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Alles wie gehabt? – oder: ein leider bekanntes Drehbuch

Zwei Entwicklungen lassen einen mehr als besorgt in dieses Jahr blicken:

  • Die Bundesregierung, getragen von der Ampel-Koalition, hat es durch ihr unkoordiniertes, undurchsichtiges Handeln und durch eine zerfahrene, wenig zielführende Kommunikation geschafft, das Vertrauen vieler Bürger:innen zu verlieren. Dieses war zu Beginn der Regierungszeit der Ampel-Koalition durchaus vorhanden: Drei, ein so breites politisches Spektrum repräsentierende Parteien werden es schaffen, den immensen Reformstau aufzulösen – zumal es den Bürger:innen nicht an Einsicht in notwendige Maßnahmen mangelt, die aufgrund nicht vorhersehbarer Ereignisse getroffen werden mussten – wie während der Corona-Pandamie, angesichts des Ukraine-Krieges und der infolge des Krieges plötzlichen Verknappung des Energieangebots, von den sich verstärkenden, zerstörerischen Katastrophen aufgrund des Klimawandels abgesehen. Aber dass Bundeskanzler Olaf Scholz und viele Minister:innen die öffentliche Kommunikation über ihre unterschiedlichen Vorstellungen, Einschätzungen und Entscheidungen völlig den Medien, den Interessensgruppen und den sog. sozialen Netzwerken überlassen, ist ein sträfliches, fahrlässiges politisches Versäumnis. Damit hat die Ampel-Koalition ein wesentliches Instrument der Meinungs- und Konsensbildung in der Gesellschaft aus der Hand gegeben. Denn Politik besteht nicht nur aus streitigem Diskurs, Debatte und Entscheidungsfindung. Sie bedarf vor allem einer überzeugenden Kommunikation, einer Werbung um Verständnis und Vertrauen auf allen Ebenen der Gesellschaft. Es ist unbegreiflich, dass in den Monaten nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVG) zur Haushaltsgesetzgebung mit der Bevölkerung kein Dialog über die Folgen des BVG-Urteils gesucht und geführt wurde. Stattdessen wurden scheibchenweise notwendige politische Entscheidungen getroffen, deren Wirksamkeit mehr oder weniger sofort eintreten sollte und die deswegen auf Unverständnis stießen. Das alles führt bei zu vielen Bürger:innen fast zwangsläufig zu dem Eindruck, dass auf nichts mehr Verlass ist, nichts mehr funktioniert und es ungerecht zugeht. Typische Ausdruck dieser Gefühlslage: „So schlimm wie jetzt, war es noch nie.“ – und in Ostdeutschland wird noch angefügt „nicht einmal in der DDR“. Dass das objektiv gesehen Unsinn ist, ändert nichts daran, dass bei vielen Bürger:innen das Gefühl präsent bleibt, ständig übergangen zu werden, nur noch Spielball zu sein.
  • Parallel dazu erstarkt der Rechtsnationalismus, ohne dass die Partei, die den Rechtsnationalismus repräsentiert: die AfD, irgendetwas beiträgt zur Lösung von Problemen. Sie muss nur mit dem Finger auf die Unfähigkeit der sog. „Alt-Parteien“ zeigen und propagandistisch alles miteinander vermischen, was Bürger:innen derzeit in Wallung bringt: die Agrar-Diesel-Rückerstattung, Masseneinwanderung, Gender-Wahn, angebliche Unterdrückung der Meinungsfreiheit, Energie-Wahnsinn. In den Augen der AfD alles „links-grüne Wahnsinnspolitik“, die das Land kaputt macht. Man höre sich nur das Interview mit dem parlamentarischen Geschäftsführer der Bundestagsfraktion der AfD Bernd Baumann im Deutschlanddfunk vom 10. Januar 2024 an. Also wird seit Monaten eine Widerstands- und Aufstandsrhetorik bedient.

Das Drehbuch dieser Entwicklung wurde vor 100 Jahren geschrieben – ohne Happy-End! Dass diese Einschätzung keine Übertreibung ist, zeigen zwei Ereignisse:

  • Der Quasi-Überfall auf die Fähre, die Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck von einem privaten Aufenthalt auf der Hallig Hooge nach Schlüttsiel bringen sollte. Die Fähre konnte angesichts der gewaltbereiten Demonstranten nicht anlegen. ZEITonline hat die Ereignisse gut recherchiert. Da wird deutlich, wie gut die rechtsextreme Szene organisiert und wie eng sie verbunden ist mit der AfD. Denn es war eine Musikerin, die in der rechten Szene verankert ist, die auf der Hinfahrt von Habeck den Termin seiner Rückkehr erfahren und diesen ins rechtsextremistische Netzwerk stellen ließ. Das liest sich dann so: „ACHTUNG !!! Robert Harbeck (sic!) lädt heute zum Bürgerdialog um 16:45 Uhr am Fährhafen Schlüttsiel ein! Er wünscht sich unendlich viel Interesse. Tun wir ihm den Gefallen und kommen mit allem was Räder hat!“ Das wurde auch über das Netzwerk des Bauernverbands verbreitet. Zwar ging die Initiative eindeutig von der rechtsextremistischen Szene aus; sie wurde aber unbesehen übernommen von den Verbänden der Landwirtschaft.
  • Am Donnerstag, 10. Januar 2024, wurde durch das Recherchenetzwerk „CORRECTIV“ bekannt, dass es in Potsdam zu einem Geheimtreffen der rechten Szene gekommen ist. Thema: Masterplan der Remigration (ein Begriff, der für die AfD programmatisch ist!). CORRECTIV hat den Ablauf des Treffens, an dem auch Funktionsträger der AfD teilgenommen haben, inzwischen veröffentlicht: Vom Inhalt her wenig überraschend für die, die schon seit Jahren vor der prägenden Präsenz nationalsozialistischen Gedankenguts in der AfD warnen. Gleichzeitig sollte dies alle aufrütteln, die noch immer meinen, mit der AfD werde es nicht so schlimm kommen; bzw. wenn diese Partei bei demokratischen Wahlen 30 Prozent und mehr Stimmenanteil erhält, müsse man das als demokratisches Wahlergebnis akzeptieren. Nein: Dem Bestreben, die Möglichkeiten der Demokratie zu nutzen, um diese abzuschaffen, muss unmissverständlich entgegengetreten werden.

Beide Ereignisse lassen sich nicht mehr abtun als Randerscheinungen des politischen Alltags. Sie zeigen vielmehr auf, wie weit vorgedrungen und wie breit aufgestellt der organisierte Rechtsextremismus inzwischen ist. Mehr noch: Die AfD kann inzwischen zurückgreifen auf ein großes Netzwerk gut organisierter rechtsextremer Gruppierungen. Dieses erlaubt der AfD auch immer wieder taktische Rückzugsgefechte. Und was sind die Konsequenzen? Ich nenne drei:

  • Wir müssen uns in den nächsten Monaten vor allem mit denen auseinandersetzen, die ernsthaft überlegen, AfD zu wählen. Sie machen die AfD und den Rechtsextremismus stark, ohne dass diese irgendein berechtigtes Anliegen derer aufgreifen, die mit der AfD sympathisieren.
  • Wir müssen von den demokratischen Parteien erwarten, dass sie bei aller Unterschiedlichkeit und allem politischen Streit geschlossen und vereint gegen die AfD und den sie unterstützenden Rechtsextremismus auftreten.
  • Wir müssen von der Bundesregierung erwarten, dass sie alles tut, um politisches Vertrauen in die Demokratie aufzubauen. So begrüßenswert die klare Stellungnahme von Olaf Scholz zu dem vom CORRECTIV aufgedeckten Treffen von AfD-Politikern und Neonazis ist – solch werbende Klarheit muss Scholz auch in seiner Funktion als Bundeskanzler endlich an den Tag legen.

Jede:r ist aufgerufen, daran mitzuwirken: Das vor 100 Jahren geschriebene Drehbuch darf nicht noch einmal Wirklichkeit werden! Darum gilt es in Gesprächen und Diskussionen auch, die grundlegenden Vorteile der freiheitlichen Demokratie herauszustellen und all das ins Bewusstsein zu rufen, was in unserem Land Gott sei Dank funktioniert, gut und erhaltenswert und vor allem wertvoll ist – und das ist sehr viel!

28 Antworten

    1. So kann nur einer reden bzw. schreiben, der keine Ahnung davon hat, wie lange sich der Rechtsextremismus in den drei genannten Bundesländern ungestört hat ausbreiten können, nämlich seit 1990. Da wurde Ostdeutschland vom organisierten Rechtsextremismus und von Alt-Nazis in Westdeutschland zum Aufmarschgebiet erkoren. Die rechtsextremen Strukturen konnten sich insbesondere im ländlichen Raum ungestört entwickeln – und Kurt Biedenkopf redete sich die Sache in Sachsen schön mit dem Slogan „Die Sachsen sind immun gegen den Rechtsextremismus. Das alles hat mit der Migration oder der Ampel-Koalition nichts, aber auch gar nichts zu tun. Deswegen sind solche Artikel weder „vergnüglich“, noch aufklärend. Sie zeugen nur davon, dass der Autor keine Ahnung vom ganz normalen Faschismus und seiner Wirkungsweise hat.
      Aber offensichtlich sitzt er wie viele andere auch auf der Zuschauertribüne und prognostiziert als erstes den Wahlerfolg der AfD bei den drei Landtagswahlen, anstatt seinen Teil dazu beizutragen, dass genau dieses nicht geschieht. Aber demokratische Verantwortung ist für solch überhebliche Schreiberlinge ein Fremdwort.

      1. Zitat Hr. Wolff: „So kann nur einer reden bzw. schreiben, der keine Ahnung davon hat, wie lange sich der Rechtsextremismus in den drei genannten Bundesländern ungestört hat ausbreiten können, nämlich seit 1990.“

        Zitat Hr. von Altenbockum: „Die guten, aber vergeblichen Vorsätze, die auch jetzt wieder zu hören und zu lesen sind, haben sich in all den Jahren nicht geändert: Man müsse die AfD inhaltlich stellen, müsse sie entzaubern, müsse den Schaden offenlegen, den ihr Programm anrichte, wenn es in die Tat umgesetzt würde. Das ist der richtige Weg. Aber wann wurde er ernsthaft eingeschlagen? … Wer lesen
        kann, wusste davon seit Jahren, und es wäre ein Leichtes gewesen, seriöse Ausländer- und Integrationspolitik davon abzugrenzen.“

        Herr von Altenbockum ist kein „überheblicher Schreiberling“, der seiner demokratischen Verantwortung nicht gerecht wird, sondern er beschreibt die Wirklichkeit und Unterlassungssünden, und zwar auch die der vorherigen Bundesregierungen.

        1. Noch einmal: Das Problem des Rechtsextremismus gibt es schon lange vor der sog. Migrationskrise. Oder anders: Fremdenfeindlichkeit, Ausländerphobie ist eine Säule des Rechtsextremismus – völlig unabhängig davon, wie viele Bürger:innen einen Migrationshintergrund haben.

  1. Nachtrag:
    1) Im Zusammenhang mit dem Thema Remigration ist das begrenzende Prinzip des NON-Refoulement zu beachten. https://de.wikipedia.org/wiki/Grundsatz_der_Nichtzur%C3%BCckweisung

    2) Ich wundere mich, warum im Kampf gegen die AfD eigentlich nie klar darauf hingewiesen wird, dass die AfD das Abstammungsprinzip als einzig gültiges Prinzip für die Erlangung der Deutschen Staatsbürgerschaft(es galt sein 1913-2000) wieder einführen will. Damit wäre D isoliert. Wie sollte das gehen, wo wir auf Einwanderung angewiesen bleiben?….Das scheint mir ein Kernpunkt.
    3) Wenn die jetzige Regierung Vertrauen schaffen will und das Thema Migration so heiß und widersprüchlich diskutiert wird, fragt man sich, ob es jetzt wirklich notwendig und dringlich ist, dass Einbürgerungsrecht weiter zu liberalisieren und die Fristen zu verkürzen.

  2. Lieber Herr Wolff,
    Sie formulieren eine Sorge, die ich mit Ihnen teile: Es besteht die Gefahr, dass die „Straße“, politisch gesteuert von Rechtsradikalen, hier der AfD, der Demokratie schwer schaden und sie ggf. aushebeln kann. Wie das funktionierte, haben wir beim Aufstieg der NSDAP erlebt und erleben wir heute abgewandelt bei Trump in den USA.
    Sie führen dann Beispiele an (Bauernproteste und Unterstützung, Interview Baumann.., Habeck-Fähre..) und weisen ansonsten auf die gute Vernetzung im rechtsradikalen Milieu hin bis zum Geheimtreffen in Potsdam -Stichwort Remigration- mit Rechtsradikalen, über das das Recherchenetzwerk CORRECTIV berichtete und das inzwischen in der Politik Wellen geschlagen hat.
    Alles richtig:
    Aber seien wir fair und bedenken wir auch:
    1)Bei den Bauerprotesten gab es viele Player in der Politik, die hinter den Kulissen mitgespielt und daran nicht uninteressiert waren, auch sog. demokratische Parteien, nicht nur rechtsradikale.
    2) Für den Fall der Blockade der Fähre gibt es auch analoge Beispiele der linken Szene, wenn es um Proteste gegen Referenten oder Referentinnen ging (Thema cancel-culture) und
    3) Im Falle „Geheimtreffen“ Potsdam ist mir zumindest folgendes aufgefallen: a) CORRECTIV scheint eine nicht wirklich unabhängige Gesellschaft zu sein, die das recherchiert hat,
    b) es werden keine nachprüfbaren Belege über das Gesagte vorgelegt und c) sie sind ungenau und unbestimmt .

    Wenn man dann verfolgt, was daraus in der Presse gemacht wurde, dann ist daraus „ein dickes Ding“ geworden und es geht um Millionen von Menschen, die deportiert werden sollen Mag sein, dass einige davon träumen. Ich hoffe es nicht Belegt ist es nicht als Wille einer Partei. ;Schließlich gibt es ja auch noch das Recht Das Wort „Remigration“ wurde zum Unwort des Jahres. Schaut man dann mal nach, wer das erklärt hat, dann findet man den Namen Ruprecht Polenz (CDU) als Gastjuror des Gremiums. Zudem findet man unter dem Wort „Remigration“ bei Wikipedia , dass über 50 Personen am 14+15.1.24 an diesem Artikel „gefeilt“ haben. Das scheint mir deshalb bemerkenswert, weil im Parteiprogramm der AfD von 2021 dieser Begriff Remigration bereits zu finden ist. Dort ist auch dargelegt, für welche Fälle das die AfD fordert: Nämlich für abgelehnte und ausreispflichtiger Asylbewerber. Sie hatten nach den Angaben im März 2022 rund 300.000 Menschen umfasst
    https://www.afd.de/wahlprogramm-asyl-einwanderung/
    Dass die AfD dieses Thema überhaupt anspricht, scheint mir richtig. Alle Parteien täten gut daran, über Lösungen konstruktiv nachzudenken. Das haben sie aber versäumt und blenden es bisher völlig aus, weil sie offenbar keine Lösung sehen.
    Das ist der eigentliche Skandal, wie ich finde. Das fällt ihnen jetzt vor die Füße. Sie unterstützen deshalb emotional getriebene Reaktionen.

    Kurzum: Die Gefahr ist da, dass ist keine Frage. Über den Umfang kann man streiten. Was ist dagegen zu tun?
    Sie empfehlen:
    1)Auseinandersetzung mit denen , die ernsthaft überlegen AfD zu wählen.
    2)Die demokratischen Parteien müssen geschlossen und vereint gegen die AfD auftreten
    3)Die Bundesregierung muss alles tun, um politisches Vertrauen wieder aufzubauen

    Ich möchte einen 4. Punkt hinzufügen: Die Parteien müssen sich der Sachauseinandersetzung stellen und den „billigen“ Kurs der Ausgrenzung und Diskriminierung sein lassen.
    Das betrifft nicht nur das Verhältnis zur AfD, sondern auch das Verhältnis zu den Linken, weil
    Sonst die AfD besonders in die außerparlamentarische Protestposition gedrängt wird.
    Es sich um ein undemokratisches Verhalten handelt, was von der Bevölkerung als unfair interpretiert wird (siehe Trump) und kontraproduktiv wirkt
    Positionen, die nicht nachweislich der Verfassung widersprechen, müssen ausgehalten werden. Falls das GG nachgeschärft werden sollte: Gerne
    Sich die Koalitionsmöglichkeiten so verengen, dass sie unsinnig werden (siehe Position der CDU zu Bildung einer Koalition in Thüringen untere Ramelow)

    (Die CDU hat jüngst nach Ihrer Klausur angekündigt das tun zu wollen. Sie benennen die Themen Europa/Außen- und Wirtschaftspolitik und sparen das Asylrecht und Einwanderungsrecht komplett aus. Das reicht aber nicht, denn das ist ein fundamentales Thema der AfD und der Menschen).

    1. Lieber Herr Tesche, ich kann meine Antwort relativ kurz halten. Das, was CORRECTIV aufgedeckt hat, ist nicht ein bedauernswerter Sonderfall, es ist die Normalität. Wir können davon ausgehen, dass solche Treffen, auf denen faschistische Strategien entwickelt werden, finanziert von finanzkräftigen Mittelständlern, die gerne in der Anonymität bleiben, dutzendfach stattfinden. Die AfD ist eben keine Partei im demokratischen Spektrum. Die AfD nutzt/missbraucht die Demokratie, um sie zu zerstören. Darum sollte jede:r davon ausgehen: Das, was da in Potsdam diskutiert wurde, ist keine Vision, sondern klare Absicht. Darum ist es geradezu absurd, dass Sie im Blick auf Fehler der demokratischen Parteien vom „eigentlichen Skandal“ sprechen. Nein – nichts, aber auch gar nichts an den Unzulänglichkeiten der Ampel-Koaltion oder auch der CDU rechtfertigt die faschistische Programmatik der AfD, geschweige denn eine Wahletnscheidung für die AfD. Das scheinen nun – Gott sei Dank! – endlich Bürger:innen zu begreifen und gehen gegen die AfD auf die Straße. Das ist überfällig und notwendig!!! Schluss mit jeder Form von Verharmlosung der AfD!!! Sehr besorgte Grüße, Christian Wolff

      1. Lieber Herr Wolf,
        wir halten wohl unterschiedliche Dinge für absurd. Ich finde es absurd zu glauben, dass man mit solchen Ereignissen wie dem Bericht über das Treffen in Potsdam u.ä. den Kampf gewinnen kann. Der Versuch einen Pudding an die Wand zu nageln wird misslingen (man entlässt einen Mitarbeiter…) Man muss konkret argumentieren und auch sachlich sich mit dem Programm auseinandersetzen und wenn möglich die Möglichkeiten des Rechtsstaates nutzen. Das tun aber die Parteien nicht, nehmen nicht einmal die Thematik auf.

    2. Herr Dr. Tesche, weil Sie „Geheimtreffen“ in Parantese setzen:

      „Gleich zu Beginn der Veranstaltung hat Gernot Mörig auf die Geheimhaltung dieses Treffens hingewiesen, auch im Einladungsschreiben wurde auf die Vertraulichkeit der Runde hingewiesen. “

      © Focus – https://ogy.de/r11s

  3. Bravo, Herr Wolff, Ihre Anmerkungen vom 13. Jan 12:28h sind mehr als zutreffend. Da schwafelt einer von „Mut“ in einem Land, das die Meinungsfreiheit, die er bekämpft („einsperren“), auch dann hoch hält, wenn dadurch Risiken steigen, und die populistischen Lösungen wie „einsperren “ und „verbieten“ eher ablehnt.. Mutig ist es in unserem Lande, sich mit den Zerstörern der Demokratie inhaltlich auseinander zu setzen – was nämlich auch bedeutet, daß man bisweilen von Leuten, die sich zu Recht selbst als „hirnlos“ und „borniert“ bezeichnen, mit ihnen in einen Topf geworfen wird -, weil man dazu mehr braucht als nur einen aggressiven und wiederholend rechthaberischen Vokabelschatz.
    Und, Herr Lerchner, unterschätzen Sie nicht die Bedrohung unserer Demokratie nicht nur durch extreme Parteien wie derzeit insbesondere der AfD, sondern auch durch die zunehmende Zersplitterung der Parteienlandschaft: Eine weitere Partei am linken Rand (Wagenknecht) ist ebenso überflüssig wie die Maaßens, Freie Wähler und ähnliches am rechten. – siehe das Parlament der Weimarer Republik, das als solches eine Gefahr für die Demokratie wurde. Die Union als letzte verbliebene Volkspartei mit einem derzeitigen Stimmenanteil, der dem der DREI Ampelparteien entspricht, ist schon aus dieser Sicht ein stabilisierender Faktor und man wünschte der SPD, daß sie wieder ähnlich erfolgreich würde – was freilich mit jemandem wie Esken an der Spitze unerreichbar ist. Die künftig möglicherweise ZWEI linken Parteien – beide grundsätzlich genau so gefährlich für unsere Demokratie wie die AfD, u.a. weil sie den Staat zur Sozialdroge machen und seine Verteidigung abschaffen wollen – sind mindestens so überflüssig wie die AfD und augenblicks nur wegen ihrer prozentualen Bedeutungslosigkeit weniger im Fokus.
    Wolff fordert
    – die Auseinandersetzung mit den Wählern der AfD und folgt damit meiner seit langem aufgestellten Forderung (nicht verbale Diffamierung sondern inhaltliche Gegenkonzepte)
    – das geschlossene und vereinte Auftreten der demokartischen Parteien gegen die Flanken und folgt auch damit meiner entsprechenden Forderung (da haben die SPD und die Grünen im Augenblick Lernbedarf)
    – das Aufbauen politischen Vertrauens in die Demokratie und damit, so nehme ich doch an, das, was ich auch anmahne: Keine Hysterie, sondern sachliche, erkennbare und klare Ziel- und Wegebeschreibungen, an denen man dann auch festhält, wenn es mal Rückschläge gibt; auch das eine Forderung, die ich unterstütze.
    Und das dann von Wolff angesprochene „Drehbuch“ enthält eben nicht nur Radikalismus, sondern auch die Gefahr der Aufsplitterung (ein anderes Wort für Rechthaberei und Toleranzverweigerung), die nicht minder zerstörerisch ist.
    Andreas Schwerdtfeger

    1. Dass die zunehmende Zersplitterung der Parteienlandschaft Probleme für konsistentes Regierungshandeln schafft, ist nicht zu bestreiten. Kritik ist muss an die etablierten Parteien gerichtet werden, denen es offensichtlich an Integrationsfähigkeit mangelt. Mein spezieller Vorwurf gilt der Links-Partei, die es nicht geschafft hat, eine so kluge und faszinierende Frau wie Sarah Wagenknecht in ihren Reihen zu halten.

      Ob dieser oder jener irgendwelche Kritik an einer Partei übt, ist bedeutungslos für deren Existenzberechtigung. Entscheidend ist, ob eine Partei relevanten politischen Strömungen Repräsentanz im demokratischen Wettstreit um Macht bieten kann. So war seinerzeit die Etablierung der PDS ein Gewinn für die Demokratie, weil sie politisch heimatlos gewordene ehemalige Mitglieder der SED auffing. Die SPD war dazu zu feige. Heute spricht Sarah Wagenknecht und ihre Partei mit ihren spezifischen programmatischen Aussagen zum Ukraine-Krieg, zu den Tendenzen einer neuen militärischen und wirtschaftlichen Blockbildung in der Welt, zu Problemen der Migration, zur europäischen Integration und der wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands Menschen an, die sich weder von CDU/CSU, SPD, Grünen, FDP und AfD noch von den LINKEN vertreten sehen. So auch mich.

      Wer mit solch vagen Begriffen wie Populismus zu Felde zieht, sollte klar sagen, was er konkret meint (Empfehlung: „Was ist Populismus“ von Jan-Werner Müller, Suhrkamp 2016). Mein Eindruck ist, dass einige, auch hier in diesem Forum, Populismus als hohles Schlagwort verwenden, weil sie entweder gar nicht so genau wissen oder zu bequem sind, darüber nachzudenken, was sie eigentlich inhaltlich kritisieren wollen. So würde ich gern hören, an welcher Stelle im Programm BSW populistisch ist.

      1. Das Programm der Partei mit dem merkwürdigen Namen „Bündnis Sara Wagenknecht ist nicht populistisch, es ist politisch gefährlich. Allein der Name der Partei öffnet dem Autokratismus Tür und Tor. Was ist das für eine Überheblichkeit/Hybris, sich nach der derzeitigen Führungsgestalt zu benennen! Schon allein deswegen würde ich niemals die Anliegen der Demokratie in die Hände einer solchen Partei legen! Die Demokratie zu verteidigen und lebendig zu gestalten, ist der wichtigste Beitrag, den jede:r Bürger:in hier leisten kann, um dem Aggressionskrieg des Putin-Russland gegen die Ukraine und der aufsteiegenden Trump-Diktatur in den USA zu widerstehen.

        1. Aufschlußreich die Aussagen Frau Dr. Wagenknechts bei „Markus Lanz“ vom 17. 1. 24
          https://ogy.de/z27b – über ihr noch sehr kurzes Programm. Noch interessanter die Analyse des „Welt“-Journalisten Robin Alexander zum Europa-Wahlprogramm des BSW.
          Diese Partei wird genauso in der Versenkung verschwinden wie weiland Wagenknechts „Aufstehen“-Projekt.

  4. Die Erde muss eine Scheibe sein – ich kann jedenfalls genauso wenig eine Krümmung erkennen, wie die Behauptung widerlegen, dass Trump ein lupenreiner Demokrat ist!
    Das bisschen „Wahlergebnis nicht anerkennen“, oder das von der links-grün-versifften Mainstream-Presse behauptete Befeuern des Sturms auf das Capitol disqualifizieren ihn doch nicht als Anti-Demokraten!?!
    Weidel, Wagenknecht und Maaßen wollen selbstverständlich nur unsere Demokratie „zurück erobern“, die uns die schlechteste und diktatorischste (2G!) Regierung seit Gründung der Bundesrepublik weg genommen hat!
    Für ein mögliches Treffen der Herren Haspelmath und Schwerdtfeger scheinen mir reichlich Themen vorhanden… Vielleicht bitten sie auch noch Herrn Tellkamp dazu. Dann können sie sich, zur Auflockerung, über hirnlose, bornierte Mit-Blogger auslassen….

  5. Der Versuch, die derzeit massive Ablehnung der Ampelregierung mit mangelnder Kommunikation einer an sich richtigen und vernünftigen Politik zu erklären, wird wohl nicht sehr erfolgreich sein. Steigende, das Portemonnaie der Bürger belastende und die Konkurrenzfähigkeit der heimischen Industrie erheblich beeinträchtigende Energiekosten, das Desaster mit dem Bildungssystem, ein darniederliegender sozialer Wohnungsbau und auch das daraus folgende Unvermögen, Immigration befriedigend zu beherrschen sind nicht die Folgen unvorhersehbarer Katastrophen sondern Effekte menschengemachter, falscher Politik. Der umfassende Wirtschaftskrieg gegen Russland als Reaktion auf dessen Invasion in der Ukraine ist die Ursache für die Energieverknappung. Grüne Symbolpolitik brachte die Klimapolitik in Verruf. Durch Trickserei die unsinnigen Schuldenregeln zu umgehen, führte zum aktuellen Haushaltschaos. Die Sichtweise, dass all die beklagten Infrastrukturprobleme (Digitalisierung, Bahn) etwas mit der seit Jahren in Deutschland praktizierten Austeritätspolitik zu tun haben und ein dringendes Gegensteuern erfordern, scheint keinen Einfluss auf die Regierungspolitik zu haben. Wie auch, wenn antagonistische Positionen sich in ein und derselben Regierung gegenseitig blockieren (so viel zum gelobten „breiten politischen Spektrum“). Auch den ewigen Reden, Fluchtursachen zu bekämpfen, folgten bisher kaum Taten. Weder werden die ökonomischen Boykottmaßnahmen gegen Syrien und Afghanistan in Frage gestellt, ein Großteil der Flüchtlinge kommt von dort, noch gibt es ein ernsthaftes Engagement, für eine Beendigung des Blutvergießens in der Ukraine einzutreten, eher ist das Gegenteil der Fall.

    Es ist also kein Wunder, wenn sich im Lande erheblicher Widerstand formiert. Unabhängig davon, ob man sich mit jeder Form des Protestes gemein machen mag oder nicht, eine Beruhigung der Lage wird es nur bei der glaubwürdigen Perspektive geben, dass die bestehenden Probleme ernsthaft angegangen werden. Momentan ist das nicht zu erkennen. Mit der Diffamierung und Ausgrenzung oppositioneller Stimmen wird allerdings gar nichts gewonnen werden. Erwartet, aber trotzdem erschreckend ist z. B. die einsetzende Hetze gegen die junge Wagenknecht-Partei (heute der unsägliche Matthias Koch in der Leipziger Volkszeitung). Vielleicht ist es diesen Schreiberlingen lieber, alle Regierungsgegner sammeln sich hinter der AfD.

    1. Ich lese sonst den Politikteil der LVZ kaum, lieber überregionale Zeitungen. Aber weil Sie, Herr Lerchner, den Artikel von Matthias Koch erwähnten, den dann doch. Er beschäftigte sich ja hauptsächlich mit den Bauernprotesten. Mir fehlte der Hinweis, dass die Befreiung von der KFZ-Steuer für landwirtschaftliche Fahrzeuge sich vor allem darauf begründet, dass diese öffentlichen Straßen nur in geringem Umfang in Anspruch nehmen. Dann dürften sie mit ihren Traktoren eigentlich nicht weite Strecken auf diesen zurücklegen wie jetzt zu den Demonstrationen. Frau Dr. Wagenknecht erwähnt Herr Koch nur kurz am Schluss seines Artikels und nennt sie in einem Atemzug mit Maaßen, Chupalla und Weidel als „charakterlich fragwürdiges Quartett“. Die Entwicklung vom Mitglied der kommunistischen Plattform zur Gründung einer populistischen Partei ist allerdings zumindest bemerkenswert.

      1. Dass es der genannten journalistischen Lichtgestalt um Diffamierung geht, würde noch deutlicher, wenn Sie ihn vollständig zitiert hätten. Und was persönliche Entwicklung angeht, Sie kennen vielleicht die „Geschichten vom Herrn Keuner“ von Bertolt Brecht.

  6. „Nicht so viel über die AfD reden. Je größer
    die Angst, desto mehr triumphiert
    sie. Natürlich muss man kämpfen und
    zeigen, wo die Grenze ist. Aber gleichzeitig
    muss man selbstbewusst die Pro –
    bleme angehen, auch solche, die die AfD
    thematisiert. Sonst wird ihr Manövrierspielraum
    immer größer.“

    Der frühere Bundesminister Thomas de Maizière in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 14. 1. 2024

  7. Viele Menschen wissen, dass die angeblich „notwendigen Maßnahmen“ nicht alternativlos waren: Weder mussten wir auf das russische Erdgas verzichten (das war eine politische Entscheidung der Ampel), noch waren die extremen Corona-Verbote nötig oder sinnvoll. Der Corona-Irrsinn war auch dem Machbarkeitswahn der Wissenschaft geschuldet (und dem verrückten Vertrauen in die chinesische Diktatur), was bei vielen zu Verwirrung geführt hat. Aber an unserer Beteiligung am aussichtslosen Ukraine-Krieg trägt meine Zunft keine Schuld. In beiden Fällen fehlte es eklatant an öffentlicher Diskussion – Kritiker:innen wurden beiseite geschoben und als „rechts“ diffamiert („Ihr seid nicht das Volk“, „22 ist nicht 89“). Das Problem war nie die fehlende „überzeugende Kommunikation (von oben)“, sondern die fehlende Bereitschaft zur demokratischen Auseinandersetzung mit der Opposition (inklusive AfD, Querdenker, und „Russland-Versteher:innen“). Dass wir jetzt enorme gesellschaftliche Spannungen bekommen, ist nur eine logische Folge dieser Demokratie-Verweigerung. Auch der Ver.di-Chef findet die Regierungs-Entscheidungen „völlig irre“, aber der regierungsnahe Soziologe Armin Nassehi meint, die Kritik an der Regierung nütze nur der AfD – stattdessen solle Scholz lieber „klare Ansagen“ machen. https://www.spiegel.de/politik/deutschland/news-des-tages-krieg-in-der-ukraine-afd-bauernprotest-nasa-ueberschallflugzeug-a-ee68fd6d-cd7e-41a7-b55c-7e9318ca1418. Solange sich die intellektuelle und politische Elite dieses Landes nicht klar zu demokratischen Prozessen bekennt, sondern weiterhin die alleinige Deutungsmacht beansprucht, werden die gesellschaftlichen Konflikte weiter zunehmen. Zumindest die Kirche könnte sich für die 2G-Unterstützung entschuldigen und die implizite Kriegspropaganda einstellen („Sophienkathedrale in Kiew – widersteht seit 1000 Jahren“ – das widerspricht dem Geist der Friedensgebete in sehr trauriger Weise).

    1. Lieber Herr Haspelmath, es ist schwer, auf einen Kommentar zu antworten, in dem permanent Äpfel mit Birnen verglichen und Wirklichkeiten ausgeblendet werden. Wie kann man das große Plakat an der Nikolaikirche „Sophienkathedrale in Kiew – widersteht seit 1000 Jahren“ zur „impliziten Kriegspropaganda“ erklären? Wie kann man sich selbst für „schuldlos“ erklären und gleichzeitig vollmundig von anderen Schuldbekenntnisse fordern? Wenn es Ihnen an „öffentlicher Diskussion“ mangelt, fangen Sie doch in Ihren Seminaren und Vorlesungen an! Organisieren Sie doch im Universitätsbereich Diskurse! Wer hindert Sie daran? Was mich aber vor allem beunruhigt, ist Ihre Naivität, den organisierten Rechtsextremismus auf eine Stufe mit divergierenden demokratischen Initiativen, Gruppen und Parteien zustellen. Rechtsextremisten sind keine „Opposition“ im demokratischen Diskurs. Sie benutzen diesen, um ihn langfristig zu zerstören. Wenigstens diese Einsicht sollte man von einem demokratischen Wissenschaftler erwarten können. Beste Grüße, Christian Wolff

      1. Niemand ist ohne Schuld – ich hätte mich sicher noch viel lauter gegen den Lockdown-Wahn einsetzen sollen, aber es war extrem schwer, weil auch in den Unis keinerlei Diskussionswunsch bestand. Man wollte einfach den bereits bestehenden Kurs halten, ohne Kritikfähigkeit. Aber der Wissenschaftsbetrieb ist längst zu einer Machtmaschine verkommen, wie man es auch in der Kirchengeschichte immer wieder findet. Und Dissident:innen wie die mutige Ukrike Guérot hatten es sehr schwer (die Uni Bonn hat sich von ihr distanziert, statt ihr den Rücken zu stärken). Leichter ist es für Menschen wie Sie, die im Ruhestand sind. Als einziger Max-Planck-Wissenschaftler hat mir Prof. Wolfgang Streeck den Rücken gestärkt, der aber auch im Ruhestand ist. Ähnlich ist es in der Kirche – nur Margot Kässman ist weiter stabil auf dem Friedenskurs der 1980er Jahre, die anderen passen sich einfach an. (Eine rühmliche Ausnahme an den Unis ist Prof. Johannes Varwick in Halle, der von Anfang an für eine friedliche Lösung eingetreten ist – sein Mut ist wirklich bewundernswert.)

      2. Rechtsextremisten, die keine „Opposition“ sind, gehören ins Gefängnis, und nicht auf die Wahlzettel. Aber Parteien, die an Wahlen teilnehmen, und Menschen, die friedliche Demonstrationen organisieren, sind Opposition, ob es einem gefällt oder nicht. So verstehe ich jedenfalls Demokratie: Auch die anderen, die ganz andere Meinungen als ich haben, dürfen sie artikulieren und friedlich für ihre Ziele streiten. Das schlimmste, was ich in meinem Leben erlebt habe, waren die Lockdowns, aber ich respektiere das Recht der Lockdownbefürworter, sich für solch eine extreme Politik einzusetzen. (Schwerer ist es mit 2G – diese Diskriminierungen waren eindeutig menschenrechtswidrig, und deshalb nicht erträglich.)

        1. So einfach kann man es sich machen: Was „keine ‚Opposition'“ wird weggesperrt und alles andere ist zulässig. Also: Zunächst gibt es zwischen eine andere Meinung haben und Opposition einen erheblichen Unterschied. Opposition sind im Parlament diejenigen, die nicht an der Regierung beteiligt sind. Auch kann ich innerhalb einer Institution zur Opposition gehören. In der Debatte gibt es sehr unterschiedliche Meinungsäußerungen. Diese sind in einer freiheitlichen Demokratie auch in Extremen zulässig und sie zu äußern muss geschützt sein (Grundrecht auf Meinungsfreiheit). Etwas anderes ist, ob die Demokratie zulässt, dass sie auf demokratischem Weg zerstört wird. Das war vor 100 Jahren leider der Fall. Und das ist auch jetzt die große Gefahr. Und da geht es nicht darum, ob ich für oder gegen bestimmte Maßnahmen während der Pandemie war oder noch bin. Es geht jetzt darum, ob der inzwischen weit fortgeschrittene Rechtnationalismus, der sich mit der AfD daran macht, die Demokratie zu zerstören, weiter ungehindert die Parlamente erobern kann, um diese dann lahmzulegen. Da tragen alle Bürger:innen, auch Sie persönlich, eine hohe Verantwortung. Aus der können und dürfen Sie sich nicht davon stehlen, indem Sie matraartig Entschuldigungen fordern und maßlose Schuldzuweisungen betreiben abseits jeglicher politischer Einordnung und gleichzeitig den Rechtsnationalismus verharmlosen.

          1. Ja, die Demokratie muss wehrhaft sein, und es gibt manche, die überhaupt keine Demokratie wollen – die darf man nicht an die Macht lassen. Aber wer genau sind die radikalen Demokratiefeinde? Das ist ja genau das Problem, und selbst in der New York Times findet man viele Stimmen, die Trump keine radikale Demokratiefeindschaft vorwerfen. In seiner ersten Amtszeit hat er ja vor allem die Steuern gesenkt, das Iran-Abkommen gekündigt, die US-Botschaft nach Jerusalem verlegt, und Abtreibungsradikale als Bundesrichter installiert – aber er hat nicht die Demokratie zerstört. Also bekommt er wohl eine zweite Chance, ebenso wie Le Pen eine echte Chance hat, und auf längere Sicht eben auch Leute wie Weidel und Chrupalla. Wenn wir keinen Bürgerkrieg wollen, müssen wir schnell den Ukraine-Krieg beenden. Und wenn wir die AfD kleiner halten wollen (und uns weiter selbst ins Gesicht schauen wollen), wäre es sehr gut, sich für die panik-artigen antidemokratischen Aktionen der Vergangenheit (2G-Ausgrenzung, Demo-Verbote, „Ihr seid nicht das Volk“) zu entschuldigen. An diesem Vorschlag ist nichts „maßlos“, soweit ich sehe – im Gegenteil, auf diese Weise könnten Sie Ihrer Verantwortung gerecht werden, dazu beizutragen, die AfD klein zu halten (denn tatsächlich ist sie rechtsnationalistisch, und voll von Wut). Im BSW gibt es Bestreubungen, eine Kommission zur Lockdown-Aufarbeitung zu gründen. Aber wir brauchen auch besonnene Stimmen aus anderen Lagern, die die schlimme Vergangenheit nicht unter den Teppich kehren.

          2. Vielleicht gelingt es Ihnen ja in den nächsten Wochen, Ihr 2G-Trauma zu überwinden und das in den Blick zu nehmen, was tatsächlich die Demokratie gefährdet. Das ist derzeit die AfD und das Vordringen rechtsnationalistischen Denkens in die sog. „Mitte der Gesellschaft“. Dazu gehört auch, die aus der Zeit vor 100 Jahren saatsam bekannte Verharmlsoung der Gefahr. Wer nach der „Wannseekonferenz 2.0“, eine Art Fortbildungsveranstaltung für die AfD, hier davon redet, als sei die Machtübernahme von Trump, Le Pen, Weidel und Chrupalla ausgemachte Sache und alles nicht so schlimm, weil das jemand in der NYT meint, der hat offensichtlich nichts begriffen von der seit drei Jahrzehnten gerade in Sachsen betriebenen Strategie der Rechtsextremisten.

  8. Es ist nicht zu erwarten, dass CDU und Linke sich in Thüringen auf einen gemeinsamen Kandidaten für die Wahl des Ministerpräsidenten im dritten Wahlgang einigen werden. So wird es immer wahrscheinlicher, dass AfD-Höcke zum MP in Erfurt gewählt werden wird. Hier die Rechtslage:

    https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/ministerpraesident-wahlgang-landtag-verfassung-100.html

    Aber selbst wenn dies noch durch eine Gesetzesänderung abgewendet werden kann, wird eine Sperrminorität der AfD im Thüringer Landtag nicht zu verhindern sein. Dies wird sich z. B. auch auf die Wahl des Landtagspräsidenten auswirken. Auch wird keine Zweidrittelmehrheit zur Änderung der Verfassung ohne die AfD zustande kommen.

    Ich bin gespannt, ob die Wagenknechtpartei der AfD Stimmen abjagen kann – nach bisherigen Umfragen eher nicht.

    Ich war gestern zu einer Festveranstaltung auf dem Südfriedhof am Grab des Reichstagsbrandstifters Marinus van der Lubbe, der vor 90 Jahren hingerichtet wurde. Die Todesstrafe für Brandstifter wurde von den Nazis rückwirkend eingeführt, d. h. sie gab es zum Zeitpunkt der Tat noch gar nicht – ein eklatanter Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip nullum crimen, nulla poena sine lege („kein Verbrechen, keine Strafe ohne Gesetz“). Und das war noch zu den Anfängen der Naziherrschaft.

  9. Lieber Herr Wolff,
    ja die fehlende, aufklärende Kommunikation des Bundeskanzlers Olaf Scholz mit seinen (Kunden) Wählern ist fast das größte Problem. Wie heißt es doch: „In das Vakuum geht immer der Gegner hinein!“ Außer Ihren zutreffenden Bemerkungen sei der Kommentar von Ann-Katrin Müller vom 06.12.2023 in Spiegel online empfohlen, mit dem Titel: „Handelt, bevor es zu spät ist!“

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