Das Positive am Anfang:
- Die lange Kaffeetafel am Samstagnachmittag in der Leipziger Petersstraße, organisiert von evangelischen und katholischen Kirchgemeinden. Es werden Tausende gewesen sein, die sich im Laufe der vier Stunden an die Tische gesetzt und miteinander gesprochen haben. Das hat funktioniert. Warum? Weil hier Beteiligung gefragt war, Organisation von unten. Ein überzeugendes Beispiel dafür, was ehrenamtliches Engagement bewirkt. Kosten? So gut wie keine. Hier hatte der Kirchentag Gastgeber und viele Gäste.
- Die Performance „Zum Licht“ – ein geistreiches, witziges, lehrreiches Spektakel auf höchstem Niveau, das dem Anlass voll gerecht wurde. Warum? Weil die Macher alles dem Inhalt, eine kritische Würdigung der Leipziger Disputation, unterordneten und Professionalität mit der ehrenamtlich-musikalischen Potenz der Kirche verbunden haben.
- Die Konzerte, in denen die biblische Botschaft, die kirchliche Tradition und das Heute miteinander verbunden wurden und damit ein wichtiger reformatorischer Impuls in einer universal zu verstehenden Sprache hörbar gemacht wurde. Das gleiche gilt für die Posaunenchöre, das Rückgrat der Kirchenmusik.
Doch ansonsten waren die „Kirchentage auf dem Weg“ ein ziemlicher Flop. Das allerdings war vorhersehbar: Da versucht die Evangelische Kirche, deren Anfangsimpuls das „Priestertum aller Gläubigen“ war, einen Kirchentag „von Oben“ zu organisieren. Wer immer dafür verantwortlich ist: das konnte nicht funktionieren – zumal in einer Zeit, in der in den Kirchgemeinden durch strukturelle Maßnahmen und personelle Ausdünnung die Menschennähe und Motivationskraft verlorengehen. Also wurde mangels kirchgemeindlichen Engagements von Oben durchgestellt. Organisation schlägt Motivation. Damit hat sich der Kirchentag von den Kirchgemeinden entkoppelt. So hatte – jedenfalls in Leipzig – der Kirchentag keine Gastgeber. Wo es aber keine Gastgeber gibt, bleiben auch die Gäste aus. Die Leipziger/innen sollten nicht nach Berlin fahren, um die in Leipzig zu empfangen, die sich aber erst gar nicht auf den Weg machten, denn sie wollten am Kirchentag in Berlin teilnehmen. Folge: Nur sehr wenige Menschen kamen von außerhalb nach Leipzig – und noch weniger Bürgerinnen und Bürger nahmen das Veranstaltungsangebot vor Ort in Anspruch. In vielen Sälen herrschte gähnende Leere, und auch der Marktplatz hätte sehr viel mehr Besucher/innen zum Eröffnungsgottesdienst und zur Performance „Zum Licht“ fassen können.
Wenig war also in der Stadt vom Kirchentag zu spüren und zu sehen. Wer über den Thomas- oder Nikolaikirchhof ging, konnte kaum einen sichtbaren Hinweis auf den Kirchentag sehen. Kirchentagsfahnen? Fehlanzeige. Auch ist die Kommunikation der Veranstaltungen kaum ins Stadtbewusstsein gedrungen. Von einer Reformationsbotschaft ganz zu schweigen. Die evangelische Kirche hat es in der sog. Reformationsdekade nicht geschafft, die Errungenschaften der Reformation zu schärfen: Freiheit, Bildung, Verantwortung. Stattdessen wurden die „Kirchentage auf dem Weg“ zu einem alarmierenden Signal für den Niedergang, in dem sich die Kirche befindet – nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ. Denn sie hat es nicht vermocht, das in den Mittelpunkt zu rücken, was dringend nötig ist: GlaubensBildung zu betreiben, um freizulegen, woraus wir Menschen schöpfen können, wenn wir sinnvolles Leben suchen. Das allerdings erfordert dreierlei: Pflege der eigenen Traditionen, umfassende Bildung und Festhalten an der Gerechtigkeit. Vor 20 Jahren war letzteres das große Thema des Leipziger Kirchentages: „Auf dem Weg der Gerechtigkeit ist Leben“. Auch jetzt ist es ein entscheidendes Thema: Wie werden wir der Würde eines jeden Menschen als Geschöpf Gottes gerecht. Wie befähigen wir jede Kirchgemeinde dazu, eine glaubwürdige und nachvollziehbare Antwort auf die Frage zu finden: Warum muss es uns eigentlich geben? Was sind wir den Menschen schuldig, die mit uns das Leben teilen?
In den vergangenen Tagen kam in mir ein Bild auf, vor dem ich selbst erschrecke: Die Kirche ist wie ein großes Kaufhaus, aber die Kunden bleiben aus. Doch das kümmert die Geschäftsführer/innen wenig. Sie sind damit beschäftigt, die Schaufenster zu dekorieren – und das sehr unprofessionell. Bleibt am Schluss nur die Hoffnung, dass eine selbstkritische Bilanz der „Kirchentage auf dem Weg“ dazu führt, das verbleibende Jubiläumsjahr dazu zu nutzen, uns viel mehr um die Kundschaft zu kümmern, die Türen zu öffnen und vor allem unsere Angebote offenzulegen. Es ist ja nicht so, dass die Kirche nichts zu bieten hat. Ihre Botschaft von der Freiheit, der Ehrfurcht vor dem Leben, vom Frieden und einem gerechten Miteinander ist wichtiger denn je – allein schon deswegen, weil alle diese Ziele schon verheißen sind. Doch diese Angebote müssen wir schon selbst kommunizieren und dürfen uns nicht – wie in Leipzig – auf die Stadt verlassen, dass sie es irgendwie richten wird. Die Stadt Leipzig hat in erstaunlicher Weise diesen Kirchentag in Leipzig unterstützt – auch finanziell. Doch eigentlich sollte nicht die Stadt das Beste für die Kirche suchen, sondern umgekehrt: Wir Christen sollen für der Stadt Bestes sorgen.
P.S. Auch der Kirchentag in Berlin/Wittenberg muss sich kritisch anfragen lassen, welches Signal davon ausgeht, wenn im Jahr des Reformationsjubiläums der vom Kirchentag organisierte Wahlkampfauftritt von Barack Obama für Angela Merkel zum Highlight wird. Und was haben sich die Organisatoren dabei gedacht, dass beim Abschlussgottesdienst nicht ein Luther-Choral gesungen wurde, geschweige denn das die lutherische Musiktradition (Schütz, Bach, Telemann) auch nur in Ansätzen hörbar war.
Kirchentag 2017: Flop? Größenwahn?
Sechs Kirchentage in Ostdeutschland, einer in Berlin: Die Christentreffen im Mai – alle gleichzeitig und alle groß angekündigt – funktionierten schlechter als geplant. Mancherorts war die Besucherzahl unterirdisch. Doch öffentlich analysieren das die Organisatoren nicht. Warum? Ein Gespräch mit dem Leipziger Pfarrer Christian Wolff: https://www.publik-forum.de/Religion-Kirchen/kirchentag-2017-flop-groessenwahn
10 Antworten
Sehr geehrter Herr Pfarrer Wolff,
mit etwas zeitlichem Abstand möchte ich noch auf Ihren Blog-Eintrag und den daraus resultierenden Pressetext in der LVZ reagieren.
Erfreut hat mich, dass Sie mit dem Positiven beginnen, wenngleich die Punkte nicht aufeinander bezogen sind. So ist die von Ihnen gelobte Performance „Zum Licht“ natürlich mit immensen Kosten verbunden gewesen. Ob darin Gemeinden (außerhalb Leipzigs) die basisnahe Umsetzung entdecken konnten, bleibt mir fraglich. Auch der positive Ertrag der Reformation schien mir in dem Werk wenig zum Leuchten zu kommen. Aber ich möchte das Kunstwerk als solches gern stehen lassen, beeindruckend war es in jedem Falle.
Gewiss hätten auch Sie noch weitere Punkte zum Positiven hinzustellen können. Persönlich habe ich bewegende Bibelarbeiten (an besonderen Orten, in neuen Formaten) und spannende Angebote in den Zielgruppenzentren (Familie, Jugend) wahrnehmen können – von Mitarbeitenden unserer Kirche zu überschaubaren Kosten engagiert vorbereitet und gestaltet.
Sie haben auch aus meiner Sicht völlig Recht, dass es an dem Konzept der Kirchentage auf dem Weg Vieles zu hinterfragen und auszuwerten gibt. Unbestreitbar ist gewiss, dass die Dimension deutlich überschätzt wurde und man bereits im Vorfeld auf die nicht zu erfüllenden Erwartungen hätte reagieren müssen. Aber – und da bin ich auch in Leipzig – ist dies bei einem Beteiligungsformat scheinbar nicht einfach. Viele tragen Geld und Engagement zusammen, bringen Ideen und Wünsche ein. Alle Gremien, Projektleitungen, ja auch die engagierten ehrenamtlichen Helfer gehen letztendlich davon aus, dass es noch irgendwie wird und ihr Engagement belohnt wird. Am Ende „den Schuldigen“ am überbordenden Programm zu suchen, ist aus meiner Sicht nicht zielführend. (Bei einem Erfolg wäre es wohl selbstverständlich ein Erfolg aller Beteiligten gewesen.) Schon gar nicht in einer Aufteilung von „oben“ und „unten“, wie ich sie bei Ihnen als Theologen nur verwundert zur Kenntnis nehmen kann.
Einem sprachlich verursachtem Irrtum konnte man freilich aufsitzen – Leipzig und die anderen Städte „…auf dem Weg“ waren eben kein Kirchentag, sondern von der Zielsetzung her, wie sie selbst schreiben, gastfreundliche Formate, um Menschen auf ihrem Weg nach Wittenberg Quartier und ein überschaubares, gutes Programm zu bieten. Erst durch die (dem Titel nach naheliegende) Unterstellung, es handle sich um den Kirchentag (eben auch in Dessau, Eisleben,… Leipzig), haben sich Kirchentagsformate etabliert, die im Ernstnehmen der Zielgruppe nur für Berlin sinnvoll gewesen wären.
Zu der gähnenden Leere in den Sälen, von der Sie schreiben, muss ich an eine Zusammenkunft in der Geschäftsstelle r2017 erinnern, bei der von Vertretern des DEKT-Büros in Fulda die Nutzung und inhaltliche Füllung des Kongresszentrums am Zoo gefordert wurde. Nach meiner Erinnerung haben Sie die Planung weiterer politisch-zeitgeschichtlichen Themen gestärkt und die Problematik eines großen Veranstaltungsortes außerhalb des unmittelbaren Stadtzentrums (wie von anderen kritisch hinterfragt) nicht vorhersehen können.
Zu den zu beschreibenden Fehlern gehört sicherlich ebenfalls die Werbe- und Informationskampagne, die sich in ihrer Logik den Menschen (weder innerhalb- noch außerhalb von Kirche) erschlossen hat.
Lieber Herr Pfarrer Wolff, auch ich hätte mir mehr innere Auseinandersetzung mit den Errungenschaften der Reformation gewünscht und musste durch die Dekade hindurch feststellen, dass der innere Bezug der Protestanten in unserem Land (anders als an manchem Ort dieser Erde!) nur ein sehr loser ist. Jedoch kann ich nicht feststellen, dass diese Auseinandersetzung generell nicht gelungen ist. In vielen Veranstaltung und Projekten der vergangenen Jahre und insbesondere natürlich nun 2017 sind – nicht zuletzt in Leipzig! – Themen aufgegriffen- und „Schätze“ neuentdeckt worden. Vielfach sind Gruppen und Gemeinden mit den Fragen nach der Bedeutung reformatorischer Erkenntnisse für unsere Zeit beschäftigt. Die Vielfalt (und eben auch Vielgestalt) der Umsetzung bedarf manchmal des Aushaltens, oft aber bringen die Gemeinden ihre Beiträge in akzentuierter Weise in die gesellschaftliche Erinnerung der Reformation ein, nach meiner Beobachtung besonders dann, wenn sie sich mit Partner außerhalb der Kirchenmauern gemeinsam auf den Weg der Auseinandersetzung begeben.
In dem Zusammenhang möchte ich gern das Kaufhaus-Bild hinterfragen, nicht nur der Schräglage gegenüber den biblischen Bildern von Kirche wegen, sondern im Sinne einer Beteiligungskirche, die ja nicht vor den dekorierten Schaufenstern flanieren will oder an den Wühltischen des Ausverkaufs zu finden ist, sondern den „Laden am Laufen hält“ im fröhlichen Wechsel von Kunden und Verkäufern (wenn ich mich denn soweit auf ihr Bild einlassen mag). Wer bitte wäre denn auch der „Geschäftsführer“?!
Ich bin dankbar, dass sie in ihrem Artikel von „wir“ und „uns“ sprechen und bin Ihnen somit verbunden, dass wir in der Mitgestaltung von Kirche gemeinsam unterwegs sind. Zu einem weiteren Austausch über Gelungenes und Erschwerendes auf diesem Weg stehe ich gern zur Verfügung
P.S.: Dem Kirchentag in Berlin „Wahlkampfunterstützung“ zu unterstellen halte ich für ebenso unangemessen wie den permanenten Vorwurf „linksliberaler Ignoranz“, der ihm auch gern gemacht wird. – Wenn wir mit kirchlichen Angeboten verbinden wollen, anstatt zu spalten, sollten wir bei Kritik an den Formaten m.E. auf politische Schusslinien verzichten.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Michael Seimer
Sehr geehrter Herr Seimer,
haben Sie vielen Dank für Ihre kritischen Anmerkungen zu meinem Blog-Beitrag. Gerne würde ich diesen als Kommentar auf meine Homepage stellen, kann dies aber nur mit Ihrer Zustimmung.
Ich entnehme Ihren Einlassungen, dass wir in unserer Einschätzung der Kirchentage auf dem Weg gar nicht so weit auseinanderliegen. Meiner Grundkritik widersprechen Sie ja auch nicht: dass es nicht gelungen ist, das Reformationsthema zu kommunizieren und die Krise der Kirche ernst zu nehmen. Lassen Sie mich noch auf drei Dinge kurz eingehen:
1. Sie schreiben, „dass der innere Bezug der Protestanten in unserem Land (anders als an manchem Ort dieser Erde!) nur ein sehr loser ist.“ , um zu begründen, warum viele Menschen sich vom Reformationsthema nicht ansprechen lassen. Also: Dass gerade Protestanten nationale Bezüge sehr kritisch sehen, halte ich für einen großen Fortschritt nach Jahrhunderten unseliger Deutschtümelei in den evangelischen Kirchen. Die Reformation war ja eine europäische Bewegung! Gott sei Dank!
2. Mein Bild vom Kaufhaus soll vor allem eines zum Ausdruck bringen: dass wir uns als Kirche zu wenig um die Produkte und die Kundschaft kümmern und diesen Missstand zu übertünchen versuchen mit glänzender Schaufenstergestaltung. Betreten dann Menschen das Kaufhaus, kann das Versprochene nicht eingelöst werden. Was den „Geschäftsführer“ angeht: So ist das auf Ortsebene natürlich der/die Pfarrer/in, auf Bezirks- und Landesebene der/die Superintendent/in und der/die Landesbischof/in. Und Sie wissen ja, was mit Geschäftsführern geschieht, wenn die Arbeit keinen Ertrag bringt … Übrigens: da verhält sich Jesus in den entsprechenden Gleichnissen nicht anders als es im Wirtschaftsleben der Fall ist.
3. Mein Vorwurf der „Wahlkampfunterstützung“ bezieht sich allein auf eine Veranstaltung des 36. DEKT in Berlin – und da speziell darauf, dass der Kirchentag sich von Obama wohl hat erpressen lassen: Ich trete nur mit Angela Merkel auf. Ich habe keinen Grund, diesen Vorwurf zurückzunehmen. Ansonsten bin ich schon immer sehr dafür gewesen, dass Politiker/innen beim DEKT auftreten und sich der Diskussion stellen.
Aus meiner Sicht müssen wir in den nächsten Monaten uns viel mehr der Krise unserer Kirche stellen. Dazu werde ich demnächst einen Diskussionsbeitrag liefern.
Herzliche Grüße und alle guten Wünsche Ihr Christian Wolff
Dass parallel zu den derzeit heftig diskutierten „Strukturreformen“, 500 Jahre nach Luther von der Sächsischen Ev,-Luth. Landeskirche in die Gemeinden mit den Strategie-Papieren „Kirche mit Hoffnung in Sachsen“ + „Kirche in der Großstadt“ große Unruhe geworfen wurden, und Kirchentage – wie beschrieben, nicht unumstritten bleiben, wird in der aktuellen Ausgabe der DIE ZEIT mit dem sinnreichen Titel: „Glaube versetzt Geldberge“ analysiert. Über das Stattfinden von Kirchentagen muss grundsätzlich wohl nicht debattiert werden; das gruppendynamisch empfundene Gemeinschaftsereignis kann durchaus heilsam sein in einer Zeit zunehmender Säkularisierung. Werden jedoch partiell Kirchgemeinden so umstrukturiert, dass im schlimmsten Fall Pfarrstellen wegrationalisiert, bisher bestens funktionierende Gemeinden vor Ort mangels finanzieller Möglichkeiten zerbröseln und bis 2040 Kirchgemeindestrukturen installiert werden sollen mit 4000 – 6000 Gemeindeglieder, was einem Kirchenkombinat nicht unähnlich wäre, ja dann sind Millionen in den Sand gesetzte Kirchentagsevents wie in Leipzig schwerlich vermittelbar.
Die aufkommende Wut in den Basisgemeinden ist unüberhörbar, die lauen Argumentationen der Kirchenleitungen taugen kaum und Verzweifelung macht sich breit. Es scheint hohe Zeit zu sein, dass der kirchliche Überbau die Hoffnungslosigkeit an der Kirchenbasis wahrnimmt und endlich den Dialog wagt. Der einstige Sup. von Dresden, Christof Ziemer fand für damalige Sprachlosigkeiten in den 80iger Jahren die treffende Formulierung: „Wo das Gespräch nicht mehr möglich, ist, ist das Chaos perfekt.“. Dies sollte in der derzeitigen Situation als Aufforderung verstanden werden. Jo.Flade/Dresden.
Liebe Frau Binder,
Sie nutzen den Begriff der „eingetragenen Partnerschaft“ und das finde ich richtig gut. Der Begriff „Ehe für alle“, der jetzt das große Schlagwort und Mainstream ist, ist eine unerträgliche Perversion. Dies deswegen, weil „Ehe“ ein fest umrissener Begriff seit Jahrhunderten ist und klar beschrieben. Aber wer die Sprache beherrscht und definiert, der beherrscht und definiert die Menschen und deshalb sind die, die den Begriff „Ehe“ bewußt mißbräuchlich verwenden, mit klarer Zielsetzung unterwegs – leider mit Unterstützung der evangelischen Kirche. Das alles sagt nichts über das Faktum aus – es geht um die sprachliche Hygiene und um klare Unterscheidbarkeit. Was man politisch, rechtlich und moralisch draus macht, ist eine andere Frage.
In Sachen AfD-Vizepräsidentschaft stimme ich Ihnen zu, auch in der Ablehnung der Partei. Aber Demokratie ist nicht Ausgrenzung sondern Dialog.
Mit herzlichem Gruß,
Andreas Schwerdtfeger
Lieber Herr Schwerdtfeger, lieber Herr? Fischer und lieber Christian, mir tut es gut eure Blogbeiträge zu lesen, immer wieder Anregungen zu erhalten und zu diskutieren. Haben sie Dank- Herr Schwerdtfeger – für Ihr ausführliches Statement.Da werde ich wahrgenommen und das tut gut.
Aprops Segenscomputer. Ihr werdet verzeihen- da fällt mir nämlich der Legocomputer vom Legoland ein. Der gab meinem 7 jährigen Neffen die Hand und fragte wie heisst du denn? Mein Neffe antwortete wahrheitsgemäss : Benjamin! Daraufhin raunzte der Computer: das ist aber ein schöner Name. Mein ausgeschlafener Neffe gab dem Computer nochmals die Hand. Und der Computer fragte wiederum: Wie heisst du denn? Daraufhin antwortete mein schlauer Neffe: Arschloch!!! Und nun antwortete der Computer : das ist aber ein schöner Name! Fazit: Ich glaube mein ausgeschlafener Neffe sollte sich einmal den Segenscomputer vom Kirchentag vornehmen- vielleicht fällt ihm ein, wie man den austricksen kann.Ihr Blogbeitrag – lieber Herr Fischer- hat mich sehr nachdenklich gemacht.
Und lieber Herr Schwerdtfeger, lese ich Ihre Antwort auf meinen Beitrag, dann weiss ich nicht ob ich heulern, wütend sein soll oder resignieren soll. Bei Leibe nicht wegen Ihnen!! Wir- also meine Kirche- sind wieder einmal Mainstream, haben keine Antworten, wissen nur-: Wir Evangelischen müssen das Gutmenschentum pachten. Aber , wer allen nach dem Munde redet wird am Ende nicht geachtet.NUR WER AUCH DEN MUT HAT UNBEQUEM ZU SEIN; DER WIRD GEACHTET: Das gilt im Kleinen und auch im Großen.
Es gibt soviele Themen, die ich mit Ihnen allen diskutieren möchte. Z.B. über die eingetragene Partnerschaft- was ich richtig gut finde. Und ich bin froh, dass wir so weit gekommen sind, niCht wieder im finsteren Mittelalter- wie noch in den 80ziger Jahren stehen. In dieser Frage möchte ich jedoch nicht weiter gehen. Und es ist mir schwer erträglich, wie schnell die evang. Kirche auch in dieser Frage , die Speerspitze des sog. Forschritts darstellt. Gut Ding will Weile haben! Wenn ihr das `mal nicht von künftigen Generationen auf die Füße fliegt.Und deshalb: Leitkultur gilt nicht nur für die, die zu uns kommen. Auch wir- gerade wir Christen- sollten uns mit diesem Thema beschäftigen. Immer wieder und immer wieder. Und es bedarf da einer klaren Definition, jedenfalls – und das ist menschlich- bis man uns eines Besseren belehrt.
Allerdings leidet mein Demokratieverständnis auch, wenn ich höre, dass man der AfD in NRW keinen Landtagsvizepräsidenten einräumen will.Ging man nicht vor über 3 Jahrzehnten genauso mit den Grünen um. Und nun haltet mich bloss nicht für eine AfD -Sympathisantin. Nicht im geringsten. Aber mein Gerechtigkeitsgefühl schlägt Alarm.
Ich grüße Euch herzlich aus dem warmen , sonnigen Südwesten, sprich aus Freiburg!
Liebe Frau Binder,
was Sie geschrieben haben, regt gerade durch den weiten Bogen, den Sie schlagen, sehr zum Nachdenken an über die Frage, wie Kirche sich zwischen ”in Abhängigkeit begeben” und “selbstbewußt bis zur Unnachgiebigkeit (in religiösen Grundfragen)” bewegen sollte und wie sehr sie sich in dem Bemühen zur Förderung des Guten instrumentalisieren lassen darf für die Politik oder andere Interessen, zB wirtschaftliche.
Die “Dreieinigkeit” (Politik, Militär, Kirche) des monarchischen Zeitalters bis zum 18. Jdt oder vieler orthodoxer Länder auch heute noch, zB Griechenland das ich aus eigenem Erleben kenne, hat uns in der Tat gezeigt, wie Kirche sich in die Rechtfertigung von weltlicher Obrigkeit einspannen lassen kann – und das sie für heutiges Verständnis eben kein gutes Rezept mehr ist.
Der ausschließlich religiös-ethisch begründete Widerstand gegen Diktatur und Verbrechen des Kreisauer Kreises bei gleichzeitiger Ablehnung der Gewalt gegen die Täter erzwingt Hochachtung vor den Menschen, die dies wagten und sich und ihre Familien bewußt opferten. Aber diese Haltung ist weder je verallgemeinerbar auf ALLE oder wenigstens viele Menschen noch wird sie überwiegend erfolgreich sein können und damit bleibt sie eine moralische ultima ratio ohne praktischen Gewinn.
Das Verhältnis zwischen den Schwesterkirchen kann nur gut sein und besser werden, so glaube ich (aber hier bin ich ja auf unsicherem Terrain), wenn beide auf der berühmten Augenhöhe miteinander umgehen. Solange das Bemühen um Ökumene ein so deutlich größerer Wunsch der evangelischen Amtskirche als der katholischen ist, wird es wohl schwierig bleiben. Denn die katholische Kirche – ich rede hier nicht von der praktischen Zusammenarbeit auf Gemeindeebene – hat halt ihre Prinzipien und hält an ihnen fest, wie keiner deutlicher machte als Benedikt XVI., aber auch Johannes Paul II. Die evangelische Kirche dagegen bietet eben oft ein Bild der Beliebigkeit, des Kompromisses, des “alle umarmen wollens” – und das ist honorig aber nicht zielführend, so glaube ich. Sich dem Mainstream entgegenstellen dagegen, kann ja nicht Prinzip sein, schon garnicht, wenn man für Plebiszite ist. Aber gerade wenn zwischen einem praktisch erreichbaren “gut” und einem moralischen, aber nicht erreichbaren “besser” unterschieden werden muß, dann ist Charakter gefragt.
Und dann eben wird es schwierig, wie wir es ja jetzt sowohl in der Politik als auch bei den Kirchen sehen, wo häufig die eigentlich näher Stehenden als Hauptgegner und die Ferneren als Brüder, Partner, zu Schützende begriffen werden: In der Politik schlagen SPD und CDU/CSU, also die beiden in der Mitte, mehr aufeinander ein als auf die Ränder (und zwar auf BEIDE Ränder); und die Kirchen sind in Gefahr, als Protestanten und Katholiken die Unterschiede so zu betonen als wären sie größer als Beider gemeinsame Distanz zu anderen Religionen. Unser Pfarrer Wolff ist ja leider in seinen politischen Aussagen hier auf dem blog in dieser ständigen Gefahr, in den religiösen bleibt er schwammig, weil er eben alle umarmt.
Wie rauskommen? Gelassenheit, Bereitschaft zum Zuhören, keine Verbalinjurien, Pragmatismus statt Dogmatismus, keine Wortklauberei. Und da bin ich dann beim letzten Punkt: Leitkultur. Es ist ja egal, welchen Begriff wir finden. Daß aber eben unser Grundgesetz, unsere Gesetze, unsere Sitten und Bräuche verpflichtend für freiwillige und unfreiwillige Neubürger sind – wer wollte das nicht anerkennen: Wie schreibt Herr Wolff so schön: “Pflege der eigenen Traditionen”!
Mit herzlichem Gruß,
Andreas Schwerdtfeger
Lieber Herr Schwerdtfeger, an dem ich mich so gerne abarbeite, jedoch- dieses Mal haben Sie in meinen Augen “ voll“ Recht. Ja, wir brauchen die Debatte über die Leitkultir . Und gerade auf einem Kirchentag darf dieses Thema nicht schamhaft übergangen werden.Die Kirche war immer da am überzeugensten, wo sie sich dem Mainstream verweigerte- ihren eigenen Weg- ohne Rücksicht auf Claqueure und Beifall gegangen ist.
Mir ist auch noch deswegen ganz schummrig.: Die preussische Union der evang. Kirche war immer die Kirche der kaiserlichen Mehrheit. ( Auszug aus dem Hofprotokoll: “ Die allerhöchsten Herrschaften begaben sich in den Dom um dem Höchsten zu dienen.“)
Im 19. Jahrhundert hatten wir – u.a. ausgelöst durch das Verbot des Jesuitenordens, Kanzelparagraf etc- eine wirklich bittere und oft verletzende Feindschaft zu unseren älteren Geschwistern , den Katholiken aufgebaut. Wie sehr das den Deutschen in den Knochen gesteckt ist , kann man u.a. sehen : Während der Freislerprozesse gegen den Kreisauser Kreis wurden nicht die bewundernswerten , evangelischen Mitglieder z. B. von York, von Moltke oder Gerstenmaier( er kam sogar mit Haft davon) am härtesten und schlimmsten verunglimpft. Nein, am erbarmungswürdigsten war der Umgang mit dem katholischen Jesuitenpater Delp- dem meine ganze Sympathie gehört.
Hoffentlich sind wir im Moment nicht dabei vor lauter Staatstragendheit und Selbstgefälligkeit, Schatten auf das herzliche und gute, geschwisterliche Verhältnis zu den Katholiken zu werfen!
Hat nicht auch Herr Schulz auf dem Kirchentag gesprochen? Macht nicht Pfarrer Wolff hier unentwegt Wahlkampfhilfe unter Hinweis auf seine Kirche? Es ist schön, daß Sie beide, Frau Binder und Herr Wolff, sich meiner Kritik anschliessen, daß die – insbesondere evangelische – Kirche sich unentwegt fehlgeleitet in konkrete aktuelle politische Entscheidungen einseitig einmischt und dadurch einen nicht unerheblichen Teil ihrer Anhänger und Mitglieder ausgrenzt – Ausgrenzung aber gleichzeitig, wie der unselige Bischoff Dröge (est nomen omen?), als ganz schlimm bezeichnet, wenn andere es machen. Natürlich muß die Kirche zu aktuellen, auch politschen Fragen Stellung nehmen – aber sie muß es eben nicht konkret auf einen bestimmten Anlaß bezogen sondern abstrakt auf das Problem im allgemeinen und langfristigen tun. Aber wenn man Leitkultur ablehnt, kann man eben keine Leitkultur predigen.
Andreas Schwerdtfeger
Über Jahrzehnte habe ich Kirchentage besucht.
Vergleiche sind mir also möglich.
Nunmehr wurde ein Tiefpunkt erreicht.
Beispielsweise Wahlkampf (!) der einen, Ausgrenzung der anderen – von der Kirchentagsleitung offensichtlich so gewollt.
Und zwischenzeitlich spricht ein Landesbischof den Satz, man dürfe Christenverfolgung nicht dramatisieren.
Dafür gibt es jetzt aber den Segens-Roboter …
„Mit mechanischem Surren hebt der Roboter die Hände. Licht blitzt aus seinen Handflächen, während eine Stimme einen Bibelspruch aufsagt.“
Doch noch ist Hoffnung: „Es wird in Zukunft nicht in jeder Kirche ein Segnungsroboter stehen.”
Siehe:
http://www.bild.de/regional/leipzig/kirchentag/roboter-erteilt-glaeubigen-den-segen-51936864.bild.html
Alles erinnert an eine Zeit, als sich in der DDR die KvU, die Kirche von Unten bildete, weil die Kirchenleitung(en) die Zeichen der Zeit nicht erkannten.
Und dabei ist ein Kirchentag doch eigentliche eine Laienbewegung …
Wüßte man es nicht, man würde es nicht bemerken.
Jedenfalls derzeit nicht.
Wieder `mal tief enttäuscht von einer- von meiner Kirche, die sich für Wahlkampfauftritte einspannen lässt. Am 31. Oktober 2016 hat der damalige Bundespräsident Gauck zur Eröffnung des Reformationsjubiläums am Gendarmenmarkt in Berlin eine – in diesem Falle- große Rede gehalten. In dieser Rede zeigte Gauck auf, wie sehr Lutherjubiläeen im Laufe der Jahrhunderte seit der Reformation immer wieder missbraucht wurden, weil während der Jubiläen nur allzu oft dem unseligen Zeitgeist gehuldigt wurde, weil auch allzu oft das undselige Bündnis von Thron und Altar unhinterfragt im Mittelpunkt stand.
Inspiriert von Jesus: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers- Gott aber , was Gottes ist..“( Matth.22,21 ) frage ich mich, was da während des Kirchentages in Schieflage geraten ist? Meine Kirche leistet Wahlkampfhilfe, spannt sich selbst dafür ein oder lässt sich einspannen. Als Resultat können Beiläufigkeit, Beliebigkeit und Unverbindlichkeit und hohle Phrasen nicht ausbleiben. Wenn man – wie Du Christian richtig bemerkst – nicht mehr auf die Basis, sondern auf Machertum und Eventmanager von oben setzt, dann kommt das heraus, was wir gerade- gelesen, gehört und im TV mitverfolgt haben.
Ich habe mich darauf gefreut, dass wir aus Anlass des Reformationsjubiläums wieder mehr über Jesus, Luther,Jesus, über die Freiheit eines Christenmenschen reden. Dass Gott ein Gott der Gnade und Barmherzigkeit ist, der uns angenommen hat- ohne dass wir dieses Angenommensein und Geliebtsein erleisten müssen. Diese Entdeckung von Luther- auf seiner Beschäftigung mit Paulus basierend- wieder ins Bewusstsein zu bringen, das ist so spannend. Und diese Erkenntnis kann jeden Menschen berühren. Wie gut wäre es für uns alle, wenn wir unsere Energie darauf richten, dies in einer für unsere Leistungsgesellschaft verständlichen Sprache `rüberzubringen und in dieser Sache notwendige Impulse zum gesellschaftlichen Diskurs zu setzen. Was für eine ungeheure Chance für uns Christen, für unsere Kirche! Diese Chnance wurde nicht genutzt. Nichts von all`dem, meistens nur- ich formuliere jetzt hart- Pomp und leere Phrasen.
Und das im Angesicht von Themen- die Du Christian im obigen Blogbeitrag nennst- die uns wirklich unter den Nägeln brennen.Im Angesicht der pompösen Feiern fristeten diese wichtigen Themen ein Randdasein. Schade!