Aktuelle
Themen

Aktuelle
Themen

Die Trump-Musk-Heritage-Foundation-Bande im Weißen Haus – ein Verhängnis für Europa

Über den Auftritt des amerikanischen Vizepräsidenten J.D. Vance am vergangenen Wochenende auf der Münchner Sicherheitskonferenz konnte nur der oder die überrascht sein, der:die bis jetzt die Augen verschlossen hat vor der politischen Priorität der Trump-Administration: die freiheitliche und rechtsstaatliche Demokratie zu zerstören – nicht nur in den USA, sondern auch in den Ländern der Europäischen Union (EU), als konsequente Fortsetzung und Vollendung von Donald Trumps Putschversuch vom 6. Januar 2021 und der Verwüstung des Capitols durch seine Anhänger. Seit über 10 Jahren haben die Propheten der Trump-Musk-Heritage Foundation-Bande wie der Chefideologe Trumps, Steve Bannon, systematisch rechtsextremistische Gruppierungen und Parteien in Europa unterstützt und vernetzt mit dem Ziel, die EU von innen zu zersetzen. Dabei konnte Bannon beträchtliche Erfolge erzielen: der Austritt Großbritanniens aus der EU, autokratische Systeme in Ungarn und der Slowakei, rechtsnationalistische Parteien in Regierungsverantwortung in den Niederlanden und Italien, starke rechtsextremistische Parteien in Frankreich, Österreich, Schweden, Finnland, Deutschland. Seit über 10 Jahren treffen sich die Rechtsextremisten Europas zumeist in Ungarn, um sich dort ideologisch einzuschwören auf die drei Grundsäulen der Rechtsnationalisten „Gott, Vaterland, Familie“ und Strategien zu entwickeln, die Europäische Union erodieren zu lassen. Dass damit die Trump-Musk-Heritage-Foundation-Bande letztlich das gleiche Ziel verfolgt wie Russland, nämlich Europa politisch und wirtschaftlich zu paralysieren, gehört zu den ernüchternden Erkenntnissen der vergangenen Wochen.

Insofern war es nur konsequent, dass J.D. Vance in München eines der Hauptnarrative der Rechtsextremisten, dass in Europa keine Meinungsfreiheit mehr herrsche, als die eigentliche Bedrohung Europas herausstellte. Da konnte es auch nicht mehr überraschen, dass er Deutschland dazu aufforderte, die rechtsextreme AfD als normale Partei zu behandeln. Klar, dass er sich in München demonstrativ mit der Kanzlerkandidatin der AfD, Alice Weidel, traf – ganz im Sinn des den globalen, antidemokratischen Feldzug der Trump-Administration finanzierenden Oligarchen Elon Musk und seines Goebbels-affinen Propagandafeldzuges für eine faschistische Umwertung der Werte und gegen Meinungsvielfalt. Vance und Musk ersehnen nichts mehr als ein völkisch-nationalistisches Deutschland, das seine Kraft in Rivalitäten mit den anderen europäischen Nationalstaaten vergeudet und damit zur Manövriermasse und wirtschaftlichen Beute einer imperialistischen USA wird. Mehr noch: Eine in Nationalstaaten zerfallene EU, die sich im Endstadium gegenseitig kriegerisch bekämpfen, kann dann in weiten Teilen Russland überlassen werden. Solche Andeutungen hatte Trump schon kürzlich gemacht.

Zugegeben: Wenn ich solche Zeilen schreibe, erstarren meine Finger und mir stockt der Atem. Denn ich möchte – wie viele andere – nicht wahrhaben, dass so systematisch und offensichtlich seit Jahren geplant die europäische Friedensordnung von skrupellosen, blasphemisch augeblasenen Egomanen zerrieben wird. Doch leider kann ich im Agieren der Trump-Musk-Heritage-Foundation-Bande derzeit nichts anderes erkennen: Zerstörung aller Rechtsnormen und internationalen Vereinbarungen, um rücksichtslos und mit imperialem Anspruch die eigenen Interessen durchzusetzen. Genau das spiegelt sich wider in der Beanspruchung des Gaza-Streifens durch die Trump-Administration und in den sog. Friedensverhandlungen zwischen Putin-Russland und der Trump-Administration. Da wird die Ukraine zum Spielball, zur Manövriermasse von zwei Autokraten, für die Menschenwürde, Menschenrechte, Ehrfurcht vor dem Leben Fremdwörter sind. Die jetzt begonnenen sog. „Friedens“-Verhandlungen, ohne Beteiligung der Ukraine und der EU, werden dazu genutzt, Europa von Osten her durch Putin-Russland und von Westen her durch die Trump-Administration zu zerstören. Wer davor die Augen verschließt, der ist ein Tölpel.

Die Konsequenzen, die sich aus diesem bedrohlichen Szenario ergeben, sind vielfältig. Die EU und insbesondere Deutschland müssen zum einen jede normale, partnerschaftliche Kooperation mit der Trump-Administration einstellen. Mit Politiker:innen und Regierungen, die die Demokratie und den Rechtsstaat bewusst zerstören, kann es keine sog. Wertegemeinschaft geben. Zum andern muss die Verbindung zu den Menschen und Institutionen der Länder aufrechterhalten bleiben, die sich von der rechtsstaatlichen Demokratie verabschiedet haben. Diese Gradwanderung steht uns im Blick auf die USA jetzt bevor. Spätestens dann, wenn die Trump-Administration ihre Okkupationspläne im Blick auf Kanada, Grönland, Pananma, Gaza umsetzt, wird es zum Schwur kommen. Ähnliches gilt auch dann, wenn sich Putin und Trump auf einen Diktat-„Frieden“ für die Ukraine einigen sollten. Dann werden Deutschland und die EU entscheiden müssen, ob sie die Souveränität einer freien Ukraine weiter verteidigen wollen oder ob sie die Ukraine aufgeben und damit Russland überlassen. Doch das Wichtigste ist: Wir dürfen in Deutschland nicht zulassen, dass die Putin- und Trump-Anhänger:innen, dass rechtsextremistische Gruppierungen und Parteien wie die AfD das Sagen bekommen. Dies ist die Aufgabe und Verantwortung eines jeden Bürgers, einer jeden Bürgerin in Deutschland. Die Weichen dafür werden schon am kommenden Sonntag bei der Bundestagswahl gestellt. Darum ist entscheidend, dass der Stimmenanteil der AfD so gering wie möglich ausfällt. Eine Stimme für die AfD ist eine Stimme gegen den Frieden, gegen Europa und für Kriegstreiber und Menschenverachter wie Putin und die Trump-Musk-Heritage-Foundation-Bande. Diesem Verhängnis müssen wir widerstehen.

59 Antworten

  1. Herr Lerchner, die Umsetzung von Minsk II – Autonomiestatus des Donbass – bedeutete komplexe Regelungen. Und setzte neben gutem Willen aller Beteiligten Gewaltverzicht voraus. Daran fehlte es auf der ethnisch-russischen und der russischen Seite, sicher nicht bei allen Bewohnern des Donbass, aber bei einer Minderheit (?), die das Sagen und die Gewalt für sich in Anspruch nahm.

    Spätere, rückblickende Kommentare Einzelner sind m.E. als historische Quelle ungeeignet.

    Die Istanbul-Gespräche 2022 scheiterten – mir einleuchtend – an den in der Zeit bekanntgewordenen Massakern der russischen Invasoren in Butscha, Irpin.

    Autonomiestatus im Donbass – sicher erstrebenswert und Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben in der Ukraine. Jedoch ist permanente Gewalt d a s Hindernis, Einigungen zu erzielen und im eigenen Lager durchzusetzen. Diese Gewalt wurde durch Russland befördert – weil, so muss man annehmen, Russlands Ziel nie ein Autonomiestatus innerhalb einer souveränen Ukraine war, sondern die Annektierung, wie dann auch geschehen, vier Oblaste.

    Als Ferienkind habe ich Anfang der Siebzigerjahre (im Vergleich harmlose) separatistische Gewalt in Südtirol erlebt. Es dauerte Jahre, bis Südtirol seinen Autonomiestatus erhielt – tauglich heute als weltweites Vorbild. Der Unterschied: Österreich als „ethnisches Mutterland“ der Separatisten sprach mit Italien, marschierte aber nicht ein in Südtirol.

    Recht gebe ich Ihnen darin, dass wir, die Befürworter a u c h von Waffenhilfe, ob „Bellizist“, ob fortschreitenden russischen Imperialismus befürchtend, ob einfach solidarischer Europäer, nur diffuse Vorstellungen eines „Kriegsziels“ haben. Das, und die Angst vor Eskalation hatten halbherzige Anstrengungen zur Folge, deren begrenzte Erfolge niemanden überraschen sollten. Ein „Kriegsziel“ aber ist klar: Die Verhandlungsposition der Ukraine nicht auf die Stufe absoluter Wehrlosigkeit herabsinken zu lassen. Andernfalls Verhandlungen gar nicht stattfinden würden, sondern Annektierung, Autokratisierung und Russifizierung, das Ende einer souveränen Ukraine. Weitere Millionen Ukrainer werden die Flucht antreten. Wollen Sie das ?

    1. Hallo Herr Hoellger, erst einmal danke für die sachliche und konstruktive Diskussion! Offenbar liegen wir in der Beurteilung einzelner Aspekte des Russland-Ukraine-Konflikts noch weit auseinander. Es ließe sich leicht belegen, dass Russland lange Zeit nicht an einer Annexion des Donbass interessiert war und deshalb ein entsprechendes Drängen der Separatisten stets zurückgewiesen hat. Oder dass die Kriegsverbrechen in Butscha instrumentalisiert wurden, um im Nachhinein den Abbruch der Istanbuler Verhandlungen zu rechtfertigen und die wahren Hintergründe deren Scheiterns zu verschleiern. Die Literatur dazu ist mittlerweile umfangreich.

      Selbstverständlich können Sie die Aussagekraft der von mir verwendeten Quellen in Frage stellen. Dass die Arbeiten Nicolai Petros wissenschaftlich fundiert sind (so wie die Veröffentlichungen des ukraino-kanadischen Politologen Ivan Katchanovskis über den Maidan-Putsch), lässt sich allerdings kaum bestreiten. Auch kann schwerlich die von mir angeführte fulminante Brüsseler Rede von Jeffrey Sachs als irrelevante Einzelmeinung abgetan werden. Seine tiefen Einblicke in die Entscheidungsprozesse der amerikanischen Politikereliten machen ihn zu einem wichtigen und glaubwürdigen Zeitzeugen.

      Ich stimme mit Ihnen überein, dass wesentliches Ziel aller zukünftigen Friedensbemühungen die Absicherung der staatlichen Souveränität der Ukraine und die Gewährleistung des Selbstbestimmungsrechts der ukrainischen Bevölkerung sein muss, und zwar in allen seinen Teilen. Das wird aber nicht funktionieren, ohne mit den Russen zu reden. Als Zelenskyj Trump davon abhalten wollte, ist er aus dem Oval Office geflogen. Diejenigen, die meinen, Russland mit Gewalt an den Verhandlungstisch zwingen und die Bedingungen diktieren zu können, sind für mich die Bellizisten, Abenteurer und Hasardeure, die die Lage für die Ukrainer immer weiter verschlechtern. Vermeintlich verpasste Chancen für einen Siegfrieden, denen Sie anscheinend nachtrauern, beruhen auf Illusionen.

      Warum reden wir nicht auch über die Sicherheitsinteressen Russlands? Ohne deren Berücksichtigung wird es keine europäische Friedensordnung geben. Jeffrey Sachs hat in seiner Rede einiges dazu gesagt. Die von ihm angeführten Fakten ergäben eine gute Grundlage für eine gehaltvolle Diskussion in diesem Blog.

      1. Herr Lerchner, ich „begrüße“, wie man so sagt, dass Sie die Souveränität der Ukraine und das Selbstbestimmungsrecht der Ukrainer als Verhandlungsziel sehen. Aber dass das auch von Russlands Regierung als Verhandlungsziel anerkannt würde, sehe ich nicht angesichts derer Behauptungen zu angeblichem Faschismus, ja Antisemitismus der ukrainischen Regierung und in der ukrainischen Gesellschaft, die sich in großen Teilen hinwendet zur Europäischen Gemeinschaft. Dass Selenskyj Trump davon abhalten wollte, mit den Russen zu reden, und er deshalb aus dem Oval Office geflogen sei, ist Kreml-Sprech, lieber Herr Lerchner, und Verkennung der vom Weißen Haus inszenierten Demütigung Selenskyjs. Selenskyj brachte die von Trump und Vance übergangenen Sicherheiten zur Sprache, die es nun mal braucht, ein Verhandlungsergebnis, welches auch immer, dagegen abzusichern, dass es gleich wieder gebrochen wird. Die Forderung nach Sicherheiten ist keine „diktierte“ Vorbedingung“, sondern einzig verantwortliche Position eines Staatschefs. Zu Verhandlungen mit Russland kommt es, wenn Russland zu Verhandlungen bereit ist. Ist Russland zu Verhandlungen bereit, Herr Lerchner? Was bietet Russland an für Frieden? Die vier annektierten Oblaste, die Krim zu behalten, die ukrainische Regierung zu bestimmen, Kriegsverbrechen (einschl. der massenhaften Entführung von Kindern) unter den Teppich zu kehren, ukrainische Kultur und antirussische Parteien zu verbieten, EG-Mitgliedschaft zu verbieten, Nato-Mitgliedschaft sowieso – aber ja, für das russische Sicherheitsbedürfnis ist das ja alles alles nötig.

        Ich trauere keinem „Siegfrieden“ nach. Ich bedauere, dass deutsche Politiker es unterließen, der Ukraine die Unterstützung zukommen zu lassen, die Russland – ja, in der Tat – früher an den Verhandlungstisch „gezwungen“ hätte, ohne die Trump’sche Ausverkaufsstrategie – deren Erfolg jetzt mehr als strikte Hemisphärenaufteilung nach Kreml-Geschmack zu befürchten ist, denn im Sinne eines friedvollen Zusammenlebens der Völker..

        Jeffrey Sachs habe ich gelesen. Manches stimmt, vieles nicht oder fehlt. Nicht Biden war für den Nato-Beitritt der Ukraine, sondern – später und perspektivisch – GB und Frankreich, als Sicherheitskonstrukt. Woher nehmen Sie und Sachs es eigentlich, Herr Lerchner, dass die ehem. Warschauer-Pakt-Länder und die ehem. Sowjetstaaten alle Quasi-Warschauer-Pakt-Länder bleiben müssten – weil der Kreml es so will?

        Dass die Ukraine 2022 „einseitig von einer Beinahe-Einigung abgerückt“ sei (angenommen, dem wäre so), ist verständlich, ich wiederhole mich, angesichts Butscha und Irpin, Orte und Ereignisse, die Sachs keines Wortes für wert erachtet. Für Sie, Herr Lerchner, wäre das „Instrumentalisierung“ und „Verschleiern“. Für mich ist es Realitäten Leugnen und mangelndes Einfühlungsvermögen, um nicht zu sagen Kaltherzigkeit.

  2. Mir ist so, als sei ich noch Antworten schuldig:

    Herr Flade, von einem Christen erwarte ich, dass er dem Erhalt von Leben oberste Priorität beimisst und sich deswegen mit seinem Handeln konsequent für die Beendigung eines jeden Krieges einsetzt. Diese meine Erwartungshaltung ist vor allem geprägt durch frühere, positive Erfahrungen mit Christen in meinem persönlichen, familiären Umfeld. Das war noch zu DDR-Zeiten, als Christen wohltuend fern der Macht waren. In der ideologisch motivierten Unterstützung von Waffenlieferungen, die den weiteren Tod tausender Soldaten und Zivilisten in der Ukraine blind und unkritisch hinnimmt, zeigt sich dagegen ein hohes Maß an Scheinheiligkeit im Verhalten mancher Leute, die sich Christen nennen. Daher mein Groll. Nicht unbedingt das Gleiche ist es, wenn Leute meinen, sich aus einer „Perspektive des Glaubens“ besser die Wirklichkeit erschließen zu können. Ob das tatsächlich produktiver ist, also zu vernünftigerem Handeln führt, muss jeder für sich entscheiden.

    Jedem Täter- Opfer-Umkehr vorzuwerfen, der sich mit der schuldhaften Verstrickung auch des Westens in den Ukraine-Krieg auseinandersetzt, ist dagegen plumpe Diffamierung, die in ihrer Erbärmlichkeit und Dummheit auf den Absender zurückfällt. Die ständige Wiederholung dieses Vorwurfs zeugt zudem von erheblicher Einfallslosigkeit und taugt immer weniger als Ablenkungsmanöver.

    Kein vernünftiger Mensch bestreitet, dass der russische Angriffskrieg ein Verbrechen ist. Diejenigen im Westen, die durch Provokationen zum Entstehen des Konflikts beigetragen haben, trifft jedoch ebenfalls Schuld. Und diese Schuld wird immer größer, je intensiver sich der Westen für die perspektivlose Fortsetzung des Krieges engagiert. Dieser Sachverhalt darf nicht ohne Konsequenzen für die Haltung gegenüber der derzeitigen und zukünftigen Ukraine-Politik des Westens bleiben.

    Es kommen immer neue Belege dafür auf den Tisch, dass das Schicksal der Ukrainer den Interessen westlicher Machtpolitik geopfert wurde (s. Artikel aus Time vom 19.01.2025, auf den Petra Erler dieser Tage aufmerksam gemacht hat; https://time.com/7207661/bidens-ukraine-win-zelensky-loss/). Die obskuren Käfer-Träume von einer Anti-Trump-Frieden-Massendemonstration („Wer hat sie (die Ukraine) verraten?“) sind m.E. eine Widerspiegelung des weitverbreiteten Unwillens oder Unvermögens, solchen unbequemen Tatsachen ins Auge zu schauen. Auf eine sachliche, kritische Auseinandersetzung mit meinen Thesen werde ich wohl wieder mal vergeblich warten.

    1. Lieber Herr Lerchner, es ist immer etwas merkwürdig, wenn Menschen, die sich selbst nicht als Christen verstehen, genau zu wissen meinen, wie sich ein Christ zu verhalten hat. Dabei ist das Problem von grundsätzlicher Gewaltlosigkeit/Pazifismus seit dem 4. Jahrhundert für das Christentum Anlass zu tiefgreifenden Kontroversen. Der Heilige Martin konnte sich dem Problem noch dadurch entziehen, dass er, nachdem er gegenüber dem römischen Kaiser den Kriegsdienst verweigert hatte, sich in den kirchlichen Bereich zurückgezogen hat. In dem Moment aber, in dem sich ein Christ im öffentlichen Raum bewegt, reicht es nicht mehr aus, nur seine Glaubensüberzeugung zu kommunizieren – so, als sei man nicht von dieser Welt. Entscheidend ist für einen Christen, was der Ausgangspunkt seiner Haltung ist. Sie werden sicher wissen, wie Dietrich Bonhoeffer am Ende des 2. Weltkriegs im Blick auf militärische Gewalt votiert hat. Er hat nicht mehr grundsätzlich ausgeschlossen, dass Gewaltanwendung notwendig und legitim ist, um den Hitler-Terror zu beenden. Allerdings hat er dies als bewusste Schuldübernahme angesehen, d.h. er ist von der Grundsätzlichkeit der Gewaltlosigkeit nicht abgewichen. Was ich also von Mitchristen und der Kirche erwarte: dass erkennbar bleibt, von welcher Position aus sie in der Frage nach militärischer Gewalt argumentieren.
      Was Sie zur Mitschuld des Westens am Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und zur Opfer-Täter-Umkehr schreiben, erinnert mich sehr an Prozesse gegen Männer, die eine Frau vergewaltigt haben. Da wurde (Gott sei Dank hat sich das inzwischen geändert) von Gerichten allzu oft der Frau eine Mitschuld an der Vergewaltigung gegeben aufgrund ihres Auftretens oder ihrer Kleidung.
      Wie Sie aus dem verlinkten Time-Artikel schließen können, dass die Ukrainer Opfer westlicher Macht- und Interessenspolitik geworden sind, bleibt mir verschlossen. Denn der Artikel handelt vor allem davon, dass Selenskyj die Biden-Administration zu drängen versuchte, direkt in den Krieg einzugreifen.
      Nun sind ja viele Überlegungen angesichts des Treibens der Trump-Vance-Bande im Weißen Haus obsolet. Denn Friedensverhandlungen müssen nun von Europa und der Ukraine auf der einen und Putin-Russland und Trump-Amerika auf der anderen Seite geführt werden. Noch ist völlig unabsehbar, wo das hinführen soll.
      Beste Grüße, Christian Wolff

    2. Lieber Herr Lerchner, dass die Waffenlieferungen an die Ukraine „ideologisch motiviert“ seien – da frage ich, welche Ideologie bitte? Recht haben Sie mit „schuldhafter Verstrickung“ derjenigen, die für Waffenlieferungen sind. Schuldhaft verstrickt sich aber auch, wer Verbrechen tatenlos zusieht, obwohl er helfen kann. Es gibt hier keine angenehme, unanfechtbar korrekte Haltung. Aber dass jemand „den weiteren Tod tausender Soldaten und Zivilisten in der Ukraine blind und unkritisch hinnimmt“, wie Sie schreiben – das ist eben die „plumpe Diffamierung, die in ihrer Erbärmlichkeit und Dummheit auf den Absender zurückfällt.“

      Von der ethischen Problematik zu trennen ist Ihre politische Begründung. Umfassender lautet sie nach einem Interview mit Petra Erler und Günter Verheugen im Juni 2024:

      In Deutschland gebe es eine Mauer des Schweigens, werde die öffentliche Meinung einseitig gesteuert. Zwar trage Russland eine Mitverantwortung. Propaganda sei es aber, das Verhalten Russlands als Bruch einer angeblichen europäischen Sicherheitsordnung zu bezeichnen. Vielmehr sei Russland seit den Neunzigerjahren ausgegrenzt worden mit Schaffung einer westeuropäisch-transatlantisch dominierten Sicherheitsstruktur. Beim Maidan handele es sich in Wahrheit um eine Regime-Change-Operation, einen von außen gelenkten Staatsstreich, der zum Ausgangspunkt eines Bürgerkriegs sowie der sogenannten Anti-Terror-Operationen gegen russische Separatisten im Donbass geworden sei. Der Einmarsch 2022 sei nur die Eskalation eines Krieges, der bereits andauerte. Amerikanischer Traum sei es gewesen, die Ukraine „aus dem russischen Orbit zu reißen“. Der ukrainische Nationalismus sei es, der auf Krieg mit Russland gesetzt habe. Minsk II sei gescheitert, weil Poroschenko es nie umsetzen, und Merkel und Hollande damit auf Zeit spielen wollten. Russland sei bereit gewesen, auf dem Weg des Minsker Abkommens eine friedliche Lösung mit dem Westen zu finden. Kern des Konflikts sei nicht die Ukraine, sondern es gehe darum, ob Russland eine gleichberechtigte Stimme habe in Europa.

      Mich überzeugt das alles nicht, Herr Lerchner. Weil ich darin keine Tatsachen sehe, denen man ins Auge schauen müsste, sondern Verschwörungserzählungen.

      Wikipedia zu Minsk II: Wurde am 12. Februar 2015 unterzeichnet. Kurz danach traten russische Truppen zum Sturm auf Debalzewe (Oblast Donezk) an und eroberten den Ort drei Tage nach der offiziell verkündeten Waffenruhe. Im Juni griffen sie Marjinka (bei Donezk) an, im August im Frontabschnitt Mariupol. Sind das keine Tatsachen, Herr Lerchner?

      1. Auch wenn die Karawane schon weitergezogen ist, doch noch drei kurze Anmerkungen:

        Wer sich aus welchen Gründen auch immer für die Fortsetzung des Krieges in der Ukraine stark macht, ohne den Preis vor allem an Menschenleben in Betracht zu ziehen, handelt m. E. unmoralisch.

        Die in den von Ihnen zitierten Äußerungen von Erler und Verheugen zum Ausdruck kommenden Positionen sind in deren Buch „Der lange Weg zum Krieg“ gut und für mich überzeugend begründet.

        Minsk II als Beleg für die Vertragsbrüchigkeit Russlands heranzuziehen, ist deshalb fragwürdig, weil dabei in der Regel unterschlagen wird, dass die ukrainische Regierung nie die Absicht hatte, die politischen Bestimmungen des Vertrags, so die Verfassungsänderungen zur Gewährleistung der lokalen kulturellen
        Autonomie des Donbass, umzusetzen. Dass 2015 der militärischen Krise der Regierungsstreitkräfte Poroschenkos sog. Anti-Terror-Operation (ATO) vorausging, bei der im Donbass Tausende Zivilisten ums Leben kamen, wird ebenfalls ausgeblendet.

        1. Herr Hoellger, die Abläufe um die Unterzeichnung von Minsk II stellen Sie irreführend dar: Die regierungsnahen Streitkräfte einschließlich der rechtsextremen Freiwilligen-Bataillone erlitten bei Debalzewo im Januar 2015(!) eine gravierende Niederlage. Minsk II hat sie dann vor dem völligen Zusammenbruch bewahrt. Ich habe gerade nochmal bei Nicolai Petro („The Tragedy of the Ukraine“) nachgelesen. Seien Sie also vorsichtig mit Wikipedia!

          1. „Auf eine sachliche, kritische Auseinandersetzung mit meinen Thesen werde ich wohl wieder mal vergeblich warten“ schrieben Sie mal, Herr Lerchner.

            Selber sind Sie dazu nicht bereit, wie sich herausstellt. „Vorsicht mit Wikipedia“ mahnen Sie an, als ob falsch sei, was ich aus dieser Quelle zitiert habe, angeblich „irreführend“. Dabei steht dort genau das, was Sie, vermeintlich korrigierend, als „Bewahrung vor dem völligen Zusammenbruch“ verhüllen:

            In der ersten Jahreshälfte 2014 wurde Debalzewe (Sie verwenden bezeichnenderweise den russischen Namen) von bewaffneten Milizen besetzt. Im Sommer eroberten es ukrainische Truppen zurück. Im Januar 2015 griffen prorussische Separatisten an, jetzt unterstützt von T 72 der russischen Armee. Es drohte die Einschließung der Regierungstruppen. Am 12. Februar wurde Minsk II unterzeichnet, ab 13., 0:00 Uhr, galt Waffenruhe. Am 17. Februar drangen Bewaffnete in den Ort ein, die ukrainischen Streitkräfte verließen unter Beschuss die Stadt. Beim Rückzug bzw. Durchbruch der Umzingelung starben über 100 ukrainische Soldaten. Am 18. Februar gab Poroschenko den Rückzug der ukrainischen Armee bekannt. Seitdem steht Debalzewe unter der Kontrolle der Milizen bzw. Russlands.

            Herr Lerchner, Sie sind so sehr gegen Krieg, nur nicht, wenn er von Russland ausgeht. Das steht nun fest, wenn Sie den Bruch der Waffenruhe durch Russland und seine ukrainischen Helfershelfer in ein gnädiges Ziehenlassen der überwältigten Verteidiger ummünzen. Ihr Friedensgeläute ist nichts wert.

        2. „Stark machen für die Fortsetzung des Krieges“ – wer tut das ?
          Die ukrainische Regierung habe „nie die Absicht“ gehabt – ist das nicht eine bloße Unterstellung ? Da doch die Verwirklichung einer etwa bestehenden Absicht der ukrainischen Regierung objektiv torpediert wurde durch den praktisch zeitgleich mit der Unterzeichnung einsetzenden Bruch der Waffenruhe durch die Separatisten bzw. durch Russland ?
          Lieber Herr Lerchner, mich stören die Unterstellung, für Krieg zu sein, sowie nicht plausible Erzählungen.

          1. Dass die Feindseligkeiten zwischen den ukrainischen Regierungsstreitkräften und den von Russ-land unterstützten Separatisten nicht auf den Tag genau mit der Unterzeichnung von Minsk II endeten, ist richtig. Diese hatten dann aber ab Februar 2015 stark abgenommen und es fanden seitdem dort keine umfassenden Kämpfe mehr statt, was zweifellos ein Erfolg des Vertrags war.

            Mein Punkt ist, was in der Folgezeit mit der Umsetzung von Minsk II geschah. Im politischen Teil von Minsk II war eine Begnadigung und Amnestie aller am Konflikt beteiligten Personen vorge-sehen (Punkt 5) sowie die Wiederherstellung der wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen zwischen Kiew und dem Donbass (Punkt 7 und 8). Das ist nicht geschehen. Im Punkt 9 wurde u. a. festgelegt dass die Kontrolle über die Grenzen nach den Kommunalwahlen an Kiew übertra-gen wird. Minsk II verpflichtete sowohl Kiew als auch die Rebellen im Donbass zu direkten Ver-handlungen. Mit dem von der Rada verabschiedeten „Gesetzt über die Wiederherstellung der staatlichen Souveränität“ wurde die Umsetzung von Minsk II jedoch unmöglich gemacht. So auch eine Verfassungsänderung zur Gewährleistung der lokalen kulturellen Autonomie. Dem-entsprechend äußerten sich damals Politiker der ukrainischen Regierung. Außenminister Pavlo Klimkin: „Das einzige Ziel der Unterzeichnung von Minsk II war es, die ukrainische Armee wieder aufzubauen …“. Oder der damalige Stabschef Andreij Yermak im Februar 2021: „Die Minsker Vereinbarungen sind unmöglich zu realisieren. Das war vom ersten Tag an klar.“ (Nicolai Petro, The Tragedy of the Ukraine). Die Motive, warum Kiew kein Interesse an der Umsetzung von Minsk II hatte, sind vor einigen Tagen in einem Beitrag auf der ukrainischen Webseite strana.today/news erläutert worden (https://strana.today/news/479958-po-kakoj-prichine-ne-byli-realizovany-minskie-sohlashenija.html).

            Man kann ja der Meinung sein, dass Minsk II ein für die Ukraine unfairer Vertrag war. So zu tun, als wären Vertragsverletzungen allein den Russen anzulasten und dieses als Beleg dafür zu nehmen, dass es sowieso keinen Zweck hat, mit den Russen zu verhandeln, ist nicht nur grobe Meinungsmanipulation, sondern spielt auch jenen in die Hände, die, und da bleibe ich bei mei-nem Vorwurf, Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland extrem kritisch ge-genüberstehen (milde formuliert), diese grundsätzlich ablehnen (wie Flade hier in diesem Blog) bzw. diesen nur zu unklaren oder völlig unrealistischen Bedingungen zustimmen würden und im Zweifelsfall lieber eine Fortsetzung des Tötens in Kauf nehmen, sich also für die Fortsetzung des Krieges stark machen.

            Ich wüsste gern mehr darüber, um welche Kriegs- bzw. Friedensziele es den Protagonisten einer unbeschränkten Ukraine-Unterstützung tatsächlich geht und welche Kosten zu deren Durchset-zung sie als akzeptabel ansehen. Welcher Wert wird der Möglichkeit für die Ukrainische Bevöl-kerung beigemessen, wieder Tage und Nächte ohne Bomben und Granaten zu erleben? Inwie-weit geht es darum, die demographische Katastrophe in der Ukraine zu stoppen und keinen weiteren Druck auf die ukrainische Führung auszuüben, nicht auch noch die 18-jährigen Männer zu mobilisieren? Welche Rolle spielt in den Überlegungen unserer führenden Bellizisten, die ethnischen Konflikte in der Ukraine zu befrieden, also der Bevölkerung der Krim und des Don-bass einen gewissen Grad an Autonomie zu garantieren? Inwieweit ist es erlaubt, über russische Interessen, also die Sicherheitsinteressen Russlands zu sprechen? Oder geht es, wie im April 2022, als die Istanbuler Verhandlungen abgewürgt wurden, immer noch vorrangig um die Be-strafung und langfristige Schwächung Russlands? Die Belege sind überwältigend, das letzteres die Intentionen derjenigen waren, die nicht unwesentlich zur Zuspitzung Russland-Ukraine-Konfliktes beigetrage haben (Jeder sollte sich die Rede von Jeffry Sachs vor dem Europäischen Parlament am 19. Februar 2025 anhören oder diese nachlesen; https://www.nachdenkseiten.de/?p=129862&pdf=129862)! Kurzum, wie ein „dauerhafter“ und „gerechter“ Frieden aussehen soll, erscheint mir noch immer sehr nebulös!

  3. Wie genau Chr. Wolff seinen analytischen Finger in die brandgefährliche Wunde legte und wie aktueller alles das wird, was prognostiziert wurde: Der Eklat der selbsternannten Weltaufteiler Trump und Vance, der der Welt aufzeigte, in Überdeutlichkeit nicht zu übertreffen, wie diese Herren inszenatorisch vorzugehen bereit sind, ein seit 3 Jahren bekriegtes europäisches Land – die Ukraine – und seinen gewählten Staatschef öffentlich niederzureißen. Nun muss auch der Kanzler in spe Fr. Merz etwas genauer bedenken, wie er mit diesen beiden zukünftig in welcher Tonlage bereits sein könnte zu verhandeln – gebe es denn etwas zu verhandeln.
    Trump und Putin – wie sich die ideologischen Imperialdenkweisen doch gleichen. Und es gibt immer noch welche, die Putin in seinem Tun als Friedensdenker reklamieren und meinen, er wolle Frieden, Selenskyj nicht. Es ist erschütternd, was derzeit passiert und der lange, bedenklich langanhaltende Schlaf der EU und auch der letzten Regierungen DEU wird jetzt mit Wucht gestört – „Wachet auf, ruft uns die Stimme…“. Wäre es nicht so bitter ernst mit der Weltlage, könnte man meinen, der Rosenmontag meldet sich zu Wort, gefolgt vom Faschingsdienstag. Irrtum. Irge3ndwie, mal so nebenbei, vermisse ich die Stimmer von S. Wagenknecht – wo bleibt sie nur???
    Also noch einmal: Danke Christian; Du warst besser und schneller als dieser und jener in diesem Blog; die Wirklichkeit läutet die Alarmglocken. Hoffentlich werden sie erhört!!

  4. Und, lieber Michael Käfer, als Ergänzung zu Ihrem Kommentar meinerseits: dass Fr. Merz momentan dahin tendiert, die GRÜNEN nicht mit in seine Regierungs-Bildungs-Sondierungsgespräche einzubeziehen ist aus meiner naturfarbenen Sicht mehr als bedenklich. Nicht nur, weil eine CDU/SPD-Regierung vermutlich später bei Gesetzes vorlagen im BT keine Zweidrittelmehrheit erreichen könnte. Außerdem ist u.a. Klimaschutz, Bewahrung der Schöpfung (per se sollte dies eines DER Anliegen für eine christdemokratische Regierungsführung sein!) doch wohl mehr als notwendig, anbetrachts der Natur-Katastrophen, die seit Jahren die noch immer in dieser Sache abhanden gekommene Menschheit schwerst belastet (nicht nur finanziell). Es ist zu hoffen, dass Merz noch zum Nachdenken kommt…Die AfD, laut Weidel, ist ambitioniert, die Regierung unter Merz vor sich her zu jagen – Gratulation, „liebe“ AfD-Wähler. Die Wahlergebnisse sind katastrophal und die etablierten Parteien müssen sich schnellstens zusammenraufen, um dieser Extremistentruppe Einhalt zu gebieten; mit hohlen Phrasen gehts nun wirklich nicht mehr!! Kurt Tucholsky sagte einst: „Das Leben ist gar nicht so. Es ist ganz anders“.
    PS zu Herrn Breuer: pardon, aber Ihre Reaktion auf die meinige – schon etwas peinlich! Diskurs ist doch wohl etwas anderes.

  5. Heute vor genau drei Jahren war ich erschüttert, wievielen weinenden Ukrainerinnen ich auf dem Marktplatz in Leipzig begegnet bin.
    Wie viele Andere war auch ich damals der Meinung, es würde nur wenige Tage dauern, bis russische Truppen die Ukraine vollständig überrennen.

    Einen Tag nach der BT-Wahl, nach den irren Einlassungen von Trump letzte Woche (Selenskyj ein Diktator, Ukraine der Aggressor), sehe ich nach wie vor keinen Grund zum Optimismus für die Ukraine. Selenskyj setzt zwar Hoffnung auf Merz als nächstem Bundeskanzler; allein die Regierungsbildung wird für ihn sehr schwierig werden und sich vermutlich auch lange hinziehen. Dazu der Schulterschluss Trump/Putin und das offensichtliche Desinteresse Trumps, sich für die eigenstaatliche Souveränität der Ukraine einzusetzen (zumindest solange diese nicht große Teile ihrer Bodenschätze als „Gegenleistung“ an ihn abtritt).

    Was bedeutet der 24.2.2025 für Deutschland?

    SPD und B90/Grüne sind gnadenlos abgestraft worden, auch die Union ist deutlich unter den Erwartungen von 30% + X geblieben. Klare Gewinner sind AfD und LINKE!
    Merz hat wiederholt das Land tief gespalten. Wer/was die unsägliche AfD so deutlich hat hinzugewinnen lassen, darüber lässt sich trefflich streiten (ich vertrete da eine diametral entgegengesetzte Meinung zu z.B. H. Schwerdtfeger); für die LINKE war Heidi Reichinneck der wohl vieles erklärende Shootingstar.
    SPD und B90/Grüne müssen sich zunächst einmal personell neu aufstellen, sich auf ihre neuen Rollen (Juniorpartner, Opposition) einstellen.
    Aus Washington wird vermutlich bald großer Druck kommen, auch die unsägliche AfD in Koalitionsverhandlungen mit einzubeziehen.
    Friedrich Merz ist daher nicht zu beneiden, eine vier-jährige Kanzlerschaft ist ihm nicht unbedingt sicher.

  6. Verehrter Herr Breuer – natürlich kenne ich das Problem-Thema Auslandswähler. Und ob mir die eine und andere politische Haltung des Einen oder Anderen passt oder nicht, war und ist nicht die Frage; ich habe eben wie auch Herr Lerchner unterscheidbare Haltungen, was in einer Demokratie zur Selbstverständlichkeit gehört. Meine Fragen zu Lerchners Angriffen auf konfessionelle Weltbilder erbat ich zu erklären, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Und dies dürfte doch wohl legitim sein oder? Außerdem fragte ich Herrn Dr. Lerchner an, nicht erwartend, dass Sie sich dazu positionieren, zumal etwas schwachbrüstig! Und wie ich Lerchner bisher kenne, ist er durchaus in der Lage auf Fragen konkret zu reagieren, nicht banal!
    Was das momentane Wahlergebnis dieser Bundestagswahl anbelangt, wird auf unser Land viel, sehr viel zukommen, am meisten für Herrn Merz. Und eine Wahlbeteiligung von über 80% – großartig. Davon hat aber eben auch die AfD mit zur Stunde 20,5 % profitiert. Ohne zu schwurbeln: Da interessiert mich schon die Erklärung von unserem Dauerangriffslustigen Schwerdtfeger, was er zum bedenklich niedrigen Wahlergebnis-Prozentsatz seiner CDU/CSU zu interpretieren hat. Es wird sehr wahrscheinlich eine CDU/SPD/GRÜNE-Koalition geben. Auf uns allesamt dürfte somit einiges zukommen! Und mal sehen, was Polen und Frankreich und vermutlich demnächst Merz im Weißen Haus mit Trump & Musk aushandelt, was die Ukraine betrifft – wir werden uns noch wundern! Guten Abend – Jo.Flade

    1. „Da zeigt sich wieder, dass dieser Mensch die Beiträge anderer nur selektiv liest – oder eben nicht versteht. Dafür ist er im Belehren unschlagbar.“
      Mehr ist nicht zu sagen…

  7. Zitat Joh. Lerchner: „Nach Lage der Dinge sieht es allerdings diesbezüglich wenig optimistisch aus, nicht nur weil mein Stimmzettel wahrscheinlich erst verspätet das zuständige Wahllokal erreichen wird.“ – Herr Lerchner – bitte erklären Sie uns mal konkret, was Sie mit dieser Vermutung meinen? haben Sie Ihre Briefwahl rechtzeitig beantragt und rechtzeitig postalisch an das für Sie zuständige Wahlbüro gesandt, ja wie soll dann etwas bei Ihnen schief gehen?? Klären Sie bitte auf. Denn in Ihrer Vermutung könnte eine Hinterfragung unseres demokratischen Wahlsystems versteckt liegen – oder interpretiere ich da ggf. zu viel hinein?? Und noch etwas: Warum haben Sie mit dem „zur Schau getragenen“ Christ-Sein Anderer so ein Problem, was Sie permanent in diesem Blog wiederholen? haben Sie mit dem Christentum Probleme erlitten? Selbst wäre es so, respektieren Sie Andere, es beträfe die Würde des Menschen. Und daruf legen Sie ja nachlesbar großen Wert. Ihnen einen ergebnisreichen Wahlsonntag. Jo.Flade

    1. Da zeigt sich wieder, dass dieser Mensch die Beiträge anderer nur selektiv liest – oder eben nicht versteht. Dafür ist er im Belehren unschlagbar.
      Also einen Gruß nach Brasilien, Herr Lerchner. Ihr Beitrag enthält entgegen Wolffs Kommentar durchaus Richtiges, nämlich dass Europa und die USA (vor Trump) sehr viele politische Fehler in Richtung Russland gemacht haben: Ihre moralische Überheblichkeit, Ihr unpolitischer Versuch, die NATO unnötigerweise immer weiter an Russland heran auszudehnen, ihr Unvermögen zur Parallelität von Diplomatie und militärischer Aktion, ihr völliges Versagen bei der Definition und Beschreibung eigener strategischer Ziele über die der Ukraine hinaus und vor allem die Nicht-Auflösung des Dilemmas, dass man den Krieg militärisch zu gewinnen sich nicht traut und diplomatisch zu beenden nicht wollte.
      Ansonsten gibt es aus meiner Sicht auch viele Punkte in Ihrem Beitrag, denen ich nicht zustimme – aber die brauchen nicht wiederholt zu werden.
      Dafür Zustimmung an Herrn Wolff für seinen Kommentar in Richtung Haspelmath. Der Mann ist wirklich verbohrt!

      1. Es ist völlig richtig, allen Versuchen, auch in Deutschland zu suggerieren, es ginge bei den Wahlen nicht mit rechten Dingen zu, entschieden entgegenzutreten. Das ist ja inzwischen zu einem Mittel geworden, um demokratische Wahlen grundätzlich infrage zu stellen bzw. nur gelten zu lassen, wenn man die meisten Stimmen erreicht – siehe Trump- Amerika …

        1. Ah, ja die Tagesschau ist nach Ihren Erkentnissen auch schon denjenigen zuzuordnen, die suggerieren, es ginge bei den Wahlen in Deutschland nicht mit rechten Dingen zu.
          Herzlichen Glückwunsch!

  8. Weil es in der internationalen Politik niemals um Moral oder Demokratie, sondern immer um Interessen geht (Egon Bahr), kann ein Wettkampf der Verschwörungstheorien von keiner Seite gewonnen werden, sondern nur die Gesellschaften weiter zersetzen.
    Weil die Vorwürfe des gewählten US – Vizepräsidenten nicht aus der Luft gegriffen sind, ist ein wütendes Bellen getroffener Hunde die hilf- und planlose Reaktion. Es wäre angemessener, auf die Kritikpunkte, z.b. die annullierte Wahl in Rumänien, inhaltlich einzugehen. Der Einwurf des Bundeskanzlers (das entscheiden wir Europäer selbst) läuft so ins Leere. Hätte er das Trumps Vorgänger entgegnet, als der ihm das Ende von North – Stream ankündigte – Scholz hätte europäische und deutsche Interessen vertreten.
    Was wirklich passiert: die neue US -Regierung kündigt die „liberale Weltordnung“ auf, weil sie US – Interessen in der multipolaren Weltordnung vertritt! „Die US – Regierung scheint damit anzuerkennen, dass ein militärischer Sieg über China nicht realistisch ist – und dass es keinen Weg zurück in die unipolare Welt gibt“, schreibt Marc Saxer („Wer zu spät kommt…“, IPG Journal, 17.02.2025). Unbedingt lesenswert als Wiedereinstieg in die reale und globale Politik.

    1. Es ist schon mehr als erstaunlich, wie viele Menschen bereit sind, den unverhohlen rechtsradikalen Narrativen der Trump-Musk-Heritage Foundation-Bande im Weißen Haus auf den Leim zu gehen. Dass Demokratie und Meinungsfreiheit jeden Tag neu erstritten und justiert werden müssen, ist unstrittig. Dass aber diejenigen, die mit Brachialgewalt die Axt an die Demokratie, Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit anlegen und die systematische Lüge und die Umkerhung der Werte zum strategischen Instrument erhoben haben, plötzlich als die neuen Friedensbringer bejubelt werden sollen, verwundert doch sehr.

  9. Bevor es an die Analyse der Wahlergebnisse geht, hier noch ein kurzer Kommentar zu der in Bewegung geratenen Lage im Ukrainekrieg. Wie viele andere auch habe ich mich gefreut über ein sich abzeichnendes Ende des Tötens in der Ukraine. „We both agree that we want to stop the millions of death taking place in the war between Ukraine and Russia„, teilte Donald Trump nach seinem Telefonat mit Putin mit. Hier in diesem Blog, der wesentlich getragen wird von Leuten, die ihr Christsein bei jeder Gelegenheit zur Schau stellen, ist von einer Genugtuung über diese Friedensperspektive nichts zu spüren. Im Gegenteil: Es herrscht allenthalben Schnappatmung und Entsetzen und Frieden wird immer mehr zum Unwort. Mit der Kontaktaufnahme von Trump und Putin und der eventuellen Anbahnung von Friedensgesprächen gerate Europa auf den „Speisezettel“ imperialistischer Großmächte, heißt es. Es bestünde die Gefahr, dass Europa von Osten und von Westen her politisch und ökonomisch paralysiert würde. Dass es zu einer Auslieferung der souveränen Ukraine an Russland käme, man eine Trump-Putin-Vereinbarung dem Hitler-Stalin-Pakt gleichsetzen müsste. Größtenteils sind das Phantasieprodukte bar jeder Grundlage, die zudem zeigen, wie sehr die Propaganda der letzten Jahre das Denken im Lande deformiert hat.

    In meinem Beitrag vom 18. März 2022 hatte ich geschrieben: „Wenn man nicht an die finale Niederwerfung Russlands glaubt und auch für die Zeit nach dem Krieg die Frage nach dem richtigen Umgang mit Russland als relevant ansieht, wird man nicht umhin kommen, sich mit der Zurückweisung russischer Sicherheitsinteressen als einer der denkbaren Kriegsursache zu befassen“. Was damals vage Option war, ist heute Realität, denn genau da sind wir jetzt angelangt. Der Westen steht vor einem Scherbenhaufen seiner bisherigen Ukraine-Politik. Trotz allergrößter Anstrengungen ist Russland nicht besiegt. Die nach wie vor guten oder vielleicht sogar sich verstärkenden Beziehungen Russlands zu wichtigen Staaten des globalen Südens haben dessen wirtschaftlichen Zusammenbruch verhindert. Auf der anderen Seite verliert die Ukraine täglich an Boden. Schüler setzen sich massenweise ins Ausland ab, um bei Erreichen des 18. Lebensjahres nicht mobilisiert zu werden. Mit Milliardenaufwand formierte Elitebrigaden kommen gar nicht erst zum Einsatz, weil sie vorher wegen Massendesertion zerfallen. Kriegswichtige Infrastruktur geht durch russische Bombardements sukzessive verloren und die damit einhergehenden Kollateralschäden unter der Bevölkerung nehmen zu (laut UN-Angaben 12.000 Tote Zivilisten seit Kriegsbeginn; damit die Relationen klar sind: 50.000 tote Zivilisten in Gaza und Westjordanland in eineinhalb Jahren, knapp 400.000 Zivilopfer des US-amerikanischen Krieges gegen den Terror; Quelle Statista).

    Die Europäer sind allerdings nicht bereit, diesen Tatsachen gebührend Rechnung zu tragen. Weiterhin haben sie kein realistisches Ziel und kein strategisches Konzept, wie man aus dem Krieg mit Verhandlungen herauskommt (und wundern sich, dass sie aktuell im Konzert der Großmächte nichts zu sagen haben). Es zählen nur Durchhalteparolen („Putin wird scheitern, Europa und die Ukraine werden gewinnen“, von der Leyen) und es wird offenbar erwogen, die Friedensbemühungen zu sabotieren und den Krieg in der Ukraine gegen Russland in eigener Regie weiter zu betreiben. Was für eine Schande! Es sollen weitere Ressourcen in diesen Krieg gepumpt und sinnlos verbrannt werden. Neuerdings ist von 700 Mrd. Euro die Rede (das sollte vor der Wahl eigentlich nicht bekannt werden), die von der EU aufzubringen sind. Um die Bevölkerung bei der Stange zu halten, werden mit plumper Propaganda (Baerbock warnt vor Einmarsch Putins in Brandenburg) oder mit sich seriös gebenden Studien von Nachrichtendiensten Angriffsszenarien Russlands auf die NATO an die Wand gemalt (z. B. die nicht auf realen Fakten basierte, rein fiktionale Modellstudie des dänischen DDIS vom 11. Februar d. J.). Lügen über Minsk II (die Weigerung der Ukraine, den politischen Teil des Vertrags umzusetzen, wird verschwiegen) oder die bewusste Fehinterpretation des Budapester Abkommens (die ukrainische Regierung hatte gar nicht die Verfügungsgewalt über die auf ihrem Territorium vorhandenen ehemaligen sowjetischen Kernwaffen) sollen positive Erwartungen an die Verhandlungsbereitschaft der Russen verhindern. Fehlen dürfen auch nicht die üblichen Horrorgeschichten eines Gustav Gressel (österreichischer Politologe), der jüngst über einen angeblichen Genozid an der ukrainischen Bevölkerung in den russisch besetzten Gebieten fabulierte (FAZ 20.02.2025). Tatsächlich werden von den Russen Milliarden für den Wiederaufbau in diese Gebiete gepumpt [1].

    Offenbar wollen und können sich die Amis diese Kopf-in-den-Sand-Politik nicht leisten. In Anbetracht der auch in den USA beschränkten Ressourcen wird der Ukraine-Krieg für sie insbesondere auch wegen der offensichtlichen geringen Erfolgschancen immer weniger tragbar. Gemäß deren Sicherheitsdoktrin ist China der einzige ernstzunehmende Rivale, auf den die Kräfte aus ihrer Sicht konzentriert werden müssen (Harald Kujat, [2]). Nur so können die USA vielleicht ihren hegemonialen Status in der Welt langfristig abzusichern. Es geht nicht um eine imperialistische Neuaufteilung der Welt, die gegenwärtige soll aufrechterhalten werden. Manche haben sich so an diese gewöhnt, dass sie dies „regelbasierte Ordnung“ nennen. Wie die von mir bereits seinerzeit zitierte RAND-Studie zeigt [3], ist diese Interessenabwägung keine originäre Trump-Idee. Selbstverständlich haben sich schon alle US-Präsidenten vor Trump konsequent an den nationalen Interessen der USA orientiert, nur dass diese nicht so rüpelhaft, obsessiv und rücksichtslos vorgegangen sind wie jener. Zum Beispiel Bill Clinton 1999: Multilateral, wo wir können, und unilateral, wo wir müssen. Die USA sind zur unilateralen Anwendung militärischer Gewalt berechtigt, um sicherzustellen, dass der Zugang zu Schlüsselmärkten, Energieversorgung und strategischen Ressourcen uneingeschränkt erhalten bleibt. Oder Obama vor der Westpoint Militärakademie 2014: Das alleinige Verfolgen eigener nationaler Interessen erfolgt, wenn möglich, im Rahmen internationaler Bindungen und im Einklang mit „Verbündeten“, wenn nicht möglich, aber auch gegen jedes Recht und gegen die „Verbündeten“ (aus Noam Chomsky, „Wer beherrscht die Welt? Die globalen Verwerfungen der amerikanischen Politik“).

    Die Neuorientierung der US-amerikanischen Ukrainepolitik hat die logische Konsequenz, dass die Interessen Russlands nunmehr wahrgenommen werden müssen und Russland nicht mehr als Paria behandelt werden kann. Da es völlig klar ist, dass die drohende NATO-Mitgliedschaft der Ukraine der Hauptgrund für den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands war (Jens Stoltenberg hat es bestätigt), steht diese selbstverständlich als erste zur Disposition. Dass über die vernachlässigten Rechte der ethnischen Russen in der Ukraine zu diskutieren ist, versteht sich auch. Mit einem Minsk III wird es aus russischer Sicht nicht getan sein. Die unaufrichtige Haltung Deutschlands und Frankreichs bei der Vereinbarung von Minsk II haben Spuren hinterlassen (Merkel und Hollande haben sich später damit gebrüstet, Russland mit Minsk II hinters Licht geführt zu haben). Einen stabilen Frieden in der Ukraine wird es also ohne ein umfassendes Konzept für eine neue europäische Friedensordnung, bei der die Prinzipien der Charta von Paris vom November 1991 (Konzept der unteilbaren Sicherheit) zur Geltung kommen und in die Russland eingebunden ist (Baberowski [4]), nicht geben. Dass die bisherige Friedensordnung nicht nur durch Russland, sondern auch durch tatkräftiges Agieren vor allem der USA zerstört wurde, ist nicht zu bestreiten (Harald Kujat, [2]).

    Der Schwenk der Amerikaner zu mehr Realismus in ihrer Ukraine-Politik hat insofern eine makabre Note, weil sie es waren, die sich langfristig darauf orientiert hatten, Russland in ein blutiges Ukraineabenteuer hineinzumanövrieren (RAND Corporation 2019 , [5]) um den Rivalen damit zu schwächen. Außerdem wurde von den USA mit den berühmten fünf Nuland-Milliarden der Boden für einen Anti-Russlandkurs der Ukraine aufbereitet und im Wesentlichen auch der Maidan-Putsch (-Staatsstreich, -Revolte) orchestriert. Letzterer war der Auslöser der ganzen Misere. Die USA hatten auch eine Aktie daran, dass die erfolgsversprechenden Istanbuler Verhandlungen abgebrochen wurden und das Töten deshalb ungebremst weiterging.

    Völlig überein stimme ich mit der hier vertretenen Ansicht, dass Europa konsequent seinen eigenen Weg gehen sollte. Die überzeugte Europäerin Ulrike Guérot hat das neulich auf einer Gegen-MSC-Kundgebung in München gut auf den Punkt gebracht: Ein Emanzipieren von den USA ist in jeder Hinsicht im europäischen Interesse. Das Nachdenken über ein postatlantisches Europa sollte jetzt beginnen. Europa hat eine Kultur, die nicht kompatibel ist mit den oligarchischen Strukturen und einer libertären Wirtschaft wie in den USA. Europa ist humanistisch und nicht transhumanistisch [6].

    Wir werden morgen nach Schließung der Wahllokale sehen, inwieweit das neue politische Kräfteverhältnis mehr Vernunft in der Friedenspolitik zulassen wird und ob endlich statt der olivgrünen Kriegsbegeisterten wieder Leute Einfluss gewinnen, die sich ernsthafte Gedanken über die Ausgestaltung einer neuen Friedensordnung machen. Nach Lage der Dinge sieht es allerdings diesbezüglich wenig optimistisch aus, nicht nur weil mein Stimmzettel wahrscheinlich erst verspätet das zuständige Wahllokal erreichen wird.

    [1] Strana, 08.04.2024, https://strana.today/news/460541-mariupol-2024-chto-sejchas-proiskhodit-v-horode.html
    [2] Vortrag von Harald Kujat in der Evangelische Akademie Abt Jerusalem Braunschweig 23.01.2025, https://www.youtube.com/watch?v=v9pxosQz_2I
    [3] Rand Corporation Januar 2023, https://www.rand.org/pubs/perspectives/PEA2510-1.html
    [4] RND-Interview mit Jörg Baberowski, 19.02.2025, https://www.rnd.de/politik/dauerhaften-frieden-kann-es-nur-mit-russland-geben-I57FKRZ2HRHNRPLYRZZH6TVABE.html
    [5] Rand Corporation April 2019, https://www.rand.org/pubs/research_briefs/RB10014.html
    [6] Ulrike Guérot 15.02.2025, https://www.youtube.com/watch?v=rd_521AFXd8

    1. Vielen Dank, lieber Herr Lerchner, dass Sie in aller Ausführlichkeit noch einmal Ihre Position darstellen. Doch wird sie – jedenfalls für mich – dadurch nicht überzeugender. Das wird vor allem an folgenden Sätzen deutlich: „Hier in diesem Blog, der wesentlich getragen wird von Leuten, die ihr Christsein bei jeder Gelegenheit zur Schau stellen, ist von einer Genugtuung über diese Friedensperspektive nichts zu spüren. Im Gegenteil: Es herrscht allenthalben Schnappatmung und Entsetzen und Frieden wird immer mehr zum Unwort.“ Da kommt zum einen eine gewisse Häme darüber zum Vorschein, dass der eine oder die andere die Perspektive des Glaubens mit berücksichtigt, um sich die Wirklichkeit zu erschließen; zum andern gehen Sie davon aus, dass eine Verhandlung zwischen Putin-Russland und Trump-Amerika über die Ukraine ohne die Ukraine bei jedem:r „Genugtuung“ auslösen soll. Sie sprechen zwar vom „Angriffskrieg Russlands“, wenig später liefern sie aber die angebliche Rechtfertigung für den Feldzug nach. So wird dann der Angriff umgedeutet in Abwehr. Das ist eine Umkehrung der Tatsachen. Klar ist: Putin-Russland kann sofort eine Basis für Friedensverhandlungen schaffen, indem es ein Ende seiner Angriffe verkündet und so eine Basis für eine Friedensperspektive schafft. Diese Forderung einfach zu übergehen und den Angegriffenen die Tausenden Toten vorzuhalten, ohne mit einem Wort die Verantwortlichen für das massenhafte Sterben zu benennen, geschweige denn sie zum Innehalten aufzufordern, ist mehr als zynisch. Zu diesem Zynismus passt dann auch die geradezu euphemistische Sicht auf das korrupte Trump-Regime und seine autorkatisch-imperialistische Politik.
      Es ist nur zu hoffen, dass eine solche Perspektive, wie Sie, lieber Herr Lerchner, sie hier zusammenfassend darlegen, in Deutschland und Europa niemals mehrheitsfähig wird.
      Beste Grüße, Christian Wolff

  10. Keine Kooperation mehr mit der US-Regierung? Und auch nicht mehr mit China, Saudi-Arabien, Iran, Aserbaidschan, Ungarn, Slowakei? Was ist mit den Niederlanden und Italien, wo auch die Rechten das Sagen haben? Langsam wird es einsam um uns herum… Ich fürchte, dass wir die Welt und die Menschen so nehmen müssen, wie sie sind. Dass Vance auf die Demokratie-Defizite bei uns hingewiesen hat, war zumindest positiv. Vor drei Jahren wurden in Deutschland hunderte von Demos verboten, weil Kritik an den Corona-Diskriminierungen unerwünscht war. Es waren damals vor allem AfD und US-Republikaner, die sich gegen die Diskriminierungen eingesetzt haben. Es bleibt eine große Schande für CDU, SPD, Grüne und Linke, dass sie einfach zugesehen haben, wie unsere freiheitlichen Werte erodiert sind. Damit haben sie Leuten wie Weidel und Vance die Türen geöffnet. Ich habe seit Herbst 2021 immer wieder gewarnt, aber kaum jemand hat mir zugehört. Jetzt ernten wir die Früchte unseres Versagens.

    1. Sehr merkwürdig, diese Mischung aus Hybris („… kaum jemand hat mir zugehört“, deswegen haben alle versagt) und wirrem Zusammenrühren verschiedener Entwicklungen. Bleibt für mich die Frage, warum jemand, der alles schreiben und sagen kann, was er für richtig hält, und der die Möglichkeit hat, sich für die Demokratie zu engagieren, dennoch mit Penetranz behauptet, die freiheitlichen Werte seien erodiert und diejenigen, die sie tatsächlich mit Füßen treten, zu Zeugen anruft.

      1. Ja, man darf alles sagen, aber man durfte monatelang nicht dafür demonstrieren. Das war ein schwerer Vertrauensbruch, der zu den zweistelligen Ergebnissen für die AfD geführt hat – und auch zu den fatalen Entwicklungen in den USA. Was ich nicht verstehe: Warum geben Die nicht zu, dass Sie sich damals schlimm geirrt haben? Sie sind ja kein Wissenschaftler, und deshalb war es schwer für Sie, die Corona-Panik als solche zu durchschauen. Eigentlich kann man Ihnen keinen Vorwurf machen; nur im Nachhinein müssten Sie Ihren schweren Fehler zugeben, oder?

        1. Ah ja, daran habe ich leider nicht gedacht: Ich bin kein Wissenschaftler, sondern ein armes Dummerchen. Mir fehlt also der Prof. Dr., um die Dinge zu durchschauen – und darum soll ich also einen Fehler zugeben, für den ich eigentlich nichts kann, weil eben zu dumm. Es wird immer toller, Lieber Herr Haspelmath. Ich hoffe, dass Sie irgendwann wieder einmal Ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung als Wissenschaftler gerecht werden können.

          1. Ja, genau – damals hatten Sie nicht alle Informationen, denn in unseren Medien wurden andere Meinungen als die von Drosten kaum dargestellt. Deshalb müsste es leicht für Sie sein, sich für Ihre Unterstützung des antidemokratischen Aufrufs zu entschuldigen („Ihr seid nicht das Volk“). Eigentlich waren Sie ja immer für Demokratie – es war damals einfach eine Panik-Situation. Ohne es zu wollen, haben auch Sie zum weiteren Aufstieg der AfD beigetragen. Es ist tragisch, aber man kann Fehler korrigieren. Ich würde es mir sehr wünschen, denn bis 2021 hatte ich Sie sehr geschätzt. Sie waren immer eine Art Vorbild für mich.

    2. „Dass Vance auf die Demokratie-Defizite bei uns hingewiesen hat, war zumindest positiv.“
      ______________________________________________________________________________

      Ein Kernsatz Vances in München lautete, dass die Bedrohung Europas nicht von außen komme, nicht aus Russland oder China, sondern von innen: Europa habe sich von den gemeinsamen Grundwerten mit Amerika verabschiedet. Dieser Mann hat sich völlig disqualifiziert. Er war früher ein Gegner Trumps, und es bewahrheitet sich der Satz, dass Konvertiten die größten Radikalinskis sind.

      1. Aber er hat ja Recht: Wenn unsere Demokratie gut funktionieren würde, bräuchten wir doch keine Angst vor Russland zu haben. Das Gefühl der Bedrohung liegt vor allem daran, dass wir im Inneren unsicher sind. Viele denken, dass jenseits der Brandmauer der Feind lauert – aber zumindest in Leipzig ist dieser Feind mittlerweile in der Mehrheit. Wir müssen uns einfach wieder auf die Grundwerte der Demokratie besinnen, und frühere Fehler benennen (vor allem die Demo-Verbote von 2021-22).

  11. Na, Herr Schwerdtfeger, da kommen wir uns doch näher, wenn ich auch nicht sehe, wie Politiker und Diplomaten in Lieferbeziehungen besseren Einblick haben sollten als die Einkäufer.

    „Nationbuilding“ war das Ziel des Afghanistan-Feldzugs und Aufgabe der Soldaten war die Befriedung des in die Sphären der Kriegsherren zerteilten Landes. Schul- und Brunnenbau waren Sympathie-Aktionen. Quantitativ war der Einsatz von Anfang an problematisch. Zu wenige, zu kampfschwache Kräfte wurde dann kompensiert mit rücksichtslosen Bombardierungen – so, wie es auch gerade im Gazastreifen und im Libanon erklärte Strategie Israels (gewesen) ist, Dahiya-Doktrin.

    Recht haben Sie damit, dass Rechtsprechung immer auch politisch ist, und damit, dass der IStGH erst „subsidiär“ zuständig ist. Dass allerdings Israels Kriegsführung zu beurteilen „sehr wohl“ dem Staat Israel überlassen werden könnte – das ist, Verzeihung, offensichtlich Quatsch.

    Dass Christian Wolff Ihnen Ihre Ansichten zu einer angemessenen Verteidigungsfähigkeit als unmoralisch ankreidet, sehe ich überhaupt nicht. Er moniert, wenn ich ihn recht verstehe, gar nicht, d a s s es Verteidigungsstreitkräfte gibt. Auch zu einer geeigneten Dimensionierung und Bewaffnung hat er wohl keine Meinung, ausgenommen ABC und abgesehen vom Grundsatz „so wenig wie möglich“. „Der Frieden ist der Ernstfall“ – das Heinemann-Wort lernen die Rekruten bei der Bundeswehr. Das bedeutet aber nicht – so verstehe ich Wolffs Mahnungen –, dass allein mit militärischen Mitteln der Ausweg aus Krisen und Kriegen zu suchen ist, dass am Ende nur noch über Waffensysteme diskutiert wird, und nicht mehr über die politischen und diplomatischen Möglichkeiten. Diese mit bedenkend kann man dann immer noch streiten über Begrifflichkeiten (Kriegstüchtigkeit) und über Waffensysteme – ohne dass dabei einer „moralisch“ ins Eck gestellt wird.

  12. Schwerdtfeger (Zitat): „…zwei Dinge vonnöten sind: Erstens die Erkenntnis, dass NUR Beschimpfung eine unnütze Taktik ist; und zweitens die Konzentration auf die Gestaltung der Zukunft anstelle des Beklagens der Vergangenheit und Gegenwart. Bei Wolff zum ersten viel, zum letzten nichts“.
    Nach diesen unsäglichen Anwürfen, die sich per se wie stets widersprechen (AS protestiert gegen
    Ein analytischer Beitrag siehe:
    Die Reaktionen auf Chr. Wolffs aktuellen Beitrag sind von nachdenkenden, klugen und anständig argumentierenden Köpfen (A. Deeg, J. Brüggenwirth, H.A. Dresel, R. Festera, K. Hoellger, K. Plätzsch) nachlesbar und meinerseits nur noch zuzustimmen.
    Momentan wird die Debattenkultur erschütternd reduziert, und ich wiederhole mich: die schwerdtfegerschen Respektlosigkeiten Chr. Wolff insbesondere und auch Andersdenkenden gegenüber, gepaart mit Überheblichkeit und Allwissend- “Tugend“ verstärkt den Eindruck, dass der Artikel 1 des GG bei AS keinerlei Nachdenken auslöst.
    Die Weltlage verändert sich erschreckend in gravierende Abseitigkeiten; da sind solcherart Verbal Katastrophen wahrlich das Letzte und hat mit politischer Souveränität nichts zu tun!
    Wählen wir Demokratie, Menschenwürde und Zivilcourage, alles andere dürfte wohl kaum unsere Gesellschaft vorwärts bringen! Ich grüße die Anständigen – Jo.Flade

    1. Wenn Sie nach „Quatsch“ suchen, Herr Hoellger – hier haben Sie ihn: Inhaltlich nichts zum Thema, kaum verständliches Deutsch, kriecherische Anbiederei, falsch geschriebene Namen (ich gebe zu: Herr Fersterra hat mir auch mal „Schwierigkeiten“ bereitet – ich habe mich entschuldigt, mal sehen) und ein bisschen gezielte Beleidigung in der Anspielung auf das GG – dieses letztere zugegeben nicht bedeutsam, denn man weiß ja, woher es kommt.
      Das alles ist „(Verzeihung, Quatsch“) im Gegensatz zu Meinung in der Sache, zB dass Israel durch seine Institutionen „sehr wohl“ in der Lage und sicherlich auch willens ist, seine juristischen Probleme selbst zu lösen. Immerhin hat die Justiz den Premierminister in anderer Sache angeklagt; immerhin wird die Justiz den Kriegsverlauf beobachtet haben und kommt nur aus der sehr nachvollziehbaren israelischen Sicht angesichts des menschenverachtenden Verbrechens vom 7. Oktober 2023 und der anhaltenden terroristischen Bedrohung aus dem Gazastreifen sowie der Verletzung der Gewahrsamspflicht der Hamas gegenüber den Geiseln und ihrem eigenen Volk zu anderen Schlüssen als Sie. Immerhin schließlich fehlen auf der Anklageliste des Haager Hofes noch Leute wir Maduro oder die Sudanesen, immerhin auch ist es wohl kaum erklärbar, einen (vermutlich toten) Hamas-Terroristen mit dem israelischen PM gleich zu behandeln.
      Und zu Wolffs Ansichten über Verteidigung: Er befürwortet, wie er uns einst schrieb, eine „angemessene“ Verteidigungsfähigkeit. Gefragt, was darunter zu verstehen sei und an welchen Kriterien er die Angemessenheit festmache, blieb er die Antwort schuldig – und alle seine Hinweise in dieser Sache zeigen, dass sein Maßstab der Angemessenheit willkürlich und ideologisch begründet ist und die Sicherheit Europas und Deutschlands gefährden würde. Vielleicht erklärt er sich ja jetzt. Um das Heinemann-Wort geht es dabei nicht, denn die Frage ist ja nicht, ob Friede oder Krieg das Ziel ist, sondern WIE der Friede am sichersten bewahrt und gesichert werden kann (nämlich mit oder ohne „Kriegstüchtigkeit“).
      Schließlich Lieferkettengesetz: Die Zustände in anderen Ländern und unsere Bewertung derselben/Reaktion auf dieselben ist eine Frage der Außen- und Wirtschaftspolitik. Handelsunternehmen haben keinen Einfluss auf die interne Politik anderer Staaten (auch nicht durch Boykotte, denn der Weltmarkt ist groß), es ist vor allem auch gar nicht ihre Aufgabe, bürdet ihnen aber erhebliche Bürokratie- und sonstige Kosten auf. Die Politik dagegen kann Einfluss ausüben – UND sie würde den Eindruck der „doppelten Maßstäbe“ vermeiden (ein Wolff’sches Problem), denn wie anders erklären Sie sich, dass wir mit Nähereien in Bangladesch oder Erden-Grabenden im Kongo ganz streng sein wollen und andererseits aber chinesische Menschenrechtsverletzungen in der Produktion fast vollständig übersehen, weil wir weder Einblick kriegen noch diesen wollten?
      Ich grüße Sie,
      Andreas Schwerdtfeger

  13. Lieber Christian,
    Dein zusammenfassende Analyse stimme ich voll zu und bin starr vor Entsetzen, was da noch auf uns zukommt. Leider sind wir wirtschaftlich so abhängig, und unsere Arbeitsplätze dann so gefährdet, so dass es keine Regierung sich trauen wird, Trump und seinen Helfern dann die Stirn zu bieten. Und die AfD würde dann sicherlich stärkste Partei, weil sie sich nur all zu gern Trump an den Hals scheißt.
    Meine einzige Hoffnung ist, dass die Demokraten und vielleicht auch etliche Republikaner aufwachen und sich wehren und mit Ihnen die EU, ohne Orban etc. Es sieht nicht gut dafür aus, aber ….
    Gruß
    Michael

  14. Ist es wichtig, ob es sich um „Selbstmitleid“ oder um „Zuversicht auf Sparflamme“ handelt“? Das Problem ist ein anderes: Wolff beschreibt stets die Lage aus seiner Sicht – und es fehlt völlig die Einsicht, dass über eine emotionale Beschreibung seiner Sorgen hinaus zwei Dinge vonnöten sind: Erstens die Erkenntnis, dass NUR Beschimpfung eine unnütze Taktik ist; und zweitens die Konzentration auf die Gestaltung der Zukunft anstelle des Beklagens der Vergangenheit und Gegenwart. Bei Wolff zum ersten viel, zum letzten nichts.
    Die Lage ist recht eindeutig – und sie war über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte absehbar: Europa hat in Sachen Ausbau der Gemeinschaft seit Kohl nichts mehr getan; es hat verwaltet, verteilt, nationale Interessen vor Gemeinschaftsinteressen gestellt und jeden Impuls zu mehr „Vereinigte Staaten von Europa“ abgeblockt. Prof Bierling (Regensburg) spricht mit Blick auf Amerika von den „Unvereinigten Staaten“; das beschreibt eben leider auch Europa. Und weiter: Europa und insbesondere Deutschland haben es in den letzten Jahrzehnten versäumt, glaubwürdige militärische Abschreckung als Beitrag zur westlichen Globalpolitik zu erhalten oder wiederherzustellen, und dadurch den Kontinent in die Bedeutungslosigkeit geführt. Vakuen – ich schrieb es oft – sind anziehend; Schwäche ist der sichere Weg in die Niederlage (auch politisch); Abhängigkeiten (bei Putins Gas erkennen wir das andauernd) führen zur Fremdbestimmung (und Europa hat diese bezogen auf die Sicherheitspolitik nur allzu gerne in Kauf genommen, weil es billig war). Und schließlich drittens: Die Moralpolitik unter Vernachlässigung aller realpolitischen Fakten, wie sie hier im Blog vorherrschende Meinung ist, hat diejenigen befeuert, die populistisch Probleme zur Verführung der Menschen ausnutzen und billige Lösungen anbieten – hier ist das Hauptversagen der Regierungen Merkel/Scholz und Scholz/Habeck und natürlich auch einiger Beiträge hier im Blog.
    Worauf kommt es an? Jammern über Trump, Orban & Co nützt wenig, auch wenn es berechtigt ist. Trump ist da, wir kennen ihn alle, er hat die amerikanische Demokratie weitgehend unterminiert – und wir bleiben dennoch durch unsere eigenen Versäumnisse von ihm abhängig; der Abhängige ist leider Bittsteller, nicht Fordernder auf Augenhöhe. Die klugen Erkenntnisse unserer Politiker (bei weitem immer noch nicht in der Gesellschaft angekommen), dass wir militärische Abschreckungsfähigkeit herstellen müssen, dass wir kriegstauglich werden müssen, um nicht kriegerisch sein zum müssen, ist richtig, aber über Nacht weder materiell noch gesellschaftspolitisch umsetzbar – es wird eher ein Jahrzehnt mindestens dauern und uns leider viele Beschwernisse aufbürden (und ein Umdenken hier im Blog). Wir bleiben also von den USA abhängig, und Nullvokabeln wie „Augenhöhe“ oder „inakzeptabel“ werden daran ebenso wenig ändern wie kluge Sätze nach dem Motto „Szenarien rasch vorbereiten“.
    Vier Jahre lang werden Putin und Trump nun über unsere Köpfe regieren – und in diesen Jahren wird Europa wenig zu sagen haben und gleichzeitig seine Sicherheit nur über Amerika bewahren können: Es kommt also darauf an.
    – mit moralischen Beschimpfungen ebenso aufzuhören wie den Bruch der Wertebasis nur wortreich und selbstgerecht zu bedauern;
    – eine Politik zu formulieren, die das Gewicht Europas stärkt und uns langsam wieder in den Kreis der Entscheider zurückbringt, also eine Erkenntnis der richtigen politischen (also auch finanziellen) Prioritäten;
    – hierzu wirksame Schritte in der richtigen Reihenfolge (zB ERST politisch und DANN militärisch) zur gemeinsamen machtpolitischen Ausfüllung des Vakuums Europa einzuleiten;
    – die Wirtschaftskraft Europas so zu stärken, dass Europa vorübergehend auch ohne militärisches Gewicht wenigstens gehört wird (also zB unnütze Regeln wie Lieferkettengesetze unverzüglich durch reale Politik zu ersetzen);
    – vorausschauende politische Fallplanung zu betreiben, anstatt – wie jetzt wieder – in Deutschland von „noch zu früh“ zu sprechen, wenn andere längst in der Planung sind (das geht natürlich mit einem Cunctator Scholz nicht);
    – und leider: Einfluss auf Trump dadurch auszuüben, dass man seine (außenpolitischen) Aktionen nicht mit Totschlagvokabeln ablehnt, sondern durch konstruktive Vorschläge unter Berücksichtigung seines Hanges zu „schnellen Deals“ zu verbessern sucht. Nochmal: er ist da und hat die Macht, die Europa fehlt; meckern nützt nicht.
    Die Außenpolitik der Trump-USA ist egoistisch, zielorientiert, wenig moral-interessiert und auf schnelle „Lösungen“ ausgerichtet. Das alles ist sehr uneuropäisch. Man wird, wenn man Abhängigkeiten reduzieren will, mit Kritik nicht weiterkommen (schon gar nicht mit deutscher und Wolff’scher Moralpredigt und Beleidigung – die „Bande“), sondern man muss Trump durch Stärke und „Angebot“ überzeugen.
    Andreas Schwerdtfeger

    1. Vor dieser Allwissenheit und jahrzehntelanger Vorausschau – offensichtlich hat Herr Schwerdtfeger schon vor 40 Jahren alles so kommen sehen, wie es jetzt ist – kann man nur in Ehrfurcht erstarren. Oder es bleibt einem (wie der auf dem Tiefpunkt angekommene Blogbetreiber) nur übrig, zu beleidigen und Moral zu predigen. Was für eine überzeugende Debattenkultur – vor allem, wenn ich mir vorstelle, Deutschland soll jetzt mal endlich mit den militärischen Muskeln spielen, damit der Dealer im Weißen Haus Haltung annimmt. Wahrhaft geniale Vorschläge – natürlich alle ohne „Moral“. Die muss den Menschen sowieso ausgetrieben werden – ist eben ein unerträglicher Störfaktor.
      Tja, lieber Herr Schwerdtfeger, es könnte ja sein, dass die Lage sich auch deswegen so katastrophal entwickelt, weil Menschen und Mächte meinen, ohne jede Moral und ohne Grundwerte rücksichtslos ihre Interessen durchsetzen zu können und darum Demokratie und Rechtsstaat zertrümmern. Gnade uns Gott, wenn das auch bei uns – wie vor 100 Jahren – Alltag werden sollte. Vielleicht hat Ihre Allwissenheit noch ein paar Lücken, in denen Moral und Werte ein Plätzchen finden.

      1. Ich habe wirklich nur noch großes Mitleid mit Ihnen, lieber Herr Wolff. Als ich Sie vor rund 15 Jahren kennenlernte, empfand ich Hochachtung für Sie, trotz erkennbar unterschiedlicher politischer Standpunkte. Sie waren damals ein Mann Ihres Glaubens, der Kunst und Musik, der Bildung und Empathie, des sozialen und lokalen Engagements in bewundernswerter Weise. Sie waren streitbar (was mir gefiel) und redegewaltig auf der Kanzel, Sie waren, in einem Wort, überzeugend auch dann, wenn man im Politischen anderer Meinung war.
        Und was ist aus Ihnen geworden? Ihre Angst vor der politischen Entwicklung zu den Rändern, Ihre zunehmend ideologische Ausrichtung weg vom Glauben, den Sie vor sich hertragen, und seinen Grundsätzen hin zu intoleranter Rechthaberei, zur Besserwisserei in allen Bereichen – Kirchenpolitik, Parteienbewertung, Lageinterpretationen in Gebieten, in denen Ihre Kenntnisse eher dürftig sind -, insbesondere Ihre Unfähigkeit zur Akzeptanz unterschiedlicher Meinungen im „demokratischen Diskurs“ (insbesondere wenn sie mit Überzeugung und Sicherheit vorgetragen werden) und Ihre von Doppelmoral geprägte Welt- und Blogsicht – dies alles hat Sie zu einem armen Mann gemacht. Von einem aufrechten und überzeugenden Vertreter Ihrer Anschauungen haben Sie sich entwickelt zu Jemandem, der nur noch aus Prinzip beleidigt und der seine doppelten Standards nicht einmal mehr erkennt. Es ist schade! Was muss passieren? Im 1. Korintherbrief schreibt Paulus (15,51), zugegeben in etwas anderem Zusammenhang: „Es wird die Posaune schallen … und wir werden verwandelt werden:“ Ich hoffe, dass Sie bald die Posaune hören.
        Was ich in meinem Beitrag schrieb und was Sie offensichtlich unverstanden und ritualisiert zurückweisen, ist die Meinung der beiden augenblicks in Minderheitskoalition regierenden Parteien, deren eine die Ihre ist (und noch überzeugender natürlich auch der anderen Parteien der demokratischen Mitte): Wiederherstellung der Abschreckung als Voraussetzung für den Erhalt der Freiheit und Selbstbestimmung unseres Landes und Europas; tatsächliche (und nicht nur breit grinsende) Anstrengung zur Fortentwicklung Europas in Richtung auf mehr Einheit; Notwendigkeit zur fiskalischen und politischen Prioritätensetzung zur Bewältigung der realen Herausforderungen unserer Zeit; Erkenntnis in der Gesellschaft, dass (wie Lindner es so schön formulierte) „Spitzenleistungen nicht etwas sind, was man beantragt, sondern was man erbringt“, und das gilt fürs Materielle ebenso wie fürs Mentale. Und was ich auch schrieb, ist, dass weinerliches, angstgesteuertes Bedauern der Lage wenig hilfreich ist (noch dazu mit beleidigenden Vokabeln), sondern Vorschläge zur Entwicklung einer Politik zum Besseren angesichts der zu akzeptierenden Ist-Zustände im Personellen wie Sachlichen vonnöten sind. Das alles ist keine Ideologie und nicht mehr Allwissenheit als die, die selbst ein Scholz, selbst eine Faeser, selbst ein Hofreiter inzwischen aufbringt.
        Aber Ihnen geht’s ums Beleidigen, wie insbesondere Ihr Beitrag vom 18. Feb., 20:53h, unter dem vorherigen Thema belegt. Sie haben sich bereits einmal bei mir entschuldigt, als Sie Ihre eigenen Regeln verletzt haben und ich Ihnen dies vorhielt („Da gebe ich Ihnen Recht und bitte um Entschuldigung“, 5.9.24). Das war anständig – und schade, dass Sie diese Größe bei früheren Beleidigungen nicht hatten (etwa wenn Sie unliebsame Meinung mit dem Kommentar „Wer so … redet, … der geht – wenn’s drauf ankommt – über Leichen und will dabei nicht gestört werden“ abgetan haben). Sie haben diese Entschuldigung über den „bilateralen Kanal“ geschrieben und ich verstehe dies, denn Sie wollten sich nicht dem Vorwurf Käfers aussetzen, der als Anstandspapst Entschuldigungen als „Kotau“ abtut (wie in meinem Fall, als ich einen Namen falsch geschrieben hatte). Es wird Zeit, dass Sie wieder der Mann werden, den ich mal kennen lernte. Es würde auch Ihrem eigenen Anspruch und diesem Blog guttun.
        Andreas Schwerdtfeger

        1. Vielen Dank, lieber Herr Schwerdtfeger, dass Sie sich so viel Sorgen um mich machen. Sie können aber beruhigt sein: Ich bin wohlauf und freue mich auf jede Probe im Posaunenchor. Nichts ist schöner, als einen vierstimmigen Bach-Choral mit kräftigem Posaunenklang im Tenor und Bass zu blasen, z.B. „Trotz dem alten Drachen, trotz des Todes Rachen, trotz der Furcht dazu. Tobe Welt und springe, ich steh hier und singe in gar sichrer Ruh.“

          1. Wie schön, dass wir hier übereinstimmen! Vielleicht der erste Schritt zu Ihrer notwendigen Umkehr.
            Ich grüße Sie,
            Andreas Schwerdtfeger

        2. Manche Ihrer Erkenntnisse lassen sich durchaus hören (berechtigte Kritik an der Gas-Abhängigkeit, an der Zögerlichkeit beim Zusammenwirken mit den europäischen Nachbarn, auch bei Waffenlieferungen an die Ukraine), manches aber ganz und gar nicht („unnützes“ Lieferkettengesetz – würden Sie sich nicht schämen, Rohstoffe in Gebrauch zu nehmen, von denen Sie wissen, dass sie von Kleinkindern zusammengeklaubt wurden ?).

          Und, lieber Herr Schwerdtfeger, über die Notwendigkeit einer Kriegstüchtigkeit – Verteidigungsfähigkeit – sprechen Sie wie einer, der klug vom Rathaus kommt. In Ihrer Philippika gegen Christian Wolff übergehen Sie, dass nicht moralsaure Jammerlappen aus der Bundeswehr eine zur Unfähigkeit der Landesverteidigung abgemagerte Expeditionstruppe gemacht haben – Schützenpanzer mit Klimaanlage, dafür jetzt ohne Heeresflieger, nur noch fünf (!) Artilleriebataillone. Sondern dass es das Ergebnis gewollter Abrüstung („Friedensdividende“) ist und allerdings von vielen (u.a. Helmut Schmidt) kritisierter Befähigung zu politisch wie militärisch wenig durchdachten Auslandseinsätzen. So gelangte eine Haubitze nach Afghanistan erst, nachdem sich herausgestellt hatte, dass man Infanteristen, zwar ausgerüstet mit schicken Sonnenbrillen und imposanten Biervorräten, aber ohne auf Distanz wirkenden Feuerschutz auf (Himmelfahrts-) Patrouille geschickt hatte. Dafür waren Politiker und Generäle verantwortlich, auch für die unsäglichen Bombardierungen von „Hochzeitsgesellschaften“ und Sprit-Zapfern – können wir so sicher sein, dass die nicht immer noch Grund sind für eine eingängige Radikalisierung und Verführung schlichter Menschen?

          Zu sachlicher Auseinandersetzung und Analyse (vorbildlich der Beitrag von Rolf Fersterra, 20.Feb. 11:17) gehört, in mehrere Richtungen zu denken, Argumente zu akzeptieren oder auch zu verwerfen, das mit Begründung, aber nicht, den Andersmeinenden unsachlich anzugreifen – womit, bitte, hat Wolff Sie beleidigt im Beitrag vom 18.Feb. 20:53? Thema war das Verhältnis von Recht und Politik. Die Entscheidungen des Haager Gerichtshofs darf man kritisieren, sie aber abzutun als „dumm“ oder weil Kriegsverbrecher deshalb keine sein würden, weil sie einem demokratischen Staat vorstehen, das propagiert in der Tat „Politik ohne Recht“.

          1. Es ist ja vielleicht etwas viel, was Sie da alles ansprechen, lieber Herr Hoellger, deshalb nur einige kurze – und Sie sicherlich nicht überzeugende – Anmerkungen:
            – Lieferkettengesetz: Das Ziel ist richtig – das habe ich im Gegensatz zu Ihren Andeutungen nicht bestritten; die Methode ist falsch: Man bürdet eine solche Bürokratie nicht der Industrie auf, sondern entwickelt eine Politik und Diplomatie, die unter Achtung der Souveränität anderer Staaten das Problem angeht.
            – Kriegstüchtigkeit: Ich befürworte hier im Blog seit Jahren die Herstellung einer angemessenen deutschen und europäischen Verteidigungsfähigkeit – und nicht erst seit meinem letzten Rathausbesuch. Das ist nachlesbar – und übrigens ist es ja genau dies, weswegen mich Wolff gerne als „ohne Moral“ unsachlich angreift.
            – Ausrüstung der Bundeswehr bei Auslandseinsätzen (und generell): Ich stecke nicht in den Entscheidungsprozessen in der Bundeswehr und kann deshalb nicht Stellung nehmen zur Verteilung von „Schuld“ zwischen Politikern und der Generalität. Fest steht aber, dass alle Fragen der Ausrüstung bei Auslandseinsätzen hochpolitisch sind und daher auch dem Kanzleramt und dem AM, bzw dem Parlament (das ja eine sehrt kleinteilige Kontrolle ausübt) zugeordnet werden müssen: Wenn man, wie im Fall Afghanistan, als politisches Ziel des Einsatzes das Bohren von Brunnen oder die Schulbildung von Mädchen, festlegt, dann lassen sich Haubitzen und Panzer eben schlecht rechtfertigen. Und was die „Friedensdividende“ angeht – sie war sicherlich keine Erfindung der Bundeswehr, sondern eine gesellschaftliche Forderung, die von der Politik in DEU nur zu gerne aufgegriffen wurde.
            – Nach dem Rom-Statut „ergänzt“ der Haager Gerichtshof nationale Gerichtsbarkeiten („comple-mentary“). Art 5 legt fest, in welchen Fällen der Gerichtshof zuständig ist. Art 17 beschreibt das Eingreifen des Gerichts als notwendig und gerechtfertigt dann , wenn ein Staat „nicht willens oder nicht in der Lage“ ist, Art 5-Lagen selbst juristisch aufzulösen. Was nun Israel betrifft, so steht fest, dass es als anerkannte rechtsstaatliche Demokratie sehr wohl „in der Lage ist“ seine Rechtsprobleme selbst zu lösen – und dass es „nicht willens“ sei, erscheint mehr als zweifelhaft. Die Entscheidung über Netanjahus Kriegführung kann also sehr wohl dem Staate Israel überlassen bleiben (der ja übrigens auch gar nicht Mitglied im Haag ist).
            – Der Haager Gerichtshof ist nach anerkannter Ansicht „hochpolitisch“ – wie könnte es auch anders sein. Er hat juristische Spielräume und seine Entscheidungen können Politik und Diplomatie unterstützen oder erschweren. Man muss meinem Urteil über den Putin-Haftbefehl nicht zustimmen, aber die Aussage, die Entscheidung sei „politisch dumm“ erscheint mir (als Meinung) gerechtfertigt.
            – Über den Beleidigungscharakter von Wolffs Anmerkungen in meine Richtung sind wir unter-schiedlicher Meinung. Ihre Bewertung der Beiträge von Herrn Fersterra teile ich.
            Andreas Schwerdtfeger

    2. „dass wir militärische Abschreckungsfähigkeit herstellen müssen, dass wir kriegstauglich werden müssen“
      __________________________________________________________________________________________
      Die Europäer werden niemals den Atomschirm der Amerikaner ersetzen können, letztlich wird Europa eventuellen Erpressungsversuchen Putins nichts Ernsthaftes entgegenzusetzen haben, wenn Trump den NATO-Beistand verweigern wird. Das soll natürlich nicht heißen, dass Europa nicht erhebliche Anstrengungen auf konventionellem Gebiet machen muss.

      1. Es ist eine Frage der Mentalität, Herr Plätzsch. Folgen wir den Ansichten Wolffs, so wird Deutschland – und im weiteren auch Europa – untergehen als politischer Akteur und damit zum Spielball anderer. Und was ist dann mit der schönen Demokratie, der Freiheit und Selbstbestimmung, der Sicherheit und dem Wohlstand? Wer nicht bereit ist zur Selbstverteidigung und also zur Bereitstellung entsprechender Mittel und dem mentalen gesellschaftlichen Bekenntnis zu dieser Verteidigung, der wird zum Beherrschten und Ausgebeuteten.
        Andreas Schwerdtfeger

  15. Ein Interview mit dem bekannten US-Historiker Timothy Snyder im heutigen „Stern“ habe ich hier hochgeladen:
    https://c.gmx.net/@327755440907619083/EnVBzq1S3OWhhtnX1a7vrA

    Ein Auszug:
    „Was ich sagen kann: Deutschland ist heute die wichtigste Demokratie der Welt.

    „Stern“: Die wichtigste Demokratie der Welt – weshalb?

    Deutschland ist die größte funktionierende Demokratie. Es hat vielleicht nicht die beste Form der Demokratie, aber eine ziemlich gute. Und es ist ein großes, wichtiges Land mit viel Macht.

    „Stern“: Und ein Beispiel für andere?

    Was bei diesen Wahlen passiert, wird enorme Auswirkungen auf den Rest der Welt haben. Wenn Deutschland in eine Lage geriete, in der die AfD in einer Koalition mitregierte, würde das große Wirkung auf andere Länder entfalten. Wer bleibt dann noch als verlässliche Stütze der Demokratie, wenn auch die Vereinigten Staaten in dieser Rolle weggefallen sind?“

  16. Ein Zwischenstand am 20.02.2025
    Wir befinden uns immer noch in der frühen Anfangsphase der zweiten Trump Präsidentschaft. Noch ist nicht abschließend erkennbar, ob und welche Widerstandskräfte sich ihm noch entgegen stellen werden. Auch der Erfolg seiner bisherigen Vorstöße (Gaza, Ukraine) und Maßnahmen (Zollpolitik) ist keinesfalls sicher. Dennoch ist die Situation kritisch. Man muss sich auf alles vorbereiten.
    Die USA bewegen sich in Richtung Autokratie, Oligarchie. Ich frage mich: Wo sind die demokratischen Gegenkräfte der USA? Wo sind Harris, Obama, Sanders etc., wo sind die Repräsentanten der demokratisch dominierten Bundesstatten? Sind sie in Schockstarre? Sammeln Sie sich gerade und bereiten sich auf einen Gegenangriff vor? Sind sie schon verhaftet? Wann beginnt die demokratische Seite mit der Gegenreaktion? Oder kommt da einfach nichts mehr? Heute am 20. Februar ist davon nichts zu sehen.
    Trump und seinen Leuten schwebt wohl die Aufteilung der Welt in Imperien und Einflusssphären vor. Er verfolgt ein nationalistisches, isolationistisches Konzept. Seine Wette ist, dass das den USA auch wirtschaftlich gut tut. Ist das realistisch?
    Trump wird alles tun, um Europa zu spalten und als globales Einflusszentrum auszuschalten. Es wäre ganz in seinem Sinne, wenn Europa unter russische Vorherrschaft käme.
    Wenn die europäischen Staaten die Kraft haben sich zum Widerstand zu entschließen, wird die notwendige Herstellung der Verteidigungsbereitschaft (sagen wir ruhig „Kriegstüchtigkeit“) Europas die Länder Europas und insbesondere Deutschland sehr viel Geld kosten. Das wird mit großen Wohlstandsverlusten verbunden sein und die europäischen Demokratien erschüttern.
    Denn: Die europäische und insbesondere die deutsche Bevölkerung ist auf die gegenwärtige Krise zu 0 % vorbereitet. Die Bevölkerung ist wohlstandsverwöhnt, hedonistisch und besitzt nur geringe Resilienz. Die notwendigen Reaktionen in der Politik werden die Demokratie in Deutschland erschüttern.
    Die Schuldzuweisungen, die in der öffentlichen Diskussion aufbrechen werden, sind nutzlos und schädlich. Die gegenwärtige Krise wurde von der gesamten Gesellschaft gemeinsam verursacht. Fast alle haben von der Trägheit und Bequemlichkeit profitiert und solche Politiker belohnt, die diese Bequemlichkeit bedient haben. Niemand hat ein Recht mit dem Finger auf andere zu zeigen. Mag sein, dass die politische Klasse in besonderer Weise versagt hat, „Schaden vom deutschen Volk abzuhalten“. Aber diese Politiker wurden immer und immer wieder gewählt.
    Die russlandfreundlichen und teilweise von Russland mitfinanzierten populistischen Parteien Europas werden sich Russland willig unterwerfen und versuchen, mit russischer Hilfe die Macht in ihren Ländern zu erhalten und zu befestigen. Ihre Wette ist, dass dadurch ein Biotop entsteht, in dem sich europäische Nationalstaaten halten können. Auch sie stehen aber vor der Aufgabe, dem deutschen Volk die anstehenden Wohlstandsverluste zu erklären. Da sie zu einer ehrlichen Bestandsaufnahme wesensmäßig nicht in der Lage sind, wird ihnen das noch schwerer fallen als den demokratischen Parteien. Aber sie können das natürlich mit Lüge, Druck und Zwang ausgleichen.
    Wo sind die Frauen und Männer, die in dieser Krise die intellektuelle und menschliche Kraft haben, Europa zu einigen und anzuführen? Im Augenblick sind sie nicht zu erkennen.

  17. Danke Christian für die Analyse.

    Wir können auch kurz zusammenfassen:
    1. in den USA ist ein administrativer Staatsstreich im Gang …. gegen den sich kein Widerstand bisher formiert hat und

    2. aussenpolitisch deutet sich ein Putin – Trump Pakt an, analog dem Hitler – Stalin Pakt, zur Aufteilung der Ukraine.

    3. Die Europäer und insbesondere die Deutschen trifft die Verachtung von Trump, sodass Putin weitere Feldzüge zur Wiederherstellung von Russky Mir vorbereiten kann. Die Ukraine steht zur Disposition, im Baltikum kann Putin nun Ansprüche stellen und die hybride Kriegsführung gegen die EU intensivieren. „Deals“ mit Trump sind möglich, der hat ja selbst Ansprüche auf Grönland angemeldet.

    Die Konsequenzen und weitere Entwicklungen sind nicht abzusehen.

    4. Die Politik in Europa und in Deutschland sollte mit klaren Kopf sich auf „worst and best case“ Szenarien möglichst rasch vorbereiten. Änderungen in beide Richtungen sind möglich. Sicher ist nur, dass sie kommen.

  18. Ich bin Dir dankbar, lieber Christian, für die Klarheit und Entschiedenheit Deiner Argumentation. An einem Tag, an dem Trump Selenskyj einen „Diktator ohne Wahlen“ nennt, einen Tag nachdem er die Ukraine für den russischen Angriffskrieg verantwortlich machte, muss so deutlich gesagt werden, was die Stunde geschlagen hat. Hier gibt es nichts zur relativieren – und was das, lieber Herr Mawick, mit „Selbstmitleid“ zu tun haben soll (welche merkwürdige Kategorie angesichts der Analyse von Christian Wolff), leuchtet mir in keinster Weise ein. Klar, wir erleben ein Standardmotiv der Populisten: die radikale Verdrehung der Tatsachen um 180 Grad – aber die Bekanntheit des Motivs macht es nicht weniger gefährlich, im Gegenteil …

    1. Ganz und gar! An einem Tag, an dem Trump Selenskyj einen „Diktator ohne Wahlen“ nennt, einen Tag nachdem er die Ukraine für den russischen Angriffskrieg verantwortlich machte, muss so deutlich gesagt werden, was die Stunde geschlagen hat. Europa ist nun endgültig auf dem „Speisezettel“ aller Großmächte gelangt. Will sich Europa in dieser Situation behaupten in Demokratie und Freiheit, muss Kerneuropa jetzt zusammenrücken in nie dagewesener Weise. Leider spricht viel dafür, dass Europa diese Bewährungsprobe nicht bestehen wird. Aber die Hoffnung können wir nicht fahren lassen, denn Krieg und Frieden, unser aller Existenz in Europa, hängt daran…..

  19. Ach, lieber Herr Wolff, da haben Sie sich aber ausgemärt: Alles ist schrecklich, buhu.
    Interessanter finde ich diejenigen, die die nun notwendige Selbstermächtigung Europas als hehre Aufgabe sehen. Paradigmenwechsel, und auf den ersten Blick ist das natürlich alles höchst unerfreulich. Aber es gilt: Per aspera ad astra und: Wo aber Gefahr ist, wächst ·das Rettende auch. Sowie: Unverzagt und ohne Grauen …
    Ich hoffe, in Ihrem nächsten Blog finden wir etwas weniger Selbstmitleid!

    1. Lieber Herr Marwick,
      Selbstmitleid? Mitnichten! Vielleicht ist derzeit meine Zuversicht auf Sparflamme angesichts der äußerst beunruhigenden Vorgänge auf der Weltbühne und in Europa. Ich würde Ihnen ja gerne folgen, wenn die EU einigermaßen einig wäre. Nur befürchte ich, dass es mit der „Selbstermächtigung Europas“ angesichts der Orbáns und Kickls nicht so einfach sein wird. Auch ist es mehr als ein Alarmzeichen, dass trotz der Vorgänge in der USA noch so viele Menschen bereit sind, sich den europäischen Trumps zuzuwenden. Mag sein, dass ich die Lage zu pessimistisch einschätze – aber einen Grund zur Beschönigung sehe ich leider nicht.
      Beste Grüße, Christian Wolff

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert