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Beschämend: Stolpersteine nach Verlegung entfernt

Schülerin bei ihrem Vortrag über Familie Affenkraut

Heute wurden vor acht Wohnhäusern durch den Bildhauer Gunter Demnig Stolpersteine verlegt. Sie erinnern an jüdische Bürgerinnen und Bürger Leipzigs, die in der Nazi-Zeit ihren Wohnort verlassen mussten. Viele von ihnen wurden in Konzentrationslagern ermordet. Wenige überlebten den Holocaust. Vor dem Gebäude Humboldtstraße 2 wurden 10 Stolpersteine für die zehnköpfige Familie Affenkraut verlegt. Die Eltern und fünf ihrer Töchter überlebten die Nazi-Zeit nicht. Eine Schülerin des Reclam-Gymnasiums verlas den Text der Recherche. 10 Kerzen wurden angezündet, weiße Rosen sowie weitere Blumen niedergelegt. Anwesend waren auch viele Schülerinnen und Schüler des Leibniz-Gymnasiums. Diese hatten die Geschichte der Familie Kalter in der Lortzingstraße 11 erkundet. Aus diesem Grund waren auch zwei Enkelinnen und zwei Urenkel von Baruch und Helene Kalter mit Angehörigen aus den USA angereist.

Die verlegten 1o Stolpersteine

Gegen 14.00 Uhr rückte ein Bautrupp an. Gegen 14.30 Uhr stellte ich beim Blick aus dem Fenster meines Arbeitszimmers in der Humboldtstraße 3 fest, dass der Bautrupp die Kerzen, Blumen und die 10 Stolpersteine beseitigt hatte. Ich ging sofort zur Baustelle und forderte die Einstellung der Arbeiten. „Wir haben einen Auftrag der Stadt Leipzig.“ war die Antwort des Bauleiters. Daraufhin habe ich die Polizei und das Ordnungsamt alarmiert und mich auf die Baustelle gestellt, um weitere Arbeiten zu verhindern.

Die bereinigte Stelle (rechts die Stolpersteine, Blumen und Kerzen)

Was für ein beschämender, unglaublicher Vorgang: Wenige Stunden, nachdem die Stolpersteine für die Familie Affenkraut mit Genehmigung der Stadt Leipzig verlegt worden waren, wurden diese beseitigt – mit der Begründung: Wir haben eine Anweisung. Dass man da vielleicht einmal nachfragt, warum hier Blumen stehen und Kerzen brennen, ist offensichtlich zu viel verlangt. Doch genau das sind die Bedingungen dafür, dass es überhaupt zu Stolpersteinen kommt – dieses gedankenlose Funktionieren und die Gleichgültigkeit. „Warum regen Sie sich so auf?“ wurde ich mehrfach gefragt. Fehlte nur noch die Frage: Warum mischen Sie sich da ein? Ach ja, dass durch ein solches Verhalten so ganz nebenbei die hervorragende, engagierte Arbeit von Schülerinnen und Schülern entwertet wird, scheint nur wenige zu beunruhigen. Ich bin gespannt, ob einer aus der Stadt Leipzig auf die Idee kommt, sich zu entschuldigen: bei der Arbeitsgemeinschaft Stolpersteine, bei dem Bildhauer Gunter Demnig, aber vor allem bei den Schülerinnen und Schülern und den Angehörigen der verfolgten Familien und nicht zuletzt bei den Sponsoren. Schließlich bleibt die Frage: Wer sorgt für eine ordnungsgemäße und würdige Neuverlegung der Stolpersteine in der Humboldtstraße 2? Mit einem lapidaren „Fehler können halt mal passieren“ ist es jedenfalls nicht getan.

Nachtrag: Am Montag, 04. Dezember 2017, wurden die Stolpersteine neu verlegt. Bei dieser Gelegenheit hat sich die Stadt Leipzig offiziell für die Entfernung der Stolpersteine entschuldigt. Oberbürgermeister Burkhard Jung hat in einem persönlichen Schreiben an alle Beteiligten ebenfalls um Entschuldigung gebeten.

17 Antworten

  1. Ja, verehrter Rheinländer – das „als Letztes“ bezieht sich immer auf den betreffenden Kommentar, den es zu reflektieren gilt, und dass ich mir meine Gesprächspartner raussuche, erschließt sich Ihnen nicht ? Na klar: nicht jedem Militär a.D. wird das Motiv seines „Gegners“ bewusst, sonst wäre es ja auch viel zu einfach. Ich bleibe dabei: zu „Stolpersteinen“ (über die sie im übertragenen Sinne permanent straucheln und es erstaunlicher Weise selten bemerken) würde ich nicht satirisch und vor allem – wie auch diesmal durch Sie – verächtlich machend Ihre rhetorische Akrobatik pflegen. Wir haben es – wie Sie selbst feststellen – mit einem zu ernsten Problem zu tun. Da sind jede Angriffe auf die Aufmerksamen und Wahrhaftigen, die sich hier zu Wort melden, unglaublich daneben. Inhaltslos ? – nun ja; was soll ich dazu sagen…NICHTS.

  2. Warum, lieber Jo.F, suchen Sie sich eigentlich immer mich als zu Kommentierendem aus, wenn jeder zweite Satz von Ihnen die Bemerkung enthält „als Letztes“ oder „meine Partner suche ich mir schon selbst aus“, was doch eigentlich heißt: mit mir wollen Sie eigentlich gar nicht! Aber das wäre ja zu schön angesichts der Inhaltslosigkeit Ihrer Beiträge! Also: Wollen Sie nun oder nicht?
    Und zur Sache: Sie können das logischerweise nicht erkennen, aber ich habe keine Späße zum Thema selbst (Stolpersteine) gemacht; ich habe die aufgeblähte Rechtschaffenheit, die peinliche Selbstgerechtigkeit, die oberlehrerhafte Besserwisserei und das vorweggenommene überhebliche Urteil der ganzen Saubermann-Reaktionen der Kommentatoren aufs Korn genommen. Daß Sie das nicht bemerken war klar.
    Gruß,
    Andreas Schwerdtfeger

  3. an Herrn Schwerdtfeger:
    dass Sie Ihre eigenen Kommentare inhaltlich als besser, sprachlich als noch viel besser klassifizieren, ist Ihr Problem. Allein das Ereignis, worum es hier geht, satirisch zu reflektieren – ich meine, dafür ist die Angelegenheit zu ernst, viel zu ernst ! Bewegen Sie das bei Gelegenheit doch einmal etwas ernsthafter.
    Außerdem: zwischen Ihren Zeilen ist gar manches zu entdecken, was durchaus bemerkenswert erscheint…Ihre Diktionen betreffend und natürlich nicht minder Ihre Eigenliebe. Nochmals: das Thema, das hier behandelt wird, sollte sensibel behandelt werden, für angebliche Späße wahrlich untauglich!

  4. Ja, das ist wirklich „unfassbar“!
    Was ist passiert?
    1. Es gibt das wunderbare Kunstprojekt „Stolpersteine“, das eine originelle künstlerische Idee mit einer schwergewichtigen politischen Aussage, mit Erinnerung und Verantwortung, mit Gedenken und Würde verbindet, indem es in der Hauptsache Menschen, deren Leben durch kriminelles und unmenschliches Handeln beendet wurde und deren Namen ausgelöscht wurden, ihre Namen, ihre Biographie, ihre Ehre wiedergibt, aber zweitens auch, wie dieses Beispiel zeigt, jungen Menschen Anregung gibt, sich einzusetzen, diese Geschichte zu erforschen und so die Verbindung herzustellen zwischen der glücklichen Generation von heute und der gequälten von gestern.
    2. Ein Trupp Bauarbeiter – vermutlich Türken oder Rumänen mit schlechten Deutsch-Kenntnissen, aber Auftragstreue – kommt zum unguten Zeitpunkt, um den BürgerInnensteig aufzureissen, weil dieser reparaturbedürftig ist. Er trifft auf die „Stolpersteine“ im Werden und auf Kerzen und Blumen, läßt sich dadurch jedoch nicht vom Auftrag ablenken. Der Bauleiter – zugegeben ein scheinbar eher einfacher Mann, vielleicht aber auch ein dumpfer Rechter, weil ja die einfachen Leute sich heutzutage bei den 20% linker intellektueller Schwärmer von der SPD nicht mehr wohlfühlen – dieser Bauleiter also ist überfordert und erkennt die Brisanz des Augenblicks nicht.
    3. Wie es das Schicksal will, passiert dieser unglaubliche Tat, unter den Augen unseres stets wachsamen Bürgers Wolff, der sich sofort vor Ort begibt und ihr Einhalt gebietet. Selbstverständlich tut er dies nicht im Stillen sondern nutzt es öffentlich zur anschließenden Darstellung von Gut und Böse und seiner eigenen Rolle in diesem Drama.
    4. Das ruft nun die Rechtschaffenen auf den Plan: Unfassbar, peinlich, Rufschädigung, nachträgliche Verharmlosung, ungehobelt und unsäglich, Entsetzen, Tollhaus – das sind die einzig richtigen Vokabeln für diese Ungeheuerlichkeit. Man ruft eilig und belehrerisch die Stadt an, sendet e-mails; mindestens die Kulturbeauftragte, besser noch der OB selbst, müssen sofort und möglichst demütig Stellung nehmen, sich entschuldigen – das ist wenigstens zu verlangen. Man äußert sich „sehr deutlich“ in typischer „Unfehlbarkeits- und Überlegenheits Deutschigkeit“ (Berta von Suttner), vorauseilend erwartet man allerdings nur „vorgeschobene und formalistische“ Erklärungen der Stadt. Und dies alles muß natürlich, um der eigenen Sauberkeitsdarstellung willen, auch öffentlich gemacht werden.
    Ja, Ihr Leute mit den weissen Westen, Ihr überlegenen und so entsetzten Moralisten, Ihr Alles-richtig-Macher und Fehlerfreien – Ihr habt Recht! Aber daß es nur ein unglücklicher Irrtum war, daß die Stadt das Projekt „Stolpersteine“ doch nachweislich unterstützt und fördert, daß sie – wie der Nachtrag von Herrn Götze (danke!) zeigt – doch irgendwie glaubwürdig ein Unglück zugibt und offensichtlich keine böse Absicht vorlag, keine Verunglimpfung, keine Ehrverletzung, daß also die ganze oberlehrerhafte und eher widerliche Entrüstung mehr der eigenen Persönlichkeitspflege als der Tatsache selbst dienen soll, das alles wird man wohl im Nachhinein nicht zugeben wollen – man müßte die Erregung ja auf Normalmaß runterschrauben. Wir sind eben im Lande der Pharisäer!
    Und bevor Ihr nun alle neue und noch aufrichtigere Entrüstung zeigt und über mich herfallt: Dies ist Satire – auf einem vielleicht höheren inhaltlichen und allemal höherem sprachlichen Niveau, als sie ein gewisser Schmuddelpoet mit Namen „B“ und Fernsehsendung in unserem Lande betreibt. Also Ruhe bewahren, denn ich bin ja Eurer Meinung (siehe Punkt 1).
    Mit solidarischem Gruß,
    Andreas Schwerdtfeger

  5. Nachtrag: Die Stadtverwaltung Leipzig (@StadtLeipzig) hat mir inzwischen via Twitter auf meinen Hinweis auf den Blogbeitrag von Herrn Wolff folgendes geantwortet: „Wir bedauern die unglückliche zeitliche Abfolge außerordentlich. Dies hätte nicht passieren dürfen. Die Bauarbeiter waren bei der Aufnahme der Stolpersteine sehr behutsam und haben auch die Anordnung dokumentiert. Die steine werden nach Abschluss der Bauarbeiten wieder eingesetzt.“

  6. Solch ein Vorfall ist unfassbar, und bis zur Klärung wohl als vorsätzliche Herbeiführung von Rufschädigung der Stadt Leipzig zu verstehen. Jeder Bauarbeitertrupp hat heutzutage ein Diensthandy und kann sich im Zweifelsfall jederzeit rückversichern.
    Die unbedingte Stellungnahme des Oberbürgermeisters dürfte dazu wohl sehr peinlich ausfallen.
    Mit freundlichen Grüßen
    nach Leipzig

  7. Die LVZ „verharmlost“ den Vorgang zu einem „Schildbürgerstreich“. Ich würde eher von „kommunilativer Unfahigkeit“ sprechen. Und das was vom Prekariat im Online-Forum der LVZ abgesondert wird ist die „Krönung“ des Ganzen.
    > http://www.lvz.de/Leipzig/Lokales/Schildbuergerstreich-Stolpersteine-in-Leipzig-nach-Verlegung-ausgegraben<42

    Ich frage mich wo bin ich nach 45-jähriger Abwesenheit hingeraten? Offensichtlich in ein "Tollhaus"!

  8. So ein ungehobeltes, unsägliches Verhalten der Bauarbeiter. Die Stadtverwaltung hat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit niemanden beauftragt frisch verlegte Stolpersteine samt Blumen und Kerzen zu entfernen. Unabhängig davon, standen dort aber offenbar irgendwelche Bauarbeiten an. Empathielose Auftragausführende hatten aber kein Taktgefühl diesen Auftrag wenigstens einen Tag zu verschieben. Denn das an Fußwegen evtl. Arbeiten stattfinden müssen, auch wenn dort Stolpersteine verlegt sind ist sicherlich unstrittig. Hier geht es einfach um den unmöglichen Zeitpunkt. Danke Christian, dass Du Dich da stark gemacht hast.

    1. Lieber Christian Schulze, von einem SPD-Stadtrat erwarte ich zuletzt eine Bauarbeiter-Beschimpfung. Maximal wäre eine Kritik am „Bauleiter“ vorstellbar, er trägt die „Verantwortung“ vor Ort. Das Problem dürfte, nach einer Aufklärung der Vorfälle eher offenlegen, ein hohes Maß an kommunikativer „Unfähigkeit“ in der gesamten Entscheiderkette offenlegen. Meine „Lebenserfahrung“ sagt mir, wer nichst tut, trotzdem die Chance hat Fehler zu machen. Und sei es nur durch „unterlassen“.

  9. Lieber Herr Wolff, ich hätte nie geglaubt, dass so etwas möglich ist. Mein Entsetzen
    war so groß, dass ich gleich an den Oberbürgermeister geschrieben und um Aufklärung gebeten habe. Wenn eine Antwort da ist, werde ich Sie informieren.
    Mit freundlichen Grüßen
    Peter Moldt

  10. Lieber Herr Wolff,

    in meiner heutigen Mail an Herrn Beier von der AG Stolpersteine in Leipzig (Kopie an Frau Dr. Skadi Jennicke, Bürgermeisterin u. Beigeordnete Kultur, sowie an Sie) habe ich mich sehr deutlich über diesen unfassbaren Vorfall geäußert. Ich bin auf die Stolperstein-Initiative von Johanna Sarah Mai durch die LVZ vom 28.08.2017 aufmerksam geworden. Sie haben doch bestimmt noch gute Kontakte zur LVZ. Bei der LVZ sollte dieser unglaubliche Vorfall publik gemacht werden.

    Herzliche Grüße
    Manfred Haber

  11. Ich war bei der Verlegung der Stolpersteine mit anwesend und bin fassungslos!
    Selbstredend erwarte ich als Anwesender, als Sponsor, als Engagierter eine Entschuldigung der Stadt Leipzig und eine Neuverlegung der Stolpersteine.
    „Der mündige Bürger als Bauarbeiter“…..kann man den Bauleiter ermitteln?

  12. Lieber Herr Wolff,

    danke für Ihre Einmischung! Ich werde mich schlau machen und mich für eine Neuverlegung einsetzen.

    Herzliche Grüße

    Helge Löbler

  13. Das ist ja ein ganz unglaublicher Vorgang. Ich bitte sehr darum, lieber Herr Wolff, dass Sie uns über die weitere Entwicklung auf dem Laufenden halten. An wen kann man sich denn in der Stadtverwaltung wenden, um gegen diese Aktion zu protestieren? Sind Sie sich sicher, dass es wirklich eine Aktion war, die von der Stadtverwaltung veranlasst worden ist?

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