgerrechtsinitiativen, Bewegungen, die auf die Kraft der Menschlichkeit, der Gerechtigkeit und auch der Gewaltlosigkeit gesetzt haben.

Vor 33 Jahren ging von dieser Stelle der Ruf aus: „Keine Gewalt!“. Dieser Ruf schallte über den Nikolaikirchhof und über den Ring. Damals saßen die Menschen nicht im Ohrensessel. Sie waren umzingelt von einem martialischen Gewaltapparat. Jesus hat seine Bergpredigt inmitten der Wirklichkeit von Gewalt, Unterdrückung, Bürgerkrieg gehalten – und nicht in einer orientalischen Traumwelt von „Tausend und einer Nacht“. Die kirchliche Friedensethik ist nicht in einer Ponyhof-Atmosphäre westlicher Provenienz entwickelt worden, sondern im Angesicht der ungeheuren Schrecken des 2. Weltkrieges, der horrenden Zerstörungen des Atombombenabwurfs auf Hiroshima und Nagasaki nur drei Monate nach dem 8. Mai 1945 und all der Kriege, die seit 1945 geführt wurden – aber auch im Angesicht des Versagens gerade der evangelischen Kirche bis 1945. Bis dahin hatte die Kirche einem militaristischen Hurra-Patriotismus gehuldigt, in blasphemischer Verblendung Waffen gesegnet und überzeugte Pazifisten ans Messer geliefert. Darum muss uns die schreckliche Kriegsrhetorik des russisch-orthodoxen Patriarchaten Kyrill I. heute so empören und mahnen, niemals mehr zurückzufallen, Kriege und Militärische Gewalt in Gottes Namen zu rechtfertigen.

Wann begreifen wir endlich, dass Pazifismus nichts zu tun hat mit blauäugiger Tatenlosigkeit, mit Unterwerfung unter Gewaltherrschaft, mit der Sehnsucht, sich nicht die Finger schmutzig zu machen, nicht schuldig zu werden? Pazifismus ist ein Kampf um und auf Leben und Tod, aber mit dem einen Ziel: die eigenen Werte nicht durch Gewaltmaximierung zu beschädigen, sondern Leben zu erhalten. Pazifismus ist die aktive Strategie, mit dem geringst möglichen Aufwand an Gewalt das größtmögliche Ziel an Menschlichkeit, Würde, Frieden zu erreichen.

Noch einmal: Es geht nicht darum, sich einem Kriegsverbrecher Putin zu unterwerfen, willenlos auszuliefern. Niemals! Aber wir müssen alles tun, um die kriegerischen Handlungen, die Zerstörung des Menschlichen im Menschen, um die elende Aufrüstung einzudämmen. Denn eines haben die Kriege der vergangenen 77 Jahre gezeigt: Sie hinterlassen Wüsten der Zerstörung, auch in uns Menschen. Sie zertrümmern alle kulturellen Werte. Unsere Aufgabe aber ist, Bedingungen für ein friedliches Zusammenleben zu schaffen, Feindschaften zu überwinden, neue Friedensordnungen auszuloten.

Für die politische Arbeit bedeutet dies: Selbst wenn ich zu der Überzeugung gelange, dass aktuell die Ukraine militärisch ertüchtigt werden muss, um der russischen Aggression zu widerstehen, entbindet das niemanden von der Aufgabe, dafür Sorge zu tragen, dass das Bombardieren, Morden, Vergewaltigen aufhören muss. Es verpflichtet uns, in und mit unserem Handeln Demokratie, Vielfalt, Meinungs- und Pressefreiheit, zu wahren, zu verteidigen und die Bedingungen dafür zu schaffen – bei uns, in Europa, in der Ukraine, in Russland.

Lösen wir uns bitte von einer irrigen Vorstellung: wir könnten Probleme dadurch lösen, indem wir sie vernichten. Diesem Irrtum saß schon Kain auf, als er seinen Bruder Abel erschlug (Die Bibel: 1. Mose 4). Das funktioniert im Kleinen nicht. Das ist auch keine Strategie in der großen Politik. Frieden ist nur möglich, wenn Kain und Abel sich gegenseitig respektieren. Lasst uns also dabeibleiben, was vor 77 Jahren ausgerufen wurde: „Nie wieder!“

28 Antworten

  1. Da Herr Wolff immer großzügig ist, auch einmal etwas Themenfremdes in seinem Blog zuzulassen, erlaube ich mir, auf eine gestrige ARD-Sendung hinzuweisen:

    Go West Go East – Verrechnet oder verraten? Flucht über die Dänische Botschaft

    https://www.ardmediathek.de/video/Y3JpZDovL2Rhc2Vyc3RlLmRlL2dvd2VzdGdvZWFzdC8xYmMwNzQ0YS03MWRlLTRiMGQtODRkMC01MGE4MjZkMDAwZTQ

    Ich kannte den Anführer der Gruppe der Ausreiseantragsteller, den leider verstorbenen Dr. Wofgang Mayer, persönlich. Er betrieb ein Diskussionsforum, in dem er die wichtige Rolle der Ausreiseantragsteller für den Umbruch in der DDR betonte.

    http://www.flucht-und-ausreise.de/

  2. Höchst subjektive Gedanken nach der Wahl in NRW – eine Polemik:

    Vielleicht hätte Kutschaty auch unter „normalen“ Umständen die Wahl in NRW nicht gewonnen; 9%-Punkte Differenz zur CDU (mit dem Dauer-Lächler Wüst) wären es aber bestimmt nicht geworden! Viel eher das lange Zeit prognostizierte Kopf-an-Kopf-Rennen, gäbe es da nicht den Krieg in der Ukraine, den Eiertanz um die Impfpflicht, die „Performance“ von Scholz, Lambrecht und Lauterbach…
    Das Ergebnis in NRW ist ein Desaster für die SPD, deutlich schlimmer als in S-H vor einer Woche; es wird auch kaum aufgewogen durch den Gewinn der absoluten Mehrheit im Saarland.
    Die weltpolitischen Krisen werden sich in den kommenden Jahren kaum überwinden lassen. Und mit einer angeschlagenen eigenen Mannschaft, bzw. einem immer nervöser werdenden Kabinett, wird Scholz wohl nicht die gesamte Legislaturperiode durchhalten. Spätestens im zweiten Halbjahr muss er seinem Kabinett neuen personellen Schwung verordnen. Ich gestehe ihm ja durchaus „besonnenes Handeln“ zu, aber er muss deutlich mehr Führungswillen zeigen und an seinem kommunikativen Auftritt arbeiten!
    Ich lehne die Ampel keinesfalls ab, schon mangels sinnvoller Alternativen. Natürlich ist es unfair, mit welch grundlegenden Herausforderungen sie sich schon vom Start weg auseinandersetzen musste; ein „Aufarbeiten“ der kumulierten Versäumnisse der letzten 20 Jahre allein wäre ja schon Aufgabe genug gewesen!
    Wir können aber Putin, Corona, Klimakrise, Flüchtlingsbewegungen, Hass und Hetze im Netz, Populisten und autokratische Herrscher nicht ignorieren.
    Stand da nicht einmal geschrieben: „Mehr Fortschritt wagen“?

  3. Die Ukraine hat den ESC gewonnen, wer hätte dies gedacht?
    Im Spiegel beschimpft ein 29 jähriger Journalist aus der Ukraine Kritiker der Waffenlierungen an sein Land als nicht gerade Osteuropaexperten, soso.
    Muss man Experte sein, um gegen Waffenlieferungen an einen Moloch zu sein?
    Wofür ist der junge Herr uns Seinesgleichen Experte? Forderungen !,
    Es nervt sehr

  4. Herr Käfer empfindet „klammheimliche Freude, dass (meistens) diejenigen, die noch vor wenigen Monaten Annalena Baerbock als völlig falsche Wahl zur Kanzlerkandidatin von B90/Grüne hielten, … sie nun in den höchsten Tönen loben als fähige Aussenministerin …“. Diese Aussage, von Herrn Flade sogleich unterstützt, erstaunt doch einigermaßen, vor allem aus der Feder desjenigen, der unser oberster Wächter in Sachen Anstand und Höflichkeit ist. Erstens: Was ist eigentlich falsch daran, wenn jemand eingesteht, daß er sich geirrt habe? Wären wir nicht alle erlöst, wenn Herr Wolff z.B. seine unanständige Äußerung über einen Mitdiskutanten („wer so schreibt, geht auch über Leichen“) zurücknehmen würde? Und ist eine solche hämische Äußerung nicht vielleicht doch etwas lustvoll-sündig im Rahmen der Höflichkeitsdebatte? Zweitens aber: Auch ich empfinde große Freude, wenn auch keine klammheimliche, sondern eine sehr öffentliche über Frau Baerbock und Herrn Habeck: Sie haben genau das gemacht, was vorher nicht erwartbar war; sie haben innerhalb dieser wenigen Monate, die Herr Käfer erwähnt, eine komplette Wende hingelegt (in den Gebieten der Außen-, Wirtschafts- und Sicherheitspolitik, einschließlich des Rüstungsexports) von traumtänzerischer Moralpolitik zu notwendiger Realpolitik (wie es auch vor gut 20 Jahren das Duo Schröder/Fischer schonmal vorgemacht hatte). Offene Freude also, daß Frau Baerbock insofern keine falsche Wahl war, als sie es war, die ihre Positionen vollständig geändert hat. Es fällt niemandem schwer zu loben, wenn jemand seine Meinung und Handlung so komplett in Richtung auf die eigene ändert.
    Da hofft man doch eher, daß die (noch) Realitätsverweigerer eine ähnliche Wende schaffen. Es ist kein Widerspruch, meint einer, wenn man für schnelle Verhandlungen eintritt, aber Putin (als Person) als Verhandler ablehnt: Wen immer die Russen an den Verhandlungstisch schicken – es bleibt doch Putin, mit dem man verhandelt, denn er allein entscheidet auf russischer Seite. Und dann ist es ja eher heuchlerisch, wenn man so tut als verhandele man nicht mit ihm, nur weil er nicht persönlich am Tisch sitzt. Aber vielleicht ist er ja wirklich schwer krank – dann löst sich das Problem möglicherweise. Ich glaube nur nicht so recht, daß es mit einem Nachfolger leichter wird.
    Andreas Schwerdtfeger

  5. Und ich gebe M. Käfer vor allem einem seiner Bemerkungen sehr recht: Annalena Baerbock und Robert Habeck sind seit der Neuen Regierung in Berlin die klarsten agierenden, sprachlich sich von bisherigen und immer wieder üblichen Verbal-Blasengebilde weit abhebenden, ehrlichsten und Überzeugensten Machern in dieser Ampel!! Und was beide zudem auszeichnet: Sie haben Anstand und überlegen, bevor sie reden! Und es wird zunehmend deutlich, wie sie sowohl in der EU als auch international anerkannt und respektiert werden. Lawrow und Putin – oh mein Gott! Aber dazu ist fast alles gesagt; jetzt muss endlich die Welt aufstehen und Tacheles reden mit diesem Kreml-Duo. Das diplomatische Hin und her geht allmählich auf die Nerven, bringt nichts, tausende sterben in der Ukraine, russische Soldaten werden von ihrer Armeeführung einfach im Kriegs-Dreck liegen gelassen, Städte werden brutal zerbombt, unzählige Zivilisten werden erschossen, liquidiert, gefoltert, Putin verscheuert ukrainischen Weizen an Syrien – was soll noch alles geschehen, ehe die zivilisierte Welt aufwacht??? Der leisetretende O. Scholz (gar nicht sarkastische gemeint) telefoniert mit Putin – und? Frau Strack-Zimmermann ergeht sich in rhetorischem Eiertanz und spürt nicht ansatzweise, wie solcherart Szenarien (Verteidigungsausschuss) dem ukrainischen Volk am wenigsten nützt.
    Ich wiederhole: Putin und Lawrow treiben die Weltgemeinschaft vor sich her, es vergehen Wochen und ??
    Tagungen und Konferenzen – und?
    Ich weiß nicht, wie es so weitergehen kann und darf. Und der Papst, eigentlich mit viel versteckter Vatikan-Diplomatie durch seine Sekretäre „gesegnet“, wollte eigentlich nach Moskau, nachdem er seinem „Bruder“ im HERRn, dem steinharten Orthodoxen Kyrill, den verbalen Marsch geblasen hat – und??
    Allmählich werde auch ich wütend…
    Ach ja – Die Hoffnung stirbt zuletzt.
    Ein nachdenkenswertes Wochenende ALLEN!

    1. „Der leisetretende O. Scholz (gar nicht sarkastische gemeint) telefoniert mit Putin – und?“
      _______________________________________________________________

      t-online: Sie reden also Klartext mit Putin.
      Scholz: Ja, und der russische Präsident übrigens auch.

      https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_92182048/olaf-scholz-telefonat-mit-putin-die-ganze-welt-zahlt-einen-sehr-hohen-preis-.html

      Ich möchte wissen wie so eine Stunde Telefonat abläuft.

    2. Flade,14. Mai 11.12h: “ Was soll noch alles geschehen, ehe die zivilisierte Welt aufwacht??? 
      Man fragt sich, was soll denn geschehen (nach seiner Meinung), wenn die zivilisierte Welt aufwacht?
      Andreas Schwerdtfeger

  6. Zugegeben: es rumort bisweilen heftig – aber ich habe mir nun mal fest vorgenommen, auf Unhöflichkeiten und Anstandsdefizite nicht (mehr) einzugehen.
    Insofern sehe ich die „Blaue Dunst“ und die „Dann sagen Sie doch mal ganz konkret“ Debatte hier ähnlich, wie die Aufregung über einen Oster-Wochenendausflug der Bundesverteidigungsministerin mit ihrem Sohn….
    Natürlich können wir uns auch wunderbar weiter aufregen über einen „Nicht-Diplomaten“ und stattdessen einen üblen Aggressor in Watte packen, um ihn nicht weiter zu reizen.
    Dagegen steht dann meine „klammheimliche Freude“, dass (meistens) diejenigen, die noch vor wenigen Monaten Annalena Baerbock als völlig falsche Wahl zur Kanzlerkandidatin von B90/Grüne hielten, als Lebenslauf-Beschönigerin, schlampige Buchautorin oder gar Steuersünderin, sie nun in den höchsten Tönen loben als fähige Aussenministerin (die sie auch nach meiner Meinung ist!).

    Meine ganz persönliche (derzeit geltende) Meinung in dieser äußerst schwierigen Zeit, in der ich keine gefestigte Lösungen kenne:
    • Christians Rede vom 9.5. spiegelt meine innere Zerrissenheit sehr gut wider, war inhaltlich und rhetorisch hervorragend (ich habe sie persönlich gehört)!
    • (Friedens-) Verhandlungen mit Putin (als Person) sind für mich nicht (mehr) vorstellbar. Ich kann dennoch keinen Widerspruch erkennen, wenn man gleichzeitig für einen möglichst raschen Beginn von Verhandlungen eintritt.
    • Deutschland besitzt einen sehr wirksamen Wirtschaftshebel; unser bislang zögerliches und scheibchenweises Vorgehen beim Verhängen von Wirtschaftssanktionen gegen Russland ist blamabel!
    • Die militärische Unterstützung der Ukraine sollte die Bundesregierung endlich grundsätzlich regeln (zumindest für eine gewisse Zeit), um nicht weiter als zögerlich, von der Tagespolitik getrieben, zu erscheinen und internationales Ansehen weiter einzubüßen (Grundsatz: volle Solidarität mit der Ukraine, soweit diese den Status quo ante 24.2. anstrebt).
    • Klare Kommunikation der Bundesregierung an die Bevölkerung, dass wir uns in einer gefährlichen Situation befinden, die Einschränkungen / Verluste / Nachteile mit sich bringen wird; die Regierung kann allenfalls versuchen, diese so gering wie möglich zu halten.
    • Es lohnt für jede(n) Einzelne(n), sich einmal wieder neu Gedanken über das eigene Wertesystem zu machen. Und ja, der (christliche) Glaube kann dabei sehr hilfreich sein und steht absolut nicht im Gegensatz zu politischem Engagement!

    1. Ich finde nicht, dass Deutschland beim Verhängen von Wirtschaftssanktionen gegenüber Rußland sich blamabel verhält.
      – Die EU hat den Import russischer Steinkohle ab August verboten.Deutschland bezieht schon jetzt keine russische Kohle mehr.

      – 35 Prozent Ölimporte aus Russland sind bisher auf 12 Prozent reduziert.

      – Lag der Anteil russischer Gaslieferungen in Deutschland im vergangenen Jahr bei 55 Prozent, liegt er laut Wirtschaftsministerium zurzeit bei 35 Prozent. Bis zum Jahresende soll er auf etwa 30 Prozent gesenkt werden.

      Was musste sich Minister Habeck gestern bei einem Besuch in Schwedt alles anhören.

  7. Ja, wir sind alle ohnmächtig in dieser Lage, Herr Flade, und deshalb ja auch sind unsere Politiker nicht zu beneiden. Natürlich habe auch ich keine Patentlösung für dieses Schlamassel. Aber gerade deshalb gilt es ja – und das immerhin macht unsere Regierung recht gut – zunächst einmal die Realitäten anzuerkennen. Und diese sind (ich bin sehr offen für Ergänzungen und Kritik, weniger allerdings für kleinkarierte Besserwisserei von Leuten, die nichts anderes können, als auf ein paar Zeitungen hinzuweisen und nicht wissen, daß einige Ministerien, darunter die hier durchaus wichtigen BMVg, BMZ und BMEL, nach wie vor in Bonn angesiedelt sind) – diese
    Realitäten also sind:
    – die Forderungen, man müsse so schnell wie möglich zu Verhandlungen zurückkehren und man dürfe und werde nicht mit Putin sprechen, widersprechen sich gegenseitig (Herr Käfer hat nach diesem Hinweis merkwürdigerweise die ERSTE Forderung aufgegeben).
    – die Aussage, alleine die Ukraine habe über ihre Kriegsziele zu entscheiden, ist zwar richtig, aber sie sagt eben nichts darüber aus, daß auch die NATO / EU politische Ziele und Interessen haben, die dort, wo sie denen der Ukraine widersprechen, Vorrang haben.
    – Bei aller Anerkennung pazifistischer (waffenloser) Überzeugungen als mögliche Haltung für INDIVIDUEN, sind diese deshalb nicht auf Gesellschaften und Staaten anwendbar, weil sie die Existenz der Gewalt und Aggression nicht aus der Welt schaffen können und weil der Schutz gegen solche Gewalt ausdrücklich staatliche Aufgabe ist (das gilt ja übrigens im Inneren wie im Äußeren).
    – Wie immer in Situationen, wo es keine eindeutige Lösung gibt, müssen unsere Politiker Kompromisse finden, die also kein Ziel vollständig erreichen, sondern vielmehr mehrere gleichrangige Ziele „nur“ teilweise befriedigen. Minister Habeck macht das derzeit beispielhaft in seiner Balance zwischen Bedarfsdeckung (auch, wohlgemerkt, durch Ersatz eines Diktators durch einen anderen, aber eben „kleineren“ als Energielieferanten), in seinem Ausgleich zwischen sachlicher Beruhigung der Bevölkerung und gleichzeitigem klaren Hinweis auf unvermeidliche Belastungen.
    – Und so muß auch im politisch-militärisch-strategischen Bereich der Kompromiss gefunden werden zwischen Verteidigung der ukrainischen Interessen (die aber auch klar definiert sein müssen und das sind sie nicht) und den Interessen der NATO, die weder in diesen Krieg hineingezogen werden will noch die russische Staatsführung so degradieren darf, daß sie sie als kooperatives Mitglied im UN-Sicherheitsrat ausschaltet. Deshalb bin ich gegen eine sich in Verachtung überschlagende Sprache gegen Putin (der eben nunmal der Kreml-Chef ist): Sie bringt in der Sache nichts (außer persönlicher Befriedigung des Sprechenden, vielleicht im Wahlkampf nützlich), aber sie verstockt den Führer, ohne den es keinen Frieden in der Ukraine und keine Lösung der Weltprobleme geben kann.
    – Zum Stichwort „Blauer Dunst“: Ich fordere von Herrn Wolff nicht mehr Antwort als von jedem anderen, einschließlich meiner selbst. Was ich aber für notwendig halte, ist die Erkenntnis – die ich ja seit sehr langem hier vertrete – daß religiöse Ableitungen als Anleitung für insgesamt ethisch-moralisches Verhalten der Menschheit (nach bestem Wissen und Gewissen, also auf unterschiedlichem Niveau) wichtig und nützlich sind; daß aber die Religion uns keine Lösungen für akute und augenblickliche politische Probleme geben kann. Der Fehler, den Wolff macht, ist doch der, daß er Realitäten als „Illusion“ bezeichnet, daß er die Bosheit einiger Teile der Menschheit (manchmal hat man den Eindruck: Der Mehrheit der Menschen) glaubt, mit religiösen Parolen abschaffen zu können, daß er die Wirkung von Waffen (die leider nicht abschaffbar sind) grundsätzlich und nur als negativ annimmt, anstatt ihre Schutzwirkung in richtiger Hand anzuerkennen (und dann aber schon für die Waffenlieferungen jetzt zu sein). Die wenigen konkreten politischen Vorschläge, die Wolff bisher gemacht hat, (unrealistisch: Aufstand der zivilen Welt in Kriegsgebieten gegen die Gewalt – mein „Pfarrer-Beispiel“ aus dem Kampf gegen IS – und realistisch: Zweifel an der ukrainischen EU-Mitgliedschaft) hat er von mir abgeschrieben – ansonsten eben „blauer Dunst“.
    Die Putin-Rede am 9. Mai war weniger „schlimm“ als vorher erwartet. Er hat wiederholt, was ihm der Westen nicht abnehmen will: Daß Rußland sich von der NATO-Ostausdehnung bedroht fühlt. Die NATO bestreitet eine solche Bedrohung – zu Recht, wie ich meine –, aber dies sollte sie nicht daran hindern, Putins Meinung als strategisches Faktum ernst zu nehmen und in eigene Strategien einzubinden. Insofern bin ich der Meinung, die NATO hat durch mangelnde Flexibilität einen gewissen Anteil Schuld an dem Konflikt – und wir sollten diesen Anteil nicht vergrößern, indem wir dem Berliner und Bonner Handlanger Selenskyis zu viel Spielraum geben.
    Andreas Schwerdtfeger

    1. In Bonn ist sogar der Hauptsitz weiterer Ministerien, so das Umwelt-, Bildungs-, und Gesundheitsministerium. Sie bestehen weiterhin darauf, Herrn Melnyk als „Bonner Handlanger“ Selenskyis zu bezeichnen . Das ist schon – gelinde gesagt – sehr speziell, Herr Schwerdtfeger. Während dieser Mann zugegeben sehr undiplomatisch für sein Land, in dem es um Leben und Tod geht, kämpft, stapft die „Bonner“ Verteidigungsministerin in hochhackigen Schuhen durch den Wüstensand und lässt den Filius im Bundeswehrhubschrauber in den Urlaub mitfliegen.

      1. Ja, Korruption gibt es, wie man sieht, nicht nur auf der rechten Seite des politischen Spektrums im Bundestag und der Regierung. Die weiland Gesundheitsministerin Schmidt und der Entwicklungsminister Niebel haben es uns ja auch schon vorgemacht und Herr Scharping war ähnlich ungeschickt.
        Schön, Herr Plätzsch, daß Sie in Ihrer Belehrungssucht auch noch die anderen Ministerien erwähnt haben, die der deutschen Torheit von zwei Regierungsstandorten zum Opfer fallen – ich unterließ es, weil sie m. E. mit dem Ukraineproblem weniger zu tun haben.
        Ihren Beitrag, Herr Käfer, lese ich mit Interesse:
        – Mit wem, bitte, soll verhandelt werden, wenn nicht mit Putin?
        – Ich stimme Ihrem letzten Satz zu: „Glaube kann sehr hilfreich sein und steht absolut nicht im Gegensatz zu politischem Engagement“. Mein Argument ist ja ein anderes, nämlich: Der Glaube und die Religion können hilfreich sein für die Entwicklung von Wertemaßstäben; sie taugen aber nicht für die Lösung aktueller politischer Probleme. Und mit der Frage politischen Engagements, das in der Demokratie jedem zusteht, hat das alles gar nichts zu tun (außer daß ein Seelsorger natürlich für ALLE Seelen da sein sollte, auch für die mit anderer Meinung, und daß er deshalb „unter der Flagge der Kirche“ Zurückhaltung wahren sollte).
        AS

        1. Ihre Bemerkung über Korruption als Replik auf meine Bemerkungen über die politische Instinktlosigkeit von Ministerin Lamprecht ist deplatziert. Schließlich gingen die diversen Mitflüge ihres Sohns juristisch sämtlich in Ordnung und wurden von ihr bezahlt. Wie die WELT heute berichtet, soll sie juristische Schritte angekündigt haben, falls von dieser ihre Persönlichkeitsrechte eingeschränkt würden.Lt. WELT soll die Ministerin kurz nach ihrem Amtsantritt während der Dienstzeit zur Körperpflege gegangen sein.Ja, die lieben Kollegen…

    2. Werter Herr Schwerdfeger,

      mir fällen in den,letzten Wochen ihre abgewogenen und ausgleichenden Worte auf

      Nicht verbiegen lassen

  8. Natürlich stimmt das nicht, aber so bleibt es in der Öffentlichkeit hängen: Deutschland liefert 7 Haubitzen und 5000 Helme. An der Überwachung eines Waffenstillstands beteiligt sich der Westen nicht. Auch dort ist die ukrainische Armee auf sich selbst gestellt.

    1. Erstens gibt es noch keinen Waffenstillstand und niemand weiß, was bei einem solchen als Ergebnis verhandelt wird, und zweitens tut der Westen gut daran, sich nicht (als „Westen“) an einer solchen Überwachung zu beteiligen – es würde dem ukrainischen Ziel – NATO-Beitritt durch die Hintertür – dienen, das nicht NATO-Ziel sein kann. Die Überwachung eines Waffenstillstandes ist, wenn überhaupt, sowieso Sache der UNO (durchaus möglicherweise mit Truppenkontingenten aus westlichen Staaten) – und, erstaunlich!, dazu brauchte man Putins Zustimmung. Alles spricht also dafür, in angemessenen, aber nicht beleidigenden Worten, Putins Angriff zu verurteilen, aber immer wieder den Versuch seiner Einbindung in die internationale Politik zu machen. Macron hat schon Recht!
      Andreas Schwerdtfeger

  9. Werter A. Schwerdtfeger – nach Kenntnisnahme Ihrer Entgegnung auf Chr. Wolffs Rede sind mir sachliche Passagen im ersten Teil insofern nachdenkenswert, als u.a. ein wichtiges Detail angesprochen wird: die Verlängerung des Krieges gegen die Ukraine, erfüllen die EU, DEU, USA die Wünsche, um nicht zu sagen Forderungen militärischer Unterstützung durch Lieferungen von Waffen jeder Art. Ihre Haltung zur ukrainischen Politik, seitens des Westens alles, aber auch alles zu tun, um die Encourage um Putin zu stoppen und hoffentlich vor ein Kriegsverbrecher-Prozess zu stellen. „und der Ukraine muß klar sein – oder klar gemacht werden –, daß dieses Interesse der Ukraine-Hilfe Grenzen setzen muß.“ so Ihre Einlassung. Interpretiere ich richtig, dass daraus folgt, eben diese geforderten Militärhilfen zu beenden? Diese Überlegung würde doch aber bedeuten, Putin zur Rationalität zu zwingen, an den Diplomatentisch zu bitten, um dieser Tragödie mit unermesslichem Leid für Alle (auch Russen) ein sofortiges Ende zu bereiten. Das ist ja fast pazifistisches Denken. Es wird nicht funktionieren, so Ihre grundsätzlichen Intentionen, denn Ihre Auffassung zur Beendigung des Krieges heißt doch. Diesem Kreml-Zarewitsch militärisch so entgegenzutreten, dass ihm Hören und sehen vergeht. Stehen wir nicht alle vor einem Dilemma? Sowohl das Eine wie das Andere wirft Fragen auf nach dem Erfolg.
    Sie wissen es: ich plädieren für Verhandlungen, allerdings spüre ich in mir (und anderen geht es ähnlich), dass die unaufhörliche Unverschämtheit des ukrainischen Botschafters Melnik (s. die letzte ARD-Will-Talkrunde mit ihm) einer Polarisierung in unserem Land ein Feld bereitet. Und auch die gelegentlichen Verbalien Selenskjis sind partiell gewöhnungsbedürftig.
    Ich ertappe mich dabei, zu wanken, denn dieser narzisstisch veranlagte, kleingeratene Paranoia Putin ist kein verlässlicher Gesprächspartner; dass ihm allmählich die Realität um die Ohren fliegt, offenbarte seine Rede zur Roten-Platz-Manifestation von gestern. Er wird aber nicht aufgeben, weil er nicht aufgeben kann und will.
    Mit reden etwas erreichen? Ich weiß es nicht. Aber mit martialischer Brutalität diesen Putin militärisch bezwingen bedeutet – und viele bestätigen dies, die sich mit Militär auszukennen scheinen – einen Krieg mit unausdenkbaren Folgen für uns ALLE.
    Also: Die permanente Frage: Was tun???
    Alle Kommentierungen in diesem Blog offenbaren Ratlosigkeit bzw. Ohnmacht. Und aus meinem Kommentar ersehen Sie vermutlich unschwer, dass ich zu den Ohnmächtigen gehöre. Auch Herr Haberland fordert von Chr. Wolff eine klare Antwort au seine Fragen. Und mit dieser Methode kommen wir allesamt nicht weiter, denn Haberland scheint eben gleichfalls ohnmächtig zu sein. Ich erkenne keinen Ansatz einer Beantwortung.
    Ich denke nicht, dass Wolffs Redebeitrag „Blauer Dunst“ war, ist. Nein! Vielmehr sind es weitere Versuche, mit dieser für uns alle schrecklichen Situation irgendwie fertig zu werden. Denn an dem, was wir denken, sagen, schreiben vielleicht auch tun, hängt viel – für den Frieden, und nur darum muss es uns gehen!
    Mit Gruß – Jo.Flade

  10. „Ich halte es für unerlässlich, dass wir die moralischen, ethischen Kategorien nicht einfach beiseite schieben oder aussetzen“, schreiben Sie an Herrn Haberland und mir gegenüber wiederholen Sie den untauglichen Satz der „Problemlösung durch Problemvernichtung“. Richtig ist ja vielmehr, daß man ein Problem nicht durch Problemignorierung lösen kann, wie Ihr folgender Satz deutlich macht: „Der Irrsinn jeden Angriffskrieges besteht darin, dass er von der Illusion ausgeht, alle, die nicht so denken wie der Aggressor, sind zu vernichten.“ Denn dieser Irrsinn ist eben in unserer Welt offensichtlich Realität und man schafft diese Realität nicht aus der Welt, indem man sie zur „Illusion“ stempelt und dann ignoriert. Und gerade deshalb gebieten unsere „moralischen, ethischen Kategorien“, daß jeder, der Verantwortung annimmt und trägt, ein erfolgversprechendes Konzept zum Schutze von sich selbst, seiner persönlichen Umgebung und seiner Gemeinschaft entwickelt und mit entsprechenden Mitteln unterfüttert. Das Konzept des waffenlosen Pazifismus ist hierfür offensichtlich untauglich angesichts dessen, was Sie mit dem Wort „Illusion“ erfolgreich bekämpft zu haben glauben – und insofern eigentlich auch keine moralische und ethische Kategorie für die Allgemeinheit.
    Das Problem einer glaubwürdigen Verteidigung ist nicht ihre notwendige Existenz. Das Problem ist vielmehr ein allgemeines in unserer Welt, das fast jeden Gedanken, jedes Instrument, jedes Wort kennzeichnet: Nämlich ihr Janusgesicht – die Möglichkeit, es zum Wohle oder zur Zerstörung einzusetzen – deshalb ist ja auch die Unterscheidung zwischen Angriffs- und Verteidigungswaffen so unsinnig. Und solange Sie nicht begreifen, daß Sie derjenige sind, der – wenn schon – Problemlösung durch Problemignorierung betreibt, jedenfalls solange Sie keinen praktikablen realpolitischen Weg anbieten sondern, immer nur „blauen Dunst“ verbreiten, solange kommen wir auf Ihrem Wege dem Frieden nicht näher. Das ändert nichts daran, daß ich Ihnen zustimme, daß eine (allerdings durch Stärke, auch militärische, untermauerte) Diplomatie der Königsweg zum Frieden ist.
    Andreas Schwerdtfeger

  11. Schon wieder, lieber Herr Wolff, so eine wunderbare „Blauer-Dunst-Rede“, die alles so schön erscheinen läßt und dabei völlig an der Realität vorbeigeht.
    Verbinden wir mal diese Rede mit Ihrem vorherigen Beitrag: Es ist offensichtlich, daß die von uns (zu Recht) so stark unterstützte Ukraine sowohl durch ihren Präsidenten als auch und insbesondere durch ihren Bonner Handlanger Melnyk alles tut, um den Westen und Deutschland in diesen Krieg hineinzuziehen. So schlimm die russische Aggression ist, so schlimm (wenn auch verständlich) ist eben auch das Bemühen der Ukraine, ihn auszudehnen. Das Interesse der EU-Staaten und der USA, zwar die Aggression zu stoppen, aber ebenso den Krieg regional und bezüglich der Intensität zu begrenzen, muß die westliche Politik leiten, und der Ukraine muß klar sein – oder klar gemacht werden –, daß dieses Interesse der Ukraine-Hilfe Grenzen setzen muß. Es stimmt eben nicht so ganz, was zuletzt Frau Strack-Zimmermann wieder sagte, daß nur und ausschließlich das ukrainische Interesse auch unsere Zielsetzung in der augenblicklichen Lage bestimmt. Und schön ist in diesem Zusammenhang, daß auch Sie erkannt haben, was ich neulich schon schrieb, daß nämlich eine Mitgliedschaft der Ukraine in der EU für diese und für den europäischen Frieden eher schädlich sein wird.
    Das von Ihnen hier aktivierte „nie wieder“ bezieht sich auf die Frage, daß Deutschland und der Westen auf Krieg als Mittel der Politik verzichten – es bezieht sich nicht (und dies zum Glück) auf die Abwehr von Aggression und Gewalt, wie die gegenwärtige Lage zeigt. Und das ist gut so. Es ist deshalb richtig, daß unsere augenblickliche Regierung erkannt hat, wie wichtig angemessen starke Streitkräfte sind und daß die Herstellung von Verteidigungsfähigkeit nichts zu tun hat mit dem ideologischen Kampfbegriff der „Hochrüstung“. Und es ist gut, daß zunehmend erkannt wird, daß „Pazifismus“ nur dann ein politisch realisierbares und der Freiheit und Würde des Menschen dienendes Konzept zur Erhaltung des Friedens ist, wenn es Verteidigungsfähigkeit einschließt. Jede andere Form ist nicht nur „blauäugig“ – sie ist vielmehr unverantwortlich im Gemeinschaftssinne.
    Dies macht Ihr Beitrag mehr als deutlich: Wir müssen „alles tun“, schreiben Sie – und verzichten dann völlig auf die Definition dieses „alles“. Es muß das „Bomben aufhören“, schreiben Sie und verzichten völlig auf ein Rezept für diese ach so schöne „Lösung“. Sie empfehlen: „Lösen wir uns bitte von einer irrigen Vorstellung: wir könnten Probleme dadurch lösen, indem wir sie vernichten“ und tun dann genau dieses, indem Sie mal wieder auf das untaugliche Kain/Abel-Beispiel rekurrieren: Es wird Abel viel genützt haben, daß er tot war, nachdem Kain nachträglich das Falsche seines Tuns erkannt hat. Krieg oder Gewalt entstehen, wenn der von Ihnen geforderte „gegenseitige Respekt“ nicht geleistet wird; es wird immer Menschen oder Staaten geben, die genau dies nicht tun. Solange Sie uns kein taugliches und verantwortungsethisches Rezept anbieten können, Krieg und Gewalt zuverlässig zu verhindern und stattdessen religiöse Grundsätze mit politischen Realitäten verwechseln, verlasse ich mich lieber – nicht nur für mich selbst, sondern insbesondere auch für Gemeinschaften aller Art – auf das Mittel, das uns (meiner Generation in Deutschland) für jetzt 77 Jahre Freiheit, Sicherheit und Würde geschenkt hat: Die militärische Niederschlagung der Diktatur und dann die Bewahrung der errungenen Lebensbedingungen durch eine weise Politik im Schutze militärischer Mittel.
    Andreas Schwerdtfeger

    1. Nur eine Bemerkung zur Geschichte von Kain und Abel. Sie wird zum einen erzählt um aufzuzeigen, wie untauglich die Strategie ist, die jedem Krieg zugrundeliegt: Problemlösung durch Problemvernichtung. Zum andern macht die Geschichte deutlich, dass ein friedliches Zusammenleben für Kain nur mit Abel möglich ist. Konkret: Der Irrsinn jeden Angriffskrieges besteht darin, dass er von der Illusion ausgeht, alle, die nicht so denken wie der Aggressor, sind zu vernichten. Das war die Absicht Hitlers und jetzt Putins. Dieser Irrsinn wohnt jedem Nationalismus inne. Und nun besteht die Aufgabe darin, dieses Wissen in Politik umzusetzen, lange bevor ein Konflikt eskaliert bzw. dieses Wissen nicht ad acta zu legen, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist.

    2. Zitat A. Schwerdtfeger: „Bonner Handlanger Melnyk “
      ================================================================
      Андрій Ярославович Мельник war bereits zwischen 2007 und 2010 in Deutschland als Generalkonsul der Ukraine in Hamburg tätig.Seit dem 12. Januar 2015 ist er Botschafter der Ukraine in Deutschland. Das Botschaftsgebäude befindet sich in der Albrechtstraße 26 im Berliner Ortsteil Mitte des gleichnamigen Bezirks. © Wikipedia

      In welcher Zeit leben Sie, Herr Schwerdtfeger?

      Freundliche Grüße
      Besserwisser K. Plätzsch

    3. Lieber Herr Schwerdfeger,

      es wäre nicht im Interesse Berlins oder Roms, sich in einen heissen Krieg mit Russland verwickeln zu lassen, volle Zustimmung
      Es ist doch so, begegnete einem bei ÖKo und Flüchtlingsdebatten, dass nur noch stark moralisiert wurde und jede abweichende Meinung sofort des Teufels ist
      Natürlich entscheiden wir selbst, inwieweit wir für die sicher schwierige Ukraine gehen wollen
      Hoffentlich mit Verstand und nicht nur mit Moral, die auch in neokonservativen Schuhen nicht zielführend daherkommt

  12. Lieber Herr Wolff,

    die putinrussische barbarische und grauenvolle Zerstörung, die Vergewaltigung von Frauen, Verschleppung von Menschen, Tötung von Kindern und Zivilisten auf ihrer Flucht, Erschießen von fliehenden Zivilisten, die Vernichtung des Lebens und der Lebensgrundlagen von unzählig vielen Menschen, das barbarische Morden und Wegwerfen von getöteten Menschen in Straßengräben oder das Liegenlassen von Toten auf den Straßen, die Zerstörung der Seelen von soviel Menschen durch Angst, Ungewissheit, Schrecken, Folter, die unaufhörlichen Nächte, das immerwährende Dunkel in Kellern, das Verhöhnen von Menschen als Nazis, ohne jeden Anlass und Grund, das Entmenschlichen Ihrer Würde, das alles findet statt, es sind keine Bilder, es ist Realität.

    Soll das weitergehen?
    Jeder Krieg endet mit einem Vertrag und jeder Vertrag, der einen Krieg beenden soll, braucht vertragswillige Partner, sonst kann keine Basis für einen Frieden entstehen.
    Bitte beantworten Sie die Frage, wie soll man Putinrussland dazu bewegen friedensvertragswillig zu werden? Es geht nicht darum Putinrussland zu besiegen, es geht darum, so aufzutreten, dass Putinrussland friedensvertragswillig wird.

    Wenn Putinrussland den oben in meinen kurzen Worten, die nicht im Entferntesten an die wirklichen Qualen und Zerstörungen heranreichen, angesprochenen Vernichtungswillen praktiziert, wird nur dann friedensvertragswillig werden, wenn sein Vernichtungshandeln zum Nachteil und Unheil für Putinrussland wird. Leider braucht die Ukraine dazu unsere militärische Unterstützung und unsere Stärke, dem entgegenzutreten, weil der Mordhunger sonst nicht aufhört.

    Bitte drücken Sie sich nicht um die einfache Frage, wie Sie mit Ihrem Weg Putinrussland zum Friedenswillen bewegen wollen. Das ist die Frage, Herr Wolff.

    Es ist auch nicht die Zeit und der Raum und der Anlass, den Pazifismus zu diskutieren. Es geht einfach nur um die genannte Frage.

    Gegenüber dieser Frage, wie wird Putinrussland friedensvertragswillig, bleiben Ihre Ausführungen einfach nur blaß, zum Teil auch, man wundert sich wirklich, instrumentalisiert falsch (Kain und Abel)

    Wer und was, Herr Wolff, hat 1945 Nazideutschland kriegsbeendigungsvertragswillig werden lassen?

    Nochmal die Frage an Sie: Wie stellen Sie sich vor, wird Putinrussland kriegsbeendigungswillig?

    Bitte geben Sie uns gerne eine ganz konkrete Antwort auf diese ganz konkrete Frage.

    Es geht um diese Frage, ich wiederhole sie sehr oft, weil sie nicht gehört wird von Ihnen:

    Es geht um die Frage , wie Putinrussland kriegsbeendigungswillig werden kann.
    Aus dem eingangs Gesagten dürfte deutlich werden, dass wir und vor allem die Menschen in der Ukraine nicht unbedingt Jahre und Jahrzehnte warten können, bis vielleicht Putinrusslands Gewalthunger nachlässt.

    Was schlagen Sie vor?

    Ich bin gespannt

    Martin Haberland

    1. Lieber Herr Haberland, wenn Sie meine Rede aufmerksam gelesen haben, dann wird Ihnen mein deutlicher Hinweis nicht entgangen sein: Derzeit verfügt niemand über die eine richtige Antwort auch auf Ihre Frage, die auch meine Frage ist. Alles, was ich gestern ausgeführt habe, ist zu verstehen als eine Ansammlung von Kriterien, die aus meiner Sicht bei den nächsten politischen Schritten zu berücksichtigen sind. Ein Kriterium ergibt sich übrigens aus dem Hinweis auf die für Konflikte paradigmatische Erzählung von Kain und Abel. Insofern liegt es mir fern, auf Ihre mehrfach wiederholte Frage jetzt mit einem Satz zu antworten. Ich bin kein Automat, der, wenn man einen Groschen/eine Frage einwirft, dann sofort die Patentantwort liefert. Insofern bedauere ich, dass Sie gestern nicht auf dem Nikolaikirchhof waren. Denn da wurde sehr differenziert gesprochen. Wovon ich nach wie vor überzeugt bin: dass es keine nachhaltige Lösung gibt, ohne dass nicht Bevölkerungsgruppen in der Ukraine und in Russland einen pazifistischen, bürgerrechtlichen Ansatz verfolgen. Denken Sie in diesem Zusammenhang bitte an die Friedliche Revolution. Auf diesem Hintergrund wird uns nichts anderes übrig bleiben, als zum einen Putin wirtschaftlich, politisch und militärisch so zu bedrängen, dass er bzw. seine Encourage zu Verhandlungen bereit sind, und zum andern die militärische Gewaltanwendung gegenüber der Zivilbevölkerung radikal zu begrenzen. Denn eine weiter eskalierende Kriegführung wird zu noch viel größerem menschlichen Leid führen, als das, was Sie mit beredten Worten mehrfach beschreiben. Das 4. Kriterium von Bundeskanzler Scholz (in seiner Fernsehansprache vom vergangenen Sonntag) – es darf keine Maßnahmen geben, die Deutschland/Europa mehr schaden als Russland – kann man ja auch auf die Kriegführung durch die NATO übertragen: die militärischen Maßnahmen dürfen der ukrainische Bevölkerung nicht mehr Schaden zufügen als dem Aggressor. Zum Ganzen: Ich halte es für unerlässlich, dass wir die moralischen, ethischen Kategorien nicht einfach beiseite schieben oder aussetzen. Denn eines ist für mich klar: die Ziele, die die Staatengemeinschaft verfolgen, dürfen nicht auf dem und durch den Weg, der zu diesen Zielen führen soll, desavouiert werden.
      Beste Grüße Christian Wolff

      1. Lieber Herr Wolff,

        Sie schreiben:
        „Auf diesem Hintergrund wird uns nichts anderes übrig bleiben, als zum einen Putin wirtschaftlich, politisch und militärisch so zu bedrängen, dass er bzw. seine Encourage zu Verhandlungen bereit sind, und zum andern die militärische Gewaltanwendung gegenüber der Zivilbevölkerung radikal zu begrenzen.“

        Das ist der einzig klare Satz in Ihrer Antwort.

        Ja, Putinrussland militärisch zu bedrängen hat natürlich das zentrale Ziel, Gewaltanwendung gegen die Zivilbevölkerung nicht nur zu begrenzen, wie Sie schreiben, sondern schnellstmöglich zu beenden und Putinrussland waffenstillstandswillig werden zu lassen.

        Was Sie ansonsten auf die gegenwärtige Situation bezogen mit „Ansammlung von Kriterien“ meinen, bleibt wiederum völlig abstrakt, eher eine Ansammlung wohlmeinender Worte.
        Ich schätze übrigens zutiefst die erfolgreiche Haltung und die erfolgreichen Handlungen der „Keine Gewalt“-Bewegung im Jahr 1989. Und ich stehe der friedlichen Revolution von 1989 sehr viel näher, als Sie denken. Aber nicht jeder, der „1989“ ruft hat in allen Kontexten schon ein Argument.
        Ich höre gerne und bin gespannt, wie Sie die Lehren von „1989“ jetzt konkret deuten.
        (Auf das dritt- und zweitletzte Wort kommt es an.)

        Wen meinen Sie eigentlich, der oder die „moralische, ethische Werte über Bord werfen.“
        Leider kommen Ihre Beitrage nicht aus ohne konstruierte Feindbilder.

        Bitte antworten Sie nicht so ganz arg oberlehrerhaft („Wenn Sie meine Rede gelesen hätten…“.)
        Ich habe meinen Beitrag formuliert, gerade WEIL ich den Text Ihrer Rede gelesen habe 🙂

        Martin Haberland

  13. Eine sehr gute Rede, der es in Gottes Namen nichts hinzuzufügen gilt, an der kein Satz zu wenig ist , an der kein Satz zu kritisieren wäre.
    Unser Dank gilt dem Redner und der Geistkraft, die ihm die Feder geführt hat , unserem Herrn, der uns allen gnädig sein möge . Gott erbarme uns.

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