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FridaysForFuture und die Zukunftshoffnung des Glaubens

Seit einem Jahr demonstrieren Schülerinnen und Schüler weltweit für Klimaschutz und für die dafür notwendigen Entscheidungen auf politischer Ebene – beginnend mit dem Schulstreik einer schwedischen Schülerin: Greta Thunberg. Unstrittig ist: Ohne die freitäglichen Aktionen, ohne das bewusste Verlassen des Unterrichts von Tausenden Schüler/innen hätte es in Deutschland weder den Kohlekompromiss noch das in der vergangenen Woche beschlossene Maßnahmenpaket der Bundesregierung für Klimaschutz gegeben. Dabei lasse ich jetzt unberücksichtigt, ob die jetzt vereinbarten Vorhaben ausreichend sein werden oder nicht. Die Schüler/innen haben mit ihren Aktionen einen über Jahrzehnte andauernden Stillstand in Sachen Klimaschutz beendet – nicht nur auf der politischen Ebene, sondern bei uns allen. Denn der Klimaschutz wurde kollektiv verdrängt. Kurz vor der Friedlichen Revolution 1989/90 schien er – auch aufgrund von jahrelanger Tatenlosigkeit – noch auf der Tagesordnung in Ost und West gesetzt zu werden. Doch mit der deutschen Einheit 1990 verschwand das Thema von der Agenda der Politik und des öffentlichen Diskurses. Stattdessen verstärkte sich der CO 2 Ausstoß auf dramatische Weise, in Ostdeutschland überlagert von der sichtbaren Beseitigung vieler Umweltschäden aus der DDR-Zeit.

Von heute her gesehen hätte die Braunkohleförderung und –verstromung schon 1990 beendet werden müssen. Stattdessen wurden weiter Dörfer abgebaggert. In den Städten hätten 1990 die damals schon vorliegenden umweltschonenden Mobilitätskonzepte für Städte und den ländlichen Raum umgesetzt werden müssen. Doch das wurde gar nicht mehr diskutiert. Kollektiv wurde auf’s Auto gesetzt: statt des 3-Liter-PKW wurde der SUV zum Verkaufsschlager; statt den Gütertransport auf die Schiene zu verlagern, vervielfachte sich der LKW-Verkehr auf den Straßen; diese wurden zu mobilen Lagerhallen, um „just in time“ liefern zu können; statt ein Tempolimit einzuführen, wird weiter der Ideologie gefrönt „Freie Fahrt für freie Bürger“. Versagt hat nicht nur die Politik, versagt haben nicht nur die Autokonzerne und Energieunternehmen – versagt hat die ganze Bevölkerung. Jeder von uns trägt ein gerüttelt Maß an Verantwortung für die bedrohliche Erderwärmung. Doch jetzt werden wir wachgerüttelt von der Generation, die das kollektive Versagen in den nächsten Jahrzehnten ausbaden muss. Die drängende Ungeduld ist nur zu verständlich, denn die Dramatik rechtfertigt sie: Alle Szenarien, die schon vor Jahrzehnten von Wissenschaftlern entwickelt wurden, treten mit zunehmender Zerstörungsdynamik ein – weniger in Mitteleuropa, dafür in vielen Regionen dieser Erde, die schon jetzt unter den Folgen leiden, deren Ursachen in unserer überbordenden Lebensweise liegen. Nun rollt die Welle von Bränden, Stürmen, Hitze, Dürren auf uns zu. Die jungen Menschen spüren dies und klagen darum zu Recht entschlossenes Handeln ein. Sie sind auch zurecht frustriert über die Maßnahmen, die die Bundesregierung jetzt in Gang setzen will. Es dauert alles viel zu langsam.

Kürzlich antwortete eine junge Schülerin auf die Frage, warum sie bei FridaysForFuture mitmache, sinngemäß: Wieso soll ich in die Schule gehen, wenn mein Leben keine Zukunft hat, ich also das, was ich lerne, gar nicht anwenden kann? Junge Menschen spüren: Ihre Zukunft steht auf dem Spiel, und die älteren Generationen leben so, als gelte jetzt noch rauszuholen, was rauszuholen geht. Ja, wir Erwachsene leisten uns den Luxus, monatelang über „mangelnde Anerkennung der Lebensleistung“ zu debattieren – und merken dabei gar nicht, dass junge Menschen für sich die Chance schwinden sehen, eine solche Lebensleistung überhaupt erbringen zu können. Obwohl ich den Jugendlichen wie den sie unterstützenden Wissenschaftlern ihre Radikalität, ihre Zuspitzung, ihre Panik absolut zugestehe – etwas irritiert mich an ihren Äußerungen: der Rigorismus, mit dem sie sich selbst, ihr Leben, ihre Zukunft abhängig machen von den Maßnahmen der Regierungen. Zukunft des Lebens wird aber nicht allein eröffnet oder verbaut von Politiker/innen, von richtigen oder unzureichenden Entscheidungen. Zukunftshoffnung ist zunächst und vor allem eine Kategorie, ein Geschenk des Glaubens. Sie behält auch mitten in Leid und Zerstörung ihre Kraft und Wirklichkeit: „Ich will euch Zukunft und Hoffnung geben“, sagt Gott zu Menschen, die ihre Zukunftsperspektive zu verlieren drohten (Die Bibel: Jeremia 29,11). In diesem Sinn ist Zukunftshoffnung eine Frucht des Scheiterns. Dahinter steht eine dreifache Einsicht:

  • Alles Leben ist von Gott geschaffen und birgt darum in sich einen Sinn. Diesen muss ich mir nicht selbst erkämpfen. Er kann mir auch nicht genommen werden. Meine Aufgabe ist: ihn anzuwenden, die Berufung anzunehmen. Mein Leben wird also nicht sinnlos, wenn der Natur Gewalt angetan oder Leben durch Krankheit und Tod zerstört wird. Dies ist allerhöchstens Ausdruck davon, dass Menschen gegen den ihnen verliehenen Sinn des Lebens handeln.
  • Gott hat uns Menschen die Erde anvertraut, damit wir diese bewahren und bebauen (Die Bibel: 1. Mose 2). Die Erde ist nicht unser Eigentum, sondern wie das eigene Leben ein uns anvertrautes Gut. Für dieses können wir nur dankbar sein, was nichts anderes bedeutet: mit den uns gegebenen Möglichkeiten die Schöpfung zu bewahren. Darin liegt unsere Verantwortung.
  • Alles Mühen ändert nichts daran, dass unser Leben begrenzt und die Schöpfung endlich ist. Auch wenn der Klimaschutz gelingt, werden wir eines Tages sterben. Die Schöpfung bleibt vergänglich. Wer daraus aber den Schluss zieht „nach uns die Sintflut“, der vergeht sich an dem Sinn seines Lebens. Denn dieser wird durch den Tod nicht zerstört.

Nun kann ich von niemandem verlangen, dass er sich dieser Sichtweise des Glaubens anschließt. Aber wir sollten diese niemandem vorenthalten und darum in die Debatte um den Klimaschutz einbringen. Denn schließlich soll die prophetische Radikalität, die der Kampf um die Bewahrung der Schöpfung benötigt, Kraft behalten. Das wird aber nur gelingen, wenn wir mit der Zukunftshoffnung des Glaubens Niederlagen ertragen und der Kurzatmigkeit wehren, ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren. Niemand sollte unterschätzen, welchen dynamischen Wert Gottvertrauen und ein daraus erwachsendes inneres Krisenmanagement haben.

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