Geleistet wurde er schon vor Beginn des Nazi-Terrors in Deutschland auf Regierungsebene am 30. Januar 1933: Widerstand gegen die drohende Diktatur, den militanten Antisemitismus und die Delegitimierung der Demokratie. Doch das Widerstehen vieler Bürgerinnen und Bürger, auch von Organisationen wie das „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ erwies sich als zu schwach, um Adolf Hitler und die NSDAP an ihrem mörderischen Wüten zu hindern. Der Widerstand gegen die Machtübernahme der NSDAP scheiterte vor allem daran, dass eine erdrückende Mehrheit der Menschen aus allen Schichten Deutschlands den Nationalsozialismus auch in seiner gewaltbereiten Entschlossenheit, die Demokratie und Menschenrechte zu beseitigen, unterstützten. Das Wegsperren bis Ermorden von Kommunisten und Sozialdemokraten, die kulturelle Gleichschaltung und erbarmungslose Verfolgung kritischer Intellektueller, die rassistische Ausrottung Menschen jüdischen Glaubens wurden im besten Fall als Kollateralschäden hingenommen. Dennoch ist es zwischen 1933 und 1945 immer wieder zu einzelnen, bewundernswerten Widerstandsaktionen gekommen wie durch die studentische Initiative „Weiße Rose“ oder den mutigen Schreiner Georg Elser.
Nach 1945 hat sich in Deutschland eingebürgert, das gescheiterte Hitler-Attentat am 20. Juli 1944 und den vergeblichen Versuch, die NSDAP zu entmachten, als die Widerstandsaktion gegen das Hitlerregime zu würdigen. Das hatte aber immer einen Makel. Denn dieser Widerstand war teilweise von Kräften getragen, die zunächst durch ihr politisches und militärisches Wirken dafür gesorgt hatten, dass die Nationalsozialisten ihre Terrorherrschaft errichten konnten. Mit diesem Hinweis soll die Bedeutung der Widerstandsaktion vom 20. Juli 1944 in keiner Weise in Abrede gestellt werden. Auch ist denen, die sich vom Nationalsozialismus losgesagt haben, der Sinneswandel hoch anzurechnen. All das muss uns aber heute zu zwei Dingen veranlassen:
- den gesellschaftlichen Gruppen und Einzelpersonen mehr Beachtung zu schenken, die schon in der Weimarer Republik frühzeitig, hellsichtig und geistesgegenwärtig vor dem Schrecken der nationalsozialistischen Diktatur gewarnt haben;
- den gegenwärtigen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen deutlich zu widerstehen, die dem Muster der nationalsozialistischen Machtergreifung folgen und die Demokratie zu zerstören drohen.
In diesem Sinn ist es zu begrüßen, dass die „Stiftung 20. Juli 1944“ zum 80. Jahrestag des Hitler-Attentats ein Manifest veröffentlicht hat, das sich gegen die richtet, die sich heute in ihren Aktionen auf den Widerstand gegen das Naziregime (und gegen die SED-Diktatur) berufen und damit suggerieren, ein offener Meinungsstreit und eine demokratische Auseinandersetzung seien nicht mehr möglich. Gruppen und Parteien wie die AfD, Reichsbürger, Freie Sachsen u.a. und ihre Sprachrohre wie das gerade verbotene Magazin „Compact“ bedienen sich seit Jahren, insbesondere seit dem Aufkommen von PEGIDA 2014, einer widerwärtigen Widerstandsrhetorik. Diese hat sich in der Corona-Zeit noch verstärkt. Da wurde und wird propagandistisch der demokratische Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland zu einem „System“ degradiert, das nur noch vergleichbar sei mit den beiden Diktaturen auf deutschen Boden im 20. Jahrhundert. Daraus wird dann ein Widerstandsrecht abgeleitet, das bei jeder Demo der Rechtsnationalisten lautstark rausposaunt wird „Widerstand“. Mit der Realität hat dies nur insofern etwas zu tun, als viel zu viele Bürger:innen der AfD in dieser Rhetorik folgen und damit den gleichen Parolen und Narrativen auf den Leim gehen wie vor 90 bis 100 Jahren. Wir leben aber heute unter politischen Bedingungen, die die demokratische Auseinandersetzung, den zeitlich begrenzten Machtwechsel zwischen Regierung und Opposition und Vielfalt und Offenheit ermöglichen – und dies unter rechtsstaatlichen Bedingungen.
Wir leben darum nicht -wie es inzwischen gängig ist zu behaupten – in einer gespaltenen Gesellschaft. Unsere Gesellschaft ist vor allem eines: vielfältig, divers und seit 75 Jahren demokratisch aufgebaut. Allerdings erleben politische Parteien und Gruppierungen wie die AfD vermehrte Zustimmung, die durch ihren völkischen Nationalismus die Gesellschaft aufspalten
- in Opfer (dazu gehören alle, die „gut und anständig“ leben, natürlich Deutsche sind und denen nun alles genommen werden, z.B. „ihr Land“) und in eine korrupte Elite, die nur noch für sich selbst sorgt und das Volk vernachlässigt;
- in Deutsche, die ein Recht haben, sich zum Volk zu zählen, und solche, die eigentlich nicht dazugehören (Ausländer:innen, Geflüchtete, „Invasoren“ – später dann Minderheiten wie Behinderte);
- in Alt-Parteien, die Politik gegen das „Volk“ machen, und die eine Partei, die Deutschland von Fremdbestimmung und „Umvolkung“ befreien und wieder groß machen wird.
Diese bewusst herbeigeredete Spaltung zwischen Volk/Opfer/Bewegung und Elite/Täter/Altparteien soll den Boden dafür bereiten, das „System“ der freiheitlichen Demokratie, ihre Vielfalt, Gleichberechtigung und Menschenwürde und den Wechsel von Regierung und Opposition abzuschaffen, um so eine homogene Gesellschaft formen zu können unter Ausschluss all derer, die stören. Dass diese Verballhornung des „Widerstands“ mit einer notwendigen gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung um gerechte Teilhabe an Arbeit, Einkommen, Bildung, Wohnen nichts zu tun hat, kann man nicht oft genug betonen. Noch nie hat der völkische Nationalismus mit seiner Widerstandsrhetorik der Solidarität in einer Gesellschaft gedient. Dem kann eine Resilienz, eine Widerstandsfähigkeit des Einzelnen entgegengesetzt werden, die beides vermag: die eigenen Interessen im demokratischen Meinungsstreit zu vertreten, den Anderen mit seinen eigenen Interessen zu achten, zum Kompromiss fähig zu sein und so die Demokratie vor ihren Feinden zu schützen. Eine solche Resilienz benötigt keinen Heldenmut, aber politische, demokratische Wachheit und die Fähigkeit, politische Niederlagen zu ertragen.
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Nachtrag: Axel Hacke hat im letzten Magazin der Süddeutschen Zeitung eine sehr lesenswerte Kolumne geschrieben: „Was man Missmut, Zukunftsangst und gesellschaftlicher Polarisierung entgegensetzen könnte.“
31 Antworten
Herr Breuer – doch noch ein PS zu meiner Reaktion auf Ihre Telemedizin-Kommentierung wider meiner Haltung zu BSW:
Sehen Sie sich doch einfach mal die Dokumentation an unter dem Link: https://www.phoenix.de/sendungen/dokumentationen/der-bruch-sahra-wagenknec-a-3267332.html. Ich denke, da dürfte Ihnen manches signalisiert werden. Ich bleibe dabei: Frau Wagenknecht hat ein Problem, und man kann nur hoffen, dass ihr Populismus nicht noch mehr Schaden anrichtet, als bereits geschehen! Unsere auch durch sie polarisierte Demokratie braucht dringend politische Kultur!! Tschüss.
Werter Herr Breuer – Ihre Korrektur betreffs Sitzverteilung AfD nehme ich an (wer nicht arbeitet, der macht keine Fehler). Zu Ihren anderen Belehrungen möchte ich mich nicht äußern. Gehen wir allesamt davon aus, dass zu den anstehenden Landtagswahlen die Demokratie gewinnt, alles andere wäre eine Katastrophe; ich hoffe, dass Sie es nicht anders sehen…
Frau Dr. Wagenknecht bekommt Fracksausen bei dem Gedanken, dass ihre Laientruppe nach den kommenden Lantagswahlen an einer Koalition beteiligt werden könnte.
„Nur wer auch im Bund gegen Waffenlieferungen an die Ukraine und für Verhandlungen mit Russland sei ist, käme für sie als Partner in Thüringen, Sachsen oder Brandenburg in Frage, tönt Wagenknecht.
Regieren will Wagenknecht in diesen Bundesländern noch nicht. Ihr Fernziel ist die nächste Bundestagswahl, bei der sie wieder in den Reichstag einziehen will, diesmal mit ihren BSW-Getreuen. Würde sich ihre Partei vorher an einer Landesregierung beteiligen, könnte sie manche Wähler enttäuschen. Das will Wagenknecht tunlichst vermeiden. Darum stellt sie solche kalkulierten Maximalforderungen.“
© taz 29. 7. 24 https://ogy.de/iy6g
A. Schwerdtfeger: „ Wir leben zum Glück in einer funktionierenden Demokratie, in einem stabilen Rechtsstaat, in Freiheit und Sicherheit.“
Sagen Sie mal, wo leben Sie eigentlich?
Ja, wir leben in einer Demokratie, und nach 40 Jahren erlebter, erlittener SED-STASI-DDR wissen wir dies sehr zu schätzen!! Nur eben: deren innenpolitischer Zustand als funktionierend, stabil, sicher darzustellen, zeugt von erstaunlichem Realitätsverlust. Im dt. Bundestag sitzt eine AfD, in den längst nicht mehr neuen Bundesländern ist die AfD jeweils größte Fraktion, der Verfassungsschutz erklärt eindeutig, dass es sich um rechtsextreme Positionen handelt und damit als verfassungsfeindlich erkannt ist.
F. Merz gab im öffentlich-rechtlichen TV zu erkennen, dass es eine Zusammenarbeit absolut abgelehnt wird, um wenige Tage später zurück zu rudern. Soll dies Stabilität bekunden? In Pirna/Sachsen gibt es einen AfD-Oberbürgermeister – diese Wahl war nur möglich, weil über 50% der Pirnaer die Kommunalwahl boykottierten; funktioniert hier noch Demokratie?
Die bevorstehenden Landtagswahlen werden ein Zeugnis abgeben, wir stabil, sicher, funktionierend diese unsere bedenklich wankende Demokratie tatsächlich ist.
Und an Sie, lieber Klaus Plätzsch nur soviel, dass Sie mich missverstanden haben müssen. Endlich sind die US-amerikanischen Demokraten aufgewacht – nach einem langen Politschlummer der irrtümlichen Sicherheit. Und ich meinte dem folgend, dass ich erhoffe – wie viele, sehr viele ebenso! – dass die Demokratie hierzulande aufwacht!!! Es ist hohe Zeit.
Und noch zu Herrn Schwerdtfeger – lassen Sie doch einfach Ihre Häme und Verbalangriffe; es bringt nichts und löst keine Probleme. Es dokumentiert lediglich ein Persönlichkeitsproblem, mit dem Sie offenbar nicht klar kommen. Die politischen Probleme sind viel zu ernst, als dass man sie durch Beleidigungen kanalisieren dürfte. Aggressionen gibt es auf dieser kleinen und größeren Welt bereits zu viele. Lassen Sie es einfach!
Lieber Herr Flade:
in KEINEM neuen Bundesland ist die AFD im Landtag stärkste Fraktion!
auch der Verfassungsschutz betrachtet die AFD in 2 von 5 neune BL nicht als „gesichert “ rechtsextrem“, sondern verdächtigt sie diesbezüglich.
Wenn man bei 2 Fakten, die man leicht überprüfen kann so weit daneben liegt, ist der Verdacht begründet, dass der Rest Ihres Beitrag genauso faktentreu ist.
Zum Thema Beleidigungen: Es liegt mMn in der Natur des Menschen, dass er dies bezüglich beim Austeilen großzügiger ist als beim Einstecken. Neutral betrachtet überragt hier in diesem Forum keiner die anderen wesentlich.
Ihr Hang zur Telemedizin ist allerdings schon etwas speziell. Ferndiagnosen für verschiedene Politiker und Unterstellung von „persönlichen Problemen“ (im Klartext „Du hast ne Macke!“) sind auch nicht die feine englische Art.
Zum komplexen Thema: Widerstand empfehle ich dem einen und anderen 2006 (Rowohlt) von Joachim fest „ICH NICHT – Erinnerung an eine Kindheit und Jugend“ von Joachim fest (Autobiographie). Die moralethischen Termini Würde / Aufrichtigkeit / Unerschrockenheit konnten von J. Fest nicht treffender beschrieben werden.
Und dieses Mal muss ich Herrn Schwerdtfeger en detail Recht geben (s. Kommentar 21.07.): das BSW (Splitterpartei?) ist das Fazit einer egomanischen Extrashow einer eitelkeitsversessenen Dame, die alles, aber auch alles daran setzte, DIE LINKE zu zerstören. Eine fatalere Entscheidung höchst subjektiver Ambitionen kann es eigentlich gar nicht geben. Dass es innerhalb von Parteien Differenzen zu Sachthemen gibt – klar, das ist das Leben. Aber eine solche Zerstörungswollust kennzeichnet aus meiner Wahrnehmung die Offenbarung eines sehr persönlichen Problems. Der politischen Kultur hat es enormen Schaden zugefügt. Und von Dohnanyi als Argument pro BWS aufzuführen – naja, da wäre auch ich höchst vorsichtig!
Ein erkennbarer, Hoffnung machender Lichtstrahl am weltpolitischen Himmel: Trump wird es ab sofort schwer haben, seine psychopathischen Krankheitserreger in die wankende Weltpolitik herauszuschreien. Auch hier ist jetzt fundierter Widerstand seitens der Demokratie prioritär! Sehr hoffe ich, dass diese aktuelle Situation in den USA irgendwie auch Zeichen setzt für Landtagswahlen (2024) und Bundestagswahl (2025) in unserem Land!!
Da ist er wieder, der Mann, der nur immer keilt oder kriecht – hier mal mit beidem gleichzeitig. Wer wollte eine solche Tirade ernst nehmen!
Wolff will uns überzeugen, dass die SPD als einzige Partei „klare Kante“ gegenüber Rechts zeige (22.7., 22.43h), dabei ist unter ihrer Kanzlerschaft Rechts aufs Doppelte angewachsen und sie selbst halbiert – sehr überzeugend! Er will uns darstellen, dass es „absurd“ sei, die einzige Partei zu wählen, die derzeit das Bollwerk für Demokratie ist und sich bei respektablen 30% halten kann in einer Zeit der demokratieschädlichen Aufsplitterung unserer Parteienlandschaft; und er tut das, indem er mal eben eine „Kungelei auf allen politischen Ebenen“ erfindet. Das Ganze unter dem ehrwürdigen Thema des Widerstandes!
Es ist augenblicks sicherlich nicht die Zeit, über „Widerstand“ in unserem Lande nachzudenken: Wir leben zum Glück in einer funktionierenden Demokratie, in einem stabilen Rechtsstaat, in Freiheit und Sicherheit. Etwas anderes ist es, aus dem Widerstand in der Geschichte und seinem Anlass zu lernen.
Und da gibt es immerhin zwei recht offensichtliche Erkenntnisse: einmal, dass ein in viele egoistische Kleinparteien aufgesplittertes Parlament nicht nur wenig effektiv ist, sondern auch noch solche „Blüten“ hervorbringt, wie die jetzige verzweifelte 500,- € Initiative der Thüringer SPD zum Wählerkauf (wenn das denn wirklich so ist), also einen Überbietungswettwerb an Unsäglichkeiten; und zweitens, dass aus dieser Schwäche heraus ein solches Parlament die Stabilität des demokratischen Staates politisch unterminiert, weil die Parteien sich unterschiedslos immer stärker gegenseitig diffamieren und darunter das Vertrauen in die Kompetenz des gesamten Systems leidet, was wiederum radikalen Populismus fördert– erste Anzeichen hierfür haben wir ja schon und auch erste schädliche Auswirkungen, indem ein Teil der überforderten Repräsentanten des Staates und der Bürger ein Konkurrenzsystem wie „Bürgerräte per Losentscheid“ befürwortet.
Wir sind „bedroht“ durch den rechten Nationalismus – da stimme ich Wolff zu und plädiere deshalb (und angesichts der Tatsache, dass die rechts- bis radikal-rechts-Wählerschaft rund 50% im Verhältnis von 30 zu 20% ausmacht) für eine Stärkung der konservativen (im Gegensatz zur radikalen) Strömung. Wir sind – auf andere Weise – ebenso bedroht durch linke Ideologie, die – Lerchner hat teilweise Recht – einige Argumente für sich hat und deshalb deutlich verführerischer daherkommt. Aber es bleibt eben trotzdem wahr, dass die linke Flanke in unserem System – bezogen auf reale Politik im Gegensatz zu gutmenschlichen Träumereien – das Land der Beherrschung (mindestens erheblichen Einflussnahme) durch fremde Mächte dadurch aussetzen will, dass sie ein Machtvakuum kreiert; dass sie der Bevölkerung vorgaukelt, ihre Sozialpolitik sei (von den Reichen) bezahlbar und von einer immer stärker belasteten und staatlich gegängelten Industrie erwirtschaftbar; dass sie Ihre Einzelkritik an bestimmten Auswüchsen des Systems zur Grundlage einer „Umerziehung“ der Wählerschaft in den Wunsch nach kompletter Staatsfürsorge immer stärker fördert. Ist Ihnen das konkret genug, Herr Lerchner?
Also: Die Demokraten sollten jetzt zusammenstehen und diejenigen unterstützen, die die besten Chancen haben. Splitterparteiein zu wählen bedeutet entweder schwache Parlamente und weiteren Vertrauensverlust oder unglaubwürdige Streitkoalitionen (wie u.a. die von Scholz) oder „verschwendete Stimmen“, weil unterhalb der 5%, was dann den Radikalen zugute kommt.
Und ich sage im Gegensatz zu Wolff und seiner CDU-Hetze nochmal: Ich wünsche der SPD alles, alles Gute – und wenn Grüne-, Linke-, BSW-Wähler ähnlich der französischen Linken, alle SPD wählten (und sich hinterher nicht stritten) – ich fände es ebenso gut, ja besser, als meinen Vorschlag, angesichts der Unwahrscheinlichkeit dieses Wählerverhaltens dann eben lieber geschlossen CDU zu wählen.
Andreas Schwerdtfeger
Alles etwas ermüdend, vor allem Ihre ewigen Beleidigungen. Im Übrigen: Für die Wahlergebnisse sind nicht Parteien, sondern zunächst und ausschließlich die Wähler:innen verantwortlich – das gilt insbesondere auch für die AfD-Ergebnisse!
Eigentlich, lieber Herr Wolff, kann es hier ja keine Beleidigungen geben, da Sie uns doch versichern, dass Sie solche nicht zulassen und deshalb auch Mitdiskutierern unterstellen, dass diese „gerne mal über Leichen gehen“. Ein paar weitere Aussagen von Ihnen, ausschließlich unter dem augenblicklichen Thema und alle im „demokratischen Diskurs“, den Sie für sich reklamieren:
*Dieser arrogant-zynische Tonfall
*sehr überzeugend, wenn aus der Komfortzone heraus …
*beschränkt sich darauf, soziale Schieflagen in der Gesellschaft dazu zu nutzen, um Bevölkerungsgruppen gegeneinander aufzubringen
*schamlos
*geradezu absurd
*vor solch einer Sachkenntnis und Kompetenz kann man sich nur tief und ehrfürchtig verbeugen.
Dieser Ihrer letzten Aussage stimme ich zu.
Ich grüße Sie also in völligem Gleichschritt mit Ihnen.
Andreas Schwerdtfeger
„Sehr hoffe ich, dass diese aktuelle Situation in den USA irgendwie auch Zeichen setzt für Landtagswahlen (2024) und Bundestagswahl (2025) in unserem Land!!“
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Wie meinen Sie das, Herr Flade – als abschreckendes Beispiel? Anders kann man die Situation dort, wo weithin Gewalt herrscht und total verkalkte bzw. verrückte Kandidaten fürs Spitzenamt aufgestellt werden, nicht interpretieren.
Dass Sie das Thema des Widerstandes gegen die Nazi-Diktatur aufgreifen und kommentieren, verdient Respekt. Bundeskanzler Scholz hat gestern eine gute Rede gehalten. Der Hinweis auf die gesellschaftliche Breite des Widerstandes ist wichtig, weil auch in unserer Zeit die Rechtsstaatlichkeit im Lande und die Würde des Einzelnen nur aus der gesellschaftlichen Breite heraus garantiert werden können.
Gerade deshalb ist die fehlleitende Anmerkung, einige aus dem Widerstand hätten, „zunächst dafür gesorgt“, dass die Nazis ihre Herrschaft errichten konnten, fatal. Die Nazis wurden von der Mehrheit des Volkes gewählt – es erscheint völlig unwahrscheinlich, dass Georg Leber, Ludwig Beck, die Stauffenbergs, Elisabeth Schiemann, Bonhoeffer (im Gegensatz zu Niemöller), Oster, Tresckow, die Boeselagers, Moltkes, Dohnanyis, Lehndorffs, Trott zu Solz, Graf Galen, Goerdeler, usw usw, je für die NSDAP gestimmt haben. Sie haben ihre Berufe ausgeübt, sich zunächst an ihre Amtseide gehalten, mit sich gerungen und in der Tat, wie Sie es formulieren, „sich losgesagt“ – nicht von einer Unterstützung der Nazis (ihre Unterstellung), sondern von einer Normalität, in der sie erzogen waren und der sie sich verpflichtet fühlten hin zu einer ungeheuren Umkehr ihrer Verantwortungswahrnehmung, die nicht nur ihr eigenes Leben, sondern das ihrer Familien in die Waagschale warf. Und dies gilt für Leber und Goerdeler wie für Beck und Stauffenberg, für dessen Familie (als Beispiel) gilt: Die katholische Kirche und der Adel des Westens und Südens waren resistenter gegen die NSDAP als die evangelische Kirche und der Adel im Norden und Osten.
Richtiger ist also, dass ein überwältigender Teil des Widerstandes – übrigens über sein gesamtes politisches Spektrum hinweg – so ziemlich von vorneherein das Regime zunächst mit Zweifel, Sorge und Abscheu , später dann mit zunehmender Ablehnung bis hin zur gewaltsamen Aktion wahrnahm. Dass dabei mit immer stärkerer Verfestigung und Kontrolle des Regimes Waffenträger in den Mittelpunkt rückten und also als die Verkörperung des Widerstandes angesehen werden, liegt in der Natur der Sache (und ist also kein Makel): Je fester der Zugriff eines Diktators, desto aussichtsloser ein „moralischer Widerstand“ alleine, wie ihn bewundernswert die Weiße Rose ausgeübt hat – wir haben das zuletzt in Belarus gesehen. Dass andererseits gerade die Waffenträger, also die Streitkräfte, aber natürlich auch die Polizei, und auf der Seite des Bösen auch die Repressionsorgane des Staates in einem besonderen Verhältnis zum Regime stehen und standen, ist systemimmanent: Soldaten und (normale) Polizisten waren durch Eid, SS / SA sowie die Gestapo und die Justiz durch ihre Teilnahme an den Verbrechen an den „Erfolg“ des Systems gebunden. Und gerade diejenigen, die unter dieser Zeit gelitten hatten und deshalb nach dem Kriege mit der Formulierung unseres Grundgesetzes insgesamt ein Meisterwerk geschaffen haben, zeigen mit dem von Plätzsch hier zitierten Art (nicht §) 20 GG, wie schwierig es ist, ein Widerstandsrecht zuzulassen und zugleich einzuschränken: „ … wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“ Wer bestimmt das, woran lässt es sich festmachen? Das Dilemma einer notwendig ungenauen Formulierung und die Ehrlichkeit gebieten die Feststellung, dass diese Einschränkung einer nachträglichen (juristischen und moralischen) Bewertung unterliegt – und diese Nachträglichkeit entzieht eine solch schwerwiegende Entscheidung einem eindeutigen Urteil, was sich ja durch den traurigen Umgang mit den Attentätern in der ersten Dekade des Bestehens der Bundesrepublik zeigt.
Die Lehre aus diesem Attentat ist in den Reden gestern im Hofe des Bendlerblocks gut beschrieben worden, einschließlich der richtigen Hinweise auf die Gefahr des Nationalismus, die auch Sie äußern. Deshalb sind Ihre Anmerkungen zur Vokabel „Widerstand“ zu begrüßen und ich teile sie. Sie gelten allerdings ebenso für den „völkischen Nationalismus“ wie auch für Straßenkleber, Waldbesetzer, Querdenker und Verschwörungstheoretiker dann, wenn sie diese ihre Anliegen über die Gesetze unseres Landes stellen. Das Attentat des 20. Juli einseitig zu instrumentalisieren ist unangemessen.
Andreas Schwerdtfeger
So wichtig und notwendig es ist, die sehr unterschiedlichen Widerstandsgruppen und -aktionen gegen den Nazi-Terror zu würdigen und zu achten, so notwendig ist es, die Bedingungen für die Nazi-Herrschaft zu benennen. Und dazu gehört eben, dass zu viele Bürger:innen aus allen Schichten der Gesellschaft, insbesondere aus dem Bildungsbürgertum, den Kirchen, der Wehrmacht die Augen verschlossen haben vor den wahren Absichten Hitlers bzw. diese offen unterstützt haben. Genau dieser Fakt muss uns heute dazu veranlassen, den Anfängen bzw. dem inzwischen viel zu weit vorgedrungenen Rechtsnationalismus zu wehren.
Ich meinte natürlich JULIUS Leber!
A.S.
Lieber Herr Plätzsch – ich erlaube mir eine Anfügung:
„Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht.“
Das meinte einst aus dem sakralen Bereich Papst Leo XIII., die Naturgesetze betreffend.
Und betrachten wir die derzeitige Situation in den USA, wo ein Psychopath und Krimineller D. Trump sich anschickt, ab Herbst 2024 nächster Präsident werden zu wollen und sein erklärter Vize-Präsident Vance verbal alles sagt, was diese einstig fundamentale Demokratie völlig zerstören dürfte, müsste sich Widerstand regen – tut es aber nicht. Kehren wir in unser „Wohlstandsland“ DEU zurück, wird zunehmend bewusst, wie lahm diese Ente geworden ist. In diesem Blog wird überaus deutlich – siehe die diversen Reaktionen auf die durchdachten Beiträge Chr. Wolffs; Kritik ist gut, aber diese muss fundiert und respektvoll agieren! – , dass wir uns allesamt noch immer und immer wieder am Analytischen abarbeiten. Partiell vorgetragene Ideen notwendiger Veränderungen zu Gunsten dieser wankenden Demokratie überzeugen mich nicht, selbst die Argumente Joh. Lerchners bringen mich ins Zweifeln. Mit praktiziertem Widerstand allein ist es freilich nicht getan, dem muss etwas folgen – aber was??? Die bevorstehenden Landtagswahlen in den längst nicht mehr neuen Bundesländern werden desaströs ausfallen; das befürchte nicht nur ich, und allein die Vorstellung, dass eine CDU mit dem BSW koalieren könnte, um AfD rechtsliegen zu lassen – wohin würde dies führen?? Kaum auszudenken. Aber was wären die Alternativen??
Brevi manu: Aus der Ohnmacht müssen wir allesamt schnellstens raus!!
Mich hat eine Kolumne von Axel Hacke im Magazin der Süddeutschen Zeitung sehr berührt und ermutigt.
Hallo Herr Flade,
welche Argumente sprechen Ihrer Ansicht nach gegen eine vorrangig sozial-ökonomische Erklärung für das Erstarken populistischer Strömungen und Parteien in zahlreichen westlichen Industrieländern? Warum halten Sie die in der von mir zitierten Erklärung von Berlin vorgeschlagenen Politikansätze nicht für zielführend? Wieso wäre es fatal, wenn die CDU in Sachsen zukünftig nicht mehr mit den Grünen sondern mit dem BSW koalierte? Wo doch sogar Klaus von Dohnanyi jüngst Sarah Wagenknecht gelobt hat.
Beste Grüße,
Johannes Lerchner
Ja, Sie haben Recht, Herr Lerchner, Klaus von Dohnanyi hat schon mit seinem letzten Buch „Nationale Interessen“ gezeigt, dass er – höflich ausgedrückt – seinen Zenit überschritten hat, und jetzt ist es wohl endgültig so weit. Wagenknecht ist eine glänzende populistische Strategin; ihre einfachen politischen Lösungsvorschläge für die Gegenwart dagegen sind untauglich bis gefährlich und häufig genauso unrealistisch und oberflächlich wie mindestens einige in Ihrer Berliner Erklärung. Nehmen wir gleich die erste: „Politik und Institutionen weniger auf wirtschaftliche Effizienz auszurichten, sondern auf Schaffung von Wohlstand für alle“. Was für ein Gegensatz in EINEM Satz, denn Wohlstand für alle ist nur erreichbar durch wirtschaftliche Effizienz – das hat die wirtschaftliche IN-Effizienz der „DDR“ zur Genüge gezeigt. Und die anderen Postulate? Natürlich ist überall was dran, aber die ideologische Belastungsmentalität in Richtung der Tüchtigen und die gleichzeitige Entlastungsmentalität gegenüber denen, die sich lieber aushalten lassen, ist doch zu offensichtlich.
Man kann nur hoffen, dass – es sind ja zum Glück „nur“ Landtagswahlen – eine Regierung in den betroffenen Ländern ohne die AfD UND ohne Wagenknecht zustande kommt. Der Abstieg unseres Landes in die Beliebigkeit der Werte und in die aus wirtschaftlichen Gründen erfolgende Insolvenz des Staates – sowohl durch Überschuldung, als auch durch Abwanderung der Leistungsträger, als auch schließlich durch die Öffnung aller Schleusen in Sachen der nationalen inneren wie äußeren Sicherheit – wäre gewiss. Also: Keine Splitterparteien und keine Extreme wählen!
Andreas Schwerdtfeger
„Der Abstieg unseres Landes ………… in die aus wirtschaftlichen Gründen erfolgende Insolvenz des Staates – sowohl durch Überschuldung, als auch durch Abwanderung der Leistungsträger, als auch schließlich durch die Öffnung aller Schleusen in Sachen der nationalen inneren .wie äußeren Sicherheit ….“
Chapeau! Besser kann man den gegenwärtigen Zustand unseres Landes nicht beschreiben!
Das ist immer sehr überzeugend, wenn aus der Komfortzone heraus das Totenglöcklein für Deutschland geläutet wird. Dabei hat jede:r die Möglichkeit, jenseits aller ökonomischen Richtigkeiten und Zwangsläufigkeiten seinen/ihren Beitrag zu leisten, die Demokratie zu stärken und das Zusammenleben vor Ort solidarisch zu gestalten – und gerade dadurch zur sozialen Gerechtigkeit beizutragen. Dieser arrogant-zynische Tonfall ist nichts anderes als ein Gift der Bequemlichkeit.
Dass Sie und Wolff Herrn Flade beispringen, tut der Debatte sicherlich gut. Insofern erst einmal danke.
Über den zitierten Apell international renommierter Ökonomen sollten Sie vielleicht etwas gründlicher nachdenken. Jeder, der dringesteckt hat, konnte sehen, dass das niedrige Wohlstandsniveau in der DDR hauptsächlich der geringen Effizienz deren Wirtschaft geschuldet war. Einen Aha-Effekt haben Sie deshalb bei mir nicht ausgelöst. Eine völlig andere Geschichte ist es, dass in einer neoliberal geprägten kapitalistischen Ökonomie wirtschaftliche Effizienz eben nicht zwingend einhergeht mit einem Gewinn für das Gemeinwohl. Spätestens seit der Privatisierungsorgie zu Beginn der 2000er Jahre ist das offensichtlich. Beispiele: Die Priorisierung von Hochgeschwindigkeitsstrecken brachte dem Wirtschaftsunternehmen Deutsche Bahn deutlich höhere Effizienz. Leidtragende waren die zahlreichen Bürger, denen die massenhaft stillgelegten, unrentablen Nebenstrecken-Verbindungen nicht mehr zur Verfügung standen. Und haben Sie schon die besonders während der Corona-Pandemie berechtigt laut gewordenen Beschwerden über ein kaputtgespartes Gesundheitswesen vergessen? Die hochprofitablen Klinik-Konzerne hatten allerdings keinen Grund zur Klage. Und es ist ja nicht nur in Deutschland so. Unter den G7-Ländern haben die USA die höchste Arbeitsproduktivität. Sind Sie aber mal in den letzten Jahren auf einem Highway rund um Washington unterwegs gewesen? Erschreckend! Es tut mir leid, die alte Leier von den Tüchtigen und den Schmarotzern ist bei diesem Thema deplatziert. Entweder man begreift das und handelt danach oder man muss die Quittung an der Wahlurne einstecken. Ich denke, man sollte sich sehr wohl darüber Gedanken machen, inwieweit öffentliche Güter einer Effizienzmaximierung wieder entzogen werden können. Die Ökonomen-Tagung in Berlin ist ein Hinweis, dass sich in Sachen Wirtschaftsliberalisierung in letzter Zeit der Wind doch etwas gedreht hat.
Klaus von Dohnanyi hat also endgültig seinen Zenit überschritten. Das wollen Sie damit beweisen, dass er Sahra Wagenknecht und ihre Partei lobt? Das setzte Konsens darüber voraus, dass es an dieser Frau nichts politisch Relevantes zu loben gibt. Gerade das müsste doch aber erst nachgewiesen werden. Da stimmt also etwas nicht mit der Logik. Ansonsten wäre es viel interessanter, sich mit den Beweggründen Dohnanyis für seine Unterstützung des BSW auseinanderzusetzen, als sich in vagen Betrachtungen über sein derzeitiges politisches Urteilsvermögens zu ergehen.
Zu Ihrer Kritik am BSW: Ist es denn so schwer, einem in Ihren Augen vielleicht etwas verbohrten, Populisten verfallenen Linken plausibel zu machen, an welcher Stelle Frau Wagenknecht einfache, aber untaugliche, unrealistische und geradezu gefährliche Lösungsvorschläge macht? Im Unterschied zu anderen Forumsteilnehmern sind Sie immer der Mann fürs Konkrete gewesen, was ich bisher immer geschätzt habe. Und hier kommen Sie, für mich etwas enttäuschend, mit allgemeinen Redensarten. Dass Sie in manchen Fragen anderer Meinung sind als Frau Wagen-knecht, kann natürlich kein Kriterium für richtig oder falsch sein, besonders dann, wenn es um Ökonomie geht (s. oben).
Frau Dr. Wagenknecht führt ihre Partei gemäß dem Leninschen Prinzip einer „Partei neuen Typus“. Sie siebt genau aus, wer Mitglied werden darf. Deshalb gibt es auch in Sachsen derzeit nur unter 100 Mitglieder, obwohl viele hundert Aufnahmeanträge vorliegen. Es wäre absurd, diesen „gärigen Haufen“ an einer Landesregierung beteiligen zu wollen.
1. Was bedeutet eigentlich „populistische Strömung“? Dabei handelt es sich nicht um eine weitere Facette im politischen Spektrum der Demokratie. Vielmehr bedeutet Populismus das Gegenteil von Demokratie: ein bestimmter Teil des „Volkes“ wird zum Opfer einer „Elite“ erklärt, deren „System“ beseitigt werden muss, um dem „Volk“ zu seinem Recht zu verhelfen. Allein das zeigt schon, dass eine „sozial-ökonomische Erklärung“ nicht ausreicht, um das Erstarken des Rechtsnationalismus zu erklären – zumal dieser sich wenig um die soziale Lage bestimmter Schichten der Bevölkerung schert. Er beschränkt sich darauf, soziale Schieflagen in der Gesellschaft dazu zu nutzen, um Bevölkerungsgruppen gegeneinander aufzubringen. Dabei schlachtet er ganz bewusst die Sozialegomanie vieler Menschen aus und wendet auch hier die Ent- und Umwertung der Werte schamlos aus. Deswegen ist es mehr als fahrlässig, wenn diese Mechanismen des Rechtsnationalismus einfach ignoriert werden, wie Sie es, lieber Herr Lerchner, im Gefolge es BSW tun.
2. Wenn Klaus von Dohnanyi jetzt das BSW unterstützt, konterkariert er nicht zuletzt sein Buch „Nationale Interessen“. Denn so richtig sein Appell ist, dass die SPD viel stärker friedenspolitische Initiativen kreieren und fördern muss, so fatal ist seine Ausklammerung der „nationalen Interessen“ der Ukraine. Die Ukraine ist eben keine machtpolitische Manövriermasse, wie man es den Äußerungen von Wagenknecht immer wieder entnehmen kann. Die Ukraine hat das Recht, um seine Staalichkeit gegen die kriegerische Aggression des Putin-Russland zu ringen, und die europäischen Ländern stehen in der Pflicht, die Ukraine darin vor allem auch politisch zu unterstützen.
Zwei Anmerkungen, lieber Herr Wolff:
1. Wenn die SPD in Thüringen jetzt ein Weihnachtsgeld von 500,- für bestimmte Empfänger in Aussicht stellt, so ist das Populismus pur und hat zudem noch das „G’schmäckle“ des Wählerkaufs. Man wundert sich über diese Panik-Aktion.
2. Das Recht der Ukraine, „um (ihre) Staatlichkeit gegen die kriegerische Aggression des Putin-Russland zu ringen“ bestreitet wohl eigentlich niemand, auch nicht die „Pflicht (der EU), die Ukraine darin vor allem auch politisch zu unterstützen“. Die Frage aber ist, wie man das macht – und die EU (und alle weiteren Unterstützer) sind dabei wenig erfolgreich, wenig „politisch“, wenig strategisch und lassen sich deutlich zu stark von Selenskyi am Nasenring führen.
Andreas Schwerdtfeger
Ein sozialpolitischer Vorschlag ist nicht deswegen „populistisch“, weil er mir nicht gefällt oder ich ihn für falsch halte. Populistisch wird er dadurch, dass ich ihn verbinde mit der Herabwürdigung einer Bevölkerungsgruppe, um so Zustimmung beim „Volk“ zu erlangen.
Die Ankündigung eines Wahlgeschenkes von 500 € ist kein sozialpolitischer Vorschlag, sondern der populistische und billige (im politischen Sinne) und teure (im haushalterischen Sinne) Versuch, ein paar Wählerstimmen zu kaufen, wenn man inhaltlich so am Abgrund steht, dass einem sonst nichts mehr einfällt. Was ist nur aus der Partei geworden, die mehr als alle anderen gegenüber der NSDAP Rückgrat gezeigt hat? Also besser die einzige Partei stark machen, die das Blatt noch wenden kann.
Andreas Schwerdtfeger
Auch 2024 ist die SPD die einzige Partei, die sich auf allen Ebenen den Rechtsnationalisten in den Weg stellt und klare Kante zeigt. Insofern ist es geradezu absurd, seine Stimme an eine Partei wie die CDU zu verschenken, die leider auf vielen Ebenen mit der AfD kungelt, gerade in Sachsen und Thüringen.
Klaus von Dohnanyi, Neffe von Pastor Dietrich Bonhoeffer, war mir schon immer suspekt.
In einem alten, undatierten Cicero-Interview kritisierte er, dass die SPD keine SED-Mitglieder aufgenommen hat:
„Ich habe damals darum gerungen, dass wir mit den SED-Anhängern umgehen, wie wir nach 1945 in Westdeutschland mit den NSDAP-Mitgliedern umgegangen sind: Soweit die Menschen sich nicht strafrechtlich oder moralisch verwerflich verhalten haben, hätte man sie aufnehmen sollen.“
https://ogy.de/axiv
Ich kann es auch nur wiederholen: Das Populismus-Phänomen in all seinen Facetten und mit all seinen Mechanismen korrekt zu beschreiben, ist gut und schön und verdient auch gebührende Würdigung. Diejenigen, die dieses sich zu Herzen nehmen müssten, werden aber nicht erreicht, und insgesamt bleibt der Effekt überschaubar.
Deshalb finde ich es nach wie vor ärgerliche, dass vergleichsweise wenig Energie für die Behandlung solcher Probleme aufgewandt wird, deren Lösung AfD & Co. nachhaltig das Wasser abgraben würde. Ich gebe zu, es bedeutete, dickere Bretter zu bohren. Erheblich verbesserte Schulen, deutlich mehr Lehrer, ein massiv ausgeweiteter sozialer Wohnungsbau würden die Aufnahmekapazität für Migranten erhöhen. Sage niemand, es gäbe keine Kapazitätsprobleme! Warum sollte man nicht schnell mal einige hundert Millionen Euro dafür verfügbar zu machen können? Für fragwürdige Rüstungsprojekte ging das doch auch. Ich will auch wiederholt an die großen Reden erinnern, in den beschworen wurde, Fluchtursachen zu bekämpfen. Was ist bisher diesbezüglich passiert? Ist es klug, dass sich einige Moralapostel immer noch mit ihrem Pochen auf Wirtschaftssanktionen gegen Syrien durchsetzen können, was eine nachhaltige Verbesserung der Lebensverhältnisse in diesem Land verhindert? In einem Interview mit der FAZ (04.07.2024) erklärte Prof. Stefan Brunnhuber (Clube of Rome, Beirat Sustainable Finance), dass die Errichtung von etwa 800 Krankenhäusern in den Subsahara-Ländern die Migrationsströme nach Europa erheblich senken könnte. Blackrock könne so etwas finanzieren, wenn Verluste durch EZB, EIB und Weltbank abgesichert würden. Ist der politische Wille vorhanden, die derzeit gültigen Finanzierungsregeln dafür zu modifizieren? Man sieht, an Kriterien, wonach die Sinnfälligkeit bestimmter Politikvorschläge beurteilt werden kann, ist kein Mangel. Ständig mit dem Populismus-Begriff propagandistisch Schindluder zu treiben, ist m. E. Ausdruck von Denkfaulheit oder Böswilligkeit.
Zu dem zweiten Thema, was große Teile der Bevölkerung vor allem in Ostdeutschland derzeit bewegt und was Einfluss hat auf die Attraktivität der AfD, will ich an dieser Stelle nur so viel sa-gen: Zumindest solange wir zulassen, dass einflussreiche Kräfte im Lande (vor allen in den Medien) glauben, vorgeben zu können, was moralisch statthafte Diskussionen über Sicherheit und Frieden in Europa sind und welche Stimmen nach Möglichkeit an den Rand gedrängt werden sollten, wird sich die weitreichende Ablehnung der gegenwärtigen Ukraine-Politik in zukünftigen Wahlergebnissen niederschlagen. Warnungen vor Splitterparteien (Schwerdtfeger meint damit wahrscheinlich nicht die Grünen und die FDP) und vermeintlichen Extremisten laufen da völlig ins Leere.
……welche Argumente sprechen Ihrer Ansicht nach gegen eine vorrangig sozial-ökonomische Erklärung für das Erstarken ….
Da werden Sie keine Antworten bekommen, denn um solche Argumente nennen zu können, braucht man ökonomische Kenntnisse. Diese sind in diesem Forum nur rudimentär vorhanden. Das ist kein Vorwurf (jeder hat seine Stärken und Schwächen) ,aber Tatsache.
Neben dem Mangel an Sachkenntnis auf diesem Gebiet gibt es auch folgenden parteipolitischen Grund:
Wenn man das Erstarken von AFD /BSW von der ökonomisch / sozialen Lage trennen kann, braucht man ja auch nichts zu ändern. Die Fehler in der Wirtschaftspolitik können verdeckt werden, die Umverteilung von Unten nach Oben kann weitergehen.
Man braucht sich nur einmal die Wahlergebnisse von AFD bzw. BSW und die Platzierung der einzelnen Landkreise im Handelsblatt Zukunftsranking (man könnte auch das verfügbare Haushaltseinkommen auf Kreisebene nehmen) ansehen: Schlechte Zukunftsprognose (z.B. Görlitz oder Stendal ) – hohe AFD Ergebnisse, dagegen
Jena für Ostdeutschland gute Prognose -niedriges AFD /BSW Ergebnis.
@Hr Wolff / Schwerdtfeger : Die Nazis hatten in den einigermaßen demokratisch ablaufenden Wahlen nie „eine erdrückende Mehrheit“ oder wurden „wurden von der Mehrheit des Volkes gewählt“ selbst 1933, schon unter repressiven Bedingungen verfehlten sie mit 43% die Mehrheit. Es war wohl eher der fehlende Mut zum Widerstand oder die Hoffnung, dass man selbst ungeschoren davon kommen würde. „Brot und Spiele“ (KdF, Olympia, die Möglichkeit z.B. jüdisches Eigentum zum Dumpingpreis kaufen zu können….) taten ihr Übriges.
Nach 33 gab es dann wohl Wahlen mit einer Mehrheit für die NSDAP, aber da stand dann a la DDR nur noch Hitler auf dem Wahlzettel.
Die entscheidende Rolle des Großkapitals wird hier im Forum erwartungsgemäß nicht diskutiert. das fällt in den ökonomischen Bereich( siehe oben).
Vor solch einer Sachkenntnis und Kompetenz kann man sich nur tief und ehrfürchtig verbeugen und sich selbst ins stille Kämmerlein des Unwissens verziehen ….
Zum Widerstandsrecht § 20 Abs. 4 Grundgesetz: „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“
Das Recht zum Widerstand richtet sich vor allem gegen staatliche Organe selbst, die versuchen, durch politische Entscheidungen (Gesetze, Maßnahmen) die gegebene Verfassungsordnung außer Kraft zu setzen, zu beseitigen oder umzustürzen (diese Möglichkeit und Sorge war auch Anlass für die Einführung des Widerstandsrechts 1968 – im Übrigen im Zusammenhang mit den gleichzeitig erlaubten verfassungsrechtlichen Beschränkungen für den Fall eines Notstands). Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass staatliche Organe sich durchaus verfassungswidrig verhalten können, selbst wenn sie durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes handeln (wie es zum Beispiel die Nationalsozialisten zu Beginn ihrer faschistischen Gewaltherrschaft 1933 bei der Machtergreifung praktiziert hatten). Das Widerstandsrecht steht am Ende einer langen historischen Entwicklung, die auf absolutistischem oder rechtspositivistischem Hintergrund davon ausging, dass staatliches Handeln nie Unrecht sein könne: „The King can do no wrong“.
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