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Klare Kante

So erfreulich es ist, dass am vergangenen Sonntag dank eines breiten Bündnisses der demokratischen Parteien in Görlitz Octavian Ursu (CDU) im zweiten Wahlgang zum neuen Oberbürgermeister gewählt wurde, so niederschmetternd ist es, dass im vollen Wissen um die gefährliche rechtsnationalistische Ausrichtung der AfD der Kandidat dieser Partei Sebastian Wippel 44,8 % der Wählerstimmen auf sich vereinigen konnte. Wir haben nüchtern zu konstatieren: eine Partei, die seit Jahren gezielt die nationalsozialistischen Verbrechen relativiert, gegen Geflüchtete und Menschen muslimischen Glaubens hetzt, immer wieder die Systemfrage aufwirft, indem sie eine quasi-revolutionäre Stimmungslage suggeriert, die letztlich alles erlaubt, ist in der Europastadt Görlitz für über 40 Prozent der wählenden Bürgerinnen und Bürger akzeptabel. Das zeigt, wie fragil in manchen Regionen Sachsens die Akzeptanz der demokratischen Grundwerte unserer Verfassung ist. Es wird aber auch offenbar, dass die Rechtsnationalisten von Pegida/AfD mit ihrer Strategie durchaus erfolgreich sind, immer knapp an der Verfassungswidrigkeit, knapp am Gewaltaufruf zur Beseitigung des Systems, knapp am Hitler-Gruß vorbei die Grundwerte infrage zu stellen und dem sog. Establishment (das sind in Augen der AfD alle anderen) den Kampf anzusagen. Keiner beherrscht diese Strategie so perfekt wie Björn Höcke, der der eigentliche Lenker der AfD ist und nur darauf wartet, sich die AfD als Partei zur Beute zu machen. Immerhin hat er erreicht, dass alle Versuche, ihn aus der Partei auszuschließen und ihn zu isolieren, gescheitert sind. Gerade in Sachsen wird Björn Höcke als der eigentliche ideologische Kopf der „Bewegung“ angesehen.

Auch in Leipzig verfolgt die AfD einen straff völkisch-rechtsnationalistischen Kurs. Der derzeitige Vorsitzende Siegbert Droese fuhr noch vor wenigen Jahren einen in AfD-Blau gehaltenen Mercedes-Combi mit dem Nummernschild L-AH 1818. Das war kein „Ausrutscher“, sondern entspricht offensichtlich seiner Überzeugung. Wie sonst ist zu erklären, dass in seinem Lokal „Centralapotheke“ (das führte er 2013 in die Insolvenz!) jahrelang ein Stadtplan von Leipzig aus dem Jahr 1937 hing. Warum wohl? Da gab es noch die „Adolf-Hitler-Straße“ (heutige Karl-Liebknecht-Straße). Aber Droese steht nicht allein. Roland Ulbrich, Gert Pasemann, Christian Kriegel gehören auch zu den überzeugten Rechtsnationalisten. Noch heute kann man sich auf Youtube ansehen, wie sie Andreas Poggenburg frenetisch zujubelten, als dieser beim politischen Aschermittwoch von Pegida/AfD 2018 eine widerliche Hetzrede ganz im Jargon der Nationalsozialisten hielt. Da war die sächsische AfD ganz bei sich.

Was all dies für Sachsen bedeutet? Wer jetzt noch mit dem Gedanken spielt, am 01.09.2019 AfD zu wählen, unterstützt damit eine Partei, die im Geist und in der Tradition der Nationalsozialisten agiert – und deswegen nicht ein politisches Problem lösen wird. Er wählt eine Partei, die durch ihre jahrelange Hetze gegen Ausländer, Muslime und Menschen, die sich um Integration kümmern, wesentlich dazu beigetragen hat, dass rechte Gewalt sehr präsent ist. Er wählt eine Partei, die sofort die kulturelle Vielfalt beseitigen wird, sollte sie dazu Gelegenheit haben. Er wählt eine Partei, die den völkischen Nationalismus zur Leitideologie machen wird und den Schulterschluss mit gewaltbereiten Neonazis nicht scheut. Das haben nicht nur die Chemnitzer Ereignisse im vergangenen Jahr gezeigt, als sich AfD-Repräsentanten mit Neonazis unterhakten. Der mutmaßliche Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, Stephan E., hat 2016 eine Spende in Höhe von 150 Euro für die AfD Thüringen getätigt und mit dem Verwendungszweck versehen „Wahlkampf 2016 Gott segne euch“. Wer sich das bewusst macht,

  • der kann über die Empfehlung von Alt-Bundespräsident Joachim Gauck, toleranter gegenüber der AfD aufzutreten, im besten Fall den Kopf schütteln, aber eigentlich nur zornig werden;
  • dem fehlt jedes Verständnis dafür, dass nach die CDU in Sachsen nach wie vor das rechts-links-Schema pflegt. Dabei müsste sich die CDU nach der OBM-Wahl in Görlitz die Frage beantworten: Hätte die CDU auch ihren Kandidaten zurückgezogen, wenn die Kandidatin der Grünen im ersten Wahlgang knapp vor dem CDU-Kandidaten gelegen hätte? Wäre der CDU die Solidarität der Demokraten wichtiger gewesen, als ihre Linken-Phobie zu pflegen?
  • der muss erschrecken, dass noch im vergangenen Jahr eine Lehrerin aus Niesky von Kultusminister Piwarz (CDU) zunächst hinter ihrem Rücken gemaßregelt wurde, nachdem sich der AfD-Bundestagsabgeordnete Jens Maier beschwert hatte, dass sie im Unterricht „gegen die AfD Hetze getrieben“ habe.

Doch in Sachsen muss Schluss sein mit dem Herumlavieren – auch und vor allem bei der CDU. Die AfD ist eine die Demokratie, die Weltoffenheit, die Menschenwürde gefährdende Partei. Mit ihr darf es keinerlei Schulterschluss geben. Dass die AfD in freien und geheimen Wahlen Stimmen bekommt und zwar viel zu viele, macht aus ihr noch keine demokratische Partei. Im Blick auf den 01. September 2019 kann es nur ein Gebot geben: Klare Kante zeigen und alles tun, damit die AfD und nicht Sachsen ihr „blaues Wunder“ erlebt. Mit den Bürgerinnen und Bürgern müssen wir Tag für Tag darüber sprechen, dass kein Problem rechtfertigt, mit dem Feuer des Rechtsnationalismus zu spielen und die Brandstifter zu wählen. Jeder möge sich ein Beispiel nehmen an denen, die jetzt schon unmissverständlich agieren: Peter Fischer von Eintracht Frankfurt, Hans Leyendecker vom Evangelischen Kirchentag, Burkhard Jung als Oberbürgermeister von Leipzig. Es müssen noch viel mehr werden.

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