Das Titelblatt der neuesten Ausgabe des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL spricht Bände: Da sind Martin Schulz und Angela Merkel nach einem zermürbenden Boxkampf angeschlagen zu sehen „Verlierer an die Macht! Die Kleine Koalition ….“. Treffender kann man das Ergebnis der Bundestagswahl nicht visualisieren: CDU, SPD und CSU haben zusammen fast 14 Prozent verloren, der Löwenanteil davon geht auf das Konto der CDU/CSU. Wer will aus diesem Ergebnis einen Regierungsauftrag für die drei Parteien ablesen? Wer will behaupten, es handele sich, falls es zu einer Übereinkunft zwischen CDU, SPD und CSU kommen sollte, um eine „Große“ Koalition? Nein – es wäre, wenn sie zustande kommt – eine „Kleine“ oder – in Farben ausgedrückt – eine „schwarz-rote“ Koalition. Aber spricht irgendetwas politisch für eine Koalition zwischen drei Parteien, die sich im Umbruch befinden? Die CSU sucht eine neue Identität, die CDU sieht sich dem Ende der Kanzlerinnenschaft Merkels ausgesetzt und fürchtet sich vor der dann aufbrechenden Erosion, die SPD benötigt nach einem Wahlkampf voller Dilettantismus und Profillosigkeit neue Professionalität und programmatische Gewissheit. Diese drei sollen sich verständigen können auf ein Zukunftsprogramm für eine gemeinsame Regierungsarbeit? Wie soll das gehen mit Parteien, die bis jetzt kaum haben erkennen lassen, zukunftweisende Aussagen zu treffen:
- Wie weiter mit einem entschlossenen Kurs in Sachen Klimaschutz?
- Wie weiter mit der Mobilität?
- Wie weiter mit der Energiewende und dem Ausstieg aus der (Braun-)Kohleindustrie?
- Wie weiter mit der Rente?
- Wie weiter mit der europäischen Einigung? Hier vor allem: Wie weiter mit den osteuropäischen Mitgliedern der EU, die sich von demokratischen Grundwerten verabschieden?
- Wie weiter mit der Integrationspolitik?
- Was verstehen wir unter Digitalisierung und wie gehen wir mit dieser um? Die Digitalisierung ist ja kein in sich abgeschlossenes Politikfeld. Sie bestimmt alle Lebensbereiche. Also wird es darauf ankommen, diese zu bändigen.
Es mangelt an Zukunftszielen, an denen Bürgerinnen und Bürger erkennen können: Meine Probleme, meine Anliegen, meine Sorgen, meine Hoffnungen werden aufgegriffen und in Politik umgesetzt. Warum hat die SPD bis heute nicht kurz und knapp aussprechen können: Wir wollen in den nächsten Jahren folgende Ziele erreichen … und dann müssten die Schwerpunkte wie Mobilität ohne Verbrennungsmotoren, Bürgerversicherung, gerechtes Rentenniveau, Ausstieg aus der Kohleindustrie (insbesondere Braunkohle) genannt werden … und dafür suchen wir entweder in einer Koalition oder in Neuwahlen Partner und Mehrheiten? Stattdessen ein 22-seitiger Leitantrag, der dem Bundesparteitag vorliegt (ca. 5.500 Worte, was einer Redezeit von knapp einer Stunde entspricht). In dem Leitantrag steht nichts Falsches – aber außer den Delegierten wird diesen kaum jemand lesen. Von ihm geht nicht das aus, was der Name zu versprechen versucht: Führung und Orientierung. Denn kaum etwas wird in den Medien kommuniziert werden – es sei denn, die SPD besinnt sich darauf, wenigstens die vier Themenbereiche, die im Leitantrag entfaltet werden, in griffige Positionen umzuwandeln, sie als Handlungs- und Orientierungsmaxime in die Öffentlichkeit zu tragen und für sie zu streiten.
Wie man in aller Kürze Dinge auf den Punkt bringen kann, ist aus einem dreiseitigen Papier zu ersehen. Drei Leipziger Sozialdemokraten haben es erarbeitet. SPD-Debattenpapier Hier wird deutlich, was jetzt nottut: die Themen in den Mittelpunkt zu stellen, die die Zukunft unserer Gesellschaft bestimmen. Die Herausforderung besteht darin, dass Menschen mit diesen Themen (siehe oben) gleichermaßen Hoffnungen und Ängste verbinden. Darum ist es Aufgabe der Sozialdemokratie, für alle Themenbereiche die Hoffnungsperspektive aufzuzeigen: Gesellschaft gestalten, statt Ängste verbreiten. Das wird aber nur gelingen, wenn wir den Menschen ihren Vorteil verdeutlichen, sie diesen spüren lassen und dadurch den Spaltungs- und Zentrifugalkräften in unserer Gesellschaft widerstehen. Jamaika ist gescheitert, weil keine Idee vorhanden war. Die AfD watet im rechtsnationalistischen Sumpf. Es ist jetzt an der SPD, dem Land das zu geben, was immer Stärke der Sozialdemokratie war: eine Vision gerechten und friedlichen Zusammenlebens nach innen und nach außen. Dass die SPD damit nicht (mehr) auf Anhieb die große Mehrheit der Bevölkerung erreichen wird, zeigt, vor welchen Herausforderungen wir inzwischen in der Bildungspolitik, vor allem aber in der demokratischen und politischen Bildungsarbeit stehen. Diese Herausforderungen sind mindestens so umfassend wie die Digitalisierung des alltäglichen Lebens.
Nachtrag: Soeben erreicht mich der Antrag des SPD-Bundesvorstandes für den Bundesparteitag am Ende dieser Woche, mit dem grünes Licht für Gespräche mit der CDU und CSU gegeben werden soll – erfreulich knapp und klar: Antrag Bundesparteitag SPD 2017
20 Antworten
Lieber Christian Wolf, ich lebe seit Jahren nach dem Grundsatz, dass man sinnlose Debatten nur bedingt führt, warum mit der Antifa über Ausländerfragen streiten oder mit dem Beamtenbund über weltweit einmalige Privilegien ihrer Klienten , warum dann mit einem Offizier über Politik reden, klare Ansage und lachen?!
Es muss nicht jedem gefallen, Polizisten und Feuerwehrleute haben über Jahtzehnte mehr geleistet als 80-er Jahre Offiziere!Militärbuben haben das Land/Europa zu verteidigen, mehr nicht, polit. Debatte ist nicht deren Hauptaufgabe!
Ich bin auch kein „Militarist“, aber in der Gegend wo ich die längste Zeit meines Lebens verbracht habe und auch Grundwehrdienst geleistet habe, war die Rede vom Bürger in Uniform. Und die Mehrzahl der Offiziere haben sich danach verhalten. Hier war wohl mehr von „Schild und Schwert der Partei“ die Rede. Das hat sicher seine „Spuren“ hinterlassen.
Lieber Rolf, mir geht es um einen Offizier, der hier nur Streit sucht. Ich bin in der Ausländerfarge gar nicht weit von ihm entfernt, aber die peinliche Lobgesänge auf ein Kanzlerinnnenauslaufmodell, welches anders als Kohl- nur für den Machterhalt brennt, peinlich!Man kann Unions- und SPD-Vorstellungen verbinden, dies geht auch ohen Hetze!!
Lieber Christian, bist Du mit diesem Herrn nicht etwas „zu streng“? Er hat sicher eine „schwere Kindheit“ gehabt und ein Syndrom entwickelt. Die Kategorien Kapitalismus versus Sozialismus deuten für mich darauf hin. Die bestehen in der „gewohnten“ Form seit der Wende nicht mehr. Es ist sicher so, daß durch den „Systemwechsel“ sich Kräfte „bahngebrochen“ haben, die zuvor „angstschlotternd“ in den Hinterzimmern gesessen haben. Oder um es präziser zu benennen, das Geld was zu Zeiten des Ost-West Konfliktes in die Rüstung gesteckt wurde, sich einen neuen „Spielplatz“ gesucht und auch gefunden hat. Selbiges gilt auch für soziale „Wohltaten“, mit denen die westdeutschen Arbeitnehmer gegen die „Verlockungen“ des Sozialismus „immunisiert“ wurden, wieder „eingepreist“ wurden.
Lieber Rolf: Ich lasse mir von den Privilegierten der Nation nicht die Menschen schlecht reden, die jeden Tag ihren Kopf in der freien Wirtschaft hinahlten müssen!Wie gesagt, Sozialwissensschaftler sollen keine Wunden heilen, solche Personen aber auch besser kene polit. Debatten führen! Ich stehe keiner Partei nahe, glaube aber, dass Konservative mehr als jede andere Richtung nichts Wesentliches zur Poliitk, Gehorsam zählt nicht-beitragenn können! Ich bin , weil hier angesprochen eben nicht für die reine Büergerversicherung, sondern für das FDP-Modell, jeder darf in jede Krankenkasse, will darüber aber nicht ausufernd diskutieren!
Mir wäre neu, dass die 80-er Jahre Offiziere keine europweit führende Privilegien gehabt hätten, ohne den Feindkontakt heutiger Kollegen fürchten zu müssen!
Sehr geehrter Herr Lerchner,
ich danke Ihnen für die Mühe, die Sie sich gemacht haben, sachlich und informativ zu antworten – und Ihr Hinweis, daß man sich immer schlauer machen kann, als man ist, ist sicherlich auch richtig und das werde ich gerne tun. Was Ihre Ausführungen inhaltlich angeht, so wissen Sie sicherlich selbst, daß es genauso kompetente Gegenmeinungen zu der Ihrigen gibt und daß am Schluß in allen diesen Fragen Kompromisse gefunden werden müssen – zB in der Frage (in der Tat), der erheblichen Bereiche in unserer Wirtschaft, die nicht gewerkschaftlich „abgedeckt“ sind. Was die „Bürgerversicherung“ angeht, so bin ich sehr sicher, daß diese unser Gesundheitssystem den Bach runter führen wird – und unabhängig davon schreiben Sie ja selbst, daß im jetzigen System bezogen auf die medizinische Versorgung der Patienten kein Unterschied besteht.
Das Problem des Sozialismus, den ich bei den augenblicklichen Prozentzahlen der linken Parteien (Linke, teilweise SPD, teilweise Grüne) zum Glück nicht an jeder Ecke lauern sehe, bleibt eben hauptsächlich, daß er den Menschen entmündigt und alles für ihn auf logischerweise niedrigen Niveau regelt. Ich gestehe aber gerne zu, daß es ein spiegelbildliches Problem beim Kapitalismus gibt, das Sie ja auch teilweise zu recht beschreiben. Also sollten wir erkennen, daß die „soziale Marktwirtschaft“ ein guter Mittelweg ist bzw war. Aber dazu gehört auch, daß die soziale Marktwirtschaft eben Unterschiede an Talent, Leistungsbereitschaft, Ansprüchen, Zielen, daß sie Wettbewerb und Ehrgeiz, grösseren und kleineren Erfolg als selbstverständlich, ja als gewünscht akzeptieren muss und nicht Nivellierung zum staatstragenden Ziel macht. Freiheit und Gleichheit – vergessen wir es nicht – schließen sich gegenseitig aus und unser Gleichheitsgebot bezieht sich auch nur auf das Rechtssystem und auf das gesellschaftliche Ziel, gleiche „Eingangs“-Voraussetzungen zu schaffen.
Ich stelle in meinen Beiträgen hier die Welt zugegebenermaßen holzschnittartig dar, wie ja alle anderen es angesichts der gebotenen Kürze auch tun. Zuspitzung ist immer Übertreibung. Aber gerade deswegen ist ja mein Appell zur Mäßigung in der Sprache so wichtig.
Ihnen Dank für Ihre Meinung und Ihre Anregungen und herzliche Grüße,
Andreas Schwerdtfeger
Herr Schwerdtfeger, was die PKV betrifft muß ich Ihnen aus eigenem Erleben in meinem „Arbeitsumfeld“ widersprechen. Da wurden Menschen mit niedrigen Beiträgen „angelockt“ und das Ende vom Lied war, das diese Beiträge mit zunehmenden Alter dermaßen angestiegen sind, das es zum „existentiellen“ Problem wurde. Ich habe dieser „Verführung“ widerstanden und stattdessen die GKV-Mitgliedschaft als freiwilliges Mitglied fortgeführt. Und nach der „Aussonderung“ aus dem Arbeitsprozeß, bei sinkenden Einkommen, wieder „Pflichvericherter“ wurde. Gerade bei solch existenziellen Dingen wie Krankheit bzw. Gesundheit ist mir nicht daran ge-
legen Aktionäre zu „mästen“. Da nehme ich ggf. auch „vorgebliche Ineffizienz“ in Kauf.
Das Problem der SPD ist nicht, daß sie nicht in einigen Punkten recht hätte, zB daß eine Schere zwischen Arm und Reich eine Gefahr darstellt; ihr Problem ist, daß sie von falschen Voraussetzungen ausgeht, die falschen Themen in den Mittelpunkt stellt und dann auch noch falsche Lösungen anbietet. Der Parteitag hat es wieder deutlich gezeigt.
– Niemand nimmt der SPD die These ab, sie müsse „den Scherbenhaufen“ anderer jetzt aufräumen und sei also mit ihrer Kehrtwende staatstragend. Richtig ist doch, daß die SPD in einem Umfeld, in dem bisher die These „Jeder redet mit Jedem nach einer Wahl innerhalb des demokratischen Spektrums“ galt, sich dem Gespräch verweigert hat und somit rund zehn Wochen lang verzögert hat, wozu sie jetzt gezwungen wurde.
– Auch ist ja die Rechnung der SPD falsch, die „GroKo“ sei wegen 14%iger Veruste „abgewählt“. Richtig ist, daß sie sich deutlich verschlissen hat; richtig ist aber auch, daß vor der Wahl eine Zweidrittelmehrheit demoskopisch als pro-GroKo ermittelt wurde und danach immer noch in unserem Parlament die größte (realistisch erreichbare) Mehrheit eben diese GroKo ist.
– Niemand nimmt der SPD die These ab, es herrsche hierzulande (flächendeckend) soziale Ungerechtigleit, wenn mehr als 50% des Bundesbudgets – in den Kommunen sind es bis zu 90% – für soziale Unterstützungsleistungen ausgegeben werden.
Und dann kommen wir zu den Themen und Lösungen:
– Es ist das Problem des Sozialismus und eben auch der sozialdemokratischen Parteien, daß sie Lösungen für soziale Fragen immer nur in mehr Regelungen und immer einengenderen Bestimmungen sehen – während sie doch im Bereich der Inneren Sicherheit genau solche Regelungen ablehnen. Überall, wo es Wettbewerb, wo es Entscheidungsmöglichkeit, wo es also die Freiheit des Bürgers gibt, will die Sozialdemoratie den Staat in die Verantwortung nehmen, also Regeln schaffen, Monopole einrichten (Schulz forderte die zB für den öffentlichen Nahverkehr). Dies entmündigt den Bürger und nimmt ihm Handlungsspielraum und Eigenverantwortung.
In der Wirtschaft ist dies noch fataler: Warum gibt es so viele prekär Beschäftigte in diesem Lande, warum so viele Leiharbeiter? Wer das Kündigungsrecht betonfest macht und dem Arbeitgeber keine Möglichkeit gibt, auf Auftragslagen flexibel zu reagieren, verhindert Einstellungen und fördert andere und schlechtere flexible Lösungen. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer hatte neulich schon recht, als er beim Arbeitgebertag in einer engagierten Rede verlangte, die Politik möge den Tarifpartnern mehr Vertrauen und Verantwortung entgegenbringen – „wir können das besser“!
– Ein weiteres Problem der Sozialdemokratie ist, daß solche staatlich verordneten Regelungen und Eingriffe in der Regel die Standards nach unten korrigieren. Im Bildungswesen ist dies am deutlichsten zu sehen, wo in allen sozialdemokratisch regierten Länder die Verunsicherung ständiger ideologischer Experimente mit der Eingrenzung der Schüler auf die Langsamsten die Regel ist – und entsprechend die Abschlußleistungen produziert.
Und noch deutlicher wird dies werden, wenn die SPD zB die Bürgerversicherung durchsetzen sollte: Krankenhäuser werden schließen müssen, Arztpraxen werden geschlossen werden, die Versorgung wird räumlich und inhaltlich absinken, die Kosten werden dramatisch steigen. Ein Facharbeiter hierzulande erhält für einen „Hausbesuch“ zum Reparieren“ eine Summe von deutlich oberhalb 50 €; ein Arzt im staatlich geregelten Krankenwesen dieses Landes kriegt dafür unter 20 €!
– Und das dritte Problem der Sozialdemokratie ist, daß sie zwar durchaus erstrebenswerte Ziele formuliert (das tun allerdings andere Parteen auch), dann aber keine realistischen Lösungen anbietet. Die Rede von Schulz zeigt dies vielleicht am deutlichsten am Beispiel Europa, von dem er ja so viel zu verstehen glaubt: Er will also bis 2015 die Vereinigten Staaten von Europa „und wer das nicht will, der muß eben raus“ (sinngemäß). Das ist doch (bei aller Zustimmung zum Ziel) seine typische Polterei: Ohne Realitätsbezug, ohne Diplomatie, mit seiner bekannten dogmatischen Oberlehrerhaftigkeit und ach so sympathieweckend für Deutschland. Und „sein Europa“, wie er es formulierte, wird wohl auch nichts werden und bei den Deutschen nicht ankommen, wenn er – er sagt es nicht, aber so ist es – die Deutschen zum Zahlmeister für alle anderen machen will.
Die sozialistische / sozialdemokratische „Vision“ ist sympathisch, das wird niemand bestreiten. Aber der Mensch für diese Vision ist noch nicht erfunden, wie uns die bisher real existiert habenden und noch existierenden Beispiele (augenblicks besonders Venezuela) deutlich zeigen und wie es eben auch die Eurokrise zeigt. Die SPD wird also erst dann wieder regierungsfähig werden, wenn sie die Realitäten mit Realitätssinn zu ändern sucht.
Und ein letztes: Die These, die SPD könne sich am besten „in der Opposition regenerieren“, ist mindestens durch ihre Geschichte in den letzten 70 Jahren eher widerlegt. Sie hat die Macht 1969 aus der Regierung heraus bekommen und dann bis 1982 halten können; sie hat die Macht 1998 aus der Opposition heraus erhalten, aber eben erst, als sich die CDU unter Kohl nach 16 Jahren komplett verschlissen hatte; und sie wird sicherlich jetzt oder in ein paar Jahren die Macht zum dritten Mal erobern, aber eben dann auch nur, weil sich die CDU erneut nach (mehr als) 12 Jahren der Kanzlerschaft Merkels verschlissen hat. Bis dahin allerdings wird sie sicherlich und hoffentlich einen anderen Vorsitzenden / eine andere Vorsitzende haben.
Andreas Schwerdtfeger
Hallo Herr Schwerdtfeger,
der Zusammenhang zwischen Regulierung bzw. Deregulierung des Arbeitsmarktes und den aktuell zu beklagenden sozialen Zuständen im Lande wird von Ihnen völlig falsch dargestellt. Die Deregulierung und nicht zu viele Beschränkungen auf dem Arbeitsmarkt sind das Problem. Wer sucht, der findet genügend seriöse, auch für Laien verständliche Abhandlungen, in denen die Ursachen für die Ausdifferenzierung der Einkommen sowie die Entstehung des großen Niedriglohnsektors in Deutschland (mittlerweile eines der größten in Europa) dargestellt werden (z. B. IAQ-Forschungsstudie der Uni Duisburg-Essen 3/2017, publiziert auf http://www.nachdenkseiten.de). Demnach haben sich die Einkommen bereits ab Mitte der 90ger Jahr vor allem wegen der abnehmenden Tarifbindung auseinanderentwickelt, nicht zuletzt als Folge des Zusammenbruchs der ostdeutschen Wirtschaft und der damit verbundenen abnehmenden Verhandlungsmacht der Gewerkschaften. Zahlreiche Tätigkeiten wurden in nicht tarifgebundene Unternehmen ausgelagert (z. B. nahm der Anteil der Zulieferer an der Wertschöpfung der Automobilindustrie von 56 % (1985) auf 82 % (2015) zu). Hinzu kamen die von der EU initiierte Öffnung öffentlicher Dienstleistungen für privat Anbieter und die Beschäftigung ausländischer Werkvertragsnehmer zu den Tarifbedingungen ihres Heimatlandes (EU-Dienstleistungsfreiheit). Und es war eine SPD-Regierung, die unter Androhung der Abschaffung des Günstigkeitsprinzips 2003 Druck auf die Gewerkschaften ausgeübt hat, Öffnungsklauseln für Abweichungen von tariflichen Standards zuzustimmen! Die Lockerung des Kündigungsschutzes und die Begünstigung von Leih-und Zeitarbeit kamen dann später noch hinzu. Diese für deutsche Verhältnisse beispiellose Deregulierungsorgie führte bis in die Mitte der 2000er Jahre hinein (also bereits vor dem Wirksamwerden der Hartz-Gesetze )in erheblichem Maße zu einer Stagnation der Löhne, zu massiven Einkommensverlusten und zur Verschlechterung der Arbeitsbedingungen abhängig Beschäftigter. Trotz Anziehens der Weltkonjunktur, dem schwachen Euro-Wechselkurs, dem niedrigen Zinsniveau und einer klugen, nachfrageorientierten Krisenpolitik in den Jahren 2010 bis 2011 spüren wir noch heute die negativen Auswirkungen dieser „Strukturreformen“. Und das alles geschah in der irrigen Annahme, dass Arbeit nur möglichst billig und flexibel sein muss, damit Arbeitsplätze geschaffen werden. Das bis zum Überdruss kolportierte Märchen von der segensreichen Wirkung der „Agenda 2010“ hält leider heutzutage viele Leute davon ab, die Zusammenhänge zu durchschauen. Weil Sie, Herr Schwerdtfeger, an jeder Ecke den Sozialismus lauern sehen: der Mann der sich mit am tiefgründigsten Gedanken über einen funktionierenden Kapitalismus gemacht hat, war ein bürgerlicher Ökonom, dem jegliche Sympathien für sozialistische Ideen abgingen. Leider hat die SPD in weiten Teilen die Kompetenz für keynesianisches Denken verloren. Karl Schiller war der Letzten einer. Wenn die SPD es nicht schafft, sich von ihrem simplen, an neoliberalem Denken bzw. neoklassische Theorieansätzen angelehntem ökonomischem Weltbild zu lösen, wird sie überflüssig werden, so wie viele der anderen sozialdemokratischen Parteien auch. Den erfreulicherweise auf dem zurückliegenden SPD-Parteitag laut werdenden Stimmen, die für eine Rücknahme der Deregulierungsmaßnahmen der zurückliegenden Jahrzehnte plädieren, ist deshalb voll zuzustimmen.
Noch ein Wort zum Thema Krankenversicherung. Was Sie über die angedachte Bürgerversicherung schreiben, ist ziemlich grober Unfug. Sicherlich wittern rechte Blätter wie FAZ, Welt und Handelsblatt in der Einführung einer Bürgerversicherung sozialistische Gleichmacherei, die das bewährte duale Krankenversicherungssystem durch „Staatsmedizin“ ersetzen will. In der Tat wird von den Apologeten der privaten Krankenversicherung (PKV) die Einführung einer Bürgerversicherung kritisiert, weil ein einheitliches Krankensystem den Systemwettbewerb zwischen PKV und gesetzlicher Krankenversicherung (GKV) beseitige und damit die Umsetzung des medizinischen Fortschritts auch für Kassenpatienten behindere. Weiterhin würde die Gesundheitswirtschaft wegen zu erwartender Umsatzrückgänge in Arztpraxen und der Gefährdung von zigtausend Arbeitsplätzen in der Versicherungswirtschaft geschädigt. Zudem soll angeblich die kapitalgedeckte Absicherung der Altersrisiken der PKV zu mehr Generationengerechtigkeit führen. All diese Argumente sind nicht stichhaltig und man sollte sich vom Krawallpotential der Ärzte nicht beeindrucken lassen. Es gibt keinen Systemwettbewerb zwischen GKV und PKV. Beide Systeme haben stark abgegrenzte Klientele. Das Argument, die PKV sei „innovationsfreudiger“ sticht nicht. Auch Kassenpatienten haben gesetzlichen Anspruch auf medizinische Betreuung nach dem Stand der Wissenschaft. Die PKV beschäftigt 60.000 Personen, die Techniker Krankenkasse mit der nahezu gleichen Anzahl Versicherter hat nur 15.000 Mitarbeiter. Die Verwaltungskosten bei der PKV belaufen sich auf 12 % der Beitragseinnahmen, in der GKV sind es nur 5,5 %. Sind Sie dafür, die Zahl der Arbeitsplätze bei der PKV zu schützen auf Kosten der Versicherten? Die Behauptung der Ärzteverbände, mit Einführung der Bürgerversicherung würden die meisten Arztpraxen wirtschaftlich ruiniert, ist nicht nachvollziehbar. Sie machen im Schnitt 30 % ihres Umsatzes mit Privatpatienten. Bei den Hausärztepraxen liegt der Wert zwischen 10 und 20 %, in ländlichen Gebieten und sozial schwachen Stadtvierteln tendiert der Anteil gegen Null. Der Verlust an Einkommen ist dementsprechend überschaubar. Dass das Kapitaldeckungsverfahren der PKV demographieresistenter sei, kann ebenfalls unter Nonsens verbucht werden. Beim Umlageverfahren steht das jeweils erwirtschaftete Volkseinkommen gerade, bei der Kapitaldeckung der internationale Finanzmarkt. Die derzeit mangelnden Erträge der Rückstellungsfonds haben die Versicherten jüngst in Form von Beitragserhöhungen zu spüren bekommen (ausführlicher dazu Hartmut Reiners, https://makroskop.eu, 05.12.2017).
Bevor man haltlose Parolen in die Welt posaunt, sollte man sich vor her gründlich informieren!
Beste Grüße,
Johannes Lerchner
Die in den “Leitlinien für das weiter Vorgehen” des SPD-Parteivorstandes – Herr Wolff hat dankenswerterweise auf dieses Papier hingewiesen – niedergeschriebenen Forderungen nach europäischen Mindestlöhnen, der Einschränkung befristeter Arbeitsverhältnisse, der Festigung von Tarifbindungen, der Sicherung des heutigen Rentenniveaus, der Einführung einer Solidarrente und einer Bürgerversicherung, der Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus und der Heranziehung höchster Einkommen und Vermögen zur Finanzierung entsprechender Maßnahmen weisen überraschenderweise und ziemlich deutlich darauf hin, dass die SPD wohl doch „soziale Gerechtigkeit“ bzw. die wachsende Ungleichheit als hochrangiges zu lösendes Problem ansieht. Wer hätte das gedacht!
Obwohl seit Jahr und Tag führende Ökonomen die Risiken wachsender Ungleichheit für die Weltwirtschaft beschreiben (wachsende private Vermögen destabilisieren die Finanzmärkte; auf der anderen Seite verhindert fehlende Massenkaufkraft die Geldanlage in Sachinvestitionen; Stagnation der wirtschaftlichen Entwicklung weltweit), obwohl es zunehmend klar wird, dass wachsende Ungleichheit die größte Gefährdung für die Demokratie darstellt und die eigentliche Ursache für den anschwellenden Populismus ist, soll angeblich das Thema „soziale Gerechtigkeit“ der Mehrheit der Menschen bei uns nicht auf der Seele liegen (J. Winter in diesem Blog) oder eines von nachrangiger Bedeutung sein, z. B. hinter Flüchtlings- und Klimaproblemen (Hitschfeld-Tschense-Dyck-Papier). Nebenbei gesagt, die Aufnahme von Migranten und deren Integration lässt sich nicht ohne gebührende Berücksichtigung der sozialen Verhältnisse im Lande bewerkstelligen. Da hat Oskar Lafontaine zweifellos Recht. Und warum haben 22 % aller Gewerkschaftsmitglieder (im Osten) im September die AfD gewählt?
Sollte die SPD tatsächlich wahr machen mit einem konsequenten, auf Verringerung der sozialen Ungleichheit ausgerichteten Kurs, dann wird sie es ziemlich schwer haben, zumal im Korsett einer Koalition mit der wirtschaftlich rechtsgerichteten CDU. Die jahrelange „Deutschland geht es gut“ – Gehirnwäsche hat Wirkung gezeigt bis in die eigenen Reihen (das fatale LVZ-Interview mit dem Leipziger SPD-Ortsvereinschef André Soudah wurde von Herrn Wolff auf diesem Blog vor kurzem gewürdigt). Interessierte Kreise wie der CDU-Wirtschaftsrat machen bereits Front gegen einen eventuellen Linksruck der SPD. Und neoliberale Wirtschaftsprofessoren malen das Gespenst einer keynesianischen Konterrevolution an die Wand. Sicherlich gibt es auch genug Neunmalkluge, die mittels Zahlenakrobatik das Ungleichheitsproblem wegzudiskutieren versuchen. Hauptgegner sind nicht die Rechtspopulisten, sondern die Hegemonie des Neoliberalismus muss angegriffen werden. Die SPD darf nicht mehr Ko-Manager der Arbeitgeberverbände sein, wie es unlängst ein führendes SPD-Mitglied aus Rheinland-Pfalz ausgedrückt hat (Nil Heisterhagen, FAZ 20.11.2017).
Die SPD muss mit ganzer Kraft und starken Kampagnen um Mehrheiten für einen neuen sozial-ökonomischen bzw. wirtschaftspolitischen Kurs ringen, was sicherlich nicht von heute auf morgen erfolgreich sein wird. Dazu gehört auch eine schonungslose Analyse des Ist-Standes, also z. B. die Tatsache, dass die unteren 40 % in den letzten zehn Jahren einen Einkommensrückgang hinnehmen mussten, währenddessen ein Großteil des durch das Wirtschaftswachstum erzielten Einkommensplus weitgehend an das reichste Zehntel der Bevölkerung ging (Romain Leick, SPON 06.12.2017). An konkreten Vorschlägen, wie ein solcher Kurs konkret ausgestaltet werden könnte, ist dieser Tage kein Mangel. Wichtige Punkte sind in dem eingangs erwähnten Papier genannt. Letzter Punkt: Wenn die SPD glaubwürdig sein will, darf sie potentielle Bündnispartner nicht links liegen lassen, auch wenn es schwer fällt.
Johannes Lerchner
Lieber Herr Lerchner, da kann/muß ich Ihnen aus ganzen Herzen zustimmen! Ich bin 1959 in die SPD eingetreten, nachdem meine Eltern mit mir 1955 Leipzig in Richtung Ba-Wü verlassen hatten. Damal gab es noch so etwas wie einen „inneren Gleichklang“ von Partei und IG Metall. Der wurde spätestens von „Gas-Gerd“ mutwillig zerstört. Da wurde der „Arbeitnehmerflügel“ über den „Umweg“ WASG“ an Die Linken regelrecht outgesourct. Und so kommt es das Rudolf Dressler so etwas wie der „soziale Kompaß“ geworden ist. Man kann auch sagen „Rufer“ in der Wüste! Damit will ich es erstmal genugsein lassen.
Sie stellen Fragen, lieber Herr Wolff (wie weiter mit …?), und kritisieren, daß die Parteien „kaum haben erkennen lassen, zukunftweisende Aussagen zu treffen“. Aber das ist ja das Problem: Sie selbst bieten auch keine Lösungen an. Und jeder, der das versuchte, würde in den „Sumpf“ der Auseinandersetzung geraten, von den professionaellen Wadenbeissern Ihres blogs zB persönlich angegriffen, die bisher noch nie auch nur einen einzigen Lösungsansatz präsentiert haben sondern im Gegenteil der Sachdiskussion verweigern. Er würde sich auch dem neu-populären Vorwurf aussetzen, sich nur im Klein-Klein zu bewegen und ihm fehle die „große Idee“. Sie selbst deuten das mit Ihrer Anmerkung an: „Es mangelt an Zukunftszielen, an denen Bürgerinnen und Bürger erkennen können: Meine Probleme, meine Anliegen, meine Sorgen, meine Hoffnungen werden aufgegriffen und in Politik umgesetzt“ – MEINE Probleme, MEINE Anliegen und Sorgen, etc. Dabei geht es eben nicht um Individualsorgen sondern um das Ganze, um die Gesellschaft als Gemeinschaft und also um Ausgleich, um Kompromiß, um Toleranz, ums Zuhören und Ernst-Nehmen des Andersdenkenden – um die Bereitschaft, auch weniger als 100% anzuerkennen.
In Ihrer Frageliste fehlt tatsächlich der ganz wesentliche Komplex der Inneren und Äußeren Sicherheit – und hier wie bei den anderen Themen (Braunkohle, Migration, Bürgerversicherung uva) wäre eben mal eine emotionslose und tatsachenbasierte Diskussion nützlich; eine Diskussion, die von den Zielen ausgeht und das jeweilige Thema sozusagen „zurückentwickelt“ von der strategischen Vision zur heutigen Ausgangslage und dann als zweiten Schritt den Weg festlegt. Aber: „… das gravierende Defizit an strategischem Denken in der deutschen Öfentlichkeit“ (Herfried Münkler) und die politische Notwendigkeit zur Präsentation schneller Lösungen durch „die Politik“ sowie das Quoteninteresse der Medien werden das wie immer bisher verhindern. Hinzu kommt das ausgeprägte Neiddenken, das sowohl sachliche Diskussionen als auch zweckdienliche Lösungen verhindert – die sogenannte „Bürgerversicherung“ ist hierfür das beste Beispiel.
Ich freue mich immerhin, daß Ihre Ansicht zur Persönlichkeit Schulz sich doch der Realität annähert. Die SPD hat einen besseren Vorsitzenden verdient, auch wenn er wohl diesen Parteitag noch überstehen wird. Und richtig ist sicher auch, daß auch die CDU einen Vorsitzendenwechsel dringend braucht – aber Merkel ist eben am Ende einer sehr erfolgreichen Karriere (irgendwann verschleißt sich jeder), während Schulz noch nicht mal den Anfang hingekriegt hat.
Mit freundlichem Gruß,
Andreas Schwerdtfeger
Und die Frage, die wirklich allen auf den Nägeln brennt: Wie geht es weiter mit den Flüchtlingen? Wir scheitern in vielen Bereichen mit unserer vollmundig ausgerufenen Integrationspolitik. Dennoch wollen wir den subisidiär Geschützten den Familiennachzug gestatten. Wie soll das gehen, wo wir nicht einmal genaue Zahlen wissen? Zu dieser Frage schweigt die SPD . Jedoch Wähler/Innen wollen wissen, wie sich die Parteien zu diesem Thema aufstellen.
So werden also auf dem morgigen Parteitag vollmundige Reden gehalten über Arbeit 04, Klimaziele, Europa, Rente und Bürgerversicherung – über ein geschwätziges Debattenpapier. Jedoch- kein einziges Thema wird wohl in Konkreto angegangen. Das enttäuscht. Weiter so wurschteln unter Angela Merkel und das dann noch unter einer mitregierenden SPD – armes Deutschland! Wie das geht, das haben wir ja gerade in der Glyphosatfrage vorgeführt bekommen.
Lieber Herr Wolff,
in Ihrem vorletzten Block zu Jamaika haben Sie die CDU wegen ihrer Profillosigkeit kritisiert. Sie sahen bei Neuwahlen gute Chancen für SPD.
In Ihrem heutigen Kommentar bescheinigen Sie der SPD einen „Wahlkampf voller Dilettantismus und Profillosigkeit“ geführt zu haben.
Ich teile Ihre Meinung hinsichtlich der Profillosigkeit beider großen (Noch-)volksparteien. Ich widerspreche Ihnen hinsichtlich Ihrer Einschätzung, dass die SPD gute Chancen bei Neuwahlen hat. Dies aus folgendem Grund:
Als Martin Schulz als Spitzenkandidat der SPD aufgestellt wurde, schossen die Umfragewerte für die SPD förmlich in die Höhe, die der CDU sanken auf einen Tiefststand. Daran konnte man erkennen, dass die Wähler wechselbereit waren. Man wollte das Alte nach langen Jahren abwählen und war bereit, das Risiko des Neuen einzugehen. Einen regelrechte Aufbruchstimmung war kurzerzeit zu spüren.
Doch was hat M. Schulz daraus gemacht? Nichts, gar nichts. Anstatt die Themen, die den Menschen auf der Seele liegen, aufzugreifen, war sein Hauptthema „soziale Gerechtigkeit“. Ein nicht unwichtiges, aber zu diesem Zeitpunkt, den Wählern nicht wichtiges Thema. Schnell haben die Wähler kapiert, dass sich der Tiger als Bettvorleger entpuppt hat. Und dann denkt der Wähler: „Warum eine schlechte Kopie wählen, wenn es das alte Original auch noch tut“.
Es nützt also wenig ein gutes Programm zu haben, wenn es an Lichtgestalten fehlt, die für diese Ziele kämpfen und den Menschen einen Weg aufzeigen, wie man dort hinkommt. Nennen Sie mir junge profilierte Hoffnungsträger in der SPD? Und wenn die SPD in Herrn Schulz die Hoffnung sieht, dann weiß ich nicht, wie die SPD das Wort „Verzweiflung“ definiert.
Sollte es also zu Neuwahlen kommen, so bin ich persönlich erstmals „wahlratlos“.
Die CDU kann ich aufgrund ihrer völlig überstürzten und wenig durchdachten Energiepolitik nicht wählen (erst wird das von SPD und Grünen erlassene Gesetzt über die Laufzeit der AKW´s völlig unnötig aufgebohrt, dann nach Fukushima erfolgt die hastige Rücknahme mit Schließung von AKW´s und einem fieberhaft beschlossenem Milliardeninvestment in andere Energiequellen). Insgesamt erscheint mir die Politik der CDU mehr darauf ausgerichtet sein, auf bestimmte Themen zu reagieren, anstatt langfristig zu agieren.
Die SPD hat personell nichts zu bieten. Sie greift die Themen, die die Menschen bewegen nicht auf und hat sich im Wahlkampf und bis jetzt zu den Hauptthemen äußerst schwammig geäußert.
Die FDP hat in den Verhandlungen, wo sie hätte Verantwortung übernehmen können, das Handtuch geworfen. Das nehme ich ihr übel, wäre doch Jamaika ein Versuch wert gewesen.
Grüne und Linke haben Politikvorstellungen, die ich nicht teile.
Die AFD widerspricht insgesamt meinem Demokratieverständnis, also unwählbar.
Es wäre wahrscheinlich das erste Mal, dass ich bei einer Bundestagswahl nicht antrete. Ein grauenhafter Gedanke, vertrete ich doch die Ansicht, dass es nichts Schlimmeres gibt, als nicht wählen zu gehen.
Aber ich gebe die Hoffnung noch nicht auf.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine schöne Vorweihnachtszeit,
herzliche Grüße
J. Winter
Hallo Herr Winter,
da bleibt als letzter Ausweg nur „auswandern“, aber wohin, das ist die spannende Frage. Könnte sein das nach der Pest, die Cholera kommt.-lol- Also mal ernsthaft, da bleibt nur „durchhalten“ oder bei ganz viel Mut, Eintritt in die SPD. Und zusammen mit Anderen eine „Wende“ herbeiführen. Diese „Arbeit“ kann und wird Ihnen niemand abnehmen oder gar zu Ihrer Zufriedenheit übernehmen.
Lieber Herr Winter, ich kann vieler Ihrer Argumente gut nachvollziehen. Schulz hat es nicht vermocht, eine sozialdemokratische Vision zu entwickeln und sie mit seiner Person zu verbinden. Ich gehe davon aus, dass es nicht so schnell zu Neuwahlen kommt. Insofern stellt sich Ihr Problem aktuell nicht. Man wird sich – so meine Vernutung – über eine Art Minderheitsregierung verständigen – vielleicht mit einer Laufzeit von zwei Jahren. Dann wird man neu verhandeln – und dann kann es zu Neuwahlen (ohne Angela Merkel) kommen. Die Bedingungen dafür sind von heute nicht absehbar. Außerdem weiß niemand, wie sich die weltpolitische Lage, die durch Trumps Katastrophenpolitik äußerst gefährlich geworden ist, entwickelt. Das besorgt mich sehr viel mehr, als die Frage, wie die nächste Bundesregierung aussehen wird. Beste Grüße Christian Wolff
Danke!
Mich irritiert, dass die Bedrohung der Sicherheit in Europa nicht zum Thema gemacht wird. Russland gilt als Feind; die transatlantische Solidarität (mit beiden angelsächsischen Völkern) steht in den Sternen; enorme Summen zur Aufrüstung sind vorgesehen, sodass eine kluge Subgruppe in den Jamaika-Verhndlungen den Aufwuchs der Entwicklungshilfe-Mittel daran zu knüpfen vorschlug. Aber politisch ist das kein Thema.
Dasselbe gilt für die Globalisierung, die Verwerfungen auf den Güter- und Finanzmärkten. Kein Thema.
So in Deutschland. Auf EU-Ebene aber läuft zu all dem etliches. Ob es aber das Richtige ist, sollte doch bei uns in Deutschland gefragt werden, sollte Thema sein.
Jochen Luhmann
Lieber Jochen, Du hast so recht! Leider ist der einstige Schwerpunkt sozialdemokratischer Politik, nämlich eine strategisch angelegte Friedenspolitik, völlig in den Hintergrund geraten. Da hatte ich mir von Martin Schulz sehr viel mehr versprochen. Christian