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Heimat?

Wieder einmal ist es en vogue, über „Heimat“ zu sprechen. Insbesondere Grüne und Sozialdemokraten scheinen ganz stolz zu sein, dieses Wort über die Lippen zu bringen, ohne zu erröten. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier tat es am Tag der Deutschen Einheit; Sigmar Gabriel empfiehlt der SPD, sich der Debatte um Heimat und Leitkultur nicht zu verschließen; Wolfgang Thierse sekundiert – wohl in Vorbereitung einer Tagung des Arbeitskreises „Christen und Christinnen in der SPD“ im Januar in Sachsen zum Thema „Heimat“. Man fragt sich, was das soll – zumal es eines der vielen Ammenmärchen im öffentlichen Diskurs ist, dass „Heimat“ in den vergangenen Jahren nicht thematisiert worden sei. Ich erinnere nur an die Fernsehserie „Heimat“ von Edgar Reitz, die 1981 begann – lange bevor Rechtspopulisten ihr Unwesen trieben. Der Regisseur Edgar Reitz zeichnet darin das Leben von Menschen in kleinen Ortschaften nach, ihre Geschichte, ihre Gegenwart. Warum aber nun der Aufruf von „Heimat“, „Leitkultur“, „Identität“ durch Sozialdemokraten – Worte, die sog. Rechtspopulisten seit Jahren als Kampfbegriffe vor sich hertragen? Man wolle die Begriffe nicht dem rechten Lager überlassen; man wolle sie nicht in einer gesellschaftspolitischen Tabuzone belassen und die Diskussion abwürgen, ist zu hören. Doch was ist damit gewonnen? Zunächst einmal nur, dass sich die rechte Szene bestätigt sieht: Wir benutzen die richtigen Begriffe, können sie triumphieren, denn Grüne und Sozialdemokraten springen über das Stöckchen, das wir hinhalten. Ja, es ist bitter: Ein Bedeutungswandel der Begriffe tritt solange nicht ein, solange nicht eine klare Abgrenzung zum Ge- oder Missbrauch von Worten erfolgt.

Wie wichtig und notwendig das ist, möchte ich an einem Beispiel verdeutlichen. Viele sind sich weitgehend einig darin, dass es sich beim Wort „Umvolkung“ um einen rassistischen Kampfbegriff aus nationalsozialistischer Zeit handelt, der im demokratischen Diskurs nichts zu suchen hat. Doch man traute seinen Ohren nicht, als am vergangenen Freitag der Dresdner Politologe Werner Patzelt im Deutschlandfunk-Interview den Erfolg der AfD auf das Bestreben der „politischen Klasse“ zurückführt, „die Zusammensetzung des Staatsvolkes zu verändern“. (http://www.deutschlandfunk.de/regierungsbildung-parteien-haben-keine-lust-verantwortung.694.de.html?dram:article_id=407078) Da unterstellt Patzelt subtil den politisch Verantwortlichen, sie hätten mit der Aufnahme von Flüchtlingen das „Staatsvolk“ (was immer das ist) bewusst verformt. Was aber unterstellt Patzelt – jenseits jeder Realität – anderes als „Umvolkung“? Doch den Vorwurf, sich damit den Neonazis gemein zu machen, würde er als bösartige Verleumdung zurückweisen. So macht man rechte Denkmuster salonfähig für den Diskurs. Mehr noch: Patzelt ist ein ideologisch ackernder Politikwissenschaftler, der seit Jahren die Übernahme der Pegida/AfD-Argumente empfiehlt, um angeblich so diese Gruppierungen bzw. Parteien zu neutralisieren. Wahrscheinlich ist aber das Gegenteil beabsichtigt und tatsächlich der Fall. Demgegenüber gilt es zu beachten: Heimat, Leitkultur, Identität gehören zum Arsenal einer rechtsgewirkten Abwehrschlacht gegen internationalen Handels- und Wissensaustausch, gegen Migration und Integration, gegen religiöse und kulturelle Vielfalt, gegen eine europäische Einigung im Geist von Toleranz, Freiheit und Demokratie.

Was also wichtig und notwendig ist: sich in der Debatte nicht auf das Argumentationsfeld rechtsradikaler Ideologie zu begeben, indem man deren Begriffe „erklärt“, anstatt sie zu entlarven. Denn es geht den neurechten Ideologen nicht darum, kulturelle Wurzeln, politische Grundwerte, regionale Besonderheiten freizulegen und zu pflegen, es geht ihnen ausschließlich um Ab- und Ausgrenzung, um Nationalisierung und die Betonung von völkisch durchtränkten Identitätsmerkmalen, die „Fremde“ nicht haben, haben können oder haben sollen. Doch davon hört man viel zu wenig – auch in der SPD. Also wird die AfD ein leichtes Spiel haben, sich in einer kruden Debatte als das „Original“ zu präsentieren. Es ist bitter: anstatt die Errungenschaften der Sozialdemokratie in ihrer über 150-jährigen Geschichte zu betonen, nämlich den politischen, wirtschaftlichen, kulturellen Internationalismus mit der Sorge um gleichberechtigte Teilhabe an Arbeit, Einkommen, Wohnen, Bildung vor Ort zu verbinden, versucht die SPD heute Begriffe zu besetzen, die nur eines verdeutlichen: dass die SPD an sich selbst und an den Menschen vorbeiredet. Dabei ist es so schwer nicht, globales Denken und lokales Handeln zu verbinden. Beispiel: dass der Siemens Konzern sein Werk in Görlitz schließen will, zeugt davon, dass sich die Unternehmensführung nicht nur von lokalen Verantwortlichkeiten gelöst hat, sondern dass für die Manager die Grundwerte gesellschaftliche Zusammenlebens keine Rolle (mehr) spielen (genauso wie die Grundwerte bei denjenigen schnell beiseitegeschoben werden, die Deutsche gegen Ausländer ausspielen und aufhetzen). Darum muss die SPD, aber nicht nur sie, den Menschen vor Ort eine Perspektive für ihr Leben vermitteln und Unternehmen in die gesellschaftspolitische Verantwortung zwingen. Konkret: Die SPD muss alles daran setzen, dass der vierköpfigen Familie in Görlitz, deren Mitglieder den Arbeitsplatz zu verlieren drohen, eine lebenswerte Zukunft ermöglicht wird, dass sie vor Ort neue Arbeit finden, ihr Eigenheim behalten, die Kinder zur Schule gehen können, der benachbarte Installationsbetrieb wirkungsvoll vor Diebstählen geschützt wird, das Schwimmbad in Betrieb bleibt.

Was gehört also zur Heimat? Nicht der Nationalstaat, nicht eine über diesen definierte Identität, auch keine völkisch getränkte Leitkultur. Beheimatung von Menschen findet da statt, wo man sich auf ein Zusammenleben der Generationen und unterschiedlich sozialisierter Menschen im demokratischen Diskurs verständigen und dieses gestalten kann. Letzteres ist aber nur möglich, wenn die Grundwerte nicht zu intellektuell abgehobenen Konstrukten erklärt werden. Darum ist es mehr als absurd, dass selbst Sozialdemokraten sich daran beteiligen, den einst von Johannes Rau deklarierten Verfassungspatriotismus gegenüber einer schwammigen Leitkultur abzuwerten. Grundwerte seien zu abstrakt, wird behauptet. Wie bitte? Menschenwürde, Gleichberechtigung von Mann und Frau, Asylrecht, Religions- und Meinungsfreiheit, Gewaltenteilung, Sozialstaatsgebot, Mitbestimmung sollen Menschen nicht verstehen, nicht begeistern können? Natürlich müssen Grundwerte der Verfassung, auch Grundwerte des Glaubens heruntergebrochen werden auf die realen Lebensverhältnisse, müssen also den Glaubwürdigkeitstest bestehen. Aber das hat zu geschehen, ohne im braunen Nebel rechtsradikalen Vokabulars herumzustochern.  Noch einmal: Es war die Sozialdemokratie, die den Internationalismus, die Idee der vereinigten Staaten von Europa (Willy Brandt) mit der Verbesserung der realen Lebensverhältnisse der Menschen verbunden hat (Arbeit, Wohnen, Bildung). Das geschah zum Beispiel dadurch, dass zwischen globaler Verantwortung für Völkerverständigung und der Naturfreundebewegung, dem Arbeitergesangverein und der Arbeiterwohlfahrt, zwischen einer europäischen Friedenspolitik und einer dem Menschen vor Ort dienenden sozialen Infrastruktur kein Gegensatz gesehen wurde und nicht werden sollte. Um das heute wieder zu aktivieren, benötigen wir kein Aufwärmen von all den Vorstellungen, die nationalistischem, militaristischem, völkischem Denken entspringen. Was wir brauchen: neue Beheimatung in dem, was heute dem Menschen dient – und das sind die gelebten Grundwerte, deren praktische Anwendung uns seit 73 Jahren den inneren und äußeren Frieden erhalten. In dem Moment, wo für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort Perspektiven friedlichen Zusammenlebens eröffnet und erfahrbar werden, wird die Sinnhaftigkeit universal geltender Werte schnell erkannt.

Zwei wichtige Ergänzungen

  1. Als Christen ist es fast unmöglich, im Blick auf das Alltagsleben von „Heimat“ zu sprechen. Denn solange wir auf Erden leben, bewegen wir uns auf das zu, was wir Heimat nennen können: Gottes neue Welt. „Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“ (Hebräer 13,14) Für Christen, für die Kirchen stellt sich die Aufgabe, diese Suche so zu gestalten, dass Menschen voller Hoffnung auf die zukünftige Stadt leben. Auch das führt zu nichts anderem, als durch konkretes Denken, Glauben, Handeln vor Ort Gott die Ehre zu geben, dem Nächsten zu dienen und Menschen in dieser Hoffnung zu beheimaten.
  2. Was ist meine Heimat? Düsseldorf, wo ich geboren wurde? Heidelberg, wo ich sehr intensiv die 68er Zeit erlebte und meine erste Frau kennen lernte? Mannheim, wo ich 15 Jahre als Gemeindepfarrer tätig war? Oder Leipzig, wo seit 1992 die rasante Entwicklung dieser so geschichtsträchtigen Stadt mit gestalten konnte, wo ich oft genug als „Fremder“ beschimpft wurde, der nicht zu den „Wir Leipziger“ gehört? Oder ist Heimat doch nur da, wo ich gerne lebe – und das ist Leipzig, obwohl ich unter der Rechtslastigkeit Sachsens und einer verknöcherten Landeskirche leide? Jedenfalls ist alles auf Zeit angelegt, vorläufig, vergänglich. Also lande ich dann doch wieder bei der ersten Ergänzung: Wir haben hier keine bleibende Stadt …

11 Antworten

  1. Vor wenigen Tagen, genauer am Heiligen Abend, berichtete tagesschau.de unter der Überschrift „Christen im Nahen Osten. Massenflucht aus der Heimat“ unter anderem dies:

    „Von Jahr zu Jahr verlassen mehr orientalische Christen ihre angestammte Heimat. Dies zeigt sich besonders stark im Irak und Syrien. Auch im Heiligen Land sind die Christen immer stärker marginalisiert. Bislang ist kein Ende des Prozesses in Sicht.“

    https://www.tagesschau.de/ausland/christen-naher-osten-101.html

    Es darf durchaus angenommen werden, daß diese Christinnen und Christen wissen, was ihnen Heimat war.

    Vielleicht könnten sie sogar den einen oder anderen Europäer wieder verstehen lehren, was das ist: Heimat.

  2. Lieber Herr Wolff, zunächst wünsche ich Ihnen und Ihrer Frau ein gutes neues Jahr und Gottes Segen für den weiteren Verlauf. Ihre Kommentare lese ich immer mit großem Interesse und ganz überwiegend auch mit großer Zustimmung. Was den Begriff „Heimat“ angeht, darf ich daran erinnern, dass es sich auch um einen juristischen Begriff handelt, denn nach Art. 3 Abs, 3 GG darf niemand wegen seiner „Heimat und und Herkunft“ benachteiligt werden. Im Unterschied zur „Herkunft“, die sich auf die „sozial-standesmäßige Abstammung“ bezieht, ist der Begriff „Heimat“ rein örtlich zu verstehen, d.h. es dürfen keine Nachteile entstehen, weil jemand in die „neue Heimat“ zuzieht. Die Frage „Woher kommen Sie?“ darf deshalb nicht ursächlich sein für eine Schlechterstellung der Zugezogenen gegenüber den Einheimischen. Der Begriff eignet sich daher nicht als Grundlage einer „Leitkultur“ oder eine Aufladung mit völkischem Gedankengut. Ganz im Gegenteil, das Diskriminierungsverbot in Art. 3 GG soll die Ausgrenzung von ursprünglich ortsfremden Personen verhindern. Historisch gesehen ist das vor allem auf dem Hintergrund der Heimatvertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg zu verstehen. Umso erstaunlicher ist es, das ausgerechnet die ehemalige Präsidentin des Bundes der Vertriebenen und Sprecherin der CDU Bundestagsfraktion für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe, Erika Steinach aus Protest gegen eine den Maßstäben des Grundgesetzes verpflichtete Flüchtlingspolitik aus der Partei ausgetreten ist und heut die AfD unterstützt. Es grüßt Sie herzlich aus der badischen „Heimat“ – ich selbst bin in Thüringen geboren, in Lippe aufgewachsen und lebe seit 1969 ganz ohne Diskriminierung in Baden – Ihr Jörg Winter

    1. Frau Steinbach konnte nie ganz akzeptieren, dass Deutschland nun andere Grenzen hat als 1942. Betrachtet man ihre „Politische Heimat“, so kann sie als Heimatvertriebene gelten. Denn die Union hat ihre Einstellung zum revanchistischen Lager der Heimatvertriebenen Stück für Stück korrigiert.
      😉

  3. Ach ja, lieber Herr Wolff, ich habe in meiner unmittelbaren Familie Briten, Australier, Kanadier, Brasilianer und Argentinier und bin selbst in Deutschland, England, Amerika und Frankreich aufgewachsen, war dann in Deutschland, Belgien, Griechenland, China und der Mongolei sowie in internationalen Verwendungen der Nato beruflich tätig – ich weiß nicht, ob da das Wort vom Blinden und der Farbe angebracht ist.
    Nein, Sie versuchen einen Unterschied zwischen Heimat und Wurzeln zu schaffen, der doch recht durchsichtig ist. Wenn man, wie ich, in seinem Leben an rund 30 Orten gelebt (im Sinne von „polizeilich angemeldet“) hat, dann weiß man schon etwas über die Frage, was „Heimat“ und „Wurzeln“ ausmacht und daß der Unterschied in der Praxis unerheblich ist.
    Und die doppelte Staatsbürgerschaft ist dann schädlich, wenn sie – wie bei sehr vielen unserer türkischen Mitbürger – zu gespaltener Loyaliät und dem „Cherry-picking“ bei Vorteilen führt. Daß sie, wie bei vielen unserer EU-Mitbürger, auch eine positive Brückenbau-Funktion haben kann, ist unbestritten. Im Rechtswesen wirkt sie sich, wie das traurige Beispiel Deniz Yücel zeigt, häufig zum Nachteil des Betroffenen aus.
    Aber wir können uns darauf einigen – gerne – daß die Begriffe nicht mißbraucht werden dürfen, wobei „Mißbrauch“ natürlich definitionsbedürftig ist: Ich zB kritisiere ja gerade, daß Sie sie mißbräuchlich schlechtreden, wenn Sie sie auschließlich der Rechten als Kampfbegriff zuordnen.
    Auch Ihnen meine besten Grüße,
    Andreas Schwerdtfeger

  4. Lieber Christian Wolff, erst vor kurzer Zeit bin ich zur SPD und darüber auch auf Ihren Blog gestoßen. Vielen Dank für diese überaus strukturierten und orientierenden Gedanken!
    Könnte es sein – so überlege ich -, dass viele Menschen in den gegenwärtig vom Neoliberalismus gebeutelten und gespaltenen Gesellschaften Inklusion vermissen und nach etwas suchen, dass der enormen Exklusionsdynamik entgegenwirken könnte? Und dafür nun Begriff und Konzept von „Heimat“ einsetzen? Wir hätten es dann mit dem sehr berechtigten Wunsch nach sozialer Anerkennung und Teilhabe zu tun, einer Art von „qualifizierter Beheimatung“ an einem Ort, der Dazugehörigkeit und Akzeptanz gewährt. Der sich hier allerdings in bedenklichem und belastetem Vokabular ausdrückt und natürlich missbraucht werden kann und auch kräftig wird – im Grunde aber ein Reflex auf das Auseinanderfallen der Gesellschaft wäre?
    Herzliche Grüße und alles Gute für das neue Jahr!
    Annette

    1. Liebe Annette, das sehe ich genauso. Aber gerade deswegen ist es so wichtig, dass Sozialdemokraten nicht noch das Denken verstärken, das das berechtigte Anliegen in eine falsche Richtung lenkt. Darum muss sozialdemokratische Politik vor Ort um die konkrete Lebenslage der Menschen kümmern, die keine Möglichkeit haben, sich ein Schwimmbad in den eigenen Garten zu bauen oder mal schnell dem Alltag zu entfliehen, indem man an einen wunderschönen Fleck dieser Erde fliegt und das Leben genießt. Eine solche Politik muss eingebunden sein in die Grundwerte, die wir keinen Moment vernachlässigen oder gar abschleifen dürfen. Beste Grüße und viel Zuversicht für das neue Jahr. Christian

  5. „Die Unterminierung feststehender Begriffe … (ist) das im negativen Sinne erfolgreichste und gefährlichste …, was in der Menschen Möglichkeit liegt“ – schrieb einst der vielgeschmähte Heinrich Brüning (Zentrumspartei, Reichskanzler 1930-32). Und was immer man von Brüning hält – hier hat er Recht. Statistisch gesehen stirbt eine riesige Mehrheit der Deutschen im Umkreis von 30 Kilometern ihres Geburtstortes. Statistisch gesehen ist die überwältigende Mehrheit der Deutschen gegen eine Zusammenlegung von Bundesländern, obwohl diese doch politisch sinnvoll wäre. Statistisch gesehen bewahren die verschiedenen Regionen in der Bundesrepublik Deutschland auch heute in der globalisierten Zeit immer noch ihre regionalen Eigenheiten in allen kulturellen Fragen (Essen, Feste, Bräuche, ja bis zu einem gewissen Grad auch Charaktere: der kühle Norddeutsche, der lebensfrische Bayer, der sparsame Schwabe, etc). Und dann kommt unser ideologisch beheimateter Pfarrer Wolff und versucht uns einzureden, „Heimat“ sei ein politischer Kampfbegriff. Es hat etwas Lustiges!
    Wenn heute die AfD behaupten würde, die Sonne ginge im Osten auf – Herr Wolff würde es bestreiten, weil es von der AfD kommt. Und nur weil eine solche Partei und/oder ihre Anhänger bestimmte Begriffe benutzen, sind diese weder „falsch“ noch „unbenutzbar“. Die Unterminierung der Begriffe „Ehe“ und „Familie“ feiert(e) Herr Wolff enthusiastisch, nun kommt der der „Heimat“ dran; dies verbunden mit der „bitteren“ Erkenntnis: „Ein Bedeutungswandel der Begriffe tritt solange nicht ein, solange nicht eine klare Abgrenzung zum Ge- oder Missbrauch von Worten erfolgt“. Was schließen wir aus dieser Erkenntnis? Will Herr Wolff einen Bedeutungswandel und sucht also nach Abgrenzung? Will er keinen Wandel und meidet also die Abgrenzung? Fest steht: Hier wird versucht, einen Begriff, den Millionen Deutsche täglich selbstverständlich leben, solange zu ideologisieren, bis er so verschwommen ist, daß man ihn für eigene Propaganda einsetzen und eben diese Menschen verteufeln kann.
    „Heimat, Leitkultur, Identität“ macht Herr Wolff „zum Arsenal einer rechtsgewirkten Abwehrschlacht“ und verdreht damit uralte Erkenntnisse über den Menschen, die in der von ihm sodann beschworenen Welt des „internationalen Handels- und Wissensaustausch(es), … (der) Migration und Integration, … (der) religiöse(n) und kulturelle(n) Vielfalt, … der europäische(n) Einigung im Geist von Toleranz, Freiheit und Demokratie“ leben und also offensichtlich ein charakterlicher Mischladen sein müssen, um in dieser Welt bestehen zu können. Daß die Fähigkeit zur Toleranz, zur Freiheit, zur Anerkennung fremder Kulturen auch im eigenen Umfeld, zum Austausch von Ideen, Waren und Meinungen, zur Demokratie zwingend darauf beruht, daß man selbst einen festen Standpunkt, eine klare Meinung, Haltung und Charakter, eben eigene feste Leitlinien und Standpunkte, Überzeugungen und erkennbare Identität hat – dies alles wird hier eben mal schnell in ideologischen Brei verwandelt. Den hier in Deutschland lebenden Menschen mit doppelter Staatsangehörigkeit wird ständig eingeredet – und uns Deutschen auch –, man dürfe sie nicht von ihren „Wurzeln“ trennen; was ja wohl heißt: Sie haben Wurzeln und diese sind woanders – also in ihrer „Heimat“. Deutsche dagegen – so Herr Wolff – dürfen keine Wurzeln haben, mindestens nicht drüber sprechen, denn dann wird’s rechtsradikal.
    Also, lieber Herr Wolff, kommen Sie zurück zur Sachlichkeit: Heimat, Leitkultur, Identität sind menschliche Ur-Bedürfnisse und menschliche Grundcharakterisierung. Und sie bleiben dies auch dann, wenn diese Begriffe von Rechts- wie Linksideologen benutzt oder abgelehnt werden. Die Abgrenzung zum Ge- oder Mißbrauch erfolgt dann, wenn man Konfuzius berücksichtigt: „Der gebildete Mensch duldet in seinen Worten keine Unordnung“. Das gilt für die „Ehe“, das gilt für die „Heimat“, das gilt für die „Menschenwürde“ und besonders auch für die „Freiheit“.
    Daß einige in der SPD dies erkannt haben, ist erfreulich und zeigt, daß es dort auch Leute gibt, die bei den Menschen sind. Durch Ihre Haltung, lieber Herr Wolff, schimmert doppelmoralische Ideologie und intellektuelle Arroganz – beides politisch untauglich.
    Mit freundlichem Gruß,
    Andreas Schwerdtfeger

    1. Ach ja, lieber Herr Schwerdtfeger, das kommt heraus, wenn man wie der Blinde von der Farbe spricht. Nun bin ich mit einer Frau verheiratet, die gerade dabei ist, die doppelte Staatsbürgerschaft zu erwerben: neben der tschechischen die deutsche. Gott sei Dank ist dies nun möglich. Damit ist noch lange nicht geklärt, wo ihre Heimat ist. Denn Heimat bedeutet etwas anderes als „Wurzel“. Ersteres kann sich ändern, das zweite nicht – d.h. da können höchstens noch weitere dazu kommen. Vielleicht können wir uns darauf verständigen, dass es darauf ankommt, dass die drei Begriffe nicht dazu ge- oder missbraucht werden, um andere auszugrenzen. Letzteres ist aber bei all denen fast durchgängig der Fall, die die Begriffe in der politischen Debatte einsetzen. Dem muss widerstanden werden. Beste Grüße Christian Wolff

      1. Ich persönlich kann auf den Heimatbegriff gerne ganz verzichten. Ich bin Bürger eines Staates, damit Träger von Rechten und Pflichten. Ich lebe in einer Stadt, in deren Gemeinwesen ich mich demokratisch und bürgerschaftlich einbringe. Das alles sind dynamische Gebilde; Heimat hat etwas Statisches. Meine „Heimatstadt“ hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert, auch mein „Heimatland“ und mein „Heimatplanet“. Was also ist das: Heimat? Ein obsoletes und idealisiertes Trugbild, dessen Vergleich mit der Realität IMMER enttäuschen muss.
        „Volk“ fällt in die gleiche Kategorie. Haben wir keine Bürger mehr, die den Staat tragen – ein jeder mit Rechten und Pflichten? Sind wir wirklich ein „Volk“, was statisch einfach da ist, wie eine Herde im Gatter? Gehört man noch zum Volk, wenn man ausgewandert ist? Gehören all die Neu-Amerikaner, Neu-Israelis, Neu-Chileninnen noch zum Volk? Wie beteiligen die sich am Gemeinwesen und dürfen Sie dennoch bei uns wählen?
        Was also ist „das Volk“?

        Und wenn die SPD jetzt über Volk und Heimat spricht, dann trete auch ich in die SPD ein. Aber nur, um sogleich den Antrag auf Selbstauflösung der Partei aufgrund mangelnder EIGENER Themen und Ideale zu stellen.
        Für eine Everybodies-Darling-Partei, die es ALLEN recht macht, sehe ich ein Potential von 5%. Das sind die 5%, die gar keine eigene Meinung haben. Schade, SPD.

  6. Lieber Christian Wolff, das sehe ich ähnlich wie Du. Durch die Entwicklung im Nachkriegsdeutschland ging ich meiner „Geburtsheimat“ verlustig. 1955 war die Familie durch die DDR-Verhältnisse gezwungen sich eine „Wahlheimat“ zu suchen. Da mein Vater Aussendienst-Techniker der Deutschen Hollerith Gmbh war, lag es Nahe Baden Württemberg als Solche zu wählen. Baden-Württemberg war mir viele Jahre zur Heimat geworden. Einen nicht unwesentlichen Beitrag leisteten die Gewerkschaften und die SPD bzw. die Persönlichkeiten mir denen ich in Kontakt kam.
    Der Heimatbegriff war zu dieser Zeit „unverdächtig“. Zu midest kam mir das so vor. Dies änderte sich als ich 2001 in meine „Geburtsstadt“ Leipzig zurück- aber nicht heimgekehrt bin. Hier „durfte“ ich Erfahrungen sammeln, innerhalb und vor allem außerhalb der SPD, die ich mir nur als „Wiederauferstehen“ längst überwundener Zeiten und Zustände, erklären kann. In mir festigt sich die Überzeugung, das die „Entnazifizierung“ in der „EX-DDR“, ein Hirngespinst war. In meiner „Wahlheimat habe ich gelernt, das am lautesten von dem gesprochen wird, was man/frau am wenigsten hat. In diesem Sinne, uns Allen, ein Gutes Neues Jahr!

    1. Als Ergänzung meines Beitrages ist es angezeigt, mal bei Wikipedia zur Causa Patzelt zu schauen. Vor allem was Oliviero Angelo anzumerken hat.

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