Es ist gespenstisch. Da debattiert und agiert die SPD landauf landab so, als gebe es derzeit keine rechte Mehrheit im Bundestag. Da werden die Mitglieder der SPD zu Foren eingeladen, um über den Koalitionsvertrag zu debattieren. Als hätten Sozialdemokrat/innen eine komfortable Wahl: entweder einer sozialdemokratischen Regierungsbeteiligung zuzustimmen oder aber die SPD im Bundestag als „stärkste“ Oppositionspartei lupenreine Positionen vertreten zu lassen und dafür eventuell auch Mehrheiten bilden zu können. Die Tatsache ist leider eine andere: Seit dem 24. September 2017 haben die rechten Parteien eine satte Mehrheit im Bundestag, die wesentlich größer ist als die einer schwarz-roten Koalition. Eine Minderheitsregierung von CDU/CSU würde vor allem bedeuten, dass es wahrscheinlich schneller, als jedem lieb sein kann, zu einem Annäherungsprozess zwischen CSU/CDU und AfD kommen wird. Schon jetzt ist mehr als beunruhigend, wie sich die AfD im Windschatten der komplizierten Regierungsbildung und der unsäglichen Auseinandersetzungen in der SPD in aller Ruhe radikalisiert, ohne dass dies noch zu größeren Debatten führt. Dafür ist nicht nur der Landesparteitag der sächsischen AfD ein mehr als dramatisches Beispiel. Auch die Kundgebung der vier ostdeutschen AfD-Landesverbände Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg am Aschermittwoch (14.02.2018) in einer Betriebshalle in Nenntmannsdorf bei Pirna muss bei jedem Demokraten alle Alarmglocken klingeln lassen. Da wurde die Allianz zwischen AfD, Pegida und dem rechts-nationalistischen Magazin „Compact“ besiegelt – genau das rechtradikale Bündnis, an dem Jürgen Elsässer und Götz Kubitscheck seit Jahren arbeiten.
Man kann nur jedem empfehlen, sich auf Youtube die Reden von Jürgen Elsässer, André Poggenburg und Björn Höcke anzuhören. Niemand soll später sagen können, er oder sie habe da etwas nicht mitbekommen. Was sich in der AfD-Hochburg Osterzgebirge abgespielt hat, ist Demokratieverachtung und rassistische Volksverhetzung in Reinkultur. Reden, Gesten, Verhalten der AfD-Granden wie der über 1.000 AfD-Anhänger sehen und hören sich an wie Remake der Nazi-Kundgebungen der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Poggenburg begrüßt schon mal alle mit „Kameraden“ und „Genossen“ und beendet seine Rede mit einem Hitler-Gruß – allerding mit dem linken Arm. Dazwischen ein Kniefall vor Orbán und Putin, Politiker, die noch auf’s Volk hören – bejubelt von den Zuhörer/innen, die immer wieder das Gleiche skandieren: „Abschieben“, „Volksverräter“, „Merkel muss weg,“ „Widerstand“ und natürlich „Wir sind das Volk“. Der Saal kocht, als André Poggenburg gegen türkische Bürgerinnen und Bürger hetzt, aber alle Ausländer/innen, Flüchtlinge meint:
„Diese Kümmelhändler haben selbst einen Völkermord an 1,5 Millionen Armeniern am Arsch… und die wollen uns irgendetwas über Geschichte und Heimat erzählen? … Diese Kameltreiber sollen sich dahin scheren, wo sie hingehören: weit, weit hinter den Bosporus zu ihren Lehmhütten und Vielweibern. Hier haben die nichts zu suchen und nichts zu melden. Punkt!“ Dann legt er noch nach, „dass diese unsägliche doppelte Staatsbürgerschaft logischerweise nichts anderes hervorbringen kann, als heimat- und vaterlandsloses Gesindel, das wir hier nicht länger haben wollen.“ Antwort des Publikums: frenetischer Beifall, unterstützt von Trommelwirbel, dann Sprechchöre „Abschieben“, darauf Originalton Poggenburg: „Das wäre ein Rezept.“
Da war nichts im Affekt gesprochen. Poggenburg hatte seine Hetztiraden sorgfältig vorbereitet und las sie ab. Jeder Satz ist geplant. Das war keine Provokation, sondern AfD-Programm pur! Das gilt auch für die Rede von Björn Höcke, die einem sehr einfachen Strickmuster folgt: Deutschland steht am Abgrund. Daran schuld sind die „Altparteien“, die Deutschland abschaffen, verkaufen wollen. Sie müssen genauso beseitigt werden wie alle „illegalen Flüchtlinge“, „Invasoren“ – und natürlich auch die kulturelle Vielfalt. Da wird die Bürgerkriegsrhetorik schon kräftig bemüht. Kein Zweifel: Höcke, Poggenburg, Elsässer sind keine Maulhelden. Sie wollen und werden das ausführen, was sie jetzt in verbale Vernichtungs-Rhetorik packen. Darüber soll sich niemand irgendeiner Illusion hingeben. Wir müssen nur in die Geschichte schauen. Sie lehrt auch, wie Menschen („Wir sind keine Nazis!“) sich zum johlenden Beifall für Menschen verachtende Parolen hinreißen lassen – und es dann auch nicht bei Handbewegungen belassen. Und sie lehrt, wie schnell zuerst kleine Unternehmer, Mittelständler diesen Totengräbern der Demokratie Hallen überlassen, sie finanzieren, ihnen zu Füßen liegen; dann die Bildungsbürger, die alles nicht so schlimm finden, und schließlich die Konzernherren, die ihre Schatullen öffnen, weil zumindest gute Geschäfte winken (Höcke will ja in der Autoproduktion nichts verändern!). Genauso hat es sich am Vorabend des Nationalsozialismus vor bald 90 Jahren abgespielt. Heute muss man sich nur die sog. Wirtschaftsführer ansehen, wie sie katzbuckelig am Trump-Tisch in Davos saßen und diesem Neu-Diktator devot huldigten – allen voran Joe Käser von Siemens, um zu erahnen, wie sie funktionieren.
Das sind die Probleme, über die wir jetzt sprechen, debattieren müssen – anstatt uns an Spiegelstrichen des Koalitionsvertrages abzuarbeiten. Das steht jetzt auf der Tagesordnung: Wie können die Demokraten eine Regierung bilden und eine glaubwürdige, den Menschen zugewandte Politik gestalten – eine Politik, durch die Europa gestärkt, die Demokratie verteidigt und vor allem dem völkisch-rassistischen Nationalismus der AfD widerstanden wird. Vielleicht müssen wir hier in Sachsen die Dinge etwas schärfer sehen. Denn hier schickt sich die rechtsradikale, demokratiefeindliche AfD an, stärkste Kraft im Land zu werden – nein: zu bleiben. Das muss verhindert werden. Wir müssen die Menschen überzeugen: Wer AfD wählt, der wählt den Abgrund, in den Deutschland sich schon einmal verirrt hat. Wann also wachen wir endlich auf? Wann hören wir auf mit Selbstberuhigung? Die Lage ist mehr als kritisch.
Nachtrag: Heute (16.02.2018) soll der AfD-Bundesvorstand angeblich André Poggenburg wegen seiner Aschermittwochsrede „abgemahnt“ haben. Das ist genauso lächerlich, wie das Verfahren gegen Björn Höcke nach seiner Dresdner Rede im Januar 2017. So wie Poggenburg, Höcke, Boehringer, Gauland reden, mailen und twittern, so ist die AfD: nationalistisch, rassistisch, antidemokratisch, antipluralistisch und im Zweifelsfall Menschen verachtend. Diese Partei ist eine Gefahr für das gesellschaftliche Leben, für Deutschland, für Europa. Jede/r, der/die da mitmacht, muss wissen, welchen Scharlatanen er/sie hinterherläuft und was er/sie damit anrichtet. Niemand wird sagen können: das habe ich nicht gewollt.
14 Antworten
Es ist eben die Frage, lieber Herr Wolff, ob Ihre feinsinnige Unterscheidung zwischen Überzeugung und Gewissen Bestand hat. Wer sich in moralischen Fragen Überzeugungen bildet, tut dies eben aus seinem Gewissen heraus. Und wir stimmen überein, daß es nie leicht ist, für seine „gewissenhafte Überzeugung“ einzutreten – aber dies ist eben unabhängig davon, aus welcher Quelle sich nun diese Überzeugung speist.
Andreas Schwerdtfeger
Ich respektiere Ihre Meinung und auch Ihren Zorn, lieber Herr Wolff. Und dennoch: Sie machen es sich zu leicht mit dem Vorwurf, daß „die, die sich opportunistisch und ideologisch ihre Moral zurechtlegen“ – Ihr Urteil ist schnell und leichtfertig gefällt -, ihr „Leben mit allem Gelingen und Versagen“ nicht zu verantworten hätten – vor sich selbst nämlich und das ist wohl mindestens gleichermaßen schwer.
Es ist ja gerade die Ausschließlichkeit, mit der Sie andere Meinungen zurückweisen, die Sie zum „demokratischen Diskurs“ so ungeeignet macht. Gottesglaube oder Zufall – das sind die Extreme; und beide sind doch wahrscheinlich unrealistisch und von der mittigen Wahrheit – wenn es sowas gibt – gleichermaßen entfernt. Eines allerdings ist wohl zuzugestehen: Wer, wie die Weiße Rose, an Gott glaubt, hat es in schweren Situationen leichter – nicht in Sachen Rechtfertigung, aber vielleicht in Sachen Rückhalt und Leidensfähigkeit. Denn wer sich vor sich selbst rechtfertigen muß, zweifelt leichter – und, erstaunlich, ist vielleicht besser geeignet zur Akzeptanz von Andersdenkenden. Sophie Scholl berief sich auf Gott – also auf ihre sehr eigene Überzeugung; und wer sich auch auf seine sehr eigene Überzeugung beruft, die aber nicht von Gott abgeleitet ist, ist „opportunistisch und ideologisch“? Ein bißchen einfach, wie?
Ich grüße Sie,
Andreas Schwerdtfeger
Nein, lieber Herr Schwerdtfeger, es geht nicht um die je eigene Überzeugung, es geht um das Gewissen. Sich auf dieses zu berufen, wie Sophie Scholl es tat, ist alles andere als „einfach“ – man denke nur an Luther auf dem Reichstag zu Worms: „Mein Gewissen ist in Gottes Wort (im Evangelium) gefangen. Und ich kann und will auch nichts widerrufen, da gegen das Gewissen zu handeln weder sicher noch einwandfrei ist.“ Beste Grüße Christian Wolff
Man kann Frau Sabine Reinhard-Martens nur beglückwünschen zu ihrem Beitrag. Zwar haben sie und ich sicherlich in politischen Einzelfragen unterschiedliche Meinungen – normal in der Demokratie – aber sie hat doch insofern Recht, als sie zu Mut, zu eigenem Urteil und Entschluß, zu Zivilcourage eben aufruft. Und vielleicht darf man ja auch unterstellen, daß sie damit zu Toleranz und Respekt vor der anderen Meinung aufruft – Haltungen, die hier in diesem blog so oft fehlen.
Aber Zivilcourage ist nicht, wenn man die Menscheit einerseits als „Geschöpfe Gottes“ bezeichnet und dann den Teil verunglimpft, den man nicht mag, auch wenn diese Verunglimpfung ja menschlich – aber eben nicht politisch – verständlich ist. Zivilcourage ist nicht, wenn man die vermuteten Parallelen zur Vergangenheit beschwört und sich dann – Pflicht erfüllt – aufs Schwadronieren zurückzieht. Zivilcourage wohlgemerkt ist auch nicht, wenn man in der großen Masse demonstriert und über Polizeiketten hinweg die anderen beschimpft oder lautstark übertönt. Zivilcourage ist die überzeugende eigene Meinung und deren tolerante aber feste Vertretung ohne Beleidigung und Beschimpfung. „Braune Soße“ ist keine politische Kategorie und keine politische Vokabel.
Die SPD – eine ehemals große und traditionelle Partei – macht uns vor, was man alles falsch machen kann: Sie hat sich einen polternden und oberlehrerhaften Buchhalter zum Vorsitzenden gewählt und ihn nach zu erwartendem Versagen genau so schnell wieder abgehalftert. Sie hat unter seiner Führung nicht nur die Regierungsbildung in unserem Lande fahrlässig verzögert, sondern nimmt nun mit ihrer halben Million Parteigänger das gesamte Wahlvolk von 61 Millionen in Geiselhaft (und traut sich gleichzeitig nicht, ihren eigenen Parteivorsitzenden dem Votum der Partei zu unterwerfen). Sie meiert jetzt ihre künftige Vorsitzende – wenn sie es denn wird – schon mal vorsorglich ab, indem sie unter Druck einen anderen Interimsvorsitzenden installierte; und Nahles wird sowieso auch nur eine Zwischenlösung sein, denn ihre schrille und intrigierende Art wird auch dem langsamsten Parteimitglied bald auffallen. Diese SPD hat im letzten halben Jahr der Bundesrepublik Deutschland in einem Ausmaß geschadet und tut dies noch, das in krassem Gegensatz steht zu ihrem „staatspolitischen“ Anspruch. Da ist nichts von Zivilcourage, nur schlimmer Egoismus auf Partei- und individualer Ebene. Kevin Kühnert ist wenigstens ehrlich. Und dann ist man noch sehr gespannt, wen diese Partei auf den Posten des Außenministers hieven wird, der augenblicks mit Gabriel sehr gut besetzt ist – aber Gabriel gehört auch zu den Parteimitgliedern, deren Verdienste in der Atmosphäre des „Schwarze-Peter-Spiels“ schneller vergessen sind, als man zuschauen kann.
Und die CDU ist kaum besser. Sie unterscheidet sich nur insofern, als sie wenigstens die Verantwortung nicht zurückweist, als sie sich bemüht hat bei der Regierungsbildung, als sie nicht ganz so heuchlerisch ihre eigenen Fehlleistungen in „Verantwortung“, in „das Ganze sehen“ (anstatt nur die Partei), in „die Fehler der anderen“ umdeutet. Moral statt Moralisieren, fordert Herr Wolff – ja wenn das mal Motto der SPD und übrigens auch der evangelischen Kirche würde. Das Problem ist, daß Herr Wolff genau das beklagt, was seine Kirche mit Verve betrieben hat – und mit seiner Zustimmung: „Erosion fundamentaler Grundwerte“, „Ich-Bezogenheit“, „Abschied von den Kirchen“. Erosion bezüglich der Begriffe von Ehe und Familie durch Beliebigkeit; Erosion bezüglich des Rechts auf Asyl und Schutz durch Subsumierung ALLER Immigranten unter diese Überschrift zur Überforderung der eigenen Gesellschaft; Erosion auch durch Rechtsverletzung in Form von „Kirchenasyl“; Ich-Bezogenheit durch Beschimpfung aller anderen Meinungen und durch ungleichgewichtige Bewertung berechtigter aber konfliktierender Interessen; Ich-Bezogenheit durch permanente Betonung der Rechte und Zurückweisung der Pflichten des Einzelnen; Säkularisierung durch Mißbrauch des Talars zur Verbreitung politischer Inhalte und dadurch Ausschluß der jeweils Andersdenkenden. Es ist nunmal so, daß die Bibel – ein großartiges und auch sprachlich bewundernswertes Werk und keineswegs nur religiöse Leitkultur – doch in einer Hinsicht irrt: Nicht Gott schuf die Menschen nach seinem Bilde, sondern der Mensch schuf sich Gott nach seinem Bilde – und wenn dieser dann zur Beliebigkeit politisch mißbraucht wird, dann ist das eben nicht mehr verpflichtend und führt zur Säkularisierung.
Mit herzlichem Gruß,
Andreas Schwerdtfeger
Schön, lieber Herr Schwerdtfeger, dass Sie mit Ihrem letzten Satz den Grunddissens beschrieben haben: Ein Gott, den sich der Mensch macht, ist immer interessegeleitet und wird gerade als politisch-ideologisches Instrument „geschaffen“. Das zeigen nun alle „Sonnengötter“, die viel Unheil in diese Welt gebracht haben und heute bringen: Trump, Erdogan, Kim un jung, Stalin, Hitler, Pol Pot. Nicht von ungefähr sind ihre ärgsten Feinde die, die sich auf den biblischen Gott berufen, als dessen Geschöpfe sie nicht nur sich selbst, sondern jeden Menschen sehen. Am kommenden Donnerstag erinnern wir uns der Widerstandsgruppe „Die weiße Rose“. Vor genau 75 Jahren wurden Hans und Sophie Scholl, Willi Graf, Christoph Probst, Alexander Schmorell von den Nazis umgebracht. In dem Verhör mit dem Gestapo-Beamten Mohr beruft sich Sophie Scholl u.a. auf Sitte, Moral und Gott. Mohr schleudert ihr entgegen: „Gott, gibt es nicht!“. Ja, für die, die sich opportunistisch und ideologisch ihre Moral zurechtlegen, darf es keinen Gott geben, vor dem wir unser Leben mit allem Gelingen und Versagen zu verantworten haben. Beste Grüße Christian Wolff
Auch zu dieser wiederholt treffsicheren Analyse von Chr. Wolff kann der Unterzeichner nur sagen: ja leider – so ist es!
Und die bemerkenswerte, ganz richtige Reflexion und Frage von Dr. M. Schubert: Lieber Herr Wolff, sind wir nicht wach? Sind wir nicht alle hocherregt? Vielleicht ist die Stille nur Ausdruck einer erschütternden Ratlosigkeit trifft zu. Wir sind entsetzt und fragen fast ohnmächtig: was ist zu tun? Wie kann so etwas möglich sein in einer Demokratie?
Mich graust es, sehe und höre ich die brüllende, jubelnde, in brachialer Ovation tobende Masse.
Und noch mehr graust es, sieht man die Herren Jürgen Elsässer, André Poggenburg und Björn Höcke da oben auf der Bühne, das Deutschlandlied in dumpfer HabtAchtStellung zelebrieren, flankiert von Lutz Bachmann, der seit drei Jahren (!) „sein Volk“ auf die Plätze der Kunst- und Kulturstadt Dresden zieht und als Frontmann von Pegida e.V. (!) mehr und mehr AfD-Jünger begeistert – in einer Stadt, die sich um die Europäische Kulturhauptstadt 2025 bewirbt.
Die Frage an Alexander Gauland, was er meine zu diesen Aschermittwoch-Reden in Nenntmannsdorf (Sachsen), beantwortet er mit der lapidaren Feststellung, dass dies Karneval sei und für ihn kein Problem. Offensichtlich ist Gauland der Unterschied zwischen Karneval und Aschermittwoch nicht geläufig.
Wenn sich nicht jetzt sehr schnell, unmissverständlich und unüberhörbar die sächsische Politik, a priori der junge und dem Freistaat Sachsen verpflichtende MP Michael Kretschmer die Stimme gegen diese Vorkommnisse mit klarer Absage an Wiederholungen – wo auch immer – öffentlich positioniert, dann wird es problematisch.
Mehr und mehr muss jeder in seinem Freundes-, Bekannten- und Kollegenkreis wach sein und seine eindeutige Haltung gegen jede Art und Weise von Neo-Rechtsradikalismus in Gedanken, Worten und Werken artikulieren.
Gott sei Dank gibt es in Dresden Aufrechte und Denkende, weil sie genau hinhören und präzise lesen, was da geschrieben wird, z. B. am Dresdner Elbhang mit der „Charta 2017“ (siehe die Ereignisse auf der Frankfurter Buchmesse 2017), inszeniert vom „Buchhaus Loschwitz“ um Susanne Dagen, die sich dem Börsenverein populistisch widersetzt und die Causa Jürgen Elsässer und Götz Kubitscheck auf ihre Weise verteidigt (s.a. ). Diese aufrechten Literaten um Ingo Schulze, Durs Grünbein, Thomas Rosenlöcher etc.pp. widersprechen intelligent und detailreich und zornig auch einem Uwe Tellkamp, der diese „Charta 2017“ neben anderen ebenfalls unterzeichnete und damit seine „Haltung“ öffentlich machte (s.a. https://literaturner.de/aufruf-von-dresdner-autoren).
Eine Podiumsdiskussion Anfang März in der Dresdner Stadtbibliothek wird Interessierten Gelegenheit bieten, der Auseinandersetzung um Deutungshoheiten und Sprachkultur zu folgen.
Mit der „Charta 2017“ eine Analogie zur „Charta 77“ herzustellen war ja nicht nur unintelligenter Unfug, sondern fahrlässig und höchst problematisch – auch diese Aktion wirft viele Fragen auf und macht sehr bedenklich!!
Also:
Joachim Fest, in seiner Autobiographie sagte es einst treffend: non ego!
Und ein letztes: ich vermisse übrigens auch die deutliche Stimme unserer sächsischen Kirchen zum Aschermittwoch – einen Tag in memoriam der Zerstörung Dresdens nach 73 Jahren…kamerafreundliche Menschenketten allein reichen längst nicht mehr!
Lieber Christian, Dir gebührt der Dank als einer der ersten weiter geblickt zu haben, als „nur“ die historischen Parallelen zwischen der Vergangenheit und dem Heute in Bezug auf die AfD aufzuzeigen. Ich sehe genau wie Du eine steigende Gefahr der langsamen Untrwanderung unseres parlamentraiscen Systems durch die AfD und des Hoffähig machen von Parolen und Gedankengut, dass bisher undenkbar schien. Du bist aber einer der resten – soweit ich das mitbekommen habe, der darauf hinweist, dass eine Minderheitsregierung von CDU/CSU vor allem bedeuten würde, dass es wahrscheinlich schneller, als jedem lieb sein kann, zu einem Annäherungsprozess zwischen CSU/CDU und AfD kommen wird. Ein weiteres Argument, dem Koalitionsvertrag zuzustimmen und durch eine Politk, die sich an den Interessen den Menschen orientiert, den braunen Sumpf trockenzulegen.
Es reicht nicht aus sich über den Braunen Sumpf aufzuregen, sondern man sollte die
Ursachen und auslösenden Faktoren die zu Diesen „Bewegungen“ geführt haben mal
beleuchten. Die Ähnlichkeiten, mit dehnen der Vornazi Zeit und der Heutigen Zeit
weisen gewisse Ähnlichkeiten auf. Beide sind auf das Total Versagen der Regierungsspitzen in der Jeweiligen Epoche zurück zu führen. Mit der Totalen Unzufriedenheit breiter Bevölkerungsteile und der Ignorierung Ihrer Wünsche und
Vorderungen. Aber das scheint eine Eigenart der Menschen zu sein,lieber die
Symtome zu behandeln als Dehren Ursachen zu verhindern!
Weder die Entschlossenheit zur Demokratie noch ein Bekenntnis zu bzw. Verständnis von Rechtsstaatlichkeit lässt sich verordnen.
Wie Brecht schon erkannte: Die Regierung kann sich nicht einfach ein anderes Volk wählen. Weder 68 noch das tiefe über jahrzehntelang gewachsene Verständnis davon, wie Ausgrenzung, sei es die von Juden, von Christen, von Dissidenten, von Politisch Andersdenkenden, angeblich Asozialen, Ausreisewilligen, Einreisewilligen, der angeblichen Unterschicht, den Arbeitern oder von Muslimen funktioniert, lässt sich schnell nachholen. Auch nicht alltäglich notwendige Zivilcourage und der Mut zu einer eigenen, abweichenden, nicht gehorsamen Meinung lässt sich schnell erlernen. Wird sich die westliche Demokratie, das Grundgesetz gegen seine Feinde behaupten können ? Es gibt allen Grund dazu, in diesem Teil des Landes, in dem immer noch die Angst vor Ausgrenzung und mutlose Neigung zum schweigsamen, inneren Exil, die Bürger tyrannisiert, daran zu zweifeln. Ohne Zivilcourage,Verteidigung von Bürgerrechten, Mut zum kritischen Denken und offenem Wort und ( noch utopischer ) der ja tatsächlich möglichen Erfahrung von Solidarität von Kinder- und Jugendtagen an, geht diese Demokratie – jeden Tag ein bisschen mehr – baden.
Ein unwillkommenes, nicht ausgepacktes Geschenk. Nun aufgepasst, dass Ihr Nutzniesser von materiellem Made – in – Germany – Wohlstand, Sauberkeit, Privilegien und Ordnung, Euch dabei Freiheit und Mitmenschlichkeit, nicht ein weiteres Mal verloren gehen. Einfach nur deshalb, weil Ihr – immer noch von Feigheit beherrscht- so unendlich mutlos und überangepasst, schielend auf das, was gerade opportun ist, die Zukunft Eurer Kinder – mindestens aber – (solltet Ihr Euch noch hinter Euren Privilegien verschanzen können ) – die Zukunft der Kinder Eurer Nachbarn verspielt . Nicht wer – immerzu dem Chef und der Mehrheit nach dem Mund redet – gewinnt. Nein. Wer wagt, gewinnt. Nur einer lebendigen, vielfältigen, klugen, toleranten, auf gerechten Ausgleich bedachten, groß- und warmherzigen, Minderheiten beschützenden und täglich im Argument und Gegenargument gelebten Demokratie können Säuberungsfantasien und Hassattacken der Rechten nichts anhaben. Wie unendlich weit davon sind wir entfernt. Deshalb: Bangemachen gilt nicht ! Oder, um es mit der Charlie-Hebdo- bewegung der Franzosen zu sagen: “ Ich bin ein Kümmeltürke „.
Ja,meine Lieben, soweit sind wir schon. Zumindest in Sachsen und Ostdeutschland.
Mitten unter unseren schon zu fast 30 % AFD wählenden Kollegen, Nachbarn, Freunden und Familien. Da gehört eine ganze Menge Mut dazu. Und ich kenne genug Menschen, die an diesem Klima des Hochmuts, diesem kalten und besserwisserischen Aussitzen und Beschweigen Andersdenkender, leiden und dabei sind, in diesem angeblich besseren, weil deutscheren Deutschland , einzufrieren wie Multi-Kulti-primeln eines gänzlich anderen Landes (der alten BRD ). Übrigens: Ganz zur Freude und Genugtuung Ihrer alteingesessenen, gut vernetzten und heimatverbundenen Feinde.
Soviel zum Dialog . Damit ein gutes Gespräch zustande kommt, gehören immer zwei dazu. Was sagt Ihr ? Aus- bzw. Rück – Reisende soll man nicht aufhalten ? Warum sagt Ihr nicht: Schön, dass Ihr da seid. Gut, dass Ihr bleibt. Ihr selbst, kaum eingebürgert, bürgert andere aus ? Hier spricht Kümmeltürke. Hallo Mitteldeutschland. Hörst Du mich ?
Mich beschleicht das ungute Gefühl, das Wir es hier mit einem „Kollateralschaden“ der „Wende“ zu tun haben. Vor dem „Dahinscheiden“ der DDR saßen viele „kalten Krieger“ angstschlotternd in den Hinterzimmern und jetzt nachdem der Bann gebrochen ist, sind wir Alle verwundert was es mit der angeblichen „Entnazifizierung“ der DDR tatsächlich auf sich hat. Der jahrzehntelange Druck auf dem Kessel, hatte alles möglich zur Folge, aber keine Entnazifizierung, von Demokratisierung kann erst recht keine Rede sein.
Lieber Christian,
gut,dass wenigstens Du das Wort ergreifst; ich bin empört u. entsetzt über diese Hetze von A. Poggenpohl u. die Situation in Sachsen; mein ganzes Leben lang habe ich als Lehrerin in sozialen Brennpunktschulen (Bremen) gearbeitet; manchmal waren Kinder aus 9-10 verschiedenen Nationen in einer Klasse und die Integration hat fast immer funktioniert.
Die „Brandstifter“ heißen H.O.Henkel und Bernd Lucke und haben die AfD gegeründet. Mittlerweile haben Sie „umfirmiert“ in „Liberal Konservative Reformer“ und lassen sich vom Steuerzahler Ihren EU-Parlamentsitz „vergolden“ Und wir können uns mit ihren Hinterlasenschaften auseinander setzen.
Um zu sehen wes Geisteskind H.O.Henkel ist, sei seine „Biografie“ Die Macht der Freiheit „empfohlen“, wenn man/frau ausreichend „schmerzfrei“ ist!
Ja, es ist beängstigend, die Sprache, die Gestik, das Gehetze, der Hass, die Schamlosigkeit…… Und etablierte Parteien, die hilflos daneben stehen und zusehen. Etablierte Parteien, die obendrein riesige Fehler machen, mit sich und ihrem Machtgepokere beschäftigt sind, die die Fragen , die den Wählern/ Innen unter den Näglen brennen, nicht einmal im Wahlkampf thematisieren, sondern aus taktisch durchsichtigen Gründen einfach ignorieren.(z. B. keine Aufweichung des Asylrechtes, jedoch genaueres Hinsehen. Ja, in begründeten Fällen subsidiärer Schutz und nur in Ausnahmefällenund nur bei wirklichen Härtefällen mit Familiennachzug.Konsequentes Abschieben – doch auch hier das Widerspruchsrecht gegen einen negativen Bescheid( jedoch nicht durch x Instanzen) . Was kostet uns mehr Europa und wer zahlt den Löwenanteil der Finanzen? Was geschieht a la longue mit den Renten ? usw.) Und gerade in dieser so angespannten Situation zerlegt sich die SPD. Es ist doch Ehrensache, dass eine verlorene Abstimmung zum Thema GroKo von den unterlegenen Jusos zu akzeptieren ist. ( So nach der Devise: Wer die ganze Nacht gefeiert hat, für den ist es Ehrensache, dass er morgens pünktlich in der Schule erscheint.)Stattdessen wird ein kleines Lichtlein – darf ich sagen ein Wadelbeisser- Kevin Kühnert hochgehipet.Und hinter den Kulissen wird deutlich, welche gnadenlosen Machtkämpfe sich Schulz und Gabriel geliefert haben.
Da wird nicht „Seit an Seit`“ marschiert, sondern jeder ist des andern Wolf. Geschichte wiederholt sich nicht. Dennoch: das erinnert ganz fatal an den Untergang von Weimar. Daher fällt mir nur noch eine alte und wunderbar bildreiche Kirchenliturgie ein: Brüder únd Schwestern seid nüchtern und wachet, denn euer Widersacher der Teufel gehet herum wie ein brüllender Löwe und suchet welchen er verschlinget …..
Lieber Herr Wolff,
ich teile Ihre Analyse und Ihren Schrecken. Der Blick nach Polen, nach Ungarn und in die Türkei mehrt den Schrecken, denn er zeigt, wie erfolgreich diese Rezepte sind.
Wie aber auf die Parallelen der 1920er verweisen, wenn die Erinnerung an die Nazizeit eher vom Fortwirken der Propaganda geprägt ist als durch den tatsächlichen Untergang der europäischen Kultur in diesen Jahren?
Wenn wir die AfD der Demokratiefeindlichkeit zeihen, leisten wir einen Bärendienst. „Seht, die Demokratie ist gegen uns, gegen euch, gegen Deutschland“. So hat das auch vor 90 Jahren funktioniert.
Und wir haben es versäumt, uns Rezepte gegen einen erneuten Aufstieg der Populisten, der Faschisten zu erarbeiten. Denn wir dachten, geheilt zu sein. Wir dachten, immunisiert zu sein.
Lieber Herr Wolff, sind wir nicht wach? Sind wir nicht alle hocherregt? Vielleicht ist die Stille nur Ausdruck einer erschütternden Ratlosigkeit.