Aktuelle
Themen

Aktuelle
Themen

Nichts muss so eintreten, wie erwartet – oder: Erleichterung, aber keine Entwarnung

Was sich bei den Europawahlen schon abzeichnete, ist amvergangenen Sonntag, 7. Juli 2024, in Frankreich eingetreten: Eine seit Wochen herbeigeschriebene Zwangsläufigkeit, dass den Rechtsnationalisten in Europa der Durchmarsch gelingt, hat sich als Fehleinschätzung erwiesen. Die Wahlerfolge der rechtsextremen AfD, des Rassemblement Nationale (RN), der Melonie-Partei Fratelli d‘Italia (FdI) am 9. Juni 2024 haben bei uns leider verdeckt, dass in anderen europäischen Ländern rechtsextreme Parteien keinen durchschlagenden Erfolg hatten, während sozialdemokratische Parteien und demokratische Bündnisse Gewinne erzielen konnten: Portugal, Spanien, Niederlande, die skandinavischen Länder, vor allem aber auch Polen, wo die PIS-Partei zum ersten Mal nicht stärkste Partei wurde, und Ungarn, wo die Fidesz-Partei ihre absolute Mehrheit verlor. Nach dem 9. Juni 2024 gewann in Großbritannien die Labour Party die Unterhauswahlen am 4. Juli 2024 deutlich. Und nun Frankreich: Entgegen aller Prognosen landete der rechtsextreme RN im 2. Wahlgang zur Nationalversammlung auf dem dritten Platz hinter dem Parteienbündnis der Linksparteien Nouveau Front populaire (NFP) und der Partei von Präsident Macron Ensemble. Damit ist das Schreckensszenario einer absoluten Mehrheit des RN in der französischen Nationalversammlung nicht eingetreten. Das ist für die Demokratie in Europa und für die europäische Einigung zunächst ein gutes Zeichen. Es zeigt, dass nichts so kommen muss, wie vorhergesagt. Allerdings gibt es einen mehr als großen Wermutstropfen: Nach den abgegebenen Stimmen kommt der RN auf 37 %, der NFP auf 28 % und die Macron-Partei Ensemble auf 20 %. Dass sich dieses Stimmverhältnis nicht in der Nationalversammlung abbildet, liegt am Mehrheits-Wahlsystem in Frankreich.

Auf diesem Hintergrund ist es völlig unangebracht, davon auszugehen, dass sich nun die Ambitionen des RN und von Marie Le Pen auf eine Machtergreifung in Frankreich erledigt hätten – Machtergreifung deshalb, weil der RN nur regieren will, wenn er die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung erringt. Zwei Gründe sprechen nun dafür, dass der RN von der derzeitigen Lage profitieren könnte:

  • Frankreich hat keine Erfahrung mit Koalitionen. Eine Koalition ist aber notwendig, wenn die demokratischen Parteien eine Regierung bilden wollen, die sich auf eine Mehrheit in der Nationalversammlung stützen kann.
  • Die Parteien sind in Frankreich in ihrer Politik nicht auf Kompromiss ausgerichtet. Das gilt leider auch für den Präsidenten Frankreichs. Schon das Parteienbündnis NFP (Linke, Sozialdemokraten, Grüne) wird alle Mühe haben, sich auf einen Vorschlag für den:die Ministerpräsidenten:in zu verständigen. Eine Koalition zwischen NFP und der Macron-Partei scheint derzeit ausgeschlossen.

Wer am Sonntagabend die Rede von Jean-Luc Mélenchon, dem Anführer der größten Gruppierung „La France insoumise“ (unbeugsames Frankreich) innerhalb des NFP, gehört hat, wird sich verwundert die Augen gerieben haben: Da sprach Mélenchon wie einer, der die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung gewonnen hat. Denn er forderte mit kompromissloser Entschiedenheit die sofortige Umsetzung aller politischen Ziele seiner Partei. Doch eine solche Strategie würde nur dazu führen, dass Frankreich politisch gelähmt sein und ins Abseits geführt wird. Das aber hätte zur Folge, dass die Rechtsnationalisten davon profitieren. Der RN verspricht wie alle rechtsnationalistischen Parteien Radikallösungen sofort – aber auf Kosten der demokratischen Vielfalt, der Menschenrechte, der rechtsstaatlichen Freiheit, der europäischen Einigung. Das Wahlergebnis aber zeigt, dass Frankreich nur zu regieren ist, wenn sich die Bevölkerung wie der Präsident darauf einstellen, sich über Parteigrenzen hinweg zu verständigen – und dabei vor allem die europäische Einigung und die deutsch-französische Zusammenarbeit nicht aus den Augen zu verlieren. Mélenchon ist aber weder an der deutsch-französischen Freundschaft noch an einem vereinten Europa sonderlich interessiert – und darin durchaus vergleichbar mit dem RN von Marie Le Pen.

Letztlich steht Frankreich vor der gleichen Herausforderung wie Deutschland: eine Koalition zu bilden, die ein breites Meinungsspektrum der Bevölkerung abbildet und die in der Lage ist, auf dieser Grundlage eine sozial gerechte, die Wirtschaft fördernde und dem Klimawandel entsprechende Politik zu machen und dabei die EU als den Frieden sicherndes Projekt zu fördern. Gerade Letzteres ist aber nur möglich, wenn die Rechtsnationalisten gestoppt werden. Denn sie werden alles daransetzen, die EU langfristig zu zerstören, um ihre je eigenen nationalistischen Interessen durchzusetzen -einschließlich imperialer Macht- und Gebietsansprüche. Niemand soll sich täuschen: Jede Form von Nationalismus trägt den Keim des nächsten Krieges auf europäischem Boden in sich! Auf diesem Hintergrund ist der Ausschluss der AfD aus der neugebildeten Fraktion der Rechtsextremen nicht etwa ein Zeichen dafür, dass die AfD noch extremer ist als andere rechtsradikale Parteien in der EU. Nein: Der Grund liegt in einer schon jetzt offen kommunizierten Frontstellung vor allem des RN gegen Deutschland. Darum ist es völlig abwegig, den RN oder FdI oder die FPÖ als weniger extrem anzusehen als die AfD. Alle rechtsextremen Parteien stehen der AfD in ihrer menschenverachtenden, europafeindlichen, nationalistischen Ideologie in nichts nach.

Was das nun für Deutschland bedeutet? Es muss alles getan werden, um die AfD von den Schalthebeln der Regierungsmöglichkeit fernzuhalten. Dazu ist es notwendig, dass die demokratischen Parteien ihre Bereitschaft zu Koalitionen ebenso deutlich signalisieren, wie sie im Wahlkampf ihre programmatische Eigenständigkeit profilieren. Eine Stimme für eine demokratische Partei ist nie eine verschenkte. Es kommt nicht darauf an, dass die CDU stärkste Partei wird. Es kommt darauf an, dass die AfD so wenig Stimmen wie möglich erhält und dass die demokratischen Parteien eine Regierung bilden können. Dies ist eine Entscheidung, die in der Hand eines jeden Bürgers, einer jeden Bürgerin liegt. Sie, jeder von uns also, tragen die Verantwortung!

______________________________________________________________

Gerne verweise ich auch auf den sehr erhellenden Artikel von Landry Charrier. Hier ein äußerst aufschlussreiches Zitat aus dem Artikel: „Hinzu kommt, dass der RN in zahlreichen Wahlkreisen – mindestens 25 Prozent laut gut informierter Journalisten – Kandidaten aufgestellt hat, die Hakenkreuz-Zeichen tragen, von einem „bereinigten Frankreich“ schwärmen, Pétain nachtrauern oder Putin-Bewunderer sind. Einige davon sollen sogar auf Einladung Moskaus beim Krim-Referendum als internationale Beobachter gedient haben.“

19 Antworten

  1. Um die AfD klein zu halten, empfehle ich weiterhin, sich für die vielen Corona-Fehler zu entschuldigen – je länger eine solche Entschuldigung ausbleibt, desto mehr Leute denken, es war Absicht (und wählen aus Wut vielleicht AfD, oder Trump). Die SPD sollte nicht nur ihre „Kriegstüchtig“-Rhetorik überdenken, sondern auch ihr Schweigen zu den schlimmen Fehlern und Ausgrenzungen (Frau Köpping wollte Quarantäne-Verweigerer ja sogar in die Psychiatrie sperren). Übrigens habe ich jetzt ein 230-Seiten-Buch über die Corona-Krise geschrieben (hier herunterladbar: https://zenodo.org/records/13292717). Die Wissenschaftler:innen tragen ja einen Großteil der Verantwortung dafür (besonders die Leopoldina und Christian Drosten, aber auch MPG, DFG, usw.), und deshalb habe ich jetzt aufgeschrieben, warum aus meiner Sicht so viel falsch gelaufen ist.

  2. Unser Anti-Wolff-Blogger AS schrieb am 10.07.24:
    „Wir brauchen einen Entwurf für die Zukunft. Und dieser muss deutlich mehr Offenheit, deutlich mehr Phantasie, deutlich mehr „Pro“ im Gegensatz zu „Anti“ und deutlich weniger Rechthaberei und Kompromissfähigkeit (zB auch zu Orbans augenblicklicher Reisetätigkeit) enthalten.“
    Wie recht Sie doch haben, verehrter Schwerdtfeger.
    In einem allerdings widerspreche ich Ihnen energisch, was Ungarns V. Orbans „Friedensmission“ in Moskau als selbstherrlich agierender EU-Ratspräsident betrifft:
    Spätestens nach dem Bombardement auf das ukrainische Kinderkrankenhaus – unmittelbar nach Orbans Abreise aus dem Kreml (anschließend hofiertes dann auch noch Trump in dessen Privat-Domizil und übte sich in erbärmlichem Trumpismus) müssten Sie doch sofort erkennen, dass solcherart Aktionen völlig absurd und im konkreten Fall viele menschen-Opfer brachte.
    Vorsicht also, es lohnt, etwas tiefer in die hochproblematischen Themen einzusteigen, bevor man rauspoltert! Und Ihr o.g. Satz sagt doch alles, oder?
    Tschüß

  3. In einer der letzten Ausgaben des “Freitag” (Nr. 25, 20. Juni 2024) war über die Erfolge der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) zu lesen (Bürgermeister in Graz, hoher Stimmenanteil im Land Salzburg). Interessant ist, dass die KPÖ der österreichischen Rechtsaußenpartei FPÖ nicht den Gefallen getan hat, plakativ „gegen rechts“ zu mobilisieren und sich deren Lieblingsthema Migration aufdrängen zu lassen, sondern unbeirrt ihre Kampagne für besseres und bezahlbares Wohnen durchgezogen hat. Das führte dazu, dass in der Endphase der Salzburger Gemeinderatswahlen 2024 der FPÖ-Spitzenkandidat nicht „Für mehr Abschiebungen“ warb, sondern sich mit „Ich stehe hier für günstige Mieten“ auf das Terrain des politischen Gegners begeben musste, wo er dank der klaren und realistischen KPÖ-Konzepte zu Wohnen und Mieten leicht zu schlagen war.

    Ich wünschte mir auch für die Diskussionen hier, dass statt dem ewigen tristen, unproduktiven Ränder-Flanken-Mitte-Gerede eine Auseinandersetzung über konkrete gesellschaftspolitische Zielstellungen stattfände. Dann ließe sich auch leichter feststellen, wer die Populisten sind und wer ernst zu nehmende, realitätstaugliche Vorschläge und Konzepte anzubieten hat. Dafür ist jedoch eine gründliche Ursachen-Analyse für den unbestreitbar erstarkenden Populismus unerlässlich. Mit Küchen-Psychologie kommt man da nicht groß voran. Ich hatte auf die Auswirkungen der ökonomischen Entwicklungen der zurückliegenden Jahrzehnte verwiesen, anscheinend ohne Wirkung.

    Mit umso größerer Genugtuung habe ich deshalb die „Erklärung von Berlin: Winning Back the People“ (https://makronom.de/berlin-declaration-erklaerung-winning-back-the-people-47012) zur Kenntnis genommen. Diese ist das Ergebnis eines Treffens führender Wirtschaftswissenschaftler Ende Mai in Berlin, das sich mit den Ursachen des zunehmenden Vertrauensverlustes signifikanter Teile der Bevölkerung in die Fähigkeit unserer Gesellschaften auseinandergesetzt hat, die sich zuspitzenden Krisen zu lösen und eine bessere Zukunft zu sichern. Teilnehmer des Treffens waren solche bekannten Persönlichkeiten wie Nobelpreisträger Agnus Deaton, Adam Tooze, Marina Mazzucato, Thomas Piketty und Branko Milanovic. Die Teilnehmer kommen zu dem Schluss, „dass das Misstrauen nicht nur, aber zu einem großen Teil auf die weit verbreitete Erfahrung eines tatsächlichen oder gefühlten Verlusts von Kontrolle über die eigenen Lebensumstände und den Verlauf gesellschaftlicher Veränderungen zurückzuführen ist“ und dass „Jahrzehnte schlecht gemanagter Globalisierung, ein übermäßiges Vertrauen in die Selbstregulierung der Märkte und Austeritätspolitik die Fähigkeit der Regierungen untergraben (hat), wirksam auf solche Krisen zu reagieren.“

    Konkret, auch in der Erkenntnis, dass Populismus ein Länder übergreifendes Problem ist, schlagen die Teilnehmer (hier verkürzt) vor:
     Politik und Institutionen weniger auf wirtschaftliche Effizienz auszurichten, sondern auf Schaffung von Wohlstand für alle;
     mit Industriepolitik regionalen Umbrüchen proaktiv zu begegnen sowie durch geeignete Förderung ausgewählter Industriesektoren die Umstellung auf Klimaneutralität zu erreichen;
     die Vorteile des Freihandels mit der Notwendigkeit in Einklang zu bringen, die Schwächsten zu schützen;
     die sich durch Vererbung und Finanzmarktautomatismen selbst verstärkenden Einkommens- und Vermögensungleichheiten anzugehen, u. a. durch angemessene Besteuerung hoher Einkommen und Vermögen;
     die Entwicklungsländer mit den für die Krisenanpassungen notwendigen finanziellen und technologischen Ressourcen auszustatten, ohne deren Zukunftsaussichten zu gefährden;
     ein Gleichgewicht zwischen Märkten und kollektivem Handeln herzustellen, um selbstzerstörerische Austeritätspolitik zu vermeiden;
     die Marktmacht auf stark konzentrierten Märkten zu reduzieren.

      1. Sehr geehrter Herr Plätzsch,
        es ist wichtig über jegliche Nachrichten und Berichte immer wieder nachzudenken und sie zu prüfen. Der von Ihnen verlinkte Bericht hat den grundlegenden Fehler (auch ohne tiefere Kenntnissse über das amerikanische Steuersystem zu haben), dass das Einkommenssteuersystem /die Einkommenssteuer nur bedingt geeignet sind, die Einkommensverhältnisse objektiv darzustellen.
        Lassen Sie es uns am deutschen Steuersystem besprechen. Unterschiedliche Einkommensarten werden unterschiedlich hoch oder gar nicht besteuert, so dass bei gleich hoher Steuerzahlung ganz unterschiedlich viel übrig bleibt.
        In Deutschland haben wir zwar die „Reichensteuer“ – und der unbedarfte Bürger denkt ,dass die Reichen deswegen recht hoch (also angemessen ) besteuert werden – so ist es aber nicht. Die veröffentlichten Informationen beziehen sich (irreführend) hauptsächlich auf „Einkommen aus Erwerbstätigkeit“ . Hier ist der Steuersatz in der Spitze zusammen mit Soli recht hoch ,fast 50%, wer Gewerbesteuer zahlt auch darüber.

        Die Superreichen haben aber diese Einkommensart selten. Ihre Einkommen bestehen größten Teils aus Kapitalerträgen. Diese werden sehr niedrig besteuert: ca. 25% + Soli.
        Auch dieser Steuersatz wird selten gezahlt: Durch Gründung von Stiftungen, NGOs etc, kann man seinen effektiven Steuersatz noch weiter senken und das Geld trotzdem im eigenen Sinne verwenden.
        Daneben gibt es noch weitere Einkommensmöglichkeiten, die teilweise komplett steuerfrei sind: z.B. Immobilien nach 10 Jahren Haltedauer, Edelmetalle nach einem Jahr, Kunst, Oldtimer….Alles völlig legal – Cum ex , cum cum Panamapapers etc. braucht man da noch gar nicht bemühen.
        Hier ein Artikel der sich auf Oxfam bezieht – ein Gegenpol zur NZZ. (Möglicherweise übertreiben beide in die jeweils gewünschte Richtung.)
        https://www.timepatternanalysis.de/Blog/2023/01/16/oxfam-gleichzeitiger-anstieg-der-extreme-bei-der-verteilung-von-wohlstand/

  4. Das auffälligste Ergebnis der französischen Wahlen wird nicht erwähnt, nämlich dass zwei Drittel der Wähler die Flanken wählten und nur ein Drittel sich der Mitte zuordnete. Auf der rechten Seite ist dies offensichtlich, auf der linken Seite ist es verschleiert, weil die Gemäßigten sich den Extremen unter Mélenchon unterordnen. Der Sieger der Wahlen in FRA ist der Populismus der linken und der rechten Flanken und diese Gefahr besteht bei uns auch.
    Wen wunderts: Der Bund der Steuerzahler hat bekanntgegeben, dass die Deutschen bis zum 11. Juli „nur für den Staat“ gearbeitet hätten. Nur 43 Cent aus jedem verdienten Euro trage man hierzulande nach Hause, der Rest gehe an den Staat. Und unsere öffentlich-rechtlichen Medien verbreiten diesen Unsinn kritik- und kommentarlos, fördern damit die von mir angesprochene gefährliche Trennlinie zwischen Bürger und Staat, zwischen Gesellschaft und Politik. Wo gehen denn in Wirklichkeit die 57 Cent hin? Nicht an den Staat, sondern in gesellschaftliche Projekte aller Art für die Allgemeinheit (Bildung, Infrastruktur, Sicherheit, etc) und in die individuelle Lebensvorsorge (Kranken-, Arbeitslosen-, Rentenversicherungen) sowie Bürgergeld und Migrationshilfen. Eine derart undifferenzierte und polemische sogenannte Statistik dieses sogenannten Bundes und deren unkommentierte Verbreitung durch die Medien treibt die Wähler – viele davon nach Wolff verunsichert und ohne Kompass – geradezu in den Populismus des BSW oder der AfD, untergräbt das Vertrauen in die gewählten Politiker und schadet unserer Demokratie. Und einige Medien machen mit – hier wie auch in FRA!
    Entgegen der Vermutung Wolffs: „Es kommt nicht darauf an, dass die CDU stärkste Partei wird. Es kommt darauf an, dass die AfD so wenig Stimmen wie möglich“ erhält, kommt es also genau darauf an: Eine starke Mitte aus möglichst wenigen Parteien zu schaffen, nicht ein schwaches Bündnis aus Vielen (wie jetzt im Bund), und zu erkennen, dass die Aussage: „Eine Stimme für eine demokratische Partei ist nie eine verschenkte“ in einem System, das zu Recht eine Sperrklausel hat, eben falsch ist.
    Bei den bevorstehenden Landtagswahlen wird sich zeigen, ob die Wähler erkennen, dass
    – weder die Linke / BSW noch die AfD ein brauchbares politisches Konzept haben, sondern nur populistisch im Reservoir des kompasslosen Wahlvolks fischen,
    – eine Aufsplitterung einer möglichen Regierung in eigentlich unversöhnliche Positionen NUR ZUR VERHINDERUNG einer populistischen Flankenposition (das Wolff’sche Konzept also: „Dass die demokratischen Parteien eine Regierung bilden können“ – egal welche?) weder stabile Regierungsarbeit noch verlässliche Demokratiestärkung möglich macht,
    – und also die Konzentration der Stimmen auf eine Koalition aus möglichst wenigen Parteien der Mitte unter einer starken Führungskomponente der sicherste und vernünftigste Weg aus der offensichtlich vorhandenen Krise unseres demokratischen Verständnisses (siehe Bund der Steuerzahler) ist.
    Wolffs ewig gleiche Klagen reichen wohl kaum. Wir brauchen einen Entwurf für die Zukunft. Und dieser muss deutlich mehr Offenheit, deutlich mehr Phantasie, deutlich mehr „Pro“ im Gegensatz zu „Anti“ und deutlich weniger Rechthaberei und Kompromissfähigkeit (zB auch zu Orbans augenblicklicher Reisetätigkeit) enthalten. Und dazu braucht es den selbstbewussten Bürger, den Wolff fordert und dessen Meinungen inhaltlich widerlegt und nicht mit billiger persönlicher Polemik bekämpft werden müssen.
    Andreas Schwerdtfeger

    1. Wenn jemand weiter nur in den Extremen von Sieg und Niederlage, richtig und falsch denken kann, dann kommt das dabei heraus: Es gibt nur eine Mitte, die CDU. Ein für die Demokratie ziemlich dürftiges Ergebnis. Differenzierungen sind dann nicht mehr möglich. Also besteht das, was ich schreibe, nur aus „Klagen“. Von solchen ist aber mit keinem Wort im Blog-Beitrag die Rede. Vielmehr geht es darum, in einer demokratischen Gesellschaft der Vielfalt der Meinungen und Lebensentwürfe durch breit angelegte Koalitionen in den Regierungen und durch politische Kompromisse gerecht zu werden. Aber das setzt voraus, dass zum einen der Rahmen (Grundgesetz) anerkannt und profilierte Programmatik der Parteien zugelassen wird.

      1. Es ist doch immer nur peinlich, lieber Herr Wolff, wie Sie ohne jegliches Gegenargument auf meine Beiträge eingehen. Ich denke also in Kategorien von Sieg oder Niederlage und das sei falsch. Was, bitte, unterscheidet Sie von diesem Denken: Sie wollen keinen Sieg, sondern eine Niederlage der AfD (ich stimme Ihnen zu, darf das aber offensichtlich nicht); sie wollen keinen Sieg der CDU, aber schon einen der SPD, mindestens aber einen der „demokratischen Parteien“ – was für ein schreckliches „Sieg-Niederlage-Denken“! Es ist schon zum Verzweifeln, wie primitiv Sie auf ernst gemeinte und sachliche Argumente dann eingehen, wenn es nicht die Ihren sind. Und dabei ist doch der „demokratische Diskurs“ das Wetteifern guter Argumente, natürlich auch mit dem Anspruch eines selbstbewussten Vortrags bis zum Beweis des Gegenteils, den Sie noch im letzten Beitrag forderten.
        Ich tue in diesem Blog nichts anderes, als auf Ihre ständigen Widersprüchlichkeiten, Heucheleien, Einfachheiten zu antworten und den Versuch zu machen, über das Offensichtliche hinaus eine intelligente Diskussion über Zukunftsperspektiven zu führen. Denn Ihre Beschreibung des französischen Wahlergebnisses jetzt ist ja wieder nichts als Auftakt zu Ihrem ewigen Mantra – also Klagen – über den Erfolg der Populisten unter Missachtung der Gefahr der Aufsplitterung der Demokraten.
        Ich werbe für die Demokratie und die demokratischen Parteien, von denen derzeit nur eine, die CDU (schon gar in den östlichen Bundesländern), einigermaßen die Chance hat, gegen den Populismus in unserem Lande zu regieren. Ich kann nichts für den (von mir bedauerten) Untergang der SPD, die sich zur Klientelpartei für einige Minderheiten gemacht und von ihrem eigentlichen Wahlvolk abgewandt hat. Ich bin kein Freund der Grünen, weil diese monothematisch und ideologisch sind, was für unser Land nicht ausreicht. Und BSW und AfD sind radikal, orientierungslos und negativ. Es mögen Zeiten kommen, wie im UK, wo die Sozialdemokratie die deutlich bessere Alternative ist – à la bonheur! Aber im Augenblick werbe ich in der Tat für die CDU – sie ist derzeit der einzige Stabilitätsanker im Lande. Und dass dies ein Denken in Kategorien von Sieg oder Niederlage ist, ist selbstverständlich, richtig und demokratisch und im übrigen von Ihnen vorgelebt. Also kommen Sie doch irgendwann einmal zur Sache!
        Andreas Schwerdtfeger

        1. Vielen Dank, lieber Herr Schwerdtfeger, für die ach so sachlichen Argumente: „peinlich“ und „primitiv“ ist alles, was ich schreibe, voll von „ständige(n) Widersprüchlichkeiten, Heucheleien, Einfachheiten“. Da zeigt sich wahrhaft intellektuelle Größe im Diskurs! Statt mich weiter auf einem solchen Niveau zu bewegen, möchte ich auf den ausgezeichneten Artikel von Landry Charrier verweisen: Artikel von Landry Charrier

    2. Herr Schwerdtfeger,
      Zu Teil 1: Wollen Sie mit dem Hinweis sagen, dass die Wähler der AfD u.a. nicht wissen, dass der Staat nach den Regeln des Bundeshaushalts die Steuer-Einnahmen verwendet? Kaum zu glauben.
      Die von Ihnen beschriebene „Unklarheit“sollte es nicht geben. Da müssten sich die demokratischen Parteien an die eigene Nase fassen.
      Zu Teil 2: Es zeigt sich eine interessante Alternative und es fehlt eine Dritte.
      Bei ihrem Modell , Herr Schwerdtfeger, könnten sich viele Wähler der Blocks nicht wiederfinden, wenigstens aber die GRÖSSTE Partei und ihre Anhänger. Eine klare Politik wäre zu erwarten.
      Im Modell Dr. Wolff besteht die Gefahr, dass fast alle Blockwähler enttäuscht sind(wie aktuell bei de rAmpel)

      Was bei Ihnen offenbar ausgeschlossen wird:
      Die CDU hat eine Koalition mit der BSW nicht ausgeschlossen.Ob sie dazu im Ernstfall bereit wäre ( und umgekehrt die BSW) ist offen. In diesem Falle wäre eine Blockbildung zur Verhinderung stark reduziert bis unnötig.

      Mit welchen Gründen schliessen Sie und Dr.W. das aus? Jedenfalls respektierte diese Version den Mehrheitswillen des Souverains.

      Haben Sie beide eine Meinung dazu, wie die Umsetzung ihrer beider Überlegungen auf lange Sicht wirken, wenn nur gegen etwas und nicht für etwas entschieden wird, gerade im Osten Deutschlands?

    3. Natülich ist diese 43 / 57 ct Rechnung sehr plakativ und ein großer Teil dieser Mittel geht auch in die von Ihnen beschriebenen Bereiche ,kommen also dem Bürger zu Gute.

      Kaum zu bestreiten ist aber auch, dass der Bürger für diese im internationalen Vergleich sehr hohen Steuern und Abgaben nur unzureichende Gegenleistungen erhält:
      – verfallende Infrastruktur (Investitionsstau / Sperrung von Brücken / Bahn /
      Nahverkehr…)
      – mangelhafte Bildung (immer weiteres Abrutschen bei PISA / Ausbildungsabbrüche…)
      -trotz großer Ausgaben keine Bundeswehr, die uns im Ernstfall wirklich schützen kann
      -Herabsetzung des Niveaus der Gesundheitsversorgung
      -Kürzungen in der Arbeitslosenversicherung durch HARZ Gesetzgebung
      -Herabsetzung des Rentenniveaus
      -Miserable digitale Infarstruktur
      -Verschlechterung der öffentlichen Sicherheit
      -fortlaufende Defizite in der Arzneimitteversorgun g
      -auch nach Corona Rückgang der Lebenserwartung

      Hier können Sie einen Spezialfall Deutschland 2024 ansehen: https://archive.ph/pQFrj

      Auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob der Bund der Steuerzahler die Interessen von Max Mustermann oder Joe Sixpack oder von den „großen“ Steuerzahlern vertritt, denke ich dass die Kritik an der hohen Belastung berechtigt ist.
      Dem mündige Bürger sollte mehr Geld gelassen werden und er sollte selbst entscheiden, wie es ausgegeben wird, da er am besten weiß, wo es in seinem Sinne ausgegeben werden muß. Der Staat neigt tendenziell dazu, mit dem eingezogenen Geld
      eigene Interessen zu befriedigen. Ganz einfaches zugegeben populistisches Bsp.. Es ist doch durch nichts zu begründen, das der Staat für 150000€ Friseurkosten etc. für Frau Baerbock aufkommt. Oder das Verteilen von Finanzmitteln in der ganzen Welt, ohne das der Bürger einen Nutzen davon hat.

      Meine Forderung wäre also: Dem Bürger mehr Geld lassen, dadurch Eigenverantwortung ,Eigeninitiative und Aktivität stärken und dadurch das Land vorwärts bringen.

      1. Es ist interessant, Herr Breuer, wie Sie argumentieren:
        Der mündige Bürger soll selbst entscheiden, da „er selbst am besten weiß …“.
        Das augenblickliche Beispiel zeigt die Absurdität dieses Arguments: Gestern war der mündige Bürger vehement für die Erhöhung der Gehälter von Pflegepersonal (zu Recht); heute ist er vehement gegen eine Mehrbelastung Pflegebedürftiger in Heimen (zu Recht). Dass das eine das andere bedingt, fällt ihm nicht auf, da er jedes Problem schön einzeln sieht und opportunistisch parzelliert. Die Lösung aber ist immer die gleiche: Der Staat, die Politik muss es richten – aber die Steuern, die der Staat einnimmt, sollen, bitteschön, „in seinem (des Individuums) Sinne“ ausgegeben werden. 85 Millionen Individuen wird man so nicht unter einen Hut bringen. Und schon gar nicht die sogenannten „Aktivisten“, die ihre eigenen Ziele über das Gesetz stellen.
        Ihre an sich so schöne Idee vom mündigen Bürger ist leider genau das, was sich die AfD zunutze macht: Probleme parzellieren und dann sind sie auf wundersame Weise gelöst.
        Das ändert nichts daran, dass Frau Baerbocks Friseurrechnungen ein Ärgernis sind – wenn’s denn stimmen sollte.
        Andreas Schwerdtfeger

        1. Sehr geehrter Herr Schwerdtfeger,
          bei Ihrem Bsp. Pflegebereich haben Sie unterschlagen:
          1. Die beiden Forderungen gab es einen zeitlichen Abstand von ca. 3 Jahren
          2. Die Forderungen wurden kaum von den selben „mündigen Bürgern“ aufhestellt
          3. Die Forderung nach höheren Gehältern war doch wohl eher ein Medienhyp
          4.Die höheren Kosten im Pflegebereich kommen vor allem dadurch zu stande, dass die
          Länder ihren Verpflichtungen zur Zahlung von Investitionskosten (Gebäude) nicht
          nachkommen
          Das Argument vom kompasslosen, desorientierten Bürger kann ich also nicht nachvollziehen. Inwiefern diese (im Grunde belanglose) Veröffentlichung wesentlich zur Demokratieverdrossenheit beiträgt ist mMn fraglich – hier gibt es wichtigere Ursachen.
          Wie man auf denStaat schaut hat etwas damit zu tuen, was man in seinem Leben so gemacht hat und was man erlebt hat: Wer im Staatsdienst war oder staatsabhängig bzw. staatsnah beschäftigt war steht dem sicher positiver gegenüber, als jemand wie ich der knapp 30 Jahre selbständig war, alles selbst geregelt hat und vorher den DDR Staat erleben durfte.

          „…Die Lösung aber ist immer die gleiche: Der Staat, die Politik muss es richten – …“
          Eine immer wieder gern benutzte Platitüde: Peer Steinbrück benutzte sie nach der Finanzkrise um jegliche Schuld von sich zu weisen. Dabei verschwieg er, dass die Politik durch Deregulierung unter Clinton (USA) und Schröder (D) im Finanzwesen die Grundlage für diese Krise gelegt hatte.
          MfG
          EBreuer

  5. Lieber Herr Wolff,
    Erlauben Sie bitte 2 Hinweise:
    1) ES IST NICHT SO, dass unter den Demokraten Einigkeit herrscht, was aus Europa werden soll, was das Endziel,ist. Ich verweise darauf, dass Claude Juncker in seiner Eigenschaft als Präsident in Sorge um Europa ein Weissbuch veröffentlicht mit 5 Alternativen für die Zukunft der EU. Er hatte die Mitglieder aufgefordert bis 2019 daüber zu entscheiden. Das ist nie geschehen. Man „wurschtelt „dahin. https://commission.europa.eu/document/download/b2e60d06-37c6-4943-820f-d82ec197d966_de?filename=weissbuch_zur_zukunft_europas_de.pdf
    2) DAS ERGEBNIS IN Frankreich ist das Ergebis einer konzertierten Aktion gegen etwas, nicht für etwas. Ob das reicht?
    3) Verantwortung Deutschland. Ja, unbedingt. Aber was will D? Angesichts der Vorstösse von Macron st das schon seit Merkel unklar. Nun die Achse berlin-Warschau zusätzlich??

  6. Man sollte nicht vergessen, dass das Wahlergenis in der Stichwahl maßgeblich dadurch beeinflusst wurde, dass sich die Konkurrenten des RN absprachen: In den Wahlbezirken, in denen außer dem RN noch mindestens 2 andere Bündnisse zur Wahl standen, zogen die Bündnisse mit den geringeren Siegchancen ihre Kandidaten zurück, so dass dem RN nur eine Alternative gegenüber stand. Was auch immer für ein Regierungsbündnis zustande kommen wird, die Handlungsfähigkeit Frankreichs wird eingeschränkt werden.
    Das bedeutet für Deutschland, dass es seiner Führungsverantwortung in Europa gerecht werden muss – das auch im Hinblick auf das Trauerspiel in der amerikanischen Politik. Ein Glück, dass ein großes Land wie Polen wieder proeuropäisch regiert wird. Umso bedauerlicher, dass die jetzt in Großbritannien an die Regierung gekommene Labour Party auf den ersten Blick nicht besonders europafreundlich ist.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert