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Endlich zur Sache kommen

Eine GroKo wird es nicht geben. Denn eine mögliche CDU/CSU-SPD Koalitionsregierung ist keine „große“ Koalition, sondern mit knapp 53 Prozent Stimmenanteil allerhöchstens eine schwarz-rote Koalition. Insofern muss niemand die Sorge haben, dass eine solche Koalition das Parlament bedeutungslos macht. Die Stimmenmehrheit wird sich vielleicht schneller verbrauchen, als manchem lieb ist. Aber so weit ist es noch nicht. Denn noch wird sondiert. Aber was? Die bisherigen Verlautbarungen hören sich nicht verheißungsvoll an:

  • Die Medien sind erpicht darauf, endlich mit der Meldung aufwarten zu können: Diese Sondierungsgespräche sind auch nicht besser als die gescheiterten der Jamaika-Parteien. Kaum einer hält sich an die Regel, alles dringt nach draußen. Also stehen schon seit Tagen nicht Inhalte im Mittelpunkt, sondern die Etikette: wer hat wem was wann „zugestochert“.
  • Die CSU gefällt sich darin, kurz vor den Sondierungsgesprächen eine Tonlage anzuschlagen, die kaum noch zu unterscheiden ist von der AfD. Wer hat da noch Lust, mit den Dobrindts und Scheuers zu verhandeln? Wie soll das zusammen gehen: das dümmliche Gerede von der „konservativen Revolution der Bürger“, um die „68er“ endlich zu entmachten, und eine Partei, die das große Verdienst hat, 1968ff eine aufbegehrende Generation zu integrieren und gleichzeitig die Demokratie zu erneuern und die für ein weltoffenes Deutschland steht?
  • Statt dass über einen neuen Gesellschaftsentwurf (wo bleibt die sozialdemokratische Geschichte, die den Menschen erzählt werden kann?) gestritten wird, geht es in erster Linie um Abgrenzungen. Das Thema Integration wird reduziert auf den Familiennachzug; über Geflüchtete wird nur mit dem ausgrenzenden Unterton „(krimineller) Störfaktor“ gesprochen; das Zukunftsthema Energie reduziert sich auf abstrakte Daten, wann vereinbarte Klimaziele angeblich erreicht werden können; von zukunftsweisenden Visionen für Europa, für Renten, die für Menschen im Alter auskömmlich sind, für die öffentliche Infrastruktur, für lebensfähige Ortschaften im ländlichen Raum, für Wohnungsbau in den Städten, für radikale Begrenzung der Rüstungsausgaben und -produktion hört man nur wenig.

Dabei wäre es jetzt so wichtig, dass den Menschen, die jetzt in Deutschland leben, das Angebot einer erstrebenswerten Vision von einer demokratischen, pluralen Gesellschaft in Europa gemacht wird: Wie sich ihr Leben vor Ort entwickelt und dabei ihr Bedürfnis nach Sicherheit, nach Freiheit, nach gerechter Teilhabe an Einkommen, Arbeit, Bildung Berücksichtigung findet. Ich nenne ein paar Stichworte:

  • Europa: Ja, die Vision von den Vereinigten Staaten von Europa kann dazu führen, dass die Regionen in den einzelnen Staaten an Bedeutung gewinnen. Gleichzeitig verlieren der Nationalstaat und damit die Versuchung, diesen zum die Fremden ausschließenden Identifikationsmerkmal zu erheben, an Bedeutung. Das Friedensprojekt Europa wird neue Strahlkraft erhalten, insbesondere für die Neuordnung von krisen- und kriegsgeschüttelten Weltregionen im Nahen Osten oder auf dem afrikanischen Kontinent – wenn die europäischen Länder sich darin einig sind, den Krieg anheizenden Rüstungswettlauf zu durchbrechen.
  • Bildung: Ja, wir benötigen die kostenfreie Zugänge zu Kitas, Schulen und Hochschulen und mehr Kompetenzen des Bundes für die Schulpolitik. Genauso wichtig ist aber auch, dass wir uns neu über die Bildungsinhalte verständigen, den Bildungskanon insbesondere für die Gymnasien entmüllen und mit dem Anspruch an die Schulen herangehen: Jede sollte eine Elite-Schule sein, also eine exzellente Bildung und Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen ermöglichen. Schließlich brauchen wir kulturell gebildete, sozial kompetente, demokratisch gesinnte Schul- und Hochschulabsolventen.
  • Integration: Ja, wir wollen, dass die Menschen, die jetzt in unser Land gekommen sind und zukünftig kommen werden, eigenverantwortlich am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Wir brauchen eine enge Verzahnung von Integrations- und Sprachkursen mit Ausbildung und Arbeit und das Angebot von Wohnraum. Anerkennung der Grundwerte der Verfassung und die Möglichkeit, die eigene kulturelle und religiöse Identität zu wahren, sind Bedingungen für eine gelingende Integration.
  • Rente: Es muss alles getan werden, damit auch in Zukunft Menschen von ihrer Rente leben können. Wenn jetzt nicht das Rentenniveau Zug um Zug erhöht wird und gleichzeitig die Betriebsrenten gestärkt werden, droht in einer überschaubaren Zeit eine verheerende Altersarmut.
  • Energie, Klimaschutz: Bürgerinnen und Bürger möchten nicht mehr mit Leisetreterei abgespeist werden. Es ist jetzt an der Zeit, unmissverständlich das Ende der Braunkohleförderung, Kohleverstromung und des Verbrennungsmotors auszurufen. Natürlich muss der Ausstieg so gestaltet werden, dass die betroffenen Arbeitnehmer/innen und Regionen umfassend Unterstützung bei der Neuorientierung und Ansiedlung neuer Arbeitsplätze erfahren. Ohne diese Klarheit werden die Lasten einseitig denen aufgebürdet, die jetzt dafür herhalten müssen, dass die Unehrlichkeit noch politisch legitimiert wird: die Arbeitnehmer/innen.
  • Digitalisierung: Es wird vor allem darauf ankommen, diese Begriff in der politischen Debatte zu entzaubern. Derzeit bewegt sich der Begriff zwischen Verführung und Bedrohung, Vision und Apokalyptik. Digitalisierung ist kein Wert, sondern ein Mittel. Eines der Hauptprobleme, das gelöst sein will, wird sein, wie wir die analoge Kommunikation, also die zwischenmenschlichen Beziehungen, in einem digital organisierten Alltag und einer Arbeitswelt gestalten und die Grundwerte des menschlichen Lebens nicht aus den Augen verlieren.

Erinnern wir uns kurz an den Januar 2017: Als Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten der SPD designiert wurde, kam plötzlich Bewegung in die politische Szenerie, nicht nur in der SPD. Die rechtsradikalen Gruppen und Parteien verloren an Bedeutung. Warum? Weil zum einen ein neues, unverbrauchtes Gesicht auf die bundespolitische Bühne kam, und zum andern Martin Schulz für Europa und für eine Politik stand, die wieder alle Bürgerinnen und Bürger einbeziehen wollte. Jedoch haben sowohl er selbst wie die SPD diese Chance nicht ergreifen und die hohen Erwartungen nicht erfüllen können. Derzeit sind die rechtsradikalen Gruppen und Parteien wieder im Aufwind. Warum? Weil alles so weiterzugehen droht, wie vor dem 24. September 2017: Merkel forever … wir machen nur das, wozu uns die Verhältnisse zwingen. Deswegen: Eine schwarz-rote Koalition hat nur dann eine Chance, wenn zentrale Positionen durch neue Frauen und wenig Männer besetzt werden und – noch wichtiger: politische Vereinbarungen getroffen werden, denen eine Vorstellung demokratischer und sozialer Teilhabe aller in einem geeinten Europa zugrunde liegt, über die aber auch in der zukünftigen Regierung und im Parlament gestritten werden kann und muss. Wir brauchen keine Konsensunion, sondern den Geist eines demokratischen Aufbruchs.

7 Antworten

  1. Hier muss – und es wird für absehbare Zeit ein letzter Kommentar auf das unselige, von uferlosem Narzißmus gepeinigten Einlassungen des sich in unendlicher Selbstverliebtheit suhlenden CDCSU-Parteisoldaten aus dem rheinischen Spaßsprengel mit längst nicht mehr zu übersehender Realitätsentfremdung, gespeist aus der Verkennung der Differenz aus Theorie und Praxis – in wenigen Worten widersprochen werden:
    – Faszination übern nach meiner Erfahrung die Menschen aus, die sich mit Souveränität, Klugheit und empirischer Erfahrung sachlich und tolerant zu Wort melden und den Andersdenkenden respektieren
    – Schwafeleibezichtigung, Aberkennung der Autorität des Anderen (elementares Menschenrecht und die humanitär begründete Pflicht, das Individuum in der Freiheit seiner Wortwahl, so sie nicht verletzt, diffamiert) und der fahrlässige Vorwurf der Ideologisierung offenbaren eine bedenkliche Persönlichkeitsstörung
    Brevi manu und dies ganz klar: einer Belehrung über Demokratie bedürfen wir hier nicht.
    Und ich als Jahrgang 1950 ganz und gar nicht!
    Herr Schwerdtfeger (ein trefflicher Name für einen Parteisoldaten) könnte doch mal den Kollegen Dobrindt über demokratische Elementarkenntnisse insofern aufklären, als dessen allerjüngste Einlassung zum Rumoren innerhalb der SPD nach den zwiespältigen Sonderungsgesprächen etwa lautet: Martin Schulz sollte doch dafür sorgen, dass die Kritik in der SPD aufhört – welch wunderbares Demokratieverständnis. Und Söder setzt noch drauf: die Ergebnisse der Sondierungsgespräche seien doch bereits der Koalitionsvertrag – noch besser!
    Das ist genau das, was Schwerdtfeger meint mit: „…mit der Union ist der SPD nach dem Kriege eine Konkurrenz entstanden, die gerade auf dem Gebiet des gesellschaftlichen Friedens und Ausgleichs derart Vieles erfolgreich geleistet hat, dass eben das SPD-Profil als „Sozialpartei“ ausgewaschen wurde.“. An Sinnesverblendung nicht mehr überbietbar!
    Auch ich kann nur hoffen (selbst mit der gelinden Gefahr, damit in gewissem Widerstreit mit meinem langjährigen Freund und Wegbegleiter Chr. Wolff zu geraten…), dass endlich, endlich ein ordentlicher, tatsächlicher Ruck durch die gesamte SPD geht und es schleunigst mindestens zu einer Minderheitenregierung kommt.
    Dann werden wir ja ziemlich rasch erkennen, wozu diese elend arrogante und autoritär agierende Truppe tatsächlich fähig, vielmehr unfähig ist. Und es wird dann sehr nötig sein, eine Neuwahl zu organisieren, um endlich, endlich eine sachorientierte und dem Volke zugewandte Realpolitik erfahren. Dies wird bereits zunehmend von ganz anderen Leuten prognostiziert. Das wars !

  2. Es ist wie üblich bei unserem unglückseligen Jo.F: Er hat sich mich wieder ausgesucht, obwohl er doch eigentlich gar nicht mit mir diskutieren will. Und dann zitiert er mich wie immer – ich übe offensichtlich große Faszination auf ihn aus -, erklärt mein Zitat als Unsinn, belegt dies aber nicht mit Gegenargumenten, sondern verfällt ins Schwafeln oder Wadenbeissen. O Flade – es gibt noch viel zu lernen im demokratischen Diskurs!
    In der Realität – die heutigen Kommentare zeigen es überwiegend – ist das Sondierungspapier ein „Weiter so“. Aus SPD-Führungssicht also gilt wohl der Satz, daß es ein solches Weiter-so nicht geben dürfe, nicht mehr. Es war ja auch so schlecht nicht, auch wenn der CDU ein neues Gesicht gut täte. Herr Wolff schreibt im nächsten Beitrag, die SPD habe seit der Wahl aus staatsbürgerlicher Verantwortung gehandelt. Da übersieht er wohl den Zeitraum von der Wahl bis zum Appell des Bundespräsidenten, in dem sich die SPD jeder Verantwortung entzogen hat. Die SPD-Basis könnte das Papier ablehnen, dann kommen Neuwahlen, sie werden die AfD stärken, die SPD unter 20 % drücken, eine Regierungsbildung anschließend noch mehr erschweren und am Schluß auch nicht viel anderes bringen.
    EINEN erheblichen Mangel hat das Papier und die Einigung, der in seinem Europa-politischen Teil deutlich wird und den ich gerne als „Militär a.D.“ verdeutliche: Wenn Europa nach innen und außen die Rolle spielen will, die dort beschrieben ist, dann wird es sich mit der Frage der Sicherheitspolitik, von Streitkräften, von Projektionspotential und überzeugender auch militärischer Stärke in anderer Form auseinandersetzen müssen, als dies dort und bisher schon der Fall ist. Ich führe das nicht weiter aus, weil Jo.F es nicht begreift und Herr Wolff aus Ideologie heraus sich den Realitäten verweigert. Einer sachlichen Diskussion allerdings stelle ich mich gerne.
    Herzliche Grüße,
    Andreas Schwerdtfeger

  3. Unser blogbegeisterter, rheinische Militär a.D. schreibt doch tatsächlich und ist davon ganz offensichtlich überzeugt (ansonsten würde er es nicht notieren müssen):
    „…mit der Union ist der SPD nach dem Kriege eine Konkurrenz entstanden, die gerade auf dem Gebiet des gesellschaftlichen Friedens und Ausgleichs derart Vieles erfolgreich geleistet hat, dass eben das SPD-Profil als „Sozialpartei“ ausgewaschen wurde.“
    Es ist das allerabsurdeste, was man nur meinen, gedenke denn schreiben kann; jedenfalls hörte ich so etwas selbst von CDU-affinen Mitläufern bisher nicht. Die bisherige Schleuderpolitik eines Seehofer, Dobrindt und anderen eiernden Christ“sozialen“ (???) muss nicht mehr verfange haben. Erst recht nicht nach der höchstfatalen Feststellung einer realitätsentfremdeten Dr. Merkel Minuten nach dem katastrophalen Wahlergebnis vom 24.Sept. 2017: sie wisse nicht, was man jetzt anders machen sollte….
    Nach den ersten Verlautbarungen von heute aus den div. Parteizentralen nach einem wahrlich sehr anstrengenden Sondierungsmarathon, getrieben von unbedingtem Erfolg, eine weitere Große Koalition alternativlos zu zimmern, stößt die vielbeschworene, jetzt geplante Neugestaltung dieser wankenden Republik unter Merkels narkotisierender „Führung“ (?) bereits auf einige Bedenken.
    Erst, wird das Volk über die Wahrheiten en detail aufgeklärt, erkennen wir hoffentlich, mit welchen Realitäten wir es für die nächsten 4 Jahre zu tun haben werden – der Landpfleger wird sich verwundern! Bernd Ulrich in der DIE ZEIT macht da auf einiges ziemlich deutlich aufmerksam (Herr Schwerdtfeger: vielleicht lesen Sie mal was anderes ?, ich empfehle es Ihnen gern.
    Ich gehöre jedenfalls nach wie vor nicht zu denen, die diese Neuauflage GroKo begrüßen; eines Besseren lasse ich mich gern belehren.
    Und was die 68er betrifft, verehrter A. Schwerdtfeger, wäre ich ein wenig sensibler mit dem Verriss! Denken Sie bei Gelegenheit z.B. an Heinrich Böll – so ein Mensch könnten wir auch heute gut gebrauchen. Er haderte zunächst sehr mit der SPD, hatte dann – wie bekannt – ein nicht uninteressantes Miteinander mit Brandt. Und Schaden richtete Böll nicht an – ganz gegenteilig!
    Und zuletzt meine ich: lieber den Wolff in der Sondierungsrunde – er ist thematisch viel zu involviert, als dass man ihm Schwachsinnigkeit attestieren dürfte! Und einen ehemaligen Pfarrer mit dem SPD-Parteibuch in der Tasche des Abenteurertums zu bezichtigen – verehrter Herr Schwerdtfeger: selbst wenn Sie den Wolff nicht mögen (was ich, wie Sie denken und schreiben, durchaus verstehe…) – das ist schon ein starkes Stück und zeugt von Böswilligkeit. Herzliche Grüße nach Leipzig an Dich, lieber Christian.

  4. Was für eine abenteuerliche Vorstellung, daß ein so politisch kompromißunfähiger Mann wie unser Pfarrer in eine Sondierungsrunde unterschiedlicher politischer Anliegen entsandt werden könnte! Wer die Unterschiede zwischen AfD und CSU nicht sieht – die einen hetzen vor sich hin, die anderen suchen verantwortungsbewußt nach für unser Land verkraftbaren Lösungen (hören Sie nur mal die Meinungen der SPD-Bürgermeister unzähliger Städte zu Flüchtlings- und Nachzugsfragen) –, der hat offensichtlich nicht die Fähigkeit, in der Demokratie Politik zu machen.
    Es ist ja nicht so ganz falsch, wenn man endlich ein Aufräumen mit der Ideologie der 68’er herbeiwünscht – und zwar vor allem im Interesse der SPD –, denn diese Generation hat zwar das unbestrittene Verdienst, daß sie die damalige Bundesrepublik Deutschland in die notwendige und verantwortungsbewußte Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und seinen Verbrechen, mit der Schuld des ganzen deutschen Volkes gezwungen haben, sie hat aber eben auch die SPD weggeführt von ihrer Tradition als Vertreterin der Arbeiterschaft und des sozialen Ausgleichs und stattdessen Gleichmacherei, ideologische Experimentiererei und elitäre Abstraktion von politischen und gesellschaftlichen Realitäten, insbesondere auch eine völlig realitätsferne Sicherheits- und Verteidigungspolitik auf ihre Fahnen geschrieben. Und jedes Mal, wenn sie dann einen Führer hatte, der einigermaßen realitätsnahe Politik gemacht hat, besonders Schmidt mit dem Doppelbeschluß und Schröder mit der Agenda, dann hatten eben diese 68’er nichts eiligeres zu tun, als ihren eigenen Mann zu stürzen.
    Es ist ja gerade das Handicap des lieben, aber als Führer völlig unfähigen Martin Schulz, daß er um der Ideologie willen und wahrscheinlich gegen seinen Instinkt seine SPD in Schlangenlinien führt und niemand weiß, wofür er steht. Jetzt fehlt nur noch, daß er Minister (neues Europa-Ministerium?) unter Merkel wird und seine Aussage, unter Merkel würde er nicht dienen, vergessen ist. Wenn er nicht überhaupt dem Partei-Unsinn der Mitgliederbefragung zum Opfer fällt.
    Die sozialdemokratische Geschichte verfängt bei den Menschen aus zwei Gründen nicht mehr:
    – Die SPD der Gründungs- und Zwischenkriegsjahre hat außer dem Namen nichts gemein mit der Nachkriegs-SPD und dies eben insbesondere nicht mehr seit sie von den 68ern für deren elitäre und weltfremde Revolution gekapert wurde;
    – mit der Union ist der SPD nach dem Kriege eine Konkurrenz entstanden, die gerade auf dem Gebiet des gesellschaftlichen Friedens und Ausgleichs derart Vieles erfolgreich geleistet hat, daß eben das SPD-Profil als „Sozialpartei“ ausgewaschen wurde. Es gibt für die SPD der alten Schule in einem Sozialstaat unserer Realität eben keine wirkliche Daseinsberechtigung mehr, wie ja ihr ständiger Niedergang zeigt. Das „Bedürfnis nach Sicherheit, nach Freiheit, nach gerechter Teilhabe an Einkommen, Arbeit, Bildung“ ist durch die CDU in der Nachkriegsgeschichte unseres Landes derart überzeugend befriedigt worden, daß eben eine ins Ideologische ausgewichene SPD nicht mehr überzeugt.
    Zu den Stichworten:
    1. Europa:
    Die Vision der Vereinten Staaten von Europa ist richtig: Ob dieses Europa aus Staaten oder Regionen besteht (auch Ulrike Guérot diskutiert ja dieses Thema ohne wirklich zu überzeugen) ist dabei eher irrelevant, denn gerade das Baskenland, Katalanien, Norditalien, der Balkan und viele weitere Regionen beweisen uns ja, wie sehr „nationalistisch“ auch Regionen sein können. Europa muß vielmehr in seinen wirtschaftlichen, sozialen, finanzpolitischen Gegebenheiten, in seinen Bildungs- und Arbeitsmarktpolitiken, in seinen Leistungen gegenüber der Union wie auch in den jeweiligen Binnenleistungen der Staaten/Regionen, etc, angeglichen werden, bevor die Vereinten Staaten entstehen können. Dies kann zwischen Staaten sicherlich leichter als zwischen Regionen passieren. Ein solches Europa wird andere Führungsfiguren brauchen als Buchhalter mit Oberlehrercharakter wie Schulz.
    2. Bildung:
    Der beste Beitrag zur Bildung in unserem Lande wäre endlich die Abschaffung der Hoheit auf diesem Gebiet durch die Länder (wie ja überhaupt die Länder als politische Ebene inzwischen völlig überflüssig sind in unserem Lande – ja, ich weiß, die Verfassung!). Dann nämlich würden viele Mittel frei aus der augenblicklichen Verwaltung dieses Gebiets, die dem Inhalt zukommen könnten; dann endlich hätte wir einheitliche Standards auf sicherlich höherem Niveau; dann vor allem hätten wir das Problem gelöst, daß dieses Gebiet unentwegt für ideologische Experimente mißbraucht wird. „Demokratisch gesinnte Schul- und Hochschulabsolventen“ allerdings haben wir auch jetzt schon – was Herr Wolff mit seinem Hinweis wohl meint, sind Studenten mit seinem Demokratieverständnis, aber das wäre etwas einseitig.
    3. Integration:
    Hier muß man trennen zwischen gewollter Einwanderung (Einwanderunsggesetz), die mit Flüchtlingen nichts zu tun hat, sondern nach strengen Kriterien Bewerber aus fremden Ländern auswählt, die zum Vorteil des eigenen Landes einwandern wollen/sollen – und auf der anderen Seite, zwischen Flüchtlingen, die sich wiederum in zwei Gruppen aufteilen: Politisch Verfolgte oder Gefährdete in ihren Heimatländern, die durch internationale und nationale Gesetze besonders geschützt sind; und Immigranten aus wirtschaftlichen, sozialen oder sonstigen Gründen, die ohne verfolgt zu sein das berechtigte Interesse auf Verbesserung ihres Lebens verfolgen. Die Unterscheidung ist zugegebenermaßen in einigen Fällen schwierig. Insgesamt aber ist insbesondere von letzteren zu erwarten, daß sie mit Ausweispapieren ankommen. Von allen ist zu erwarten, daß sie sich unseren Gesetzen und Traditionen anpassen. Die „eigene kulturelle und religiöse Identität zu wahren“ ist nämlich vor allem ein Recht der Menschen, die hier wohnen, und nicht – wie es Herr Wolff immer meint – insbesondere auf Zuwanderer gemünzt. Daß in der gesamten Frage der Zuwanderung die Leistunsgsfähigkeit unseres Landes bezüglich der menschlichen und materiellen Ressourcen, auch bezüglich der Ressource „Akzeptanz“ eine begrenzende Rolle spielt, ist offensichtlich.
    4. Der Absatz zur Rente und zum Klimaschutz ist derart propagandistisch und inhaltsleer, daß eine Kommentierung sich nicht lohnt. Es ist immerhin gut, daß das Thema Gesundheit nicht angesprochen ist, wo ja in leider typisch linker Manier ein augenblicklich gut funktionierendes Sytem für alle durch eine scheinheilige Gerechtigkeitsdebatte teurer und schlechter gemacht werden soll.
    5. Digitalisierung:
    Investitionen in Infrastruktur – öffentliche Gebäude, Verkehrswege einschl Digitalisierung, etc – sind offensichtlich dringend nötig. Ich stimme zu, daß „Grundwerte des menschlichen Lebens“ nicht aus den Augen geraten dürfen, und was heißt das? Weniger Hetze, mehr Sachlichkeit, auch mehr Höflichkeit , mehr Zuhören, gemäßigte Sprache, Akzeptanz der anderen Meinung – alles, wofür eben Herr Wolff häufig in seinen politischen Beiträgen nicht steht. Das aber wäre ein guter Anfang zum „neuen demokratischen Aufbruch“.
    Und schließlich: Die Sicherheits- und Verteidigungspolitik spielt in allen Sondierungen seit der Wahl eine erstaunlich geringe Rolle und auch diese nur primitiv auf Rüstungsfragen reduziert. Daß aber in der heutigen Welt ein Staat oder Staatenbund seine Vorstellung von politischer und gesellschaftlicher Gemeinschaft nur unter dem Schutz starker auch militärischer Kräfte mit guter personeller und materieller Austattung eigenständig gestalten und verwirklichen kann und also nur unter diesem Schutz unsere Form der Demokratie, unsere Freiheit, unser Wohlstand, Pluralität, und Selbstbestimmung zu erhalten sind, sollte langsam Konsens werden. Daß einige Kirchen(vertreter) mit dieser Selbstverständlichkeit große Schwierigkeiten haben, bleibt ein Rätsel.
    Mit herzlichem Gruß,
    Andreas Schwerdtfeger.

  5. Lieber Christian, warum bist Du nicht bei den Sondierern dabei?! Ich habe manchmal den Eindruck, dass Du manchmal tagträumst, weil es die SPD, von der Du so viel erwartest, leider einfach nicht gibt, weder in Sachsen noch im Bund. Dabei wäre sie so dringend nötig, wie Du ja auch pointiert beschreibst. Was tun?!

    1. Liebe Gisela, Du hast wahrscheinlich mit jedem Satz recht. Dennoch gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass die SPD sich ihrer Geschichte und ihrer inhaltlichen Substanz nicht entledigt. Beste grüße Christian

  6. Ja und ja zu allem! Speziell zum Thema Bildung: Kostenfreier Zugang für alle bedarf deutlich mehr gut ausgebildeter und deutlich besser bezahlter Erzieherinnen und Erzieher; die Lehrerausbildung muss dringend auf den Prüfstand; die über weite Bereiche die Lehre aufrecht haltenden Lehrbeauftragten an den Hochschulen und Universitäten benötigen ebenso dringend einen anderen Status und eine andere Bezahlung. Es stünde einer Regierung gut an, die Renovierung des deutschen Bildungssystems für die nächsten Jahre in den Mittelpunkt ihrer Arbeit zu stellen.

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