Am vergangenen Mittwoch hat er seinen Rücktritt angekündigt: Stanislaw Tillich, Ministerpräsident des Freistaates Sachsen. Er war nach dem schlechten Abschneiden der sächsischen CDU bei den Bundestagswahlen am 24. September 2017 stark unter Druck geraten. Dass sich die als unschlagbar gerierende sächsische CDU, deren rechte Flanke immer weit geöffnet war, der völkisch-nationalistisch ausgerichteten AfD geschlagen geben musste, hat die Partei geschockt. Denn nun wurde offenbar: Alle Versuche, den über Jahrzehnte gewachsenen, alltäglichen Rechtsradikalismus zu beschönigen und zu vereinnahmen, sind gescheitert. Er hat sich zunächst mit der NPD und nun mit der AfD fest etabliert – und gleichzeitig die CDU in Sachsen immer weiter nach rechts gezogen.
10 Tage nach der Bundestagswahl veröffentlichte die Wochenzeitung DIE ZEIT in ihrer Regionalausgabe „ZEIT im Osten“ ein Interview mit dem ersten Ministerpräsidenten des Freistaates Sachsen nach der Friedlichen Revolution 1989 Kurt Biedenkopf und seiner Frau Ingrid (http://www.zeit.de/2017/41/cdu-sachsen-kurt-biedenkopf-wahlergebnis). In diesem an sich oberpeinlichen, weil vor alterseitler Selbstgerechtigkeit nur so triefenden Gespräch äußert sich Biedenkopf genauso abfällig zu Tillich, wie er es zu Zeiten schon über dessen Vorgänger Georg Milbradt getan hatte – so, als ob es für einen wie Biedenkopf keinen angemessenen Nachfolger geben kann. Nicht wenige sehen in diesem Interview den Todesstoß für Tillich als Ministerpräsidenten. Biedenkopf der Retter der sächsischen CDU? Damit würde man dem „König von Sachsen“ zu viel Ehre antun. Denn eines wird durch das Interview schonungslos offengelegt (ohne dass dies beabsichtigt war): das System Biedenkopf, nämlich die CDU in Sachsen als Staatspartei aufzustellen, den Ministerpräsidenten als Patriarchen zu zelebrieren und das Volk zu bemuttern (dafür war dann „Queen“ Ingrid zuständig), hat Leute wie Milbradt, Tillich, Rößler, Kupfer hochgespült. Im Windschatten der wirtschaftlich durchaus erfolgreichen, aber demokratisch wenig nachhaltigen Politik Biedenkopfs und seiner Nachfolger konnte beides wachsen: der rechtsnationale Flügel der CDU und die rechtsradikale Szene in Sachsen mit dem Kulminationspunkt AfD. Darum ist es wenig glaubwürdig, wenn sich Biedenkopf jetzt als Problemlöser inszeniert, der nebenbei auch noch sein „Lebenswerk“ retten will. Nein, Biedenkopf trägt ein hohes Maß an Verantwortung für den desolaten Zustand des politischen Sachsens, ist also Teil des Problems. Seine wiederholte absurde Einschätzung, dass die Sachsen „immun gegenüber Rechtsradikalismus“ seien, unterstreicht dies.
In den vergangenen fast 30 Jahren ist das auf der Strecke geblieben, was heute nicht nur der CDU schwer auf die Füße fällt: die Akzeptanz der parlamentarischen Demokratie als die Form des gesellschaftlichen Zusammenlebens, in dem allein die Grundanliegen der Friedlichen Revolution verwirklicht werden können. Stattdessen wurde mit zunehmender Rasanz der Freistaat kaputtgespart mit fatalen Folgen vor allem im kommunalen Bereich und in der Bildung – bestens dargestellt von Frank Seibel (Sächsische Zeitung): Die Wutsuppe in Sachsen kochte schon vor Pegida und AfD. Kaschiert wurde diese Politik mit dem Ziel eines ausgeglichenen Haushalts und den Erfolgen sächsischer Schüler/innen bei den PISA-Studien. Die fatalen Schattenseiten dieser Politik: Ausdünnung der öffentlichen Aufgaben, insbesondere der Personalabbau bei Polizei und örtlichen Ordnungsämter. Damit verbunden war der Verlust des Sicherheitsgefühls. Nebenbei: Dieses Problem setzte schon unmittelbar nach 1989/90 ein (und nicht erst mit dem EU-Beitritt Polens, Tschechien und Bulgariens oder mit der Zuwanderung ab 2011). Denn mit dem Wegfall von Mauer und Stacheldraht und den neuen Freiheitsmöglichkeiten verspürten viele Menschen eine tiefe Verunsicherung. Dieses Gefühl wucherte nicht zuletzt bei denen, die nun für die Durchsetzung der neuen Bestimmungen, aber auch für Bildung und Ausbildung zuständig waren. Darüber aber wurde keine wirkliche Debatte vor Ort geführt. Denn dem Bürger wurde vermittelt: In Sachsen ist alles in Ordnung. Viele Bürgerinnen und Bürger aber spüren sehr deutlich, dass da vieles nicht in Ordnung ist – und schieben das fatalerweise auf das demokratische System und ihre Repräsentanten.
Ähnliches spielt sich in dem zweiten Bereich ab, der kaputt gespart wurde: die Bildung. Jahrelang hat sich die sächsische CDU im Erfolg bei den PISA-Studien gesonnt. Doch die Kehrseite, dass Sachsen den höchsten Anteil an Schulabbrechern zu verzeichnen hat, wird verschwiegen und gar nicht als Problem gesehen. Statt die Lehrerausbildung zu profilieren, statt die Bildungspläne zu entmüllen, statt die Persönlichkeitsbildung zu fördern und der kulturellen und musischen Bildung in allen Schulformen neues Gewicht zu verleihen, hat man den Schulbereich personell und sachlich ausgedünnt und die sozialen Differenzen verstärkt. Völlig auf der Strecke geblieben ist die politische und die Demokratiebildung in allen Bildungseinrichtungen von der Kita bis zu den Universitäten (diese sind in Sachsen nach wie vor demokratiefreie Zonen, sollen aber die Führungskräfte der demokratischen Gesellschaft ausbilden!) – also die Förderung junger Menschen, sich an öffentlichen Entscheidungsprozessen zu beteiligen. Das aber setzt voraus, dass von Erzieher/innen und Lehrkräften das demokratische System, die Vielfalt einer offenen Gesellschaft und ein multikulturelles und multireligiöses Zusammenleben bejaht und mitgestaltet werden. Wenn aber eine völkische Partei wie die AfD in Sachsen von fast 30 Prozent der Wähler/innen Zustimmung erfährt, dann sollte sich niemand Illusionen hingeben, wie die politische Stimmungslage unter den aktuellen Lehrkräften aussieht: Da ist die Demokratieverachtung bei allzu vielen Führungskräften unserer Gesellschaft virulent.
Das alles geht vor allem aufs Konto der sächsischen CDU. Diese schickt sich nun an, Michael Kretschmer zum neuen Ministerpräsidenten zu wählen. Verspricht er den Neuanfang? Da sind viele Zweifel angebracht. Kurz nach seiner Nominierung sprach er von „deutschen Werten“, für die er verstärkt eintreten will – allerdings ohne auszuführen, was wir uns unter „deutschen“ Werten vorstellen sollen (im Vergleich zu „englischen“ oder „tschechischen“ Werten). Das klingt nach dem Kretschmer, der zusammen mit dem selbsternannten Patriotismusbeauftragten der sächsischen CDU, Matthias Rößler, 2016 eine „Leit- und Rahmenkultur“ forderte. Auch sind von Kretschmer wenige Äußerungen bekannt, die darauf schließen lassen, dass er tatsächlich „verstanden“ hat. Denn so lange die CDU nicht alles dafür tut, dass die rechtsstaatliche Demokratie und die Grundwerte der Verfassung in der Bevölkerung höhere Akzeptanz erlangen und gleichzeitig allen völkischen und nationalistischen Umtrieben entschieden entgegentritt, wird Sachsen bald zum „Stammland“ der völkischen AfD.
Hier nun kommt dem Koalitionspartner SPD eine entscheidende Rolle zu. Sie muss in den nächsten Wochen auf vier Feldern klare Positionen einnehmen, Forderungen stellen und diese offensiv vertreten:
- Bejahung der Europäischen Union und einer europäisch ausgerichteten Politik im Dreiländereck Polen-Tschechien-Deutschland. Das setzt eine entschlossene Förderung kultureller und religiöser Vielfalt voraus.
- Ein neuer Aufbruch zur Demokratie in allen Bereichen der Gesellschaft, insbesondere im Bildungsbereich.
- Eine sozial gerechte Bildungspolitik, die die Persönlichkeitsentwicklung des Schülers/der Schülerin unabhängig von Herkunft in den Mittelpunkt stellt.
- Ausbau der öffentlichen Verwaltung unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger und Ausbau der Bereiche, die für die Sicherheit der in Sachsen lebenden Menschen sorgen.
Nur wenn die sächsische Sozialdemokratie diese Grundforderungen in einen demokratischen Erneuerungsprozess einbettet und selbstbewusst-entschlossen verfolgt und kommuniziert, besteht die Aussicht auf einen gesellschaftspolitischen Wandel in Sachsen. Für Zurückhaltung ist keine Zeit. Klarheit ist gefragt.
17 Antworten
Und ein Allerletztes zu Herrn Schwerdtfeger (s. sein letzter Kurzkommentar):
Vanitas vanitatum, omnia vanitas.
Was Flade angeht: Quod erat demonstrandum!
Andreas Schwerdtfeger
Und ein Letztes an den im inneren Exil vegetierenden Rheinländer: er nimmt sich viel zu wichtig – das dürfte sein Problem sein.
Wir Mitdisputanten arbeiten uns nicht ab an diesem himmelschreienden Unsinn, wir stellen nur eben immer und immer wieder fest, wie unselig diese unendlich ermüdende Vielschreiberei ist im Hinblick darauf, dass solcherart theoretisierende Weitschweifigkeiten eine erschreckende Realitätsferne offenbaren und nichts, aber auch gar nichts an der derzeitigen Situation in unserer Gesellschaft ändern. Gott sei Dank gibt es Menschen, die wahrhaftig an der Basis praktisch etwas tun und nichts halten von derart unprofessionellen Aufsätzen. Und damit genug; Herr Rennert brachte es auf den Punkt. jede Minute, die man dem Mitblogger Schwerdtfeger opfert, ist unnötig investierte Energie – auch ich verwende diese besser an effektiveren Stellen. Jo.Flade
Lieber Herr Rennert, dann lesen Sie doch besser meine Beiträge nicht – für eine Verschlechterung Ihres Gesundheitszustandes möchte ich nicht verantwortlich sein.
Und lieber Herr Lerchner: Haben Sie Dank – Sie bringen Fakten – und dann kann man diskutieren. Die Fakten, die Sie anmerken, folgen ja leider dem allgemeinen bisherigen Trend in allen Bundesländern, egal ob SPD-, CDU-, Links oder Grün-regiert. Der digitale Ausbau ist auf dem Lande allgemein hinterher, Lehrermangel ist ein allgemeines Phänomen, die Straftaten sind im ganzen Lande höher, die Polizeikräfte müssen in allen Ländern aufgestockt werden und die Nahversorgung auf dem Lande leidet allgemein unter internet- und Stadtrandeinkaufszentren. Sachsen ist also in diesen Hinsichten keine sonderliche Ausnahme. Das ändert freilich nichts daran, daß Sie in der Sache mit Ihrer Kritik Recht haben.
Und wenn ich über die Auseinandersetzung mit Radikalen schwadroniere, so vergessen Sie nicht, daß dies das Thema ist, das Herr Wolff vorgibt.
Ich grüße Sie,
Andreas Schwerdtfeger
Hallo Herr Schwerdtfeger,
anstatt ständig über die Auseinandersetzung mit „Radikalen“ zu schwadronieren, sollten Sie sich intensiver mit Analyse befassen. Bei der digitalen Versorgung der Haushalte liegt Sachsen auf dem vorletzten Platz. Im Erzgebirge muss sich ein Drittel der Nutzer mit unter 16 Mbit/s bescheiden. Der Lehrermangel ist auf dem Land besonders dramatisch. Im Schuljahr 2017/18 gingen über 50 % der 1400 zu besetzenden Stellen an Quereinsteiger. Das ist die höchste Quote bundesweit. Das vom sächsischen Finanzminister ausgegeben Ziel, die Zahl der Landesbediensteten auf 70 000 zu senken, führte zur Streichung von einem Viertel der 15 000 Stellen bei der Polizei. Die Zahl der Straftaten je 100 000 Einwohner stieg seit 2009 von 6665 auf 7950. In Bezug auf Sicherheit fiel Sachsen im Vergleich der Bundesländer vom vierten auf den elften Platz. Die Defizite in der Nahversorgung auf dem Lande sind enorm. In Sachsen können 42 % der Gemeinden mit unter 2000 Bürgern ihren täglichen Bedarf nicht mehr im Wohnort decken (s. ND vom 24.10.2017). Herr Schwerdtfeger, lesen Sie mehr und schreiben Sie weniger, dann werden Ihre Beiträge auch gehaltvoller.
Herzliche Grüße,
Johannes Lerchner
Sehr geehrter Herr Schwerdtfeger, weder arbeite ich mich an Ihren Beiträgen ab, noch beschimpfe ich Sie. Ich habe lediglich zum Ausdruck gebracht was ich durch Ihre Beiträge „empfinde“. Und dazu habe ich das selbe Recht, wie Sie es ebenfalls wahrnehmen. Ihre „Weitschweifigkeit“ , um es wohlwollend zu Umschreiben, „erschwert“ es mir aus Alters- und Gesundheitsgründen, Ihren Gedanken zu folgen oder zu „erfassen“. Üblicherweise verfahre ich nach der „schwäbischen Methode“ noch nicht einmal Ignorieren. Aber jedes Gefäß, das voll ist neigt auch einmal zum Überlaufen. Die zumindest haben Sie geschafft.
Und ich bin Ihnen dankbar, Herr Wolff, daß Sie alle Kommentare veröffentlichen – was vielleicht ja andererseits aber auch der Sinn eines solchen Blogs ist.
Durch diese Tatsache wird nämlich deutlich, daß sich einige an meinen Kommentaren ganz fürchterlich abarbeiten, aber niemand je mit Gegenargumenten kommt. Man lese die Beiträge von Flade, Rennert und anderen, die mich kräftig beschimpfen – es sei ihnen wohlgemerkt gegönnt, ich bin ja auch nicht zimperlich – und man wird feststellen: Kein einziges inhaltliches Gegenargument sondern nur Auslassungen zu meiner Person. Da darf man sich nicht wundern, wenn diese Tatsache korrekt als „Wadenbeisserei“ bezeichnet wird. Wenn natürlich jemand sich hier zwar beteiligen will, aber andererseits sein Augenlicht schonen muß und seine Lebensspanne als zu kurz ansieht – ja, dann fragt man sich schon, was er auf diesem Diskussionsforum erreichen will.
Also, alle Ihr so klugen Mitdisputanten: Widerlegt mich, wenn ich sage, daß wir nun mal leider einen hohen Prozentsatz von Radikalen beider Seiten, derzeit mit mehr Aufmerksamkeit auf der Rechten, bei Wählern und Abgeordneten haben und daß deren Beschimpfung alleine nicht zielführend ist, sondern daß man sich vielmehr inhaltlich mit ihnen auseinandersetzen muß. Widerlegt mich, wenn ich sage, daß dazu Zuhören und Anerkennen ihrer persönlichen Beschwernisse demokratische Voraussetzung ist. Widerlegt mich, wenn ich sage, daß die demokratischen Parteien sich nicht so sehr gegenseitig niedermachen sondern gemeinsam gegen die Radikalen beider Seiten stehen sollten. Widerlegt mich, wenn ich sage, daß mir eine „rechte Flanke“ INNERhalb der CDU/CSU lieber ist als eine rechte Flanke rechts von der CDU/CSU. Und wenn Ihr das alles inhaltlich und argumentativ widerlegt habt, dann – gerne – polemisiert auch noch ein bißchen gegen mich wie ich es auch umgekehrt tue. Viel Spaß und herzliche Grüße,
Andreas Schwerdtfeger
An den vielschreibenden, in seinen nur scheinbar geistigvollen Unendlichkeiten wenig erbaulichen und mehr und nun wirklich mehr nicht ernst zu nehmenden Schwerdtfeger – dieses Mal etwas deutlicher:
er schreibt: „Und dann gibt es da den kleinen Mann aus Dresden, der begeistert applaudiert, auch wenn er eigentlich nichts zu sagen hat ausser ein bißchen Wadenbeisserei.“
Uneigentlich hat dieser Kerl etwas zu sagen – der Rheinländer versteht es nur nicht (ist eine Frage des Intellekts!).
Er sollte solch unintelligente, weniger als banale Kommentare doch besser bleiben lassen – sie taugen nicht zum Diskurs und offenbaren ein psychisch gestörtes Verhältnis zu Andersdenkenden. Wer sich selbst erhöht, erniedrigt sich. Und meine Hoffnung, der Vielschreiber würde zum normalen Umgang mit dem Anderen finden, vor allem, was seine weitschweifenden, mehrheitlich theoretisch-fabulierenden Erörterungen mit der Sucht nach ewiger Anerkennung zu den Analysen der Leipziger Wolff` betreffen, diese meine Hoffnung ist dahin. Er möge weiterhin in selbstgenügsamer Schwelgerei verharren – es interessiert nicht mehr.
Außerdem: um mich geht es doch gar nicht – es geht um viel mehr; aber auch dazu müsste man intelligenter sein, es zu ergründen! Jo.Flade
Ich bewundere die Geduld und den Langmut von Christian Wolff, die „Schwerdtfegerschen“ Ergüsse hier zu veröffentlichen. Diese „Geduld“ kann und will ich nicht aufbringen, nicht aus Bosheit. Sondern schlicht deshalb, weil mir die verbleibende Lebenszeit zu kostbar ist, und ich mein Augenlicht schonen will/muß.
Nur zur Erklärung: Ich schalte alle Kommentare frei – unabhängig davon, ob sie mir gefallen oder nicht. Nur anonyme Kommentare oder solche, die Hasstiraden u.ä. enthalten, werden nicht veröffentlicht. Ob ich auf Kommentare antworte, ist allein meine freie Entscheidung. Der zweite Satz im aktuellen Kommentar von Herrn Schwerdtfeger verwehrt mir eine Antwort. Christian Wolff
Herrlich, lieber Herr Wolff, wie Sie wieder alle Clichés auspacken, deren Sie fähig sind – und das sind viele! Und dann gibt es da den kleinen Mann aus Dresden, der begeistert applaudiert, auch wenn er eigentlich nichts zu sagen hat ausser ein bißchen Wadenbeisserei.
Kaputt gespart, Bildungsdefizit, Demokratieverachtung, mangelnde Sicherheit im Länderdreieck, völkische Gefahren – das alles ist Ihre bekannte Analyse. Daß es vielleicht demokratieverachtend sein könnte, wenn man 2 x 27 % des Wählerwillens in die Pfui-Ecke stellt anstatt sich inhaltlich und sachlich damit auseinanderzusetzen, kommt Ihnen nicht in den Sinn. Daß die SPD in Sachsen so schlechte Politik gemacht hat, daß sie zur Splitterpartei verkommen ist (leider), das bemerken Sie nicht. Daß Sachsen unter Biedenkopf zu einem der erfolgreichsten neuen Bundesländer wurde, das paßt nicht in Ihr Weltbild und wird verschwiegen. Und das ganze in Ihrer unnachahmlich toleranten Sprache, die förmlich Demokratie atmet und uns zeigt, wie’s geht!
Und dann kommen Ihre Postulate an die SPD:
– religiöse und kulturelle Vielfalt als Voraussetzung für Europa. Schlagworte, mehr nicht, die Sie bewußt vage halten, denn sie klingen gut. Daß aber die Menschen in Sachsen gerade dafür gestimmt haben, daß „Deutschland Deutschland bleibt“ – wie z Zt Katalanen, Lombarden, Venetier, wie bei uns die „Dänen“ mit ihrer Ausnahme von der 5%-Klausel, wie ein Großteil der Länder der EU -, das ist eben für Sie keine „nachhaltige Demokratie“. Aber mit diesem Pseudo-Argument werden Sie niemanden überzeugen – Sie müssen schon zur Sache schreiben.
– ein neuer Aufbruch zur Demokratie – wieder so ein schönes Schlagwort. Was, wenn nun die 27% AfD der neue Aufbruch wären? Was, wenn Sie plötzlich, anstatt nur „dagegen“ zu sein, plötzlich demokratisch und inhaltlich argumentieren müßten anstatt zu polemisieren? Sie wären – und sind es ja auch – verloren.
– eine sozial gerechte Bildungspolitik – klingt toll, und ist das Alibi der SPD und der Grünen für unentwegte Experimente in diesem Bereich, die keinerlei Beständigkeit und „Linie“ mehr zulassen und den gesamten Sektor fatal nach unten ziehen. In NRW (ich bin übrigens kein Rheinländer, für die Einfachen sei’s betont) weiß man nach 7 Jahren solch‘ sozial-grünen Unsinns, wovon man redet. Zugang zu Bildung ist in DEU vorrangig ein Problem mangelnder Verantwortung von durch eigene Arbeit oder eigene Probleme abgelenkten Eltern, die ihre Kinder alleine lassen. Der Staat – man sollte es nicht vergessen – schafft gleiche Voraussetzungen für alle; die Verantwortung zur Nutzung dieses Angebots haben Eltern, nicht die anonyme „Politik“!
– Und schließlich Aufbau einer Verwaltung unter Beteiligung der Bürger – klingt es nicht toll? Aber jeder Bürger will was anderes – wir sind doch so demokratisch! Der eine will Grenzschließung als Voraussetzung für Sicherheit – er ist natürlich Pfui. Der andere will Überwachung öffentlicher Plätze – auch Pfui. Ein dritter will einen Platz für sein Kind in einer Schule, wo gelehrt werden kann anstatt Sprachunterricht zu betreiben – ganz Pfui. Mehr Polizei ist gefragt, aber wenn sie eingesetzt wird, ist das „Gewalt gegen den Bürger“ (wir erinnern uns noch der Kommentare zu Polizeieinsätzen in Leipzig von Herrn Wolff). Mehr Lehrer brauchen wir, aber Eltern sind nicht verantwortlich dafür, ihre Kinder in der Schule anzutreiben. Demokratische Erziehung ist gefragt, aber nur im Wolff’schen Sinne, bitte schön, nach dem Motto „friß (meine Meinung) oder stirb“.
Die Wolff’sche Republik wäre eine rechte Katastrophe. Nur in einem hat er Recht: Biedenkopf – und vor allem seine liebende Ehefrau – sind etwas selbstgerecht. Aber erstens: Er, Biedenkopf, hat Anlaß dazu, denn unter seiner Führung war Sachsen ein erfolgreiches Musterland. Und zweitens: Schauen Sie mal Ihre eigenen Beiträge hier an, die die ganze „Ich habe als einziger Recht“-Mentalität des typischen Deutschen ausstrahlen.
Mit freundlichem Gruß,
Andreas Schwerdtfeger
Zunächst Herrn Löbler
bitte der dezente Hinweis, dass das katastrophale Insektensterben mit dem Rücktritt eines Herrn Tillich wenig taugt, als Vergleich reklamiert zu werden. Versuchen wir doch allesamt, die Dinge weniger polemisch, als mehr ernsthaft zu differenzieren. Und: vorbeischießen? Herr Löbler: mitunter entlarvt Sprache!
Was das politische Momentane anbelangt, zeigt sich zumindest in der CDU-„Elite“ fatale Uneinsichtigkeit, wenn vor wenigen Minuten Herr Laschet (MP) im ZDF analog der Feststellung seiner Kanzlerin (ich wüßte nicht, was wir anders machen sollten…) glaubt, jetzt erst recht Kurs halten zu müssen; mein Gott – haben diese Herren noch immer nicht begriffen, dass ein Ruck durch das Denken und Handeln gehen müsste – endlich??? Man warf unmittelbar nach der Bundestagswahl bzw. deren Ergebnis der SPD vor, sie würde verantwortungslos sich in die Büsche schlagen und auf Opposition machen. Herr Tillich schmeißt hin, bleibt aber noch bis Ende 2017, nominiert einen Kronprinzen und beglückwünscht sowohl Herrn Kurz in Austria und heute dem Nachbar in Tschechien, der als Milliardär und Populist seinen Wahlsieg vermelden konnte. Leute – was passiert hier eigentlich ? Von politischer Kultur entfernt man sich mehr und mehr und ohne Not und nimmt nicht mehr wahr, was da so an der aufgewühlten Basis vor sich geht. Ich bin entsetzt! Jo.Flade mit Dank an den Leipziger Wolff für seine klare Position (übrigens: der MP-Vize M. Dulig ist jetzt dran – er möge beginnen zu agieren!
Lieber Christian Wolff,
ein sehr feiner Artikel, der Entwicklungslinien der letzten 25 Jahre in Sachsen zeigt und Verantwortlichkeiten benennt. Noch besser finde ich die gestellten Hausaufgaben an unsere sächsische SPD, der ich mich immer noch ein wenig zugehörig fühle, auch wenn ich seit 20 Jahren in Berlin lebe. Einen fünften Punkt will ich hinzufügen: wer irgendwann den Ministerpräsidenten stellen will, muss heute schon den Leuten zeigen, wie gutes Regieren geht. Ein Koalitionsvertrag ersetzt nicht das eigene Parteiprogramm.
Die wohl wichtigste Nachricht des Monats, ja vielleicht des Jahres oder Jahrzehntes haben Sie leider nicht kommentiert. Es ist das Insektensterben. Dass von diesen Insekten mindestens 30% unserer Nahrungsmittel abhängen und wir so tun als wäre nichts gewesen, das ist eine Herausforderung. Dagegen ist der Rücktritt von Herrn Tillich irrelevant.
Lieber Herr Löbler, dem kann ich genauso wenig widersprechen wie ich mein subjektives Empfinden unterdrücken will, dass für mich am vergangenen Mittwoch der Besuch des Monet-Hauses mit seinem herrlich blühenden Garten in Giverny/Frankreich eine weitaus größere Bedeutung hatte als der Tillich-Rücktritt. Nur glaube ich, dass es für die Umweltpolitik doch nicht so ganz bedeutungslos ist, wer regiert. Herzliche Grüße Ihr Christian Wolff
Sehr geehrter Herr Wolff, mit Ihrer Antwort haben Sie toll am Thema vorbeigeschossen.
Ich unterlasse deshalb weitere Kommentierungen.
Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Spass mit Monet.
Helge Löbler
Ich möchte eine „kleine Ergänzung“, die aber „große Wirkung“ zeitigte, anfügen. Das Sachsen sich als „Niedriglohnland“ gerierte um Unternehmen anzulocken, hatte zur Folge das in kaum nennenswertem Maße „Firmensitze“ von Großunternehmen entstanden sondern „verlängerte Werkbänke“. Begünstigt wurde dies zusätzlich durch eine „Arbeitnehmerschaft“, in den wenigsten Fällen gewerkschaftlich organisiert wahr/ist. Lediglich im Automobil -Cluster sieht es etwas besser aus.