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Weihnachten 2014 – Was jetzt dran ist

Drei Worte stehen über dem Weihnachtsfest: „Fürchtet euch nicht“. Mit diesem Ruf wurden die Hirten in Bethlehem aus ihrer geistigen, geistlichen, politischen, sozialen Umnachtung herausgerufen. Mit diesen drei Worten soll sowohl das Selbstbewusstsein wie auch die Verantwortung derer gestärkt werden, die sich aus welchen Gründen auch immer an den Rand gedrängt fühlen. Denn nicht die Ängste, Sorgen, Nöte, denen wir Menschen ausgesetzt sind, sollen uns beherrschen. Wir können diese überwältigen, wenn wir auf das achten, was uns Ängste nimmt, anstatt diese zu schüren: das Kind in der Krippe. Wir können sie eingrenzen, wenn wir die Finsternis ausleuchten, anstatt im Schutz der Dunkelheit Furcht und Schrecken zu verbreiten. In diesem Sinn ist Weihnachten ein Fest der Aufklärung und eines erneuerten Selbstbewusstseins. Denn das Licht von Bethlehem weist uns Menschen einen Weg aus selbst verschuldeter Unmündigkeit und macht uns zu aktiven Teilhabern des Lebens. Wir sind nicht mehr Behandelte, sondern Akteure. Wir warten nicht mehr auf Anweisungen von oben, sondern nehmen unten unsere Verantwortung wahr.

In der Bibel wird erzählt, dass Jesus über das Wasser gehen kann. Diese wundersame Episode hat eine tiefe Bedeutung: Jesus lässt die Ängste, in denen ein Petrus zu ertrinken droht, unter sich. Genau das ist die Gabe des Glaubens: Furcht überwinden und einen Weg finden durch alle Unübersichtlichkeit; auch wenn das Eis dünn ist, nicht einbrechen und ertrinken. Mit dieser hoffnungsvollen Botschaft können wir allen Angstparolen entgegentreten. Wer heute Ängste von Menschen ernst nehmen will, muss vor allem Wege aufzeigen, wie wir mit ihnen leben können. Der Glaube entwickelt in uns die Kraft, mit unseren Unzulänglichkeiten, mit dem, was uns Sorgen bereitet, mit den Feinden, mit den Fremden leben zu können und nicht gegen und schon gar nicht ohne sie.

Darum versammelt sich an der Krippe symbolisch die Welt, die sonst auseinanderfällt oder sich feindlich gegenübersteht: Tiere, Hirten, Weise stehen für die ganze Schöpfung und die Weltgemeinschaft in ihrer sozialen, weltanschaulichen und religiösen Unterschiedlichkeit und finden in Jesus die Mitte ihres Lebens. Dass aus den Weisen aus dem Morgenland im Lauf der Christentumsgeschichte drei Könige wurden, Repräsentanten der damals bekannten Erdteile, ist mehr als sinnfällig. Und dass ein Paar, in einer gefährdeten Beziehung lebend und selbst heimatlos, Gastgeber für die weit Gereisten wurde, zeigt, bei wem die gute Nachricht von der Gerechtigkeit, der Barmherzigkeit, der Ehrfurcht vor dem Leben auf besonders fruchtbaren Boden fällt: bei denen, die wir zu den sozial Ausgegrenzten zählen. Denn sie spüren der Botschaft der Engel und dem Geschehen in Krippe und Stall ab: Wir sind gemeint. Gott würdigt unser Leben. Es gibt keinen Grund, sich in den Schmollwinkel zurückzuziehen. Das ist mehr als alles, was uns die Welt zu bieten hat. Die bewegt sich in gewohnten Bahnen: Während der König Herodes seinen Vernichtungsphantasien freien Lauf lässt, treiben ein Kaiser Augustus und seine Helfershelfer weiter ihr herrisches Unwesen. Aber die Menschen, die sie meinen zu beherrschen, haben sich schon längst emanzipiert und gehen einen eigenen Weg – nicht den der Verweigerung und des aggressiven Schweigens, sondern den der Zuwendung, der Nächstenliebe, der Hoffnung.

Wie grotesk und geschmacklos mutet es da an, wenn in Dresden bei dem sog. Weihnachtsliedersingen von Pegida-Anhängern „Christ, der Retter da“ gegrölt wird von Leuten, die gleichzeitig das Kreuz Jesu zum nationalistischen Statussymbol deformieren. Mit christlichem Abendland hat das nichts zu tun, eher schon mit Blasphemie und Verhunzung des (deutschen) Kulturgutes. Wie grotesk ist es also, dass Menschen sich zu Verteidigern des Abendlandes ernennen, die mit ihren Parolen allem widersprechen, was wir an Weihnachten feiern und uns heilig ist. Denn die Geburt Jesu ist nicht gegen Gruppen und Nationen gerichtet, sondern sie gilt jedem Menschen zu allen Zeiten: Gott die Ehre, der Erde Frieden, den Menschen Gerechtigkeit. Die Hirten haben das begriffen und diese Botschaft weitergetragen – sonst wüssten wir heute davon nichts. Sie haben begriffen: Das, was Gott für uns Menschen tut, ist öffentlich und richtet sich an jedermann und jede Frau – und hat Konsequenzen. Wir leben in der Hoffnung, dass sich am Ende aller Tage die versöhnte Gemeinschaft an der Krippe verwirklicht. Diese Sehnsucht wird auch in diesem Jahr Menschen in die Kirchen führen. Und sie werden hoffentlich spüren: Wer an Heiligabend die heile Welt sucht, dem sticht die Widersprüchlichkeit der tatsächlichen besonders ins Auge. Das war vor 2000 Jahren nicht anders. Da ließ ein Herodes seinen Vernichtungsphantasien freien Lauf, ermordete Kinder und verursachte die Flucht von Maria und Joseph – und gleichzeitig gab es Menschen wie in den 2000 Jahren danach, die widerstanden trotz aller Ängste der Gewalt und blieben dran an der weihnachtlichen Botschaft von der Gerechtigkeit und dem Frieden. Sie grenzten nicht aus, sondern luden ein die Mühseligen und Beladenen. Das hinderte sie aber nicht, Ja,Ja und Nein, Nein zu sagen – auch dann, wenn es politisch wird. Darum: Ja zu einer stimmungsvollen und solidarischen Weihnacht! Nein zu all denen, die wieder einmal unseren Glauben nationalisieren und völkisch verengen wollen! Nein zu Pegida und ihrem unseligen, menschenverachtendem Treiben in der Weihnachtszeit! Ja zu allen Menschen, auch zu denen, die mich stören – denn niemandem darf das „Fürchtet euch nicht“ vorenthalten werden, vor allem denen nicht, die mit Furcht und Zittern bei uns Zuflucht suchen.

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