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FridaysForFuture und die Zukunftshoffnung des Glaubens

Seit einem Jahr demonstrieren Schülerinnen und Schüler weltweit für Klimaschutz und für die dafür notwendigen Entscheidungen auf politischer Ebene – beginnend mit dem Schulstreik einer schwedischen Schülerin: Greta Thunberg. Unstrittig ist: Ohne die freitäglichen Aktionen, ohne das bewusste Verlassen des Unterrichts von Tausenden Schüler/innen hätte es in Deutschland weder den Kohlekompromiss noch das in der vergangenen Woche beschlossene Maßnahmenpaket der Bundesregierung für Klimaschutz gegeben. Dabei lasse ich jetzt unberücksichtigt, ob die jetzt vereinbarten Vorhaben ausreichend sein werden oder nicht. Die Schüler/innen haben mit ihren Aktionen einen über Jahrzehnte andauernden Stillstand in Sachen Klimaschutz beendet – nicht nur auf der politischen Ebene, sondern bei uns allen. Denn der Klimaschutz wurde kollektiv verdrängt. Kurz vor der Friedlichen Revolution 1989/90 schien er – auch aufgrund von jahrelanger Tatenlosigkeit – noch auf der Tagesordnung in Ost und West gesetzt zu werden. Doch mit der deutschen Einheit 1990 verschwand das Thema von der Agenda der Politik und des öffentlichen Diskurses. Stattdessen verstärkte sich der CO 2 Ausstoß auf dramatische Weise, in Ostdeutschland überlagert von der sichtbaren Beseitigung vieler Umweltschäden aus der DDR-Zeit.

Von heute her gesehen hätte die Braunkohleförderung und –verstromung schon 1990 beendet werden müssen. Stattdessen wurden weiter Dörfer abgebaggert. In den Städten hätten 1990 die damals schon vorliegenden umweltschonenden Mobilitätskonzepte für Städte und den ländlichen Raum umgesetzt werden müssen. Doch das wurde gar nicht mehr diskutiert. Kollektiv wurde auf’s Auto gesetzt: statt des 3-Liter-PKW wurde der SUV zum Verkaufsschlager; statt den Gütertransport auf die Schiene zu verlagern, vervielfachte sich der LKW-Verkehr auf den Straßen; diese wurden zu mobilen Lagerhallen, um „just in time“ liefern zu können; statt ein Tempolimit einzuführen, wird weiter der Ideologie gefrönt „Freie Fahrt für freie Bürger“. Versagt hat nicht nur die Politik, versagt haben nicht nur die Autokonzerne und Energieunternehmen – versagt hat die ganze Bevölkerung. Jeder von uns trägt ein gerüttelt Maß an Verantwortung für die bedrohliche Erderwärmung. Doch jetzt werden wir wachgerüttelt von der Generation, die das kollektive Versagen in den nächsten Jahrzehnten ausbaden muss. Die drängende Ungeduld ist nur zu verständlich, denn die Dramatik rechtfertigt sie: Alle Szenarien, die schon vor Jahrzehnten von Wissenschaftlern entwickelt wurden, treten mit zunehmender Zerstörungsdynamik ein – weniger in Mitteleuropa, dafür in vielen Regionen dieser Erde, die schon jetzt unter den Folgen leiden, deren Ursachen in unserer überbordenden Lebensweise liegen. Nun rollt die Welle von Bränden, Stürmen, Hitze, Dürren auf uns zu. Die jungen Menschen spüren dies und klagen darum zu Recht entschlossenes Handeln ein. Sie sind auch zurecht frustriert über die Maßnahmen, die die Bundesregierung jetzt in Gang setzen will. Es dauert alles viel zu langsam.

Kürzlich antwortete eine junge Schülerin auf die Frage, warum sie bei FridaysForFuture mitmache, sinngemäß: Wieso soll ich in die Schule gehen, wenn mein Leben keine Zukunft hat, ich also das, was ich lerne, gar nicht anwenden kann? Junge Menschen spüren: Ihre Zukunft steht auf dem Spiel, und die älteren Generationen leben so, als gelte jetzt noch rauszuholen, was rauszuholen geht. Ja, wir Erwachsene leisten uns den Luxus, monatelang über „mangelnde Anerkennung der Lebensleistung“ zu debattieren – und merken dabei gar nicht, dass junge Menschen für sich die Chance schwinden sehen, eine solche Lebensleistung überhaupt erbringen zu können. Obwohl ich den Jugendlichen wie den sie unterstützenden Wissenschaftlern ihre Radikalität, ihre Zuspitzung, ihre Panik absolut zugestehe – etwas irritiert mich an ihren Äußerungen: der Rigorismus, mit dem sie sich selbst, ihr Leben, ihre Zukunft abhängig machen von den Maßnahmen der Regierungen. Zukunft des Lebens wird aber nicht allein eröffnet oder verbaut von Politiker/innen, von richtigen oder unzureichenden Entscheidungen. Zukunftshoffnung ist zunächst und vor allem eine Kategorie, ein Geschenk des Glaubens. Sie behält auch mitten in Leid und Zerstörung ihre Kraft und Wirklichkeit: „Ich will euch Zukunft und Hoffnung geben“, sagt Gott zu Menschen, die ihre Zukunftsperspektive zu verlieren drohten (Die Bibel: Jeremia 29,11). In diesem Sinn ist Zukunftshoffnung eine Frucht des Scheiterns. Dahinter steht eine dreifache Einsicht:

  • Alles Leben ist von Gott geschaffen und birgt darum in sich einen Sinn. Diesen muss ich mir nicht selbst erkämpfen. Er kann mir auch nicht genommen werden. Meine Aufgabe ist: ihn anzuwenden, die Berufung anzunehmen. Mein Leben wird also nicht sinnlos, wenn der Natur Gewalt angetan oder Leben durch Krankheit und Tod zerstört wird. Dies ist allerhöchstens Ausdruck davon, dass Menschen gegen den ihnen verliehenen Sinn des Lebens handeln.
  • Gott hat uns Menschen die Erde anvertraut, damit wir diese bewahren und bebauen (Die Bibel: 1. Mose 2). Die Erde ist nicht unser Eigentum, sondern wie das eigene Leben ein uns anvertrautes Gut. Für dieses können wir nur dankbar sein, was nichts anderes bedeutet: mit den uns gegebenen Möglichkeiten die Schöpfung zu bewahren. Darin liegt unsere Verantwortung.
  • Alles Mühen ändert nichts daran, dass unser Leben begrenzt und die Schöpfung endlich ist. Auch wenn der Klimaschutz gelingt, werden wir eines Tages sterben. Die Schöpfung bleibt vergänglich. Wer daraus aber den Schluss zieht „nach uns die Sintflut“, der vergeht sich an dem Sinn seines Lebens. Denn dieser wird durch den Tod nicht zerstört.

Nun kann ich von niemandem verlangen, dass er sich dieser Sichtweise des Glaubens anschließt. Aber wir sollten diese niemandem vorenthalten und darum in die Debatte um den Klimaschutz einbringen. Denn schließlich soll die prophetische Radikalität, die der Kampf um die Bewahrung der Schöpfung benötigt, Kraft behalten. Das wird aber nur gelingen, wenn wir mit der Zukunftshoffnung des Glaubens Niederlagen ertragen und der Kurzatmigkeit wehren, ohne das Ziel aus den Augen zu verlieren. Niemand sollte unterschätzen, welchen dynamischen Wert Gottvertrauen und ein daraus erwachsendes inneres Krisenmanagement haben.

8 Antworten

  1. Lieber Herr Käfer –
    Wir kennen uns nicht, lesen aber längst voneinander im Wolff`schen Blog, und ich gebe gern zu, auch dieses Mal auf Ihre Reaktion, die nun kam und für die ich Ihnen ausdrücklich danke, fast gewartet zu haben.
    Und Sie verstanden genau, was mich trieb, auf diesen erneuten, diskursklimatisch bewertet ziemlich unverschämten „Anschiss“ eines sich dauerhaft selbst disqualifizierenden AS eben dieses Zitat von Boethius, dem spätantiken Altrömer, hervorzuholen.
    Und ich blätterte gerade heute im Hiob und las in 13, 5 wunderbar sinnverwandt: „Wollte Gott, dass ihr geschwiegen hättet, so wäret ihr weise geblieben.“
    Dahin wollte ich.
    Ich kapriziere das auch von mir als höchst fragwürdig zu interpretierende sprachliche Niveau auf eben die von AS selbst formulierte Schlusssequenz: „…das Klima verbessert man anders.“
    So ist es, und im Diskurs, so different die Ansichten sein mögen, sollte narzisstisches Eitelkeitsgebaren zugunsten des verständnisvollen Austausches in der Sache (!) beiseite gelassen bleiben. Ist dies subjektiv begründet unmöglich, ja dann: schweigen!
    Ich danke Chr. Wolff, dass er diese wiederholt unsägliche Verbalentgleisung öffentlich machte; mehr ist dazu nicht mehr zu sagen.
    Herzliche Grüße Ihnen, Herr Käfer und eine gute, atmosphärisch wohltuende Woche auch Ihnen! Ihr Jo.Flade (wir bleiben sicher, wie auch mit anderen, im Blog-Kontakt)

  2. Widerspruch, lieber Jochen Flade. Die von Ihnen angeführte Lebensweisheit trifft hier nicht zu:

    Dem Wunsch im ersten Teil
    Ihres lateinischen Zitats können zwar vermutlich einige Leser dieses Blogs zustimmen (ich auch), die Aussage im zweiten Teil trifft dagegen auf die zur Debatte stehenden Diskussionsbeiträge überhaupt nicht zu!

    Man kann nur bleiben, was man war/ist….

  3. Es ist sehr lustig, wie Herr Flade jetzt immer andere anredet, um mir zu antworten. Auffällig ist dabei sein kaum verständliches Deutsch, das Aufregung und Hitze zeigt, und – wie ja schon ständig festgestellt – seine Vermeidung jeglicher Argumente zum Thema und deren Ersatz durch Hinweise auf seine Meinung zur Person seiner Gegner.
    Frau Merkel „fabuliert“ also, sie ist „verstörend und simpel“, sie demonstriert „grundsätzliche Unbedarftheit und offensichtliches Nichtverstehen“ – alles beeindruckende Argumente eines offensichtlichen Fachmannes in einer wichtigen und sachlich zu führenden Diskussion zu einem wichtigen Thema, insbesondere dadurch, daß nichts davon begründet wird – und man wohl fest davon ausgehen kann, daß Merkel – obwohl sicherlich nicht perfekt – mehr von der Sache versteht als ihr so primitiver Kritiker.
    Und dann kommt das Loblied auf Greta, deren Recht auf freie Meinungsäußerung niemand angreift, wenn er sie kritisiert, dessen eigenes Recht auf freie Meinungsäußerung Flade dann aber einzuschränken sucht, indem er fabuliert: „Greta zu desavouieren, ihre aufbrechende Generation (und nicht nur die) öffentlich oder wie und wo auch immer verächtlich zu machen, ist respektlos, unwürdig und ehrverletzend, abgesehen vom politischen, generationsbezogenen Schaden, der dadurch entsteht!“ Eine freie Meinungsäußerung wird hier also nicht inhaltlich widerlegt sondern begründungslos als „respektlos“ usw bezeichnet. Erneut Vermeidung von inhaltlichen Argumenten und deren Ersatz durch unqualifizierte Hinweise auf seine Meinung zur Person des Gegners.
    Wen wunderts, daß keiner, der hier seriös mitdiskutiert, Flade für nicht ebenbürtig hält, für ein schwaches Echo seines Idols (dem er das Wasser nicht reichen kann und deshalb immer nur liebe Grüße sendet). Mein Beitrag unten, dem niemand inhaltlich zustimmen muß, hat einige Argumente gebracht. Flade versteht diese nicht und antwortet also nicht darauf sondern begnügt sich mit tumber Verunglimpfung („respektlos, unwürdig, ehrverletzend“ – welch ein Unsinn!). Aber es ändert sich nichts daran, daß einige der angebotenen Lösungen auf dem Weg zum besserern Klima – Kernfusion, Stromspeicherung im Wasser, Nutzung alternativer Energien, verbesserte Logistik und Infrastruktur usw usw – nicht von solchen Leuten, auch nicht von Schülern auf der Strasse sondern von gut ausgebildeten, neugierigen, leistunsgwilligen und -bereiten Menschen aller Generationen im Verbund und nicht im Gegeneinander erfunden und erreicht werden. „How dare you“ ist Flade-Niveau – das Klima verbessert man anders.
    Auch ich grüße Sie, Herr Wolff,
    Andreas Schwerdtfeger

  4. Sehr geehrter Dr. Denecke:
    Sie beschreiben u.a. freundlich: „Sittsame Ausgewogenheit reicht heute nicht mehr aus.“
    Was Frau Dr. Merkel jüngst vor der UN-Generalsversammlung zum Klimaproblem in die Welt hinaus fabulierte, war nicht sittsam, nicht ausgewogen – es war verstörend simpel.
    Die UN-Vollversammlung zu „Climate Action“ nahm ihren Beitrag wohlwollend entgegen, und es gab eine entlarvende Haltung der deutschen Kanzlerin, als sie resümierte, sie werde (u.a.) sich für eine nachhaltige Wirtschaftspolitik einsetzen…
    Und es konnte auch gar nicht anders sein, als eben das Ergebnis des sog. Berliner Klimagipfels eigentlich und auch uneigentlich nur noch Kopfschütteln erzeugt, vor allem im eigenen Land.
    Vor allem demonstrierte die Kanzlerin eine grundsätzliche Unbedarftheit und ein offensichtliches Nichtverstehen der hochkomplexen Weltklima-Problemsituation allein schon dadurch, dass sie mit einer riesigen Lufthansa-Maschine via New York reist, nur wenig später ihr die CDU-Chefin AKK folgt – aus organisatorischen Gründen sei es anders nicht zu machen gewesen…so die lapidare Erklärung.
    Theoria cum praxis – selbst nach 300 Jahren ist beides weit, weit voneinander entfernt.
    Es ist ein banales Bild mit der auch politisch mehr als unklugen Flugreise nach Nwe York – wohlgemerkt zum Klimagipfel! Aber es zeigt eben auch auf, wie es im tiefsten Innern aussieht bei denen, die endlich, endlich aufwachen müssten.
    Das junge Mädchen Greta hat etwas bewirkt, und nicht nur etwas, sondern viel Wahres aufgezeigt, wozu Jahrzehnte lang Politik, Wirtschaft, die Eliten bisher allerorten unfähig waren. Die einen – ewig die Jugend zu diffamieren in ihrem sicherlich nicht bis ins Letzte durchdachten, jedoch zunehmend wirkungsvollen Aktionen, und wie wir allesamt erkennen müssen, es damit den Entscheidungsträgern ohne langes Palavern entgegenwerfend, was jetzt nottut in der Sache, nun mal anzupacken – diese Kritiker sollten sich sehr ernsthaft fragen, was sie real im individuellen und allgemeinen praktisch getan haben bisher und wie sie sich engagierten – oder eben nicht.
    Die anderen – Klimaforscher, Umweltinstitute, Naturwissenschaftler, Weltraumexperten, Gesellschaftswissenschaftler und Aufgeklärte – mahnen seit Jahrzehnten und sagten all das partiell aufgrund gewissenhaft-fundierter Analysen voraus, was aktuell epcc geradezu drastisch offenlegte und was stellvertretend steht für ganz andere Umweltsünden, an denen wir allesamt mit Verantwortung tragen!
    Dass ein 16-jähriges Mädchen eben mal nicht in der Schule da drüben über dem Ozean herumsitzt, sondern namens aufgerufener Geister vor der UN die Weltregierenden anklagt und verzweifelt ruft, nicht länger zu schwatzen, sondern endlich, endlich zu handeln – ja wer das als pubertäre Individual-Show deklassifiziert, muss in seiner selbstproduzierten, ziemlich kleinen, heilen Welt hocken und noch immer nicht verstanden haben, dass es längst nach 12 ist.
    Gott sei Dank garantiert das Grundgesetz der Bundesrepublik und die UN-Menschenrechts-Charta die freie Meinungsäußerung auch in der Öffentlichkeit, ein sehr entscheidendes Moment, was eine Demokratie ausmacht und wachhält. Und es ist ein hohes Gut: die Menschenwürde, die es jederzeit zu respektieren gilt – von jedem, auch dann, wenn dieser andere, konträre Erkenntnisse und Wahrnehmungen pflegt.
    Greta zu desavouieren, ihre aufbrechende Generation (und nicht nur die) öffentlich oder wie und wo auch immer verächtlich zu machen, ist respektlos, unwürdig und ehrverletzend, abgesehen vom politischen, generationsbezogenen Schaden, der dadurch entsteht!
    RIGHT LIVELIHOOD AWARD 2019, die Nominierung Greta Thunbergs zum diesjährigen alternativen Nobelpreis, dürfte ein deutliches Zeichen und weiterer, sich aufdrängender Weckruf sein, dass jede aufrichtige und ernst zu nehmende Stimme zum Erhalt dieser unserer Welt höchsten Respekt verdient.
    Jo.Flade mit Grüßen an Chr. Wolff via Leipzig

  5. Ein interessanter Beitrag, lieber Herr Wolff, „der erfreulicherweise frei ist von allen Befindlichkeiten“ (wie Sie es neulich formulierten und was wohl heissen soll, daß er ausgewogen ist)!
    „Von heute her gesehen …“, so meinen Sie, hätte man vieles anders machen müssen und das ist wohl eine Erkenntnis, die auf fast jede Entscheidung zutrifft. Aber dieser Satz überdeckt, daß ja in Wirklichkeit bei uns viel gemacht wurde über die Zeit: Deutschland hat in allen Klimakonferenzen eine führende und positive Rolle gespielt; das Problembewußtsein „Kohle“ ist auch nicht erst in den letzten Monaten entstanden; ganz zu schweigen von den Fortschritten im Verkehr, wo eine erhebliche Zunahme zu nicht mehr Umweltschädigung geführt hat (ein kleiner aber signifikanter Erfolg); und vieles mehr. Das alles wird überdeckt von den Fehlern, die Sie ansprechen, die wir aber eben mit dem typisch deutschen Hang zum pessimistischen Schlechtmachen in Verbindung mit dem besserwisserischen Schuld-auf-andere-abwälzen verbinden.
    Und völlig scheinen Sie mir zu übersehen, daß die von Ihnen als notwendig bezeichneten Wege – Reduzierung der Pkw-Abgase, Schiene statt Strasse, zu viele Lkw auf den Strassen, Tempolimit – , zT wohlgemerkt richtig, ja entweder Zeit und Mittel benötigen oder relativ unwirksam sind (wie das Tempolimit, denn: zwei Drittel der deutschen Autobahnen sind limitiert, auf dem anderen Drittel fährt nur eine Minderheit schneller als zB 130 km/h; alle Lkws unterliegen einem Tempolimit und es sind übrigens diese und nicht die Pkw, die die Masse der schädigenden Gase ausstoßen). Was wir stattdessen gemacht haben, war der ideologische Unsinn, Energie in jeder Form so zu verteuern, daß Industrie und Bürger stöhnen (ohne ihr Verhalten wesentlich ändern zu können) und daß wir sogenannte „Energieaufschläge“ dann auch noch zweckentfremdend (Reintenversicherung) eingesetzt haben (ein Projekt der Grünen).
    Richtig ist Ihre Feststellung, „die älteren Generationen leben so, als gelte jetzt noch rauszuholen, was rauszuholen geht“. Nur das gilt leider nicht nur für das Klima / die Umwelt; es gilt auch für Renten, Staatsverschuldung, Kranken- und Pflegebetreuung (hier noch am ehesten verständlich durch die Demographie), überflüssige soziale Geschenke aller Art, usw. Ihre junge Schülerin, die nun etwas dramatisch keine Zukunft für sich sieht und deshalb die Schule schwänzt, wird also noch lernen müssen, daß sie von weit mehr Seiten bedroht ist, als sie denkt. Und wenn sie „grün“ wählt, wird’s schlimmer, denn dann wird sie schnell verarmen, wenn sie keine gute Schul-/Hochschul- oder Berufsausbildung hat.
    Richtig ist auch Ihre Feststellung, daß „etwas (Sie) irritiert … an … (den Schüler-) Äußerungen: der Rigorismus, mit dem sie sich selbst, ihr Leben, ihre Zukunft abhängig machen von den Maßnahmen der Regierungen“. Es bleibt eben notwendig, bei aller Anerkennung der Probleme und bei aller Notwendigkeit zu deren Lösung, die Probleme vernetzt zu sehen sowohl über die Zeitachse als auch über die Breite der verschiedenen Disziplinen – eine Sichtweise, die Rigorismus nicht zuläßt und zugleich als fundamentalistisch entlarvt. Alle reden von den Kosten der notwendigen Klimawende – niemand redet von denen, die diese Kosten erwirtschaften müssen, und niemand versteht darunter eine signifikante Absenkung seines individuellen Lebensstandards. Und alle reden davon, was IN Deutschland jetzt getan werden muß (sozusagen als gutes Beispiel, aber Beispiele sind politisch weitgehend nutzlos), und zu wenige reden davon, daß der größte Beitrag, den wir leisten können, nicht in eigenen Einsparungen sondern in technischen Entwicklungen UND deren kostengünstiger Weitergabe bestehen muß (dazu braucht es gut ausgebildete Schüler und nicht Schülerdemonstrationen).
    Und dann sollte man nicht vergessen: Es gibt ja schließlich auch viel Positives für die junge Generation, das alles die „ältere Generation“ bereitgestellt hat: Die medizinische Entwicklung fördert dann ihre Gesund- und Langlebigkeit, wenn sie sich nicht bei McDonalds ernähren und nicht den ganzen Tag am PC sitzen; internationale Bildungs- und Austauschprogramme fördern ihr Weltverständnis und ihre Bildungschancen; das internet – neben seinen offensichtlichen Gefahren – verbindet sie erst zu Aktivitäten à la Thunberg; der allgemeine Wohlstand, die allgemeine Gesundheitsvorsorge, das allgemeine Verständnis der rechtlichen Lebensgrundlagen, die – wenn auch viel zu langsam – selbst die abgehängten Gebiete des Planeten erreichen, ermöglichen genau das Leben, das die Schüler hierzulande als selbstverständlich voraussetzen, wenn sie ihre weitergehenden Forderungen stellen.
    EIN Satz war also richtig in dem emotionalen und kindlichen Auftritt von Thunberg in NY: „I should not be here. I should be in school across the ocean.“
    Mit herzlichem Gruß,
    Andreas Schwerdtfeger

  6. Laut genug waren wir schon. Doch es war eine Illusion, die unteren Klassen gewinnen zu wollen. Unsere Sorgen waren nicht deren Sorgen. Wir und unsere Probleme waren zu abgehoben, waren elitär.
    Und nun erleben wir, dass eine 16jährige den Großen der Welt ins Gewissen redet, und hinter ihr 100tausende, nicht nur Jugendliche. Da war auch der 12jährige Jesus im Tempel ein Waisenknabe dagegen.
    Greta hatte eine Vorläuferin an altersuntypischer Breitenwirkung: „Mit 13 Jahren hatte Jeanne d’Arc laut Gerichtsprotokoll ihre ersten Visionen. In diesen hörte sie die Stimme der hl. Katharina, später kamen die des Erzengels Michael und der hl. Margareta hinzu. Von ihnen erhielt sie den Befehl, Frankreich von den Engländern zu befreien und den Dauphin zum Thron zu führen. Die Erscheinungen wiederholten sich. Gegen Ende Dezember 1428 verließ Jeanne ihr Elternhaus.“ Wikipedia Jeanne d’Arc. Manche würden sie gern auf dem Scheiterhaufen sehen.
    Übrigens: Der Anfang des Beitrags ist gut, mit den theologischen Erweiterungen kann ich inzwischen nichts mehr anfangen.

  7. Ein wirklich ausgezeichneter und treffender Kommentar diesmal. Doch: Wird er auch von denen, die Sie ansprechen, gehört? Vielleicht endlich. Meine Erfahrung aus den 7oer Jahren, als das Thema mit dem Club of Rome aufkam: In den Kirchen (vor allem bei Kirchenleitenden) wurde ganz und gar nicht gehört, wurden wir (ich war damals ein „führender“ Vertreter des Ganzen) eher mit Spott udn Kopfrunzeln bedacht („neunmalkluge Gutmenschen“, die gg. die Wortschaft sind und die Kirche ins Abseits führen, so Bischof Hirschler). Das die Generation Greta und Co mit ihrem Rigorismus (Sie zitierten eine Schülerin dazu) rhetorisch vielleicht übers Ziel hinaus schießen, sei Ihnen zugestanden. Ohne diese rhetorische Einseitigkeit wird überhaupt nicht gehört und es ist das gute Recht junger Menschen, entschieden zu reden. Also wir Alten müssen uns denen entschlossen anschließen und von ihrer kompromisslosen Sprache lernen. Sittsame Ausgewogenheit reicht heute nicht mehr aus. Wir waren damls einfach nicht laut genug oder auch die Zeit war noch nicht „reif“, sprich: es war für viele noch nicht so drängend.
    Axel Denecke

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