Am vergangenen Sonntag (08.10.2023) wurde im Gottesdienst in der Thomaskirche die Kantate „In allen meinen Taten“ (BWV 97) aufgeführt. Die textliche Grundlage dieses Werkes von Johann Sebastian Bach ist das gleichnamige, neunstrophige Lied von Paul Fleming (1609-1640). Paul Fleming dichtete es 1633, mitten in den Schrecknissen des 30-jährigen Krieges und vor einer mehrjährigen Reise, die ihn u.a. nach Reval, Moskau und Isfahan führte. Mit der ersten Strophe legt er seine Grundhaltung offen, mit der er beabsichtigt, allen Herausforderungen und Verwerfungen des Lebens zu begegnen:
In allen meinen Taten
Lass ich den Höchsten raten,
der alles kann und hat.
Er muss zu allen Dingen
solls anders wohl gelingen,
selbst geben Rat und Tat.
Erstaunlich: Fleming, ein junger Arzt und Lyriker, macht für alles, was er zu tun beabsichtigt und was ihm widerfährt, nicht äußere Verhältnisse wie Obrigkeit, Eliten, Krieg oder das Schicksal, also andere verantwortlich. Vielmehr vertraut er sich ganz Gott an. Von ihm erwartet er Hilfe, aber auch Trost und Stärkung in allen Lebenslagen. Diese Haltung – so die Grundbotschaft des Liedes – macht ihn handlungs- und widerstandsfähig.
Gut, dass ich die Klänge der wunderbaren Kantate noch im Ohr und die Gedanken, die ich dazu in der Predigt geäußert habe, im Kopf hatte, als abends die Ergebnisse der Landtagswahlen in Bayern und Hessen veröffentlicht und das ganze Ausmaß der kriegerischen Terroraktionen der Hamas gegen Israel offenbar wurde. Was Letzteres angeht, so zeigt sich auf erschreckende Weise, dass militante Judenfeindschaft nach wie vor in aller Welt dazu dient, die entsetzlichsten Gewaltexzesse gegen Menschen jüdischen Glaubens und gegen Bürger:innen Israels in Gang zu setzen und zu rechtfertigen. Allein deswegen muss dem allgegenwärtigen Antisemitismus klar und unmissverständlich entgegengetreten werden – insbesondere dann, wenn er dazu dient, rassistisch motivierte Verbrechen wie den Holocaust zu verharmlosen bzw. die Politik Israels damit gleichzusetzen – nach dem im rechtsextremistischen Kreisen gepflegten und leider in zu vielen Köpfen marodierenden Motto: die Israelis verhalten sich gegenüber den Palästinensern auch nicht besser als die Nazis.
Auf diesem Hintergrund sind die Wahlergebnisse für die rechtsextreme AfD in Bayern und in Hessen mehr als dramatisch. Denn alle Wahlanalysen deuten darauf hin, dass die AfD nicht notgedrungen mangels Alternativen, nicht aus Protest, sondern aus Überzeugung gewählt wird. Damit wird unterstrichen: Die Ursache für den Wahlerfolg der AfD liegt weniger an dem Zustand der demokratischen Parteien und einer mangelhaften Politik der Ampel-Koalition, sondern vor allem an der politischen Einstellung der AfD-Wähler:innen. Sie wählen die AfD,
- weil diese rechtsnationalistische Partei Deutschland von Ausländer:innen (und nicht nur von Geflüchteten) freihalten will;
- weil sie Schluss machen will mit dem Genderkram und mit allem, was die LTBG-Bewegung ausmacht;
- weil sie den Klimawandel leugnet und darum keinen Handlungsbedarf sieht im Blick auf erneuerbare Energien und Mobilität;
- weil sie sich mit dem verbrecherischen Autokraten Putin über die Ukraine verständigen will,
- weil sie das demokratische System durch ein autokratisches ersetzen will und alles einkassieren wird, was ihr derzeit die Existenz als Partei ermöglicht;
- und auch, weil die AfD die Zeit des nationalsozialistischen Terrors und des Holocaust „normalisiert“.
Das alles nehmen die Wähler:innen der AfD mit ihrer Stimmabgabe nicht nur billigend in Kauf. Es entspricht weitgehend ihrer derzeitigen Überzeugung bzw. ihrem sehr Ich-bezogenen Gemütszustand. Wie das zu erklären ist? Die vielfältigen Krisen setzen vielen Menschen zu. Sie haben eine nicht näher zu definierende Angst, ihren Lebensstandard und die Übersicht zu verlieren. Da schlagen schrille, medial aufgeblasene Warnrufe wie „Wir sind am Limit“ (so als ob morgen der Kollaps droht) oder „Deindustrialisierung“ (so als ob morgen Deutschland das Armenhaus Europas wird) Angstschneisen in verunsicherte Seelen und lösen Schreckensszenarien aus – und das, obwohl ein großer Teil der AfD-Wähler:innen derzeit nichts zu befürchten hat, sie auf ihrem Dach eine Photovoltaikanlage installiert haben und von den im Ort oder Stadtteil lebenden Geflüchteten wenig bis gar nichts mitbekommen – es sei denn, sie empfangen ihre online-Bestellung durch einen Syrer oder Afghanen oder werden von einem Tunesier im Linienbus chauffiert (aber haben wir nicht genug deutsche Erwerbslose, die das machen können?)
Was also hat sich am Sonntag ereignet und was droht uns im kommenden Jahr in Sachsen, Brandenburg und Thüringen und bei den Wahlen zum Europaparlament? Immer mehr wird offenbar, dass zu viele Menschen nicht mehr in der Lage sind, die Krisen, die uns Menschen nicht erst seit heute im Alltag begleiten, einzuordnen und ihnen mit dem zu begegnen, worüber ein Paul Fleming verfügte: ein getröstetes Gottvertrauen. Dieses Defizit macht sich umso bemerkbarer, als wir nicht mehr in der Lage sind, alle Krisen auf materiellem Wege abzufedern. Darum kommt es darauf an, dass wir Menschen uns für das persönliche wie für das gesellschaftliche Leben ein Krisenmanagement aneignen, das auf Vertrauen und auf demokratischen Grundwerten beruht. Denn nur so werden wir davor bewahrt, für das, was Schwierigkeiten bereitet, Sündenböcke zu suchen, Feindbilder zu fabrizieren, nationalistische „Lösungen“ anzubieten und schließlich für ein „Linsengericht“ *, das eine Partei wie die AfD den Außersichgeratenen auftischt, alles aufs Spiel zu setzen – sogar die Grundwerte unserer Verfassung, ohne die ein menschenwürdiges Zusammenleben und ein dauerhafter Frieden nicht möglich sind.
Auf diesem Hintergrund plädiere ich dafür, der AfD in zweifacher Weise entgegenzutreten:
- Zum einen gilt es, ohne jedes Zurückweichen die Grundwerte der Verfassung zu leben und zu verteidigen. Hier gilt es insbesondere der schamlosen Umwertung der Werte entgegenzutreten. wenn die AfD sich die Bedingungen der freiheitlichen Demokratie zu nutze macht, um ihren Autokratismus zu implementieren.
- Zum andern haben wir – und das sollte die Hauptaufgabe der Kirche sein – durch Gottvertrauen den Menschen den Rücken und sie in ihrem Ich zu stärken und sie widerstandsfähig zu machen gegen die Versuchungen der einfachen Lösungen, die immer auf Kosten des und der Anderen, zu denen ich schon morgen gehören kann, gehen.
Das Lied von Paul Fleming endet mit den Zeilen: „So sei nun Seele deine / und traue dem alleine, / der dich erschaffen hat“ – was soviel heißt wie: Sei ganz du selbst. Ein solches Selbstbewusstsein wird dann politische Wachheit und verantwortliches Leben ermöglichen, wenn es verbunden wird mit dem Vertrauen zu dem, dem wir das Leben verdanken. Zugegeben: Das ist eine Glaubensüberzeugung, der nicht jede:r folgen kann, aber eine mit weitreichenden Folgen im Kampf um Demokratie, Menschenwürde, kulturelle Vielfalt und klare Kante gegen die AfD.
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* Wahrscheinlich können nur noch Wenige etwas mit der Redewendung „für ein Linsengericht etwas Wertvolles hergeben“ anfangen. Hintergrund ist eine biblische Erzählung (Die Bibel: 1. Mose 25): Jakob kauft seinem hungrigen und erschöpften Zwillingsbruder Esau, der der Erstgeborene war, für ein Linsengericht das Erstgeburtsrecht (Erbschaft) ab.
30 Antworten
Ich hatte auf meiner Israelreise das zweifelhafte Vergnügen, eine Ostjerusalemer Polizeistation (natürlich am Eingang schon schwerbewaffnete Polizisten) kennenzulernen, Auf dem Ölberg drängte sich ein Palästinenser (?), der Postkarten anbot, an mich derart heran, dass ihn ein Luxemburger Mitreisender von mir wegzog. Doch da war es schon geschehen: Der Dieb flüchtete, meine Umhängetasche war geöffnet, die Geldbörse fehlte. Trotz angehaltenem Auto und wilder Fahrt vom Dieb keine Spur. Nur widerwillig nahm die Polizei trotz der mich begleitenden einheimischen Reiseleiterin meine Anzeige auf – wahrscheinlich die Statistik im Kopf. Aber keine Vorurteile: Im Leipziger Passage-Kino wurde mir aus einer ähnlichen Tasche während der Vorstellung von einem hinter mir Sitzenden das Handy geklaut. Dank moderener Ortungstechnik bekam ich es zwar zerkratzt, aber immerhin, von der Polizei zurück. Ein Gerichtsverfahren verlief allerdings (erwartungsgemäß) im Sande.
Übrigens war das Kino im Jahr 2013 ziemlich leer; es lief „Hannah Arendt“ mit der wunderbaren Barbara Sukowa.
Es erstaunt nicht, daß Sie, Herr Wolff, auf die Manipulationen von „Monitor“ hereinfallen. Da wird EINE kleine Gemeinde besucht, die – oh Wunder – lauter in ihren eigenen Ländern POLITISCH Verfolgte (denn nur solche haben Asylrecht) mit tadellosen Deutschkenntnissen und fröhlicher Arbeitsmoral zeigen, alles (vergleichsweise) junge Männer, deren Familienverhältnisse nicht näher erläutert werden und die die alten Frauen an der Kasse vorlassen. Das also ist die Flüchtlingsrealität in deutschen Kommunen und nur die Bürgermeister und Bevölkerungen überall woanders sind zu blöd, um das zu erkennen!
Mann, lieber Herr Wolff, es wundert einen nichts mehr! EINES ist richtig: Wenn man Flüchtlinge arbeiten läßt, sind sie leichter integrierbar, weniger frustriert und haben bessere Chancen, deutsch zu lernen und mit Menschen zusammen zu kommen. Das also ist ein guter Weg (wie auch zB die Idee eines „Spurwechsels“ bei entsprechenden Voraussetzungen. Allerdings wird er dann blockiert, wenn man daraus das Recht ableitet, daß sie hierbleiben dürfen, wenn sie illegal eingewandert sind und den Bleiberegeln nicht entsprechen, von Gerichten also rechtmäßig und letztinstanzlich zur Ausreise verurteilt sind – und da tut sich ja dann das Gutmenschentum in der Republik schwer, das bei entsprechender gesetzlich gebotener Ausweisung diese dann behindert (zB Kirchenasyl).
Und Herr Plätzsch: Ich schrieb ja – die Hamas hat die Pflicht, die Geiseln vor israelischen Luftangriffen zu schützen, sonst verletzt sie das Völker- (und auch das Straf-) Recht (entweder als Gewahrsamsmacht oder wegen unterlassener Hilfeleistung). Und die Frage, ob Hamas nach Kriegs- oder Strafrecht zu behandeln ist, ist Theorie. Nach allgemeiner Auffassung befindet sich Israel im Krieg, nicht in einer Bekämpfung von Bandenkriminalität. Die öffentliche Diskussion weist ständig auf das Völkerrecht hin, daß (von beiden Seiten) zu beachten sei – ich habe nichts weiter getan, als auf die alleinige Verantwortung der Hamas für die Sicherheit der Geiseln hinzuweisen, damit nicht eine kenntnislose Öffentlichkeit nach dem Motto „ja, aber …“ (hier zu meinem Entsetzen von Lerchner vertreten) wieder Israel mit in die Verantwortung nimmt.
Andreas Schwerdtfeger
Ach ja, hätte ich fast vergessen: WDR = Lügenpresse, wahrscheinlich ein gefaketer Bericht, die Bürger:innen wahrscheinlich alles Komparsen der Monitor-Redaktion, einschließlich des Bürgermeisters und Georg Restle einer der unausrottbaren Naivlinge … Wie viele Bretter vor dem Kopf und wie viele Verriegelungen an seinem Herzen muss man haben, um einen solch verbohrt-rechthaberischen Schreibtischerguss abzusenden.
Wie den Ihren hier?
„Georg Restle einer der unausrottbaren Naivlinge“
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Das nun wirklich nicht, eher ein Ideologe. Siehe diesen FAZ-Artikel: https://ogy.de/f0in
Mit Wehmut erinnere ich mich an die mit süffisantem Lächeln vorgetragenen Moderationen des „Monitor“-Gründers Claus Hinrich Casdorff, FDP-Mitglied.
„Seine Kreuzfeuer-Interviews zusammen mit Rudolf Rohlinger waren legendär.“ – Fritz Pleitgen
In 20 Jahren wird man sich auch mit Wehmut an Journalisten wie Georg Restle erinnern – er macht der Tradition des kritischen Journalismus von „Monitor“ alle Ehre!
Wer immer noch meint, in der Asylpolitik müsse man der AfD hinterherlaufen, um sie klein zu halten, dem sei dieser Bericht empfohlen: So wie in der bayerischen Gemeinde Hebertshausen bekämpft man die AfD nachhaltig und wirksam. Ein CSU-Bürgermeister und viele engagierte Bürger:innen machen es vor. Wann wird das endlich begriffen!
https://www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/migrationskrise-eine-gemeinde-zeigt-wie-es-geht-100.amp
Uneingeschränkte Solidarität empfinde ich als einen emotionalisierten Kampfbegriff!
AFD ist frei gewählt. Die WählerInnen entscheiden frei, ob sie ihnen vertrauen. Ich würde diese Partei eher nicht wählen, habe aber kein Recht, dies anderen Personen zu verbieten oder sie dafür an den Pranger zu stellen!
Israel hat ein Existenzrecht, welches es angemessen verteidigen darf!
Ich plädiere dafür, gerade dem ChristInnen aus dieser Weltgegend stark bevorzugt den Weg nach Europa zu ebnen, da sie uns kulturell deutlich näher stehen!
Merkwürdig, dass immer wieder eine klare Meinungsäußerung im politischen Diskurs verwechselt wird mit „Verbieten wollen“. Es geht nicht darum, jemandem etwas zu verbieten, sondern auf die Konsequenzen einer Stimmabgabe für die AfD hinzuweisen und davor zu warnen.
Zu den ChristInnen sagen Sie nichts? Leider neigen christliche US Organisationen dazu, die Situation der Bezroffenen in Israel zu beschönigen
Das Asylrecht kann nicht von Religionszugehörigkeit abhängig gemacht werden.
Es kommt übrigens gerade die Meldung, daß angeblich israelische Geiseln im Gazastreifen zu Tode gekommen sind: Es ist laut internationalem Recht Pflicht der Gewahrsamsnation, Menschen des Gegners in ihrer Gewalt vor Gefahr zu schützen. Wenn Geiseln umgekommen sind, hat die Hamas erneut das Völkerrecht verletzt.
Andreas Schwerdtfeger
Abgesehen davon, dass die Hamas behauptet, die Geiseln seien durch israelische Luftangriffe ums Leben gekommen, begehen Sie, Herr Schwerdtfeger, nicht den Fehler, die Hamas-Terroristen als Kombattanten i. S. des Humanitären Völkerrechts anzusehen.
http://www.humanitaeres-voelkerrecht.de/Kombattanten%20&%20Nichtkombattanten.html
Es handelt sich um gewöhnliche Kriminelle, für die das zivile Strafrecht gilt.
Schön, lieber Herr Wolff, wie Sie sich mit pikierter Empfindlichkeit gegen das „Pauschalurteil“ der Naivität wehren, um sodann (12.10.,16:30h) denjenigen, die nicht Ihrer Meinung sind, Naivität vorzuwerfen. Interessant auch, daß Sie nun der inhaltlichen Auseinandersetzung ausweichen, indem Sie sachliche Beiträge als nicht zum Thema gehörig bezeichnen., wo ich mich doch genau zu Ihren Themen – Israel und die Wahlen – geäußert habe.
Inhaltlich haben Sie nicht begriffen, was ich feststelle: Das Völkerrecht – das natürlich gilt – ist nicht mehr à jour und die Welt sollte sich (über die VN) darüber einigen, daß man es neu verhandelt, auch wenn dies ein Generationenprozess ist. Und dann habe ich nicht geschrieben, daß man es nicht anwenden sollte, sondern daß es heuchlerisch ist, wenn Menschen oder Gruppen dasjenige Recht, das sie selbst verletzen, zu ihrem eigenen Schutz anrufen. Israel tut alles, um in seiner berechtigten Verteidigung Opfer – insbesondere auch zivile – beim Gegner zu vermeiden, aber es kann und muß auch internationale Unterstützung in seiner Verteidigung erwarten dürfen, die es ja zum Glück auch bekommt.
Insofern ist auch Lerchner in aller Klarheit zu widersprechen. Israels, wie er es nennt, „Okkupationspolitik“ ist nicht ursächlich für die terroristische Gewalt der Hamas und anderer Organisationen. Ursächlich dafür ist vielmehr eine internationale Stimmung, die Israel in eine sicherheitspolitisch unmögliche Lage gebracht hat: Deutschland hat einen Krieg begonnen und sich nach der Niederlage mit Gebietsverlusten abfinden müssen und dies auch getan – das war richtig. Warum soll dies nicht auch für die Araber gelten: Sie haben 1967 einen Krieg begonnen und müssen die Folgen tragen. Israel in den geographischen Zustand VOR dem Sechs-Tage-Krieg zurück zu versetzen, war und ist ein politisch untaugliches Konzept und das Zwei-Staaten-Ziel war schon immer Verlegenheit, aber nicht politische Lösung. Hätten sich die Palästinenser mit Unterstützung ihrer arabischen Brüder in die Staaten der Gegend integriert, insbesondere auch in Israel, anstatt den Weg des Terrors zu wählen und dabei von den Arabern im Stich gelassen zu werden, weil es diesen politisch in den Kram passte, dann gäbe es dieses ganze Problem überhaupt nicht. Bemerkenswert: Im Gazastreifen sind die Menschen in Verzweiflung – und Ägypten hält seine Grenze stramm geschlossen und verweist auf die israelische Zuständigkeit! Arabisch-muslimische Solidarität!
Israels strategische Lage erlaubt aus Überlebensgründen keine Terroristen mit massiver ausländischer Unterstützung auf seinem Territorium einschließlich der besetzten Gebiete und auch keine Rückgabe dieser Gebiete. Die arabische Welt muß ihre Friedensbereitschaft glaubhaft und beständig unter Beweis stellen, nicht der Staat Israel. Und sehen Sie, Herr Wolff: Da bin ich auf Ihrer Seite – der Krieg „ist nicht Folge verfehlter Politik Israels, sondern er ist Folge einer religiös aufgeheizten Verfeindungsideologie, die zum Ziel hat, Israel zu vernichten.“
Und zu den Wahlen und der AfD: Plätzsch hat Recht, die Thüringer Landesregierung muß nun 48 Mio im Haushalt bereitstellen. Aber es ist das Schicksal von Minderheitsregierungen, daß sie überstimmt werden können. Die CDU jedenfalls kann nicht eine für richtig empfundene Politik davon abhängig machen, ob andere sie auch als richtig ansehen oder nicht. Die Absenkung der Grunderwerbssteuer ist allemal vernünftig und die Regierung hätte gut daran getan, sich mit der CDU auf Einsparungen an anderer Stelle zu einigen. Schade, daß Wolff sich nicht mal zur Lage der SPD äußert, seiner Partei, der man eine Auferstehung wünschen würde, anstatt sich ewig bezüglich der AfD im Kreise zu drehen.
Andreas Schwerdtfeger
Da wundern sich manche immer noch darüber, dass sich große Teile dieser Welt nicht in den Konflikt mit Russland hineinziehen lassen wollen. Die Abfuhr, die sich die EU jüngst bei dem Versuch holen musste, lateinamerikanische Länder zu Waffenlieferungen an die Ukraine zu bewegen, spricht Bände. Der kolumbianische Präsident Gustavo Petro hat dieses unlängst vor den VN begründet und neulich in einem Interview noch einmal erläutert (https://www.telepolis.de/features/Scheinheilig-Das-hat-Kolumbiens-Praesident-dem-Westen-zu-sagen-9321396.html?seite=all).
Damit sie den Vorwurf entkräften können, ständig mit zweierlei Maß zu messen, schlug er dem Westen vor, zwei Friedensgipfel durchzuführen: einen für die Ukraine und einen für Palästina. In beiden Ländern gebe es schließlich eine militärische Besatzung. Er sagte: „Was ist der Unterschied zwischen der Ukraine und Palästina? Ist es nicht an der Zeit, beide Kriege und andere Kriege zu beenden und die wenige Zeit, die wir haben, zu nutzen, um Straßen zu bauen, die das Leben auf der Erde retten?“.
Nun ist es wieder mal zu spät. Der wesentlich durch die israelische Okkupationspolitik angeheizte Kessel ist explodiert und der Hamas-Terror wütet. Diejenigen, die schon immer die scheinheilige Politik des Westens angeprangert haben, fühlen sich ein weiteres Mal bestätigt. Selbstredend ist meine Solidarität mit Israel und ins besondere mit dessen politischem Establishment nicht uneingeschränkt (genau so wenig wie das mit der ukrainischen Führung). Da können die üblichen Verdächtigen noch so sehr die Antisemitismus-Keule schwingen. Die ständigen moralisch aufgeblasenen, tumben Simplifizierungen, wie sie auch hier wieder gelesen werden können, öden mich zunehmend an. Dass es nicht nur mir so geht, vielleicht auch dafür sprechen die aktuellen Zustimmungsquoten der AfD.
Es geht nicht um „tumbe Simplifizierungen“, sondern um verantwortliche Differenzierung, lieber Herr Lerchner. Und diese führt mich dazu, den Hamas-Terror völlig unabhängig von der politischen Gesamtlage als unerträglich und zerstörerisch zu brandmarken. Er ist nicht Folge verfehlter Politik Israels, sondern er ist Folge einer religiös aufgeheizten Verfeindungsideologie, die zum Ziel hat, Israel zu vernichten. Das Gleiche gilt übrigens für den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Auch dieser ist durch nichts zu rechtfertigen. Wenn wir zu einer solchen Differenzierung nicht mehr in der Lage sind, dann machen wir uns abhängig von denen, die sicher jeder Lösung von Konflikten verweigern. Beste Grüße, Christian Wolff
Sehr geehrter Herr Wolff,
Ihren letzten Satz finde ich richtig gut. Ich bin mir aber nicht ganz sicher, wo in Ihren Anmerkungen die von Ihnen geforderten Differenzierungen zu finden sein sollen. Es sieht aber so aus, als ob auch Sie zwischen Phänomen (Hamas-Terror, russischer Angriffskrieg) und Kontext unterscheiden, in dem diese Verbrechen erfolgen. Sie erklären den Hamas-Terror ausschließlich mit dem gegen Israel gerichteten Vernichtungswillen der Palästinenser. Dem stimme ich nicht zu, weil m. E. auch israelisches Besatzerunrecht zu deren Radikalisierung beigetragen hat. Anstatt Argumente vorzubringen, versuchen Sie den Anschein zu erwecken, ich würde den Hamas-Terror (und auch den russischen Krieg) rechtfertigen oder zumindest relativieren. Das ist nicht sauber. Möglicherweis kommt hier bei Ihnen der Politiker durch.
Den Hamas-Terror anzuprangern, ohne ein Wort über die Jahrzehnte währenden Repressionen der israelischen Machthaber gegen die Palästinenser in Israel und den okkupierten Gebieten zu verlieren, behindert konstruktive Diskussionen über eine Friedenslösung in Israel/Palästina. Ja, Sie haben Recht: So „machen wir uns abhängig von denen, die sich jeder Lösung von Konflikten verweigern“. Eigentlich ist es ein Skandal, dass man in Diskussionen immer wieder eine differenzierte Sicht auf die Hintergründe des Israel-Palästina-Konflikts einfordern muss. Mittlerweile füllen Abhandlungen darüber ganze Regale. In meinem stehen z. B. Bücher von Noam Chomsky und Moshe Zuckermann (zeitweilig Prof. an der Uni Tel Aviv; Autor von „Der allgegenwärtige Antisemit“). Wie kann man, wenn man wirklich Frieden für Israel will, ignorieren, dass den Palästinensers infolge der staatlich geförderten Siedlungspolitik fortwährend Land geraubt wird, sie aus dem fruchtbaren Jordantal vertrieben wurden, ihren Gemeinden durch Isolierung von der Außenwelt, z. B. durch Schaffung gesperrter Korridore, die Entwicklung eingeschränkt wird, Tausende Häuser von israelischen Behörden abgerissen und ganze Dörfer zwangsumgesiedelt wurden und bei Vergeltungsaktionen der israelischen Armee in der Regel disproportionale Gewalt angewendet wird (100 – 200 tote Palästinenser auf einen toten Israeli)? Würde dem Terror nicht der Boden entzogen, wenn Israel faire Bedingungen für die Entwicklung eines eigenständigen Palästinenserstaates zuließe? Würde die Sicherheit Israels nicht zunehmen, wenn sich dadurch auch die Beziehungen zu den benachbarten arabischen Staaten normalisierten? Dass letzteres ohne Berücksichtigung palästinensischer Interessen (Trumps Abraham-Abkommen, Normalisierungsabkommen mit Saudi-Arabien) schief geht, haben die jüngsten Ereignisse gezeigt (interessantes Interview mit dem bekannten israelischen Journalisten Haggai Matar: https://www.telepolis.de/features/Israelischer-Journalist-Was-erwarten-wir-9334458.html?seite=all , und ein Punkt für Herrn Plätzsch).
Beste Grüße,
Johannes Lerchner
Lieber Herr Lerchner, es gibt Situationen, in denen ohne Wenn und Aber ein Verbrechen als solches verurteilt werden muss. Also: Wenn ein Mann seine Frau erschlägt, dann ist das ein schweres Verbrechen – und es bleibt es auch dann, wenn Ermittlungen ergeben, dass es zuvor im Zusammenleben zu sehr konfliktreichen Situationen gekommen ist, an denen die Frau erheblichen Anteil hat. Meine politische Erfahrung gerade in der Auseinandersetzung über die Legitimität von Gewalt hat mich gelehrt: In dem Moment, in dem ich Gewaltanwendung zu rechtfertigen versuche, stelle ich nicht nur das Täter-Opfer-Verhältnis auf den Kopf, ich beteilige mich an der Legitimation von Gewaltanwendung. Auf den jetzigen Konfikt bezogen bedeutet dies: Wenn ich ohne jedes „Aber“ den Hamas-Terror verurteile und ihn als Teil eines Vernichtungskrieges gegen Israel sehe, lege ich strenge Maßstäbe an die militärische Reaktion Israels gegen die Hamas an. Jetzt müssen drei Dinge im Vordergrund stehen: 1. das Existenzrecht Israels muss durchgesetzt werden. 2. Es muss über eine Einstaat- (diese priorisiere ich) oder eine Zweistaatenlösung das Lebensrecht der Palästinenser gesichert werden. Die Siedlungspolitik Israels seit 1978 steht einer Lösung bis dato entgegen 3. Es muss zu einer Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Nahen Osten kommmen. Dabei ist mE zu berücksichtigen, dass Israel mE nicht das Zentrum des Konfliktes ist, sondern die inner-islamische Auseinandersetzung. Das bedeutet: der Terror gegen Israel ist ja nur ein kleiner Teil des Terrorismus im Nahen Osten. Dort kommen viel mehr Menschen durch inner-islamischen kriegerischen Terrorismus um. Das bedeutet: Wenn Israel morgen seine Siedlungspolitik änder würde (was ich inständig hoffe), dann ist damit der Terrorismus im Nahen Osten noch lange nicht am Ende.
So viel in aller Kürze. Beste Grüße
Christian Wolff
„lege ich strenge Maßstäbe an die militärische Reaktion Israels gegen die Hamas an“
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Wie soll ein solcher Kampfeinsatz der israelischen Armee gegen die Hamas aussehen? Schließlich verfügen diese fünfzehntausend Leute, die keine Uniform tragen, über ein Tunnelnetz, das größer als das U-Bahnnetz Londons ist. Und selbst wenn dies nach langem verlustreichem Kampf und tausender toten Zivilisten gelingen sollte, müsste dann die israelische Besatzungsmacht sich um den Wiederaufbau und das Funktionieren der Infrastruktur im Gazastreifen kümmern, allgegenwärtigem Terror ausgesetzt, zu Kosten von Abermilliarden. Unabsehbar auch die Risiken internationaler Implikationen.
Diese Frage kann und will ich nicht beantworten. Eines ist mir aber deutlich: Eine rein militärische Lösung kann es unter den gegebenen Umständen wohl nicht geben.
„Der wesentlich durch die israelische Okkupationspolitik angeheizte Kessel ist explodiert.“
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Sie sind gut, Hr. Lerchner:
„Vor 15 Jahren bekamen die israelischen Bewohner des Gazastreifens Gewissheit: Am 15. August 2005 teilte die Armee ihnen mit, dass sie 48 Stunden Zeit haben, ihre Häuser in dem schmalen Küstenstreifen zu verlassen. 21 Siedlungen mit rund 9.000 Einwohnern gab es zu diesem Zeitpunkt im Gazastreifen, die meisten davon im „Block der Ernte“, dem Gusch Katif. Viele kamen der Anordnung nach, ohne körperlichen Widerstand zu leisten. Andere ließen sich von den Soldaten aus den Häusern tragen. Am 12. September 2005 verließ der letzte israelische Soldat den Gazastreifen. Die „Loslösung“ von den Palästinensern, wie das Projekt bis heute genannt wird, war damit abgeschlossen.“
https://www.israelnetz.com/vor-15-jahren-begann-der-gaza-abzug/
Grund für den Hamas-Terrorakt jetzt sehe ich vielmehr darin, dass es derzeit eine weitere Annährung arabischer Staaten (Z. B. Saudi Arabien) an Israel gibt und die Hamas befürchtet, dass das Palästinenserproblem weiter in den Hintergrund treten könnte. Ziel der Hamas ist das Erzeugen von Bildern toter Zivilisten im Gazastreifen.
Sie sprechen den Terrorismus der Hamas an, Herr Wolff, und es ist schade, daß Sie dieses Thema wieder mißbrauchen: Der Antisemitismus in Deutschland reicht weit über „rechtsextremistische Kreise“ hinaus, ganz wesentlich zB in den muslimischen und palästinensischen Teil unserer Bevölkerung, und es beschämt, daß Sie hier wieder Ihrer eigenen Propaganda zum Opfer fallen und das Problem so reduzieren.
Dem Bundeskanzler und dem Oppositionsführer ist für ihre heutigen Erklärungen im Bundestag zu danken. Israel verteidigt sich gegen Terroristen an drei Fronten und sieht sich dabei seinen üblichen Problemen gegenüber:
1. Der Unangemessenheit des geltenden Völkerrechts, das die Realitäten der Welt nicht mehr genügend spiegelt – wer selbst alle Regeln mißachtet, kann sich nicht gleichzeitig unter den Schutz dieser Regeln stellen und dies muß die Welt begreifen.
2. Dem Ablauf der Zeit, der fälschlich immer mehr zum Druck auf Israel führt, dessen militärische Verteidigungsoperationen eben Zeit brauchen – Israel muß die Zeit gewährt werden, seine Operationen zum selbst gesetzten Ziel zu führen.
3. Dem mißverstandenen Humanismus, der zur Täter-Opfer-Umkehrung führt, indem man die Fakten verdrängt, denn die palästinensische Bevölkerung in Gaza ist nicht Opfer israelischer Angriffe, sondern Schutzschild seiner eigenen terroristischen Obrigkeit für seine politischen Verbrechen und militärischen Einrichtungen.
Humanitäre Korridore zur Versorgung dieser Bevölkerung sollten deshalb nicht nach Gaza hinein, sondern nur aus Gaza heraus eingerichtet werden: Versorgungsstützpunkte auf ägyptischem und israelischem Boden unter UN-Schutz, in denen die UN und NGOs täglich Menschen versorgen, die dort hinkommen, nach nachrichtendienstlicher Behandlung versorgt und anschließend in den Streifen zurückgeschickt werden. Überdies könnte der Westen, besonders Israel anbieten, palästinensische Verwundete in Krankenhäusern zu versorgen, wenn sie in Begleitung jeweils einer Geisel aus dem Gaza-Streifen gebracht werden.
Die vielbeschworene Solidarität mit Israel wird sich zeigen, wenn wir in Deutschland uns über die Zeit angesichts von bildlastiger Berichterstattung nicht wie in der Vergangenheit langsam aber stetig zur Äquidistanz hin bewegen, sondern indem wir Humanität mit den Bedürfnissen des Staates Israel nach Sicherheit und Frieden verbinden. Und diese Bedürfnisse verlangen die komplette und nachhaltige Zerstörung der terroristischen Infrastruktur in Gaza und die Vernichtung ihrer Führung dort und in der Region.
Ihre Worte, Herr Plätzsch, sind bewegend und richtig – es muß halt nur auch praktische politische Konsequenzen geben (und leider ist es eben so, wie ich schon oft betont habe, daß hier zur politischen Lösung der Einsatz militärischer Mittel unabweisbar ist).
Bezüglich der Wahlen am letzten Wochenende erstaunt es, daß Sie, Herr Wolff, sich wieder einmal mit der AfD befassen und ihr etwas naives Weltbild wiederholen: Der „Wahlerfolg der AfD liegt weniger an dem Zustand der demokratischen Parteien und einer mangelhaften Politik der Ampel-Koalition“, sondern an der „derzeitigen Überzeugung“ ihrer Wähler – eine „derzeitige“ Überzeugung ließe sich ja ändern. Dazu allerdings muß man sich mit den EIGENEN Überzeugungen befassen. Und die ganze Aussage ist ja falsch, wie nicht nur die Kommunen immer wieder betonen und das Volk zunehmend fordert, sondern auch das leider viel zu zögerliche, schrittweise Erkennen der SPD, daß sie ihre Politik bezüglich des entscheidenden Erfolgsthemas der AfD ändern muß – der Migration.
Die Tragik der SPD wird langsam zum Deutschland-Problem: Wir hatten früher in der SPD eine starke und überzeugende Oppositionspartei mit gelegentlichen Regierungszwischenspielen. Das war ein guter Zustand. Inzwischen ist die SPD zu einer minderheiten-orientierten Splitterpartei mutiert und kann nicht einmal mehr einen Kanzlerbonus in Stimmen ummünzen. Das Schlimme daran ist, daß der Niedergang der SPD von den Grünen nicht kompensiert werden kann, weil diese im Gegensatz zur SPD wegen ihrer ideologisch motivierten Sicht der Dinge zu vernünftiger Politik nur unter dem Druck der politischen Realität fähig sind und dann in sich zerrissen und also wenig überzeugend sind.
Ihre beiden Empfehlungen zum Umgang mit der AfD können wohl kaum ernst gemeint sein. Es braucht konkrete Politik, nicht solche vagen Schwammigkeiten, um die Wähler wieder in die Mitte zurück zu holen. Und gerade die SPD, von der ja offensichtlich viele Wähler sich Richtung AfD aufgemacht haben, muß endlich wieder glaubwürdig werden und Politik für unser Land und nicht (nur) für irgendwelche Minderheiten und vergleichsweise unbedeutende Themen machen.
Andreas Schwerdtfeger
Schön, lieber Herr Scherdtfeger, wie Sie zunächst einmal meine Blog-Beitrag mit den Pauschalurteilen „missbrauchen“ und „naives Weltbild“ belegen, um dann zu allem Möglichen etwas schreiben, nur nicht zu dem, was ich im Blog-Beitrag anspreche – auch eine Form der Auseinandersetzung, nur keine, die den kritischen Diskurs befördert. Auf einen Punkt will ich kurz eingehen (unter 1.): Sie kritisieren das Völkerrecht und stellen fest, wer dieses missachtet, kann nicht erwarten, dass er gleichzeitig den Schutz des Völkerrechtes in Anspruch nehmen darf. Diese Argumentation ist gefährlich: gerade weil Gruppierungen wie die Hamas das Völkerrecht mit Füßen treten, gerade weil Straftäter das Gesetz missachten, gerede weil Despoten die Menschenrechte mit Füßen treten, müssen die Maßstäbe des Völkerrechtes und der Menschenrechte angewendet werden, wenn Straftäter, Despoten oder die Hamas zur Rechenschaft gezogen werden. Wenn das nicht geschieht, darf man sich nicht wundern, dass die Rechte, die ein menschliches Miteinander gerade in Krisenzeiten ermöglichen, immer mehr zerbröseln. Beste Grüße, Christian Wolff
Lieber Herr Wolff,
so sehr ich Ihrem Bezug auf die Bach-Kantate „In allen meinen Taten“ mit dem überzeugenden Text von Paul Fleming und Ihrer Kritik an der militanten Judenfeindschaft in aller Welt zustimme, so sehr muss ich doch Ihre damit verbundene Interpretation der guten Wahlergebnisse für die AfD in zwei westdeutschen Bundesländern ablehnen. Entscheidend ist doch, dass die gemeinsame Politik aller anderen Parteien, die AfD durch eine sog. „Brandmauer“ zu isolieren und unwählbar zu machen, klar gescheitert ist. Als CDU-Mitglied vertrete ich seit langem die Meinung, dass man die Partei nicht isolieren und totschweigen darf, sondern sich mit ihren fehlerhaften, auch von Ihnen hier wieder beispielhaft erwähnten Thesen konstruktiv auseinander setzen muss. Nur wenn man dabei auch richtige Thesen – wie z. B. kürzlich in Thüringen die Senkung der überhöhten Grunderwerbssteuer – ausnimmt, kann man nämlich den nicht nur in den neuen Bundesländern entstandenen Eindruck vermeiden, dass alle demokratischen Parteien wie in der früheren DDR einen Block bilden und die AfD bei allen Fehlern die einzige ist, die manch falsche Entwicklung in Deutschland und Europa kritisiert. Es reicht nicht, ja berührt sogar peinlich, wenn die Ampelparteien jetzt nach der Wahlschlappe in Bayern und Hessen frühere Forderungen der AfD nach einer Begrenzung der Zuwanderung oder Senkung der Energiekosten plötzlich aufgreifen. Dadurch kann die AfD erfolgreich von ihren – von Ihnen zwar richtig aufgezeigten – Fehlern ablenken und mit dem Hinweis auf ihre alleinige Opposition weitere Stimmen unzufriedener Wähler einsammeln.
Solange die AfD vom Bundesverfassungsgericht nicht als verfassungsfeindlich erklärt und verboten ist, muss man sich mit ihr in einem demokratischen Staat wie mit allen politischen Gegnern, wie z. B. auch mit der Linken, durch Argumente auseinander setzen und darf nicht versuchen, sie zu isolieren. Sonst erreicht man das Gegenteil des Gewünschten und verstärkt sie, wie wir jetzt anschaulich sehen!
Lieber Herr von Heydebreck, ich stimme Ihnen zu, dass man sich mit der AfD und insbesondere mit den Wähler:innen der AfD (diese machen diese Partei stark und gefährlich) auseinandersetzen muss. Ich sehe auch niemanden, der sich dieser Auseinandersetzung entzieht. Nur gilt es in dieser Auseinandersetzung eines zu beachten: Die AfD ist eine rechtsextreme Partei, die das „System“, sprich die parlamentarische, rechtsstaatliche Demokratie, „überwinden“, sprich: abschaffen will. D.h. Sie nutzt das „System“ aus, bis sie die Möglichkeit hat, es abzuschaffen. Wer das in der Auseiandersetzung außer acht lässt und die AfD als „normale“ Partei im demokratischen Spektrum betrachtet, der begeht einen schwerwiegenden und folgenreichen Fehler. Deswegen muss die Auseiandersetzung mit der AfD wie mit anderen rechtsnationalistsichen Gruppierungen offensiv geführt werden. Insbesondere aoll man sich von ihnen nicht dazu verleiten lassen, sich im Kleinklein zu verlieren. Die Abstimmung in Thüringen über die Absenkung war für die AfD nur ein Vehikel, um ihre Macht zu demonstrieren – ein Vehikel, das ihr die CDU bereitwillig angeboten hat. Wie kann man politisch nur so naiv sein? Herr Höcke lachgt sich noch heute ins Fäustchen. Beste Grüße, Christian Wolff
„Die Abstimmung in Thüringen über die Absenkung war für die AfD nur ein Vehikel, um ihre Macht zu demonstrieren – ein Vehikel, das ihr die CDU bereitwillig angeboten hat.“
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Grundsätzlich darf keine Partei ihr Abstimmungsverhalten von der AfD abhängig machen. Problematisch wird es dann, wenn nur mit ihrer Hilfe Mehrheiten zustande kommen. Die Thüringer Abstimmung über die Senkung der Grunderwerbssteuer birgt noch eine weitere Problematik: Die dadurch entstehenden Mindereinnahmen von 48 Millionen Euro jährlich muss der Thüringer Landeshaushalt anderweitig kompensieren. Dafür ist dann die Landesregierung zuständig, deren Abgeordnete überstimmt worden sind.
Vor vielen Jahren besuchte ich mit einer Reisegruppe Israel, wunderte mich, dass der Hoteleingang in Tel Aviv nicht von der Straße zugänglich war, sondern von einem Innenhof – eine Vorsichtsmaßnahme zur Abwehr von Terroranschlägen wie ich erfuhr. Auf dem Weg nach Bethlehem mussten wir eine Mauer passieren. Ich war zunächst unangenehm berührt; doch machte ich mir klar, dass es ein gewaltiger Unterschied ist, ob ein Staat eine Mauer baut, um zu verhindern, dass seine Bürger das Land verlassen oder ob sie zu einer Abwehr von Terroristen dient. Im Bus kontrollierten ein Soldat und eine junge hübsche Soldatin mit lässig umgehängter Maschinenpistole die Ausweisdokumente. Im Palästinensergebiet trafen wir auf einen deutschen evangelischen Pfarrer, der ein soziales Projekt leitete und hörten dessen Sichtweise. Auf dem Weg zur Klagemauer wurden wir darauf hingewiesen, dass wir keine Bibel mitnehmen dürfen. Natürlich besuchten wir auch Yad Vashem. In Vorbereitung der Jugendweihe hatte meine Schulklasse die KZ-Gedenkstätte Buchenwald besucht; später besuchte ich die Gedenkstätten Bergen-Belsen, Dachau und Mittelbau-Dora. Ich war also vorgewarnt, was mich erwarten würde. Überall im Land war unsere Reisegruppe freundlich empfangen worden. Doch gab es einen Moment, der mich zusammenzucken ließ: Vor einem Gedenkraum war ein Schild in deutscher Schrift angebracht: „Hier ist das Sprechen auf Deutsch unerwünscht.“ Plötzlich wurde mir bewusst, dass auch ich als Nachgeborener Verantwortung für die Nazi-Verbrechen der Deutschen an den Juden trage. Deshalb (und auch weil die offizielle DDR so israelfeindlich war) stehe ich fest an der Seite Israels – was auch immer geschehe.
Ich denke, es gibt einen leider großen Prozentsatz der AFD Wähler, die in ihren Ansichten gefestigt sind. ABER ich denke auch, dass viele so unzufrieden mit der derzeitigen Regierung (berechtigt oder nicht) sind, dass sie die AFD doch eher aus Protest gewählt haben. Und vielleicht halten diese Wähler einige Aussagen/Ansichten der AFD für richtig und haben sich mit dem Programm im einzelnen gar nicht beschäftigt. Da reichen dann einige Übereinstimmungen ohne weitere Kenntnis der restlichen Programmpunkte möglicherweise für eine Wahlentscheidung zugunsten der AFD.
Das trifft sicherlich zu – und gerade mit diesen müssen wir kommunizieren, sie aber nicht bestätigend, sondern werbend für die Demokratie und für ein demokratisches Ausloten der unterschiedlichen Interessen.