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Leben und Tod – einige Gedanken zum Ewigkeitssonntag

Dem Gedenken an Dorothea Frischmann-Wolff (7. Juni 1950 – 22. November 2002) und Zlata Kaltofen-Wolff (5. Mai 1951 – 13. Februar 2020) gewidmet.

Selten wurde im öffentlichen Diskurs so oft über Leben und Tod gesprochen wie in den vergangenen Monaten:

  • Da war das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom Februar 2020 in Sachen Sterbehilfe mit der Grundaussage, dass es ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben gibt. Der damalige Präsident des Bundesverfassungsgerichtes Andreas Voßkuhle führte aus, dass die Freiheit einschließe, sich das Leben zu nehmen und dabei Angebote von Dritten in Anspruch zu nehmen. Dies gelte grundsätzlich, d.h. altersunabhängig und auch für gesunde Menschen (siehe den Blog-Beitrag http://wolff-christian.de/?p=5894)
  • Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie wird von den Regierungspolitiker*innen, die die Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung in der Öffentlichkeit zu vertreten haben, immer wieder das Argument gebraucht: es gehe hier schließlich um Leben und Tod bzw. darum, Menschen vor dem Sterben an dem Covid-19-Virus zu bewahren. Wer wollte dem widersprechen?
  • Kritiker*innen der Coronaschutzmaßnahmen führen an, dass Menschen nicht nur am Coronavirus sterben können, sondern an vielen anderen Krankheiten – und das in viel größerer Anzahl als an Covid 19. Sie verweisen auf Krankenhauskeime, Grippevirus, Krebs, Herzerkrankungen. Schließlich wird noch das Argument ins Feld geführt, dass durch die Schutzmaßnahmen die Selbstmordrate steigen würde und es in Wahrheit darum gehe, mit einem neuen Impfstoff und Impfzwang ein Riesengeschäft der Pharmaindustrie zu ermöglichen.

Was auffällt: Den Argumenten fehlt eine wesentliche Dimension. Sie sagen wenig aus über den grundsätzlichen Wert des Lebens. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hat vor einiger Zeit darauf verwiesen, dass im Rechtsstaat nicht alles staatliche Handeln dem Schutz des Lebens unterworfen werden könne. Wenn es einen absoluten Wert unserer Verfassung überhaupt gebe, dann sei es die Menschenwürde (vgl. https://www.tagesspiegel.de/politik/bundestagspraesident-zur-corona-krise-schaeuble-will-dem-schutz-des-lebens-nicht-alles-unterordnen/25770466.html). Ja, mit dem Argument des Lebensschutzes kann Missbrauch betrieben werden – sowohl im Blick auf andere Grundrechte wie im Blick auf die Endlichkeit des Lebens. Denn wenn die Menschenwürde ausgeklammert wird, droht der Lebensschutz im wahrsten Sinne des Wortes zu einem „Totschlagargument“ zu werden.

Aber auch die Menschenwürde ist eine Setzung, die nur dann greift, wenn die Würde und das Recht ausnahmslos und uneingeschränkt auf jeden einzelnen Menschen bezogen werden. Das macht politische Entscheidungen im Rechtsstaat so schwer. Sie müssen sich an der ethischen Maxime der Menschenwürde messen lassen. Dennoch gehen von jeder Entscheidung Schaden und Nutzen, Schutz und Bedrohung für Menschen und Bevölkerungsgruppen aus. Diese sind leider ungleich verteilt, wie wir in den vergangenen Monaten deutlich gesehen haben. Auf der anderen Seite soll der absolute Wert der Menschenwürde davor bewahren, Entscheidungen auf Kosten von anderen zu treffen, und – das ist noch wichtiger – ermöglicht uns, gegen solche Entscheidungen gerichtlich vorzugehen und auf Änderung zu drängen.

Eines allerdings kann uns kein Gericht und keine Entscheidung auf Regierungsebene abnehmen: Wie wir als Einzelne selbst unser Leben verstehen, und was wir davon an die nächste Generation weitergeben – wie also unser ethisches (Glaubens-)Gerüst aussieht. Der Ewigkeitssonntag ruft uns zwei wichtige Einsichten des Glaubens in Erinnerung:

  • Nach biblischem Verständnis ist jedes Menschenleben von Gott geschaffen – ein Geschenk, mit Recht und Würde gesegnet. Wir gehören nicht uns selbst. Vielmehr ist mein Leben ein mir anvertrautes Gut, mit dem ich verantwortlich umzugehen habe. Um diese Verantwortung annehmen und erfüllen zu können, macht uns Gott mit den Geboten und mit dem Leben und Wirken Jesu Angebote sinnvollen Lebens – auch das Angebot, mit unserem Scheitern so umzugehen, dass wir den Nächsten nicht mit in den Abgrund reißen und Neuanfänge möglich werden.
  • Alles Leben ist endlich. Entscheidend ist nicht die zeitliche Länge des Lebens. Entscheidend ist, dass wir die Zeit sinnvoll und verantwortlich gestalten – in der Hoffnung, dass uns die Fülle des Lebens nach dem Tod bevorsteht. Wir haben keinen Anspruch auf eine bestimmte Lebenszeit wohl aber allen Grund zur Dankbarkeit für das Leben.

Diese Einsichten können uns zu Beidem anspornen: Leben zu erhalten, zu bewahren, zu gestalten immer im Blick auf den Nächsten und die Bewahrung der Schöpfung; und Menschen helfen zu sterben im Bewusstsein, dass auch diese Welt eines Tages aufhört zu existieren – beides ohne Angst und Panik, sondern voller Gottvertrauen! Das ist gemeint, wenn es im 90. Psalm heißt: „Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“ (Die Bibel: Psalm 90,12) Wir können der Vergänglichkeit des Lebens und dieser Welt Rechnung tragen, wir können Krankheit, Leiden und Sterben Raum geben und zulassen, ohne das Leben zu vernachlässigen, ohne die Freude am Leben zu verlieren und ohne die Verantwortung für Gesundheit, Gerechtigkeit, friedliches Zusammenleben aus den Augen zu verlieren. Es wäre viel gewonnen, wenn sich diese Überzeugung hinter der Floskel verbirgt „Es geht um Leben und Tod“ – besser: um Tod und Leben.

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