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Auch wenn es richtig wehtut: Ich wähle am 1. September SPD!

Die SPD ist auf Bundesebene in eine dramatische Abwärtsspirale geraten. Mehr noch: Seit März 2017 befindet sie sich im freien Fall (die evangelische Kirche übrigens auch!). Die Menschen wenden sich von der SPD ab – nicht unbedingt, weil diese eine falsche Politik macht. Vielmehr fällt es vielen Bürgerinnen und Bürger schwer, eine mögliche Stimmabgabe für die SPD positiv zu begründen. Es mangelt der SPD an programmatischer Überzeugungskraft und strategischem Vermögen. Zunehmend verdichtet sich bei mir der Eindruck, dass sich im Willy-Brandt-Haus in Berlin eine Truppe versammelt hat, die das politische Einmaleins nicht mehr beherrscht. Warum ich bei der Landtagswahl in Sachsen am 01. September 2019 dennoch der SPD beide Stimmen geben werde und dafür werbe, zumindest mit der Zweitstimme die SPD zu wählen? Weil die Situation der sächsischen SPD Gott sei Dank eine andere ist:

  • Hier ist die SPD zwar zahlenmäßig nicht besonders stark, aber sie ist eine junge Partei und weist in Städten und im Land kluge Köpfe auf: Oberbürgermeister/innen wie Burkhard Jung und Barbara Ludwig, Landesminister/innen wie Petra Köpping und Martin Dulig, Landtagsabgeordnete wie Dirk Panter, Hanka Kliese, Holger Mann – alles integre, politisch hoch qualifizierte, sozialdemokratisch geprägte Persönlichkeiten.
  • Die SPD ist in Sachsen neben Bündnis 90/Die Grünen die Partei, die aus der Friedlichen Revolution 1989/90 hervorgegangen ist und deren Errungenschaften lebt.
  • Alle Erfolge, die seit 2014 auf Landesebene eingetreten sind, gehen wesentlich auf das Konto der SPD: Sie hat die lähmende Tod-Spar-Politik der CDU/FDP-Regierung von 2009-2014 entschlossen beendet.
  • Die SPD hat durchgesetzt, dass der gefährliche Stillstand in der Bildungspolitik überwunden, viele Lehrer/innen neu eingestellt und der Demokratiebildung neues Gewicht verliehen wurden.
  • Die SPD hat dafür gesorgt, dass die Sicherheitslage in Städten und Gemeinden durch zusätzliche Polizeikräfte verbessert wurde. Sie hat rechtsextremistische Auswüchse in den Sicherheitsorganen offen angesprochen.
  • Die SPD hat die Entwicklung des ländlichen Raums vorangetrieben – durch den Ausbau der über Jahre ausgedünnten Infrastruktur. Sicher: Angesichts der Versäumnisse vor 2014 handelt es sich einen Neuanfang. Aber wo wäre Sachsen ohne die konkrete Regierungspolitik der SPD und trotz ihrer zögerlichen Haltung in Sachen Kohleausstieg?
  • Die SPD hat mit ihrem Eintritt in die Regierung 2014 den Kampf gegen den Rechtsextremismus – von der CDU bis 2014 sträflichst vernachlässigt – auf die Tagesordnung gesetzt und die Diskriminierung zivilgesellschaftlichen Engagements beendet.
  • Die SPD hat dafür gesorgt, dass Geflüchtete menschenwürdig aufgenommen werden und eine aktive Integrationspolitik betrieben wird. Schlimm genug, was Rechtsextremisten und Hetzer von Pegida/AfD dennoch an Schaden angerichtet haben. Aber nicht auszudenken, wie die Jahre 2015/16 in Sachsen verlaufen wären, wenn es keine Regierungsbeteiligung der SPD gegeben hätte.
  • Ohne die SPD wäre Ministerpräsident Michael Kretschmer – wie Stanislaw Tillich zuvor – an seiner eigenen Partei gescheitert, einer CDU mit offenen Grenzen zur AfD und anderen rechtsextremistischen Gruppierungen. Ohne SPD wäre es auch nicht zu einer klaren Aussage zumindest von Michael Kretschmer gekommen, nach der Landtagswahl mit der AfD grundsätzlich nicht zusammenzuarbeiten.

Das alles sind Gründe, am 01. September 2019 zur Wahl zu gehen und der SPD die Stimme zu geben – auch wenn es Überwindung kostet und richtig wehtut. Denn es ist für Sachsen wichtig, dass die SPD im neuen Landtag mit einer starken Fraktion vertreten und ohne sie eine Regierungsbildung nicht möglich ist. Für die Bundes-SPD könnte es ein Signal sein, endlich ihre Überheblichkeit gegenüber den ostdeutschen SPD-Landesverbänden aufzugeben. Denn dass die Bundes-SPD sich angesichts der anstehenden Landtagswahlen eine desaströse Kandidat/innen-Suche und einen monatelangen Wahlprozess für den Parteivorsitz meint leisten zu können und dabei geleitet wird von einem kommissarischen Vorstand, der mehr an eine Insolvenzverwaltung denn an Politikgestaltung erinnert, ist nur dadurch zu erklären, dass man offensichtlich die SPD in Ostdeutschland abgeschrieben hat. Da ist er dann wieder: der freie Fall. Diesen gilt es aufzuhalten. Denn wir brauchen die Sozialdemokratie – und: hier in Sachsen kann sie beginnen, die Erneuerung der SPD.

18 Antworten

  1. Lieber Herr Lerchner –
    ich sitze hier und kann nicht anders:
    Ihr Kommentar zur heiß debattierten Komplex-Problematik: Schwarze Null / Neuverschuldung / Rezession / EZB war für mich eine exzellente Vorlesung – danke!
    Und es zeigt mir erneut auf, dass die hier in Verantwortung stehende Politik bisher so gut wie (noch immer) nichts tut, um diese elementaren Zusammenhänge dem Souverän genau so klar und deutlich und begreifbar darzustellen.
    Da – wie unschwer zu erkennen – das Wahlvolk, nämlich wir allesamt, nur selektiv über die finanztechnischen, wirtschaftlichen Zusammenhänge, und dies noch parteipolitisch verfärbt, im Unklaren belassen werden, kann die populistische, auf bloße Demagogie zielende „Alternative“ alles mögliche versprechen und suggerieren.
    Das macht Sorge und lässt befürchten, dass es Wahlergebnisse demnächst geben wird, die diese Demokratie in Wanken bringen könnte.
    Derzeit in den Medien (Öffentlich-Rechtliches TV) geoffenbarte Befürchtungen, dass mit einer Rezession zu rechnen sei, und das nicht irgendwann, sondern absehbar, dass das Wirtschaftswachstum mehr schwächelt als unlängst prognostiziert und die Kausalitäten zur Weltwirtschaft und um sich greifende Währungsunsicherheiten (USA / China) deutlich werden, macht weitere Sorge, und auch hier wühlen die Populisten im Problem, ohne echte und überzeugende Alternativen oder Lösungsansätze aufzuzeigen.
    Aber auch ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass Vernunft und Innehalten einsetzt vor dem Wahlgang!!
    Ihr Jo.Flade

  2. Hallo an alle,

    doch nochmal ein paar Worte zur „Schwarzen Null“. Die Diskussion darüber gewinnt offensichtlich zunehmend an Bedeutung und das Thema ist sicherlich auch wesentlicher Prüfstein für die Beurteilung der politischen Parteien im Lande.

    Das umlaufende Geld repräsentiert in etwa die aktuell verfügbaren Waren und Dienstleistungen. Sparen alle Wirtschaftssubjekte, können nicht alle Waren und Dienstleistungen verkauft werden. Es droht Deflation und Schrumpfung der Wirtschaft. Durchschnittlich gesehen sparen private Haushalte immer. Dass auch die Wirtschaft spart, ist zwar ungesund aber leider Fakt. Die unbefriedigenden Absatzchancen verhindern lukrative Investitionen. Verschulden lohnt sich nicht. Da hilft kein Klagen über niedrige Zinsen für die privaten Spareinlagen. Unser Geld brauch keiner. Darauf zu bauen, dass sich das Ausland gegenüber Deutschland auch weiterhin in hohem Maße verschuldet, die enormen Leistungsbilanzüberschüsse zeugen davon, wäre in Fehler. Es verbleibt also nur der Staat. Er muss sich in einer solchen Situation zwingend verschulden.

    Für die zukünftigen Generationen ist nicht so sehr der Verschuldungsgrad des Landes bedeutsam, sondern die Qualität des Kapitalstocks, den wir diesen Generationen überlassen. Dazu zählt auch der „natürliche Kapitalstock“, d. h. unsere Umwelt. Die Qualität des Kapitalstocks, d. h. die Leistungsfähigkeit von Maschinen und Anlagen, aber auch das Bildungsniveau der Bevölkerung entscheidet, wie zukünftige Generationen wirtschaften werden und übrigens auch darüber, welche Rente sie für uns erarbeiten können. Geld kann man nicht zurücklegen. Entscheidend sind die Investitionen heute. Hier gibt es seit Jahren erhebliche Defizite.

    Eine Staatsverschuldung ist grundsätzlich unproblematisch, wenn der Produktivitätsgewinn die Schuldenlast übersteigt. Staatsverschuldung wird weitgehen irrelevant, wenn die Verschuldung gegenüber der eigenen Zentralbank erfolgt, also sozusagen bei sich selbst. Eine Umschuldung ist dann problemlos, die Zinsgewinne der Zentralbank streicht der Finanzminister ein. Das ist so in Ländern mit souveräner Währung (USA, UK, Kanada, Japan). Staatsschulden sind insofern tatsächlich etwas grundsätzlich Anderes als private Schulden. Dass die Staatsfinanzierung durch eine Zentralbank im Eurogebiet untersagt ist und nur über Umwege ermöglicht wird (dank Mario Draghi), ist Willkür und soll nur Erpressungspotential für Austeritätspolitik schaffen.

    Wie zu erwarten, wird immer wieder die alte neoliberale Platte aufgelegt, dass nämlich ein Abbau des Sozialstaates finanzielle Reserven für staatliche Investitionen schaffen könnte. Dass das falsch ist, haben die schlimmen Auswirkungen der Austeritätspolitik in den südeuropäischen Ländern gezeigt. Ein Rückbau des Sozialstaates reduziert die effektive Massenkaufkraft und treibt die Wirtschaft in die Rezession.

    Von den zur Wahl stehenden Parteien erwarte ich, dass sie für eine Eliminierung der Schuldenbremse aus der Verfassung eintreten, sich konsequent vom Dogma der „Schwarzen Null“ absetzen und bei der EZB für eine vernünftige Staatsfinanzierung eintreten.

    Beste Grüße,

    Johannes Lerchner

    1. Sehr geehrter Herr Lerchner,
      der guten Ordnung halber müßten Sie den Lesern noch mitteilen, dass 3 andere Experten das Problem der Staatsfinanzierung auch schlüssig ganz anders erklären könnten.
      Das was Sie beschreiben lehnt sich wohl an die Modern Money Theory an. Diese ist eine Außenseitertheorie und erst in neuerer Zeit, vielleicht wegen der sehr hohen Staatsverschuldung, wieder in den Blickpunkt gerückt.
      Für Deutschland und den Euro kommt erschwerend hinzu, das wir mit dem Euro eben nicht über eine eigene Währung und auch nicht über eine eigene Zentralbank verfügen.
      Daneben müßte der rechtliche Rahmen im Geldverkehr neu geordnet werden. Der Zeit
      wird der Staat nicht durch die Zentralbank sondern die Geschäftsbanken finanziert.
      Diese werden sich das Geschäft sicher nicht wegnehmen lassen.
      Nicht alle Zentralbanken sind staatlich: Es gibt private (FED) oder auch Mischformen
      (EZB). Wie da das Weiterreichen der Zinsen 1:1 an den Finanzminister funktionieren soll??
      Durch Schuldenaufnahme entsteht neues Geld also Inflation – eine auch nicht sehr beliebte Erscheinung.
      Die Macht der EZB, einer demokratisch nicht legitimierten Institution, würde noch mehr ausgeweitet: Ereignisse wie in Griechenland 2015, als der Demokratische Volkswille (Ablehnung des Austeritätsprogramms der Troika) durch die EZB durch Kreditverweigerung und Einstellung der Bargeldversorgung gebrochen wurde, könnten sich häufen.

      Die MMT hat noch nirgens funktioniert. Im Gegensatz dazu gab es schon häufig Hyperinflatinen nach Schuldenausweitungen. In diesen Zeiten gingen regelmäßig auch ethische Mindestnormen verloren. Es waren Zeiten nicht nur der finanziellen Krise sondern der Krise der gesamten Gesellschaft.

      Zusammenfassend möchte ich mich für eine Schuldenbremse aussprechen, wenn auch nicht als starres Dogma. Allerdings hat man in Deutschland in den letzten 10Jahren trotz Hochkonjunktur und Steuerrekord nach Steuerrekord die Schulden nur unwesentlich abgebaut (eigentlich nur wegen der niedrigen Zinsen). Daher sind antizyklische Konjunkturmaßnahmen im Boom wohl schwer wieder einzusammeln.
      E.Breuer

      1. Sehr geehrter Herr Breuer,

        Sie haben zweifelsohne Recht. Die von mir behaupteten Zusammenhänge sind nicht Mainstream. Wäre es nicht so, bräuchte man über die gegenwärtige Fiskalpolitik nicht zu klagen. Dass mittlerweile aber selbst konservative Ökonomen wir Michael Hüther (Institut der deutschen Wirtschaft), Thomas Straubhaar (https://www.welt.de/wirtschaft/article18895433/Rezessionsgefahr-Es-ist-der-Investitionsstau.html) oder Joachim Lang (BDI) die Schuldenbremse in Frage stellen, zeigt, wie sehr die Erkenntnis, dass durch das Dogma der „Schwarzen Null“ notwendige Investitionen und damit die Entwicklung der Produktivität behindert wird, Raum greift.

        Sie haben auch Recht, dass die gegenwärtige Konstruktion des Euro-Systems eine direkte Staatsfinanzierung (absichtsvoll) verhindert. Das wird aber zunehmend dadurch umgangen, dass die EZB Staatspapiere in großem Umfang aufkauft. Das ist gut so, weil damit den verheerenden Spekulationen auf dem internationalen Kapitalmarkt der Wind aus den Segeln genommen wird. Selbstverständlich werden die Banken sich das profitable Geschäft, mit sicheren Staatsanleihen dealen zu können, nicht freiwillig vermiesen lassen. Auch da haben Sie Recht.

        Für grundsätzlich falsch halte ich aber Ihre These, dass Geldschöpfung (durch Zentralbank oder Geschäftsbanken) automatisch zu Inflation führt. Inflation tritt nur dann ein, wenn die Kapazität der Produktionsfaktoren (Maschinen, Arbeitskräfte) gesättigt ist. Ansonsten führt Geldschöpfung zu Wirtschaftswachstum (hier liegen übrigens die großen Vorzüge unseres Fiat-Geldsystems gegenüber einer starren Goldwährung). Von dieser Situation sind die Industrieländer meilenweit entfernt. Seit Jahren pumpt die EZB Geld in das System. Ziel ist, die vereinbarte Inflationsrate von ca. 2 % zu erreichen. Ohne Erfolg. Sie liegt chronisch darunter. Die an die Wand gemalte Gefahr einer Hyperinflation ist absolut unrealistisch und war damals einer Sondersituation geschuldet.

        Über MMT lässt sich trefflich streiten. Die Frage ist allerdings nicht, ob sie funktioniert, sondern ob sie ein korrektes Verständnis des real existierenden Geldsystems liefert. Zu empfehlen ist in diesem Zusammenhang ein heutiger Beitrag auf Makroskop (https://makroskop.eu/2019/08/ein-wolff-zum-heulen/). Dass Ökonomik im Gegensatz zu Naturwissenschaften (ich bin Chemiker) ziemlich stark ideologiegesteuert ist, sollte man auch immer bedenken. Deshalb halte ich es schon für sinnvoll, sich über den Wahrheitsgehalt gängiger Wirtschaftstheorien zu verständigen. Und insbesondere darüber, was an den derzeit dominierenden Vorstellungen von Geld und Schulden falsch ist.

        Mit freundlichen Grüßen,

        Johannes Lerchner

  3. Aus Zeitgründen etwas kurz zu Ihrer Kommentierung, lieber Herr Käfer –

    DIE PARTEI – schon aus hygienischen Gründen kann diese Partei nicht auf der Wahlagenda stehen; Sie sagen es völlig richtig (sei dies Echo erlaubt??): die politische Situation ist viel zu ernst, als dass man selbst Schieflagen und Verirrungen „spaßeshalber“ so wie diese Leute es praktizieren, aufs Korn nehmen darf!
    Ein überdimensionales Wahlplakat, auf dem der nackte MP Michael Kretschmer im Paradiesgärtlein, von Schlangen um garnt, im Hintergrund das Kreuz, um dass das sich windende Tier Richtung da wohlfeil auf den liegenden Kretschmer bewegt – oh weh!!
    Ein Gericht ordnete als Reaktion auf Beschwerden an, dass diese Plakatierung legitim sei., bereits abgenommene Plakate mussten wieder montiert werden.
    Nun ja.
    Was will ich sagen: eben, weil die Lage hochernst ist, verbieten sich solcherart Wahlwerbung (mit Prüderie hat das nichts zu tun). Demokratie ? Vielleicht…
    Also – aus meiner Sicht – unwählbar.
    Dem entgegen haben die Grünen sehr wohl ein eindeutiges, solides, aufrechtes Programm; die globale Umwelt Situation dürfte bereits eines ein.
    Und gehen Sie doch einfach in die Website dieser Partei – mich und andere überzeugen deren Anliegen!
    Ich wünsche Ihnen eine gute, verantwortungsvolle Entscheidung am 01.09.a.D. 2019 / Ihr Jo.Flade

  4. Dank an Jochen Flade und auch Andreas Schwerdtfeger; die inhaltliche Diskussion zur (schwierigen) Wahlentscheidung am 1.9. nimmt Fahrt auf; der grundlegende Verdienst liegt aber sicher bei Christian Wolff mit seinem Blog-Beitrag, der diese Diskussion erst ausgelöst hat!

    Vielleicht (sogar wahrscheinlich) befinde ich mich im Zustand der „Selbsttherapierung“ bzgl. meiner erheblichen Zweifel gegenüber einer Wahlentscheidung pro SPD.
    Ja, Jochen Flade, die Grünen wären eine ernst zu nehmende Alternative, aber ein „Gesamtkonzept“ kann ich auch hier nicht erkennen (gemessen an „meinen“ Fragen) – wie auch bei keiner der anderen Parteien. Vor 30 – 40 Jahren wäre ich vermutlich leichte Beute für „Die Partei“ gewesen, aber unsere derzeitige Situation ist alles andere als ein Spaß!
    Ein Ergebnis dieses Blogs für mich persönlich ist zum einen der Versuch, eine gewisse Ordnung in meinen Entscheidungsprozess zu bringen (die grundlegenden Fragen). Zum anderen macht mich Christian mit seinem obigen Beitrag doch nachhaltig unsicher: mein „Nein“ zur SPD hat zu 75-80% bundespolitische Gründe, in Sachsen kann/muss ich jedoch einige Sachthemen und personelle Angebote durchaus pro SPD werten!

    Also mit Blick auf den 1.9.: ….bin so klug als wie zuvor!
    Allein, meine Entscheidung muss in den nächsten Tagen fallen!

    Und an H. Schwerdtfeger gewandt:
    Ja, die Einkommens- und Besitzunterschiede hat es zu allen Zeiten gegeben; sie sind aber heute, trotz hochentwickelter Gesellschaft, die nicht mehr nur auf dem Recht des Stärkeren/ Brutaleren gründet oder gründen sollte, wieder dramatisch angewachsen! Ich bin auch nicht prinzipiell gegen derartige Unterschiede, wünsche mir aber eine gesellschaftliche Diskussion darüber, auf das Wieviel-fache sie sich begrenzen lassen. Und das hat nichts mit der oft angeführten Neid-Debatte zu tun.
    Auch würde ich mich einem Argument nicht verschließen, dass besonders leistungsorientierte und/oder erfinderische Menschen dieses „Vielfache“ um den Faktor X überziehen dürfen. Allerdings fallen mir einige Beispiele ein, in denen eben nicht die Erfinder oder primären Leistungserbringer die wahren Vermögensgewinner waren, sondern eher die „Vermarkter“ der Erfindung/Leistung!!

    Noch zwei kurze Anmerkungen:
    Die „Schwarze Null“ als langfristige Orientierung vor allem bei Zukunftsinvestitionen unterstütze ich selbstverständlich. Als Damoklesschwert über allen möglichen politischen Entscheidungen mit häufig kurzfristigen Auswirkungen halte ich sie (vor allem in der aktuellen Zinsphase) aber für eher problematisch.
    Gegen „Bedürftigkeitsprüfung“ ist zunächst einmal grundsätzlich nichts einzuwenden. In der Praxis bedeutet sie aber oft, dass Bedürftige aus Scham eher auf (berechtigte) Ansprüche verzichten. Insbesondere im Osten scheint mir (mangels vorhandener größerer Vermögenswerte) dies das deutlich größere Problem zu sein als die oft zitierte Zahnarztwitwe. Und analog der Maut, sollte auch hier geprüft werden, ob der notwendige bürokratische Aufwand für die Bedürftigkeitsprüfung die ungerechtfertigten Zuzahlungen für Zahnarztwitwen nicht doch übersteigt.

  5. Es ist ja unbestreitbar richtig, Herr Käfer, was Sie zu den einzelnen Themen sagen. Und dennoch rate ich zu mehr Gelassenheit und zu mehr Zufriedenheit mit dem jeweils erzielbaren Kompromiss in unserer öffentlichen Diskussion. Ich will das nur an einem von Ihren vier Beispielen erläutern, der ewigen „Gerechtigkeitsdebatte“: Wie die Vokabel „Wahrheit“ ist auch der Begriff „Gerechtigkeit“ objektiv kaum definierbar. Die großen Besitzunterschiede, die Sie ansprechen und die Sie ärgern, sind in Wahrheit auf einen vergleichbar kleinen Kreis in unserer Gesellschaft beschränkt. Es hat sie in jeder Gesellschaft und in jeder politischen Konstellation zu jeder Zeit in der Menschheitsgeschichte gegeben und es wird sie auch immer geben, so leid es einem tun mag; denn die Kehrseite dieser Medaille ist eben, daß es leistungsbereite und erfinderische Menschen gibt, die aber eben gerade – und schon gar in unserer materiell geprägten Zeit – auch die Belohnung für ihr Tun haben wollen. Und es ist ja auch merkwürdig, daß unsere Gesellschaft zwar immer die VW- und ähnliche Bosse verurteilt für ihre durchaus schamlos zu nennende Gier, Lotto-Millionäre und Spitzensportler beispielsweise aber von dieser Kritik weitgehend ausnimmt – und daß es sich sowieso um eine verschwindend kleine Minderheit handelt. In Wirklichkeit sind doch zwei Fakten bemerkenswert:
    1. die überwiegende Masse des Steueraufkommens in Deutschland wird von den Leistungsträgern unserer Gesellschaft – Einzelpersonen wie Unternehmen – erbracht, nicht von den sogenannten Armen, nicht – zugegeben – von den sogenannten Reichen, und diese letzteren höher zu besteuern, kann möglicherweise gerecht(er) sein, löst aber keinesfalls finanziell die Begehrlichkeiten derjenigen, die sich abgehängt fühlen.
    2. ein Staat, der jährlich mehr als ein Drittel seines gesamten Einkommens, weit über 100 Milliarden, von oben nach unten verteilt, kann nicht wirklich „ungerecht“ sein. Das Problem unserer unglaublich hohen sozialen Subventionierungspolitik ist eher, daß unser völlig übertriebenes „Gerechtigkeitsbedürfnis“ zu immer feineren „Einzellösungen“ und daher zu enormem bürokratischen Aufwand führt, der seinerseits unnötige Millionen verschlingt.
    Und dann sind wir bei Problemen wie „Bedürftigkeitsprüfung“: Für mich steht fest, daß soziale Leistungen der Überprüfung und der Gegenleistung bedürfen. Gleichzeitig aber steht die Bedürftigkeitsprüfung einer einfachen und unbürokratischen Handhabung entgegen. Ein Kompromiß muß gefunden werden!
    Und was die schwarze Null angeht, die Sie ablehnen: Es gibt viele Gründe derzeit dafür, alles etwas lockerer zu sehen. Aber es bleibt das Problem, daß wir nicht nur beim Klima sondern eben auch in der Finanzpolitik auf Kosten folgender Generationen leben (und uns dabei nicht mit augenblicklich günstigen Zinsen beruhigen dürfen). Ich plädiere schon dafür, daß wir alle – denn wir sind der Staat – mit dem auskommen müssen, was eingenommen wird (einschliesslich von mir aus ein paar Milliarden mehr aus höheren „Reichen- und Erbschaftssteuern“) und einschliesslich seltener Ausnahmen nach dem Prinzip der staatlichen Gegensteuerung durch Sparen oder Ausgeben aufgrund der Konjunkturlage. Und ich plädiere dafür, den Sozialstaat abzubauen, zuvörderst allerdings durch Pauschalisierung von Leistungen (es gibt angeblich mehr als 170 Einzelmaßnahmen zur Kinderförderung – welch‘ ein Unsinn!) und durch Begrenzung dieser Leistungen auf Essentielles. Dies wird Widerspruch hervorrufen – verständlich – aber eines steht fest: Gerechtigkeit ist ein subjektiver Begriff, allemal gar in einer Überflußgesellschaft, und was immer der Staat tun mag, es wird Unzufriedene (oder auch Neider) geben, die Ungerechtigkeit wittern. Wer also mehr Bildung fordert oder bessere Infrastruktur, etc, der soll sagen, wie dies INNERHALB des Haushalts zustande kommen kann. Das Pochen auf „sozialer Gerechtigkeit“ zu Lasten unserer Kinder und Enkel jedenfalls ist Populismus ebenso wie die ewige Neiddiskussion über ein paar, und nur bestimmte, Ausreißer nach oben.
    Auch das gehört zum Wegkommen vom Klein-Klein, zum großen politischen Wurf, zur Konzeptbildung und Utopie, zum Zukunftsmut.
    Ich weiß: Dies ist nicht überall zustimmungsfähig. Sei es! Das ist demokratische Vielfalt.
    Ich grüße Sie,
    Andreas Schwerdtfeger

  6. SPD – hätte die Koalition aufkündigen müssen, und damit, warum nicht, Neuwahlen oder eine Minderheitsregierung provoziert. Es wäre eine klare Haltung gewesen, und K. Kühnert sollte man – wie auch FFF – nicht als lediglich verirrt-pubertären Bewegung zeihen. Lange bezichtigte man die aufbegehrenden Jungen als politisch uninteressiert oder dem Mainstream hinterherlaufend. Jetzt politisiert sie sich und tut, was andere – aus welchen Gründen auch immer – nicht bedachten und anzupacken bereit bzw. in der Lage waren. Kühnert steht ja nicht allein, er ist das Zeichen einer aufbegehrenden, neuen SPD-Generation. Wer das ignoriert, erkennt die Notwendigkeit einer längst überfälligen Erneuerung der SPD nicht. Von einer Chaostheorie halte ich nichts – Erneuerung kann auch durch Neubeginn möglich werden!
    UNION (CDU/CSU) – spätestens mit der plötzlich erklärten Bereitschaft, neben dem Unionsvorsitz nun auch noch das Nicht-Ganz-Ohne-Verteidigungsressort zu leiten (allein dieses Amt in Nachfolge von v.d.Leyen zu schultern und vor allem reinigen zu müssen, dürfte die geforderte Durchsetzungskraft für beide Positionen mehr als infrage stellen), innenparteilich nicht immer den richtigen Ton gefunden, auf diverse Internet-Rezos völlig hilflos reagiert zu haben und nun auch noch herum zu stolpern, geht es um den in Hinterzimmern (und neuerdings auch Sachsen wahlhelfend) agierenden HG Maaßen, der mit seinen Auftritten zwei Wochen zusätzlich kurz vor der Landtagswahl augenscheinlich der CDU keinen Gefallen mehr tun will und sich leider MP Kretschmer diesen Herrn nach Sachsen holt, um ansatzweise Emanzipation zelebrieren will – spätestens jetzt wird diese Union fragwürdig und unwählbar. All dies partiell Aufgezeigte muss klar machen, wie abgewirtschaftet, vor allem aber unsicher und kraftlos diese „Volkspartei“ ist. Am deutlichsten zeigte sich der politische Eiertanz zur Wahl und Nominierung des Präsitentenamtes der EU-Kommission – Wahlstimmen wurden ignoriert und damit das Vertrauen in eine seriöse EU-Politik zerstört, vor allem aber dem Populismus der AfD erneut bestens Nahrung für elendige, alsbald nachfolgende Demagogie geliefert.
    FDP – Lindner ist ein mäanderndes Kuriosum und politisch untragbar, weil längst nicht mehr ernst zu nehmen. Die Stimmenprognosen, also permanente Abneigung zu einer per se für dieses Land nicht unwichtigen liberalen Partei, sagen einiges dazu. Ein Gerhard Baum ist schockiert ob der Blaßheit und Unausgegorenheit „seiner“ FDP. Und Lindner bleibt bei konkret gestellten Fragen windelweich, obwohl er andere in der Politszene der Unschlüssigkeit und Tatenlosigkeit bezichtigt (aktuell s. Sommer-Interview ZDF).
    DIE GRÜNEN – wählbar, ganz klar wählbar (aus meiner und nicht nur meiner Sicht). Sie haben sich natürlich jetzt einen enormen Druck auferlegt: sie müssen liefern. Kretschmann in BW ist ein auslaufendes Modell. Und Joschka war zu seiner Zeit der Richtige, wie heute R. Habeck und A. Beerbaum die Richtigen sind. Und das Infant Terrible B. Erasmus (!) Palmer ist für die Grünen gar nicht so schlecht… Eine intensiv und gar nicht mehr blauäugige, politisiert nachfolgende Generation auf den Straßen nicht nur in Dt., sondern in ganz Europa, drängt jetzt endlich vor und wird sich weiterhin realpolitisch engagieren, weil die Themen mehr als drängend anzupacken und vor allem zu lösen sind und die Stimmung eindeutig pro Grüne ausfällt (es wurde aber auch hohe Zeit!).
    Schaun wir doch mal, wie sich die Sachsen-CDU entscheidet, würden die Grünen (das dürfte sicher sein) enormen Zuwachs erreichen und es sich dann sofort die Koalitionsfrage für die CDU stellt. Der AfD hat ja die CDU eine (fast…) klare Absage erteilt.
    SPD + CDU/CSU waren in den letzten Jahrzehnten mehr als teuer – das sind Allgemeinplätze. Und Klimawandel und Bewusstseinsänderungen sind für Äppel und Eier längst nicht mehr zu haben, auch das dürfte wohl inzwischen nach allen bisherigen Unterlassungssünden klar sein! Dass trotz sehr guter Personalien in Sachsen die SPD dermaßen und unaufhaltsam abgetakelt wird, ist eine drängende Frage wert. Und es scheint etwas dran zu sein an der unseligen Partei-Oberen-Suche im W.Brandt-Haus, die auf die lokale Wahlschlacht sich negativ auswirkt. Woher nun plötzlich der trockene Hanseat O.Scholz die Zeit und Wirksamkeit hernehmen will, die er als (Noch-)Vize-Kanzler und Bundes-Finanzminister zusätzlich als SPD-Parteichef ab sofort bedarf, ist mehr als unklar, vom Aufwand für die Regionalkonferenzen mal abgesehen, die auch er zu bestreiten hat. All diese Personal Rochaden
    DIE LINKE – diese Partei jetzt immer noch als Partei der Menschheitsentmündigung zu zeihen – da wäre ich ein wenig vorsichtiger mit solcherart Desavouierung. Wäre es so, dann müssten sich SPD und GRÜNE rasch bedenken, ob es – wie ja bereits in Bremen Realpolitik ! – auf Bundes-/Landesebene weiterhin richtig sei – offensichtlich haben sie sich bedacht und reden von etwas, was realpolitisch bereits da und dort praktiziert wird. In Dresden ist eine Linke Kulturbürgermeisterin – und zu deren Amtsführung hat man sich längst honorig geäußert – die Fakten sprechen dafür.
    AfD – dazu ist alles gesagt, und wer genau hinzuhören in der Lage ist, wird begreifen, dass es für diesen unsäglichen Haufen keine Stimme geben darf. Da gebe auch ich Chr. Wolff uneingeschränkt recht!!
    Lieber Herr Käfer – vielleicht wären für Sie doch die Grünen eine Alternative ? Der SPD schaden Sie damit auch nicht.

  7. Zu Herrn Schwerdtfeger:

    Wenn Sie schreiben, „in unserer kurzlebigen und auf schnelle Lösungen und Antworten zielenden Gesellschaft und Öffentlichkeit ist weder das Entwickeln von Utopien noch gar deren Realisierung so leicht möglich“, stimme ich absolut zu!
    Aber, verdammt noch mal (Entschuldigung), genau das erwarte ich doch von einer politischen Partei und nicht nur tagespolitisches Klein-Klein, Machtspielchen und Postengeschachere…
    Nebenbei bemerkt, auch die Kirchen könnten hier deutlich mehr Orientierung bieten und mich, vielleicht auch Andere, damit wieder stärker an sich binden!

    Wenn sie definieren, dass wir z.B. bis zum Zeitpunkt X, Y , Z aus der fossilen Energiegewinnung in Deutschland, Europa, weltweit aussteigen müssen, lassen sich Gesetzesvorhaben, Forschungsförderung, Entwicklungshilfe, gesellschaftliche Diskussionen, aber auch individuelle Entscheidungen beeinflussen (wohlgemerkt ohne Verbotspolitik). Oder dass in definierten Zeiträumen Aufforstungen, Grünflächen, Regenerierung von Gewässern, vor allem der Meere, aber auch Chemie-Einsatz in der Landwirtschaft oder Massentierhaltung Ziele brauchen.

    Wenn eine Diskussion darüber geführt wird, dass es moralisch nicht zu vertreten ist, dass z.B. ein Vorstand das X-Fache einer durchschnittlichen Produktivkraft verdient. Dass es ebenso wenig vertretbar ist, Vermögen im vielfachen Wert des Lebenseinkommens eines „Normalverdieners“ zu vererben.

    Wenn die Absicherung der Lebensleistung, Bildung, Auftstiegs- und Entwicklungschancen sich nicht mehr nur an ökonomischen Größen orientieren (besonders fatal: schwarze Null), sondern auch qualitative Ziele Berücksichtigung finden.

    Wenn nicht nur Chancen und nicht nur Risiken der Digitalisierung den Diskurs bestimmen, sondern auch mögliche und wahrscheinliche Szenarien formuliert und diskutiert werden (Änderung/Wegfall ganzer Berufsbilder durch KI, Datenschutz/-Missbrauch, aber auch ggfs. Bedingungsloses Grundeinkommen).

    Soweit nur einige wenige persönliche Gedanken, die keinesfalls Anspruch auf Vollständigkeit erheben, meine Wahlentscheidung am 1.9. aber beeinflussen/nachhaltig erschweren!
    Aber keine Angst: Nicht-Wählen oder gar in einem Anfall geistiger Umnachtung AfD ankreuzen, wird definitiv nicht passieren!!

  8. Dem, was Sie schreiben, Herr Käfer, kann man wohl uneingeschränkt zustimmen. Gerade in der Europa- und EU-Politik fehlt vollständig die Utopie / Vision und dies kennzeichnet auch unsere Parteien. Aber wir müssen eben fair sein: In unserer kurzlebigen und auf schnelle Lösungen und Antworten zielenden Gesellschaft und Öffentlichkeit ist weder das entwickeln von Utopien noch gar deren Realisierung so leicht möglich – die Leute wollen jetzt und hier ihre Antwort. Nicht umsonst ja gibt es inzwischen in jeder politischen Frage nur die Reaktionen „zu kurz gesprungen“ und „Nachbesserung“. Der „große Wurf“ wird heute zerredet, bevor er durchdacht wird – und gar bevor er begonnen wird. Und Ihre vier „grundlegenden Gegenwartsfragen“ beschreiben eben Probleme, die – wenn wir Glück haben – in Generationen zu lösen sind, weil jeder Wandel ein konsensuales GESAMTpaket braucht und nicht den Schnellschuß aus der Hüfte. Aber unsere Politiker haben bei uns ja nicht mal die vier Jahre BT-Legislaturperiode Zeit, sondern müssen sich in jährlich drei bis vier Wahlkämpfen „anbiedern“, um überhaupt ihre Gestaltungspflicht wahrnehmen zu können. Da ist die Entwicklung von Utopien – leider – nicht ganz leicht.
    Und wenn Sie sich nun von der SPD abwenden, was dann? Gar nicht wählen? Eine andere Partei? Unser Parteienspektrum derzeit, finde ich, sieht wie folgt aus:
    – SPD und Union: Abgewirtschaftet (personell mehr als inhaltlich) aber staatstragend;
    – FDP: Launischer Mehrheitsbeschaffer (möglicherweise);
    – GRÜNE: Die Partei im Aufwind, weil sie ihr Thema hat und augenblicks personell mit sich im reinen ist: Aber wenn sie drankommt, wird sie entweder konservativ (siehe Baden-Württemberg; siehe auch früher Joschka Fischer) oder sehr teuer oder beides – sie ist nun mal inzwischen die Partei der Wohlhabenden, und Lösungen im breiten Spektrum der Politik bietet sie auch kaum an;
    – LINKE: Die Partei der Entmündigung des Menschen, der Initiativbremse, des außenpolitischen Desasters;
    – AfD: Wie Sie schreiben: Keine Lösung, enge (geistige) Grenzen, Nähe zur Gewalt (wie es übrigens anfangs auch bei den Grünen der Fall war).
    Da bleibt man wohl am Ende doch bei seiner ursprünglichen Wahl, wenn auch mit Schmerzen! Ich verstehe Herrn Wolff.
    Ich grüße Sie,
    Andreas Schwerdtfeger

  9. Ja, ich glaube auch, dass die Probleme der SPD und CDU/CSU in vielerlei Hinsicht vergleichbar sind; aber ich denke nicht, dass es an „zu linken/zu rechten“ Kanzler/*innen liegt; ich sehe eher das Problem fehlender „Utopien“, bzw. (um es eine Nummer kleiner zu machen) Konzepte, in einer Zeit abnehmender (landsmannschaftlicher/nationaler/religiöser/interessenorientierter) Identität bzw. Zugehörigkeitsgefühle.
    Mir scheint es auch weniger um einen Konflikt zwischen Freiheit/Sicherheit oder Individuum/Gesellschaft zu gehen (egal ob „scheinbar“ oder „real“) – beides gehört jeweils untrennbar zusammen und muss auch zusammen gedacht werden.

    Aus meiner Sicht stellen sich die grundlegenden Gegenwartsfragen:

    • Klima
    • Aus dem Ruder laufende Einkommens- und Vermögensunterschiede
    • Generationengerechtigkeit
    • Digitalisierung und daraus resultierender Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft

    Natürlich sage ich damit durchaus nichts Neues; Parteien, Wirtschaftsunternehmen und Interessenvertreter stellen sich diesen Fragen seit Langem, mehr oder weniger intensiv. Was fehlt, ist der „Ruck“, das „konkrete Anpacken“. Stattdessen erleben wir Taktieren, Lobbyismus, Machtkalkül.

    Wenn ich meinen persönlichen „Faktencheck“ zu den Angeboten der einzelnen Parteien zu diesen Fragen mache, sieht das Ergebnis durch die Bank weg düster aus!

    Klar, die AfD schneidet absolut unterirdisch ab:

    Klimawandel – gibt’s nicht
    Einkommens- und Vermögensunterschiede – Ausländer raus
    Generationengerechtigkeit – müssen wir uns erst noch was überlegen
    Digitalisierung – huch, was soll das denn

    Aber auch bei allen anderen Parteien:

    Leuchttürme – Fehlanzeige!

    Mein persönliches Problem: Leute/Gruppen, die mir am Herzen liegen, beurteile ich kritischer als andere.

    Daher: Am 1.9. (leider) nicht SPD

  10. Ist nicht das Problem, das Sie, Herr Wolff und Herr Käfer, mit Ihrer SPD haben und jetzt offensichtlich unterschiedlich beantworten wollen, ein Problem, das schon seit Jahren eine sehr große Anzahl von Wählern haben? Sind nicht zuerst die Abwendung in Form von Wahlenthaltung und jetzt die Abwendung in Form von Radikalität an den Flanken dafür ein Zeichen? Ich verstehe – obwohl kein SPD-Anhänger – Ihre Zweifel, weil sie, so glaube ich, sehr vergleichbar sind den Zweifeln von früher ebenso überzeugten CDU-Anhängern, die jetzt, ähnlich wie Sie, das Zerfleddern ihrer Partei und eine gewisse Richtungslosigkeit erkennen müssen. Das Problem unserer beiden großen Volksparteien von gestern – SPD und Union – ist, daß es in einer individualisierten Gesellschaft immer schwerer wird, ein breites politisches Spektrum abzudecken und dafür Zustimmung zu finden. Denn offensichtlich basierten die hohen Prozentzahlen der Volksparteien früher auf der Tatsache, daß ihre Wähler zufrieden waren, wenn ihre Partei dieselbe Richtung – im Gegensatz zu dieselben Einzelziele in jeder politischen Frage – verfolgte. Das ist eben heute nicht mehr der Fall und erklärt zugleich die teilweise Abwendung der Menschen von den politischen Parteien und „der Politik“ (obwohl sie hier das Wahlrecht haben) und die Zuwendung zu NGOs und Bürgerinitiativen (obwohl sie hier nur als Mitglieder Wahlrecht und nur indirekten politischen Einfluss jeweils auch nur in Einzelfragen ohne Konnex zur politischen Breite haben). Der Verfall der politischen Parteien und die Aufsplitterung des politischen Spektrums – und damit der Parlamente – in viele Fraktionen, scheint mir unaufhaltsam und kaum umkehrbar und ich halte diese Entwicklung für bedauerlich, um nicht gleich mit der Vokabel „gefährlich“ zu dramatisieren. Es gibt in unseren westlichen Demokratien nicht nur den (scheinbaren) Konflikt zwischen Freiheit und Sicherheit; es gibt eben auch den (realen) Konflikt zwischen Individuum und Gesellschaft.
    Was ist die Lehre für die ehemaligen Volksparteien? Ich weiß es nicht. Die SPD hat mit zwei vergleichsweise „rechten“ Kanzlern – Schmidt und Schröder – die linke Flanke aufgemacht und die Quittung bekommen. Die CDU hat unter der vergleichsweise „linken“ Kanzlerin Merkel die rechte Flanke aufgemacht und bekommt auch ihre Quittung – und Herrn Wolffs Anmerkung, sie habe „offene Grenzen“ nach rechts ist eben genau das, was Sie, Herr Käfer, kritisieren: Diffamierung! Denn er unterstellt damit ja, daß die CDU die Überschreitung der demokratische Grenze zuläßt – und das sollte man eben im demokratischen Wettbewerb nicht tun.
    Die Vorsitzenden-Suche der SPD ist verzweifelt und eigentlich einer so stolzen Traditions-Partei unwürdig. Aber sie zeigt auch die enorme Verunsicherung dieser Partei, die sich entscheiden muß – in der augenblicklichen Lage – ob sie Juniorpartner bei der CDU oder Juniorpartner bei den Grünen werden will (mit linker Beimischung), denn eine rot-grün-rote Koalition auf Bundesebene erscheint augenblicklich ja nur als Illusion. Und die SPD hat in ihrer Kandidatenliste nur die Wahl zwischen Altgedienten à la Scholz (solide aber nicht mehr überzeugend), Unbedeutenden à la Lauterbach oder Stegner (zu populistisch und nicht mehrheitsfähig) oder eben dem radikalen Schnitt und dann Leuten wie Kühnert, die ein Risiko und einen neuen Anfang zugleich symbolisieren (verzeihen Sie das, was Sie vielleicht als Vereinfachung ansehen). „Grosse Führer kommen fast immer aus dem Chaos“ zitiert Sabine Friedrich Julius Leber in ihrem großartigen Werk über den Widerstand „Wer wir sind“ (S. 1564). Vielleicht braucht die SPD ihr augenblickliches Chaos.
    Ich grüße Sie,
    Andreas Schwerdtfeger

  11. Lieber Christian,

    auch mir wird es richtig wehtun, aber ich werde am 1.9. (immer noch) nicht SPD wählen können!
    Gerne würde ich Deinen Optimismus teilen, dass eine Stimme für die SPD in Sachsen als kräftiges Signal in Richtung WB-Haus in Berlin dort gehört und verstanden wird, allein mir fehlt der Glaube; zu sehr scheinen mir die dort Agierenden primär mit sich selbst beschäftigt!
    Es ist noch gar nicht so lange her, dass ein SPD Spitzenkandidat mit 100% zum Vorsitzenden gewählt wurde und, zwar nur für kurze Zeit, in den bundesweiten Umfragen sogar noch vor der CDU lag.
    Ja, er hat diverse Fehler begangen, aber wo war die Solidarität und „Beschützerfunktion“ seiner Partei bei seinem Wahlkampf und der potenziellen Regierungsbildung nach der Wahl? Wie schnell und nachhaltig hat man ihn fallen lassen – mindestens so schnell, wie man ihn wenige Monate zuvor auf den Schild gehoben hatte!
    Es wird mir auch noch lange in Erinnerung bleiben, wie der lokale SPD-Politiker, der bei seinem Wahlkampfauftritt auf dem Nikolai-Kirchhof als „Warm-Up“ auftrat und über die Abschaffung der wiederholten „sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen“ sprechen sollte, diesen (zugegeben schwierigen) Terminus auch im dritten Anlauf nicht fehlerfrei formulieren konnte…
    In die quälende Suche nach geeigneten Parteivorsitzenden kommt zwar jetzt mit Köpping/Pistorius ein hoffnungsvolles Signal – aber der Prozess der Kandidatenfindung und das Interregnum ziehen sich für meinen Geschmack schon viel zu lange und vor allem bisher ohne erkennbare inhaltliche Argumente hin!
    Die Kehrseite meiner Stimmverweigerung für die SPD sind zugegeben erhebliche Zweifel, was/wen ich als Alternative ankreuzen soll/kann.

    Trotz aller persönlichen Vorbehalte freue ich mich, wenn Du und offensichtlich viele Andere in diesem Blog am 1.9. zur SPD stehen wollen.

    Ein schönes Wochenende wünscht
    Michael Käfer

    1. Lieber Michael, das Tragische ist: Ich kann Dir in keinem Punkt widersprechen. Nur ziehe ich andere Schlüsse daraus. Aber neben der Parteienpräferenz: Das Wichtigste ist, dass am Ende des Wahltages die Rechtsnationalisten in die Schranken gewiesen worden sind. Darum: Keine Stimme für die AfD! Keine einzige! Beste Grüße Christian Wolff

  12. Lieber Christian Wolff,
    vielen Dank. ich werde das wohl hier in Thüringen genauso tun, wie Sie in Sachsen. Allein aus der Überzeugung, dass es die SPD braucht, um gute Politik zu machen in unseren Ländern. Wenig Hoffnung habe ich für die Partei auf Bundesebene, Zuviel programmatische Verworrenheit, ewiges Schlingern zwischen sozialdemokratischem Anspruch und neoliberalen Vergnügungsausflügen. Die alte Dame ist unkenntlich geworden…..Und was das WB-Haus betrifft, teile ich Ihre Sicht der Dinge sehr. Ich glaube ja, dass mal eine Mitgliederrevolution gegen die Zentrale auf die Tagesordnung gehörte – spätestens seit dem bedenklichen Umgang mit einem Martin Schulz…Aber die SPD ist nun mal meine Partei und ich glaube an die Kraft ihrer ursprünglichen Intention. Deshalb werde ich meinen Beitrag leisten – wenn auch mit gewissem Schmerz…
    Herzlichen Gruß aus Arnstadt. Thomas Weiss

  13. Die Kandidatenfindung für den Parteivorsitz zieht sich viel zu lange hin. Und warum muss es unbedingt eine Doppelspitze sein? Und wenn schon nur halber Arbeitsaufwand – warum scheut selbst den das Traumpaar Schwesig/Weill?

  14. Lieber Herr Wolff, Ihren Optimismus, was die SPD in Sachsen abgetrifft, in allen Ehren. Kann ich aus Hannover her nicht beurteilen. Ich hoffe, Sie haben nicht nur unrecht damit und die SPD erhält wenigstens ein zweistelliges Ergebnis. Zustimmen kann und muss ich Ihnen aber in allen Punkten zum letzten Absatz, zu dem nicht nur chaotischen, sondern einem Offenbarungseid gleichenden (Sie sprechen von „Insolvenverwaltung“) sich quälend hinziehenden Wahl eines neuen SPD-Tandems als „Vorsitzende“. Ich sehe alle Bewerbungen bisher als Joke-Bewerbungen an (gerade auch das letzte Tandem, das nach Absage von Kevin Kühnert als Not-Not-Lösung zustande gekommen ist. Sie könnten sich ja auch bewerben, so alt sind Sie ja noch nicht (sogar jünger als manche Bewerberinnen) und genauso bekannt wie einige andere. Wenn Sie mich SPD-Sympathissanten (niemals Mitglied) fragen würden: Ich würde nicht für ein Tandem, sondern für Kevin Kühnerrt als einzigen Vorsitzenden plädieren. Der scheint mir noch eigenständig zu sein (kein Parteisoldat) und etwas von der alten SPD zu verstehen. Aber der wird wahrscheinloch von eingen Alt-Vorderen ausgebremst: „Du bist noch zu jung, deine Zeit kommt noch.“

    Viel Humor weiterhin bei Ihrer SPD-Eloge
    Axel Denecke

    1. Es gibt ein Tandem, das entgegen dem Abwärtstrend der SPD Aussichten verspricht: Michael Roth und Christina Kampmann. Sie überzeugen durch Seriosität und programmatische Glaubwürdigkeit. Christian Wolff

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