Am kommenden Samstag, 21.11.2020, wollen unterschiedliche Gruppen aus dem Umfeld „Querdenken“ und „Widerstand 2020“ Leipzig wieder heimsuchen. Offiziell ist nichts angemeldet. Sie werden aber nicht allein sein. Bürger*innen Leipzigs sind auch da: um 12.30 Uhr auf dem Augustusplatz. Denn Leipzig braucht keine „Querdenker“ – Leipzig denkt selbst.Nach dem skandalösen Verlauf der Kundgebung am 07.11.2020 ist davon auszugehen, dass sich etliche Menschen auf den Weg nach Leipzig machen, um – wie es heißt – für „Freiheit, Frieden, Demokratie“ zu demonstrieren. Doch immer offensichtlicher wird: Es geht nicht um Kritik an der Corona-Politik der Bundes- und Landesregierungen und schon gar nicht um die Grundrechte. Vielmehr wollen „Querdenken“ und das rechte Netzwerk eine Situation provozieren, die ihre schamlose Kaperung der „Friedlichen Revolution“ von 1989 „plausibel“ erscheinen lässt: Polizeieinsätze, weil massenhaft alle Auflagen wie Maskentragen und Abstand halten missachtet und Mandatsträger*innen eingeschüchtert werden – wie am 18.11.2020 in Berlin. Diese Strategie ist sattsam bekannt. Die Rechtsnationalisten der AfD versehen im Bundestag das Grundgesetz mit Trauerflor, aber treten seit Jahren die Grundrechte mit Füßen. Diese Heuchelei wird auch dadurch nicht besser, dass bei „Querdenken“ Menschen mitmachen, denen man keine rechte Gesinnung unterstellen möchte. Wohl aber kann man von jedem und jeder Bürger*in erwarten, dass er/sie dies durchschauen. Vielleicht sollten diejenigen, die „Querdenken“ für harmlos halten, einmal darüber nachdenken, dass es in Sachsen offensichtlich einen Zusammenhang gibt zwischen dem örtlichen Infektionsgeschehen und dem Wähler*innenanteil der AfD (in Bautzen ist die 7-Tage-Inzidenz am höchsten in Deutschland!).
Die Initiative „Leipzig nimmt Platz“ ruft auf, sich am Samstag, 21.11.2020, diesem unsäglichen, gefährlichen Treiben von „Querdenken“ entgegenzustellen – unter dem Motto:
Kritisch bleiben. Abstand halten. Platz nehmen
Samstag, 21. November 2020, 12.30 Uhr
Augustusplatz, Gewandhausseite
Gesine Oltmanns von der Stiftung Friedliche Revolution plant gleichzeitig eine Performance auf dem Ring (Höhe Augustusplatz) unter dem Motto
Leipzig braucht keine „Querdenker“ – Leipzig denkt selbst
47 Buchstaben 47 Menschen, die auf dem Georgiring zeigen, was wir von den antidemokratischen Aufmärschen, Tanzpolonaisen und Spirit-Demos der Corona-Leugner*innen halten. Nichts. Sie gehören nicht zu unserer Stadt, die aus dem Freiheitwillen von 1989 zu einer bunten, offenen, Vielfalt und Toleranz lebenden City geworden ist. Das soll so bleiben! Wir nehmen den Platz, der unserer Geschichte gehört. Eine große 89 aus Kerzen, ähnlich wie zum jährlichen Lichtfest, wird dies symbolisieren.
Trete in Aktion und sei dabei!
Samstag, 21.11.2020, ab 13.00 Uhr
Georgiring/Augustusplatz
13 Antworten
“Es sollte uns beunruhigen, dass der Rechtsextremismus in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist” – Interview mit Stephan Doll
https://www.menschenrechte.org/de/2020/05/08/es-sollte-uns-beunruhigen-dass-der-rechtsextremismus-in-der-mitte-der-gesellschaft-angekommen-ist-interview-mit-stephan-doll/
Die rechten Sammlungsbewegungen von PEGIDA & Co. und die Wahlergebnisse der AfD in den letzten Jahren haben gezeigt, daß die Gesellschaft trotz der Naziherrschaft mit dem 2. WK und dem Holocaust leider nicht immun geworden ist. Gerade in diesem Jahr erleben wir in unseren Städten gewalttätige Demonstrationen mit einer gefährlichen Mischung von Teilnehmern: Querdenker, Verschwörungstheoretiker und ganz normale Leute, die mit Rechtsextremen praktisch Hand in Hand durch die Straßen ziehen und einen Systemwechsel fordern. Geschichtsvergessen und/oder als Provokation hält sich in Hannover eine Jana aus Kassel für Sophie Scholl und in Karlsruhe fühlt sich auf einer Bühne ein 11-jähriges Mädchen wie Anne Frank anläßlich ihrer leicht eingeschränkten Geburtstagsfeier.
Wenn bisher die Flüchtlingssituation als Argument für Wutbürger diente, so ist es jetzt die Coronasituation, die der rechtsextremen Szene als Einfallstor in die Mitte der Gesellschaft dient. Berührungsängste sind da nicht mehr zuerkennen.
Seit Jahren verfolge ich die „Mitte-Studie“ von Decker und Brähler, die im 2-Jahres-Update einen aktuellen Überblick bietet. Hier sind neue Daten mit einem neuen Begriff, dem Antifeminismus. Für jeden engagierten Menschen sollte das zur Pflichtlektüre werden.
https://www.belltower.news/neue-zahlen-zu-rechtsextremismus-und-antifeminismus-antifeminismus-als-zentraler-bestandteil-rechtsextremer-ideologie-bestaetigt-107253/
https://www.boell.de/de/leipziger-autoritarismus-studie
Ein sehr beliebtes Spiel von Eltern mit ihren Kleinkindern:
https://de.wikipedia.org/wiki/Guck-guck-Spiel
Was Kleinkinder nicht sehen, existiert für sie nicht. In der Entwicklung von Kindern völlig normal. Aber wie sieht es bei Erwachsenen aus?
Erwachsene, die der Kleinkind-Phase längst entwachsen sind, treffen sich mittlerweile immer wieder zu Superspreader-Events ohne Maske und ohne Abstand, um zu behaupten, daß es das Virus Covid-19 nicht gibt. Man muß sich doch fragen, auf welchem Entwicklungsstand sind diese Menschen eigentlich falsch abgebogen?
Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich! Besonders über Schweden, wo alles offen ist:
https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/corona-regeln-in-europa-ein-ueberblick,SGnJuUY
Und offenbar keine irrationale Corona-Angst herrscht. Aber in Deutschland ist schon so manches Mal mit Angst Politik gemacht worden: German Angst des deutschen Michel.
Ich weiß nicht, ob Sie Laie oder Fachmann sind. Aber bei der Interpretation von Zahlen sind Sie wahrscheinlich kein Fachmann und hierbei selbst als Laie weniger geeignet.
https://www.tagesspiegel.de/politik/besuchsverbot-kontaktbeschraenkung-sperrstunde-schweden-rueckt-notgedrungen-von-seinem-sonderweg-ab/26643242.html
„Am Freitag meldete die Gesundheitsbehörde FHM mit ihrem Staatsepidemiolgen Anders Tegnell 7240 Neuinfektionen – ein neuer Höchststand. Die bis dato höchste Zahl von neuen Infektionen wurde Anfang des Monats mit 5990 verzeichnet. Zudem gab es seit Donnerstag 66 weitere Todesfälle. Damit registriert das Land insgesamt nun 6406 Covid-19-Tote und 208.295 bestätigte Infektionen.“
„Dass Schweden pro eine Million Einwohner mit 623 eine weitaus höhere Zahl an Covid-19-Toten zu beklagen hat als sogar Deutschland (165) – besonders weil das Virus im Frühjahr ungebremst in Pflegeheimen wüten konnte – interessierte „Querdenker“ & Co. in Deutschland nicht.“
Mit German-Angst hat das in Deutschland weniger zu tun. Aber die Mehrheit der Bevölkerung hat offensichtlich eine gewisse Vorstellung von den Zuständen auf entsprechenden Intensivstationen, besonders dann, wenn zu wenig Pflegepersonal da ist oder wenn die Triage die Entscheidung über Leben und Tod trifft.
Informieren Sie sich bitte bei den Fachleuten des UKL oder des St. Georg-Klinikums. Danach sollten Sie vielleicht noch einmal zu einem Kommentar ansetzen.
Danke!
Warum leben wir eigentlich so unmoralisch wie die Schweden und nicht so moralisch wie die Amish People? Die Amish leben völlig im Einklang mit der Natur, wie der liebe Gott sie geschaffen hat! Wir aber sind so unmoralisch wie die Schweden und opfern deshalb Jahr für Jahr zigtausende von Menschenleben im motorisierten Straßenverkehr anstatt wie die Amish People mit dem Pferdefuhrwerk ökologisch korrekt uns von A nach B zu bewegen.
Schweden schafft womöglich die Corona-Wende:
https://www.t-online.de/nachrichten/panorama/id_88971124/animation-zeigt-schweden-schafft-womoeglich-die-corona-wende.html
Und was hat die Lockdown-Therapie in anderen Ländern gebracht? Außer der immer weitergehenden Einschränkungen noch so elementarer bürgerlicher Freiheitsrechte!
https://www.rnd.de/reise/virologe-sturmer-reisen-sollten-europaweit-untersagt-werden-EOOFHJFQ4FFZ3FLYD2QA5IAECI.html
Jetzt bin ich doch einigermaßen verunsichert! Eigentlich bin ich in meinem Selbstverständnis durchaus jemand, der selbst denkt. Folgt man H. Haspelmath, darf ich morgen dann aber nicht an einer „solchen Pro-Regierungsdemo“, wie von „Leipzig nimmt Platz“, teilnehmen.
Andererseits lobt H. Haspelmath grundsätzliche Argumente von „Leipzig nimmt Platz“ in der Pandemie-Diskussion ausdrücklich (15.11., 6:03 Uhr). Auch die Grundrechte will H. Haspelmath vehement gegen eine „pflichtvergessene Regierung“ (11.11., 15:01 Uhr) verteidigen, hat aber kein Verständnis dafür, dass Christian Wolff einen Beitrag von mir (10.11., 21:20 Uhr) freigeschaltet hat, in dem ich auf Informationen aus Quellen, die H. Haspelmath möglicherweise als „Mainstream-Medien“ oder gar „Lügen-Presse“ bezeichnen würde, zurückgreife ( 11.11., 12:33 Uhr)…
„Wo ist das kritische Leipzig geblieben“ fragt er. Nun, Sie sind herzlich eingeladen, das kritische Leipzig morgen auf dem Augustusplatz zu treffen, sehr geehrter H. Haspelmath – vielleicht sehen wir uns dann ja!
„Trete in Aktion und sei dabei!“ – Vielleicht sollte die Initiatoren sich mit der Konjugation von treten im Imperativ befassen.
@Martin Haspelmath, ich sehe die von Ihre „populistisch-autoritär regierende Mehrheit“ nicht. Gerade unser föderales System verhindert zuverlässig, dass sich so etwas bilden kann. In der Pandemiebekämpfung sind Diktaturen wie China sehr erfolgreich, weil hier beim Handeln Eile geboten ist. Ich sehr auch keine „schleichende Demokratiekrise“. Man kann sehr begründet eine Reihe von Kritikpunkten am Regierungshandeln in dieser Krise üben. Doch das politische System der Bundesrepublik ist stabil, und ich möchte keinesfalls eine grundlegende Veränderung.
Aber das genau ist mit „kritisch bleiben“ doch gemeint: Wir haben gerade eine grundlegende Veränderung, aber die wird von der Mehrheit nicht gesehen. Normalerweise wurden die wichtigsten Entscheidungen im Parlament getroffen (z.B. Entscheidungen über Kriegseinsätze, oder über Rentenerhöhungen, oder über Organspende – solche Entscheidungen betreffen Millionen menschen). Aber jetzt wurden seit vielen Monaten die wichtigsten Entscheidungen seit langem OHNE Parlamentsentscheidungen getroffen. Das ist eine Entwicklung hin zu einem System wie in Russland (wo die meisten Menschen mit ihrer Zustimmungs-Demokratie ja auch zufrieden sind). Aber dieser Veränderung müssen sich die kritischen Leipziger entgegenstellen.
„Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher.“
Albert Einstein
Wer den mit Gewalt auf die Straße getragenen absurden Verschwörungstheorien glaubt und nachläuft, mag schlichten Gemütes sein. Aber man muß Ihnen bescheinigen, daß sie zu nützlichen Idioten der Leute werden, die diesen Staat, diese Demokratie abschaffen wollen.
Wer ein Gesetz für den gesundheitlichen Schutz der Bevölkerung mit dem Ermächtigungsgesetz aus der Nazizeit gleichsetzt, ist nicht dumm, sondern verfolgt die Ziele eines Rattenfängers, um schlimme Veränderungen in diesem Land anzuzetteln. Bewußt geschichtslos werden Parolen unter die von der Pandemie gebeutelte Bevölkerung gestreut, um Teile davon hinter sich zu scharen.
Ich war bis heute davon überzeugt, daß alle Menschen in diesem Land ein Recht auf Bildung genießen und diese auch wahrnehmen. Allerdings muß ich jetzt erkennen, daß unsere Schulen erhebliche Defizite im Bereich der politischen Bildung aufzeigen.
Am 09. Oktober 1989 habe ich mit der Videokamera an der Montagsdemonstration teilgenommen. Und ich wehre mich vehement dagegen, wenn Verschwörungstheoretiker und Anhänger rechtsextremer Kreise die Worte „Wir sind das Volk!“ für sich in Anspruch nehmen. Diese Leute stehen auch unter dem Schutz des Grundgesetzes und der Demokratie, die sie ironischerweise abschaffen wollen. Das jedoch sollten alle Demokraten dieses Landes verhindern.
Wolfgang Rupprecht
Denkt Leipzig wirklich selbst? Wenn das so wäre, gäbe es nicht nur solche Pro-Regierungsdemos, sondern auch Demonstrationen für eine echte Demokratie, denn die massiven Corona-Verbote sind derzeit nicht ausreichend demokratisch legitimiert (worauf Verfassungsrechtler immer wieder hingewiesen haben). Am Buß- und Bettag sagte Jan Korte (die LINKE) im Bundestag: „Jeder Eingriff in die Grund- und Freiheitsrechte bedarf der Zustimmung oder Ablehnung durch den Bundestag. Das aber ist leider nicht vorgesehen, daher lehnen wir das Infesktionsschutzgesetz ab… Die Ministerpräsidentenrunden mit Kanzlerin Angela Merkel haben „monarchische Züge“. So verspielt man Akzeptanz bei der Bevölkerung. Die Corona-Krise könnte zu einer schleichenden Demokratiekrise werden.“ https://www.tagesschau.de/inland/infektionsschutzgesetz-bundestag-103.html Das ist kein Argument für Demos, die von rechten Spinnern organisiert werden, aber wo sind die Kräfte, die unsere parlamentarische Demokratie und die Minderheitenrechte gegen eine populistisch-autoritär regierende Mehrheit verteidigt? Wo ist das kritische Leipzig geblieben, das nicht nur die Spinner kritisiert, sondern auch die träge und planlose Mehrheitsgesellschaft, der außer Verboten nichts einfällt?