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Was war denn das? – Frank Plasberg, Frauke Petry und die Brandstifter

Ein Thema müsste dringend und umfassend debattiert werden: die vor allem rechte Gewalt; der Terror gegen Menschen, die bei uns Zuflucht suchen; das ekelhafte, schändliche montägliche gezielte und bewusste Aufheizen der Ressentiments und die entsprechende Hetze gegen Flüchtlinge („Invasoren“, „islamistische Überflutung“, „Asylbetrüger“) und Politiker/innen in Regierungsverantwortung („kriminelle Bande“) durch Pegida/Legida (oder eben mittwochs in Erfurt oder Magdeburg durch die AfD); die Brutalität und Schamlosigkeit, mit der in vielen Städten auf Menschen losgegangen wird, die auch äußerlich als Nicht-Deutsche auszumachen sind. Da lebt ein japanischer Pfarrer, Doktorand an einer renommierten amerikanischen Universität, für einige Wochen in Leipzig, um Deutsch zu lernen – und macht in den ersten Tagen seines Aufenthalts die Erfahrung, von Hooligans angegriffen zu werden. Das spielt sich täglich auf den Straßen ab. Und dann die Brandanschläge auf bewohnte und unbewohnte Asylunterkünfte, durch die das in die Tat umgesetzt wird, was in unzähligen Hassmails verbal vorweggenommen worden ist. Grund genug, darüber in einer Talkshow zu diskutieren.

Doch wenn man dann – wie bei „hartaberfair“ am gestrigen Montag – die Repräsentantin der Partei einlädt, die in den vergangenen Wochen wesentlich dazu beigetragen hat, dass rechtes Gedankengut salonfähig wird, und diese in den Mittelpunkt stellt (was sie selbst provokant befördert), dann darf man sich nicht wundern, dass nicht mehr über das Thema „Vom Wutbürger zum Brandstifter – woher kommt der rechte Hass?“, sondern über Frauke Petry und die AfD geredet wird und allein dadurch ständig Scheinrechtfertigungen für den alltäglichen Terror geliefert werden. Das läuft nach dem Strickmuster: die Gewalttätigkeiten werden teilnahmslos-kalt und formelhaft „verurteilt“, um dann die Gründe nachzuschieben, die die Gewalt irgendwie plausibel machen: „Staatsversagen“. Höhepunkt dieser Strategie, der auch Plasberg aufgesessen ist (und inzwischen weiß man nicht, ob dies bewusst geschieht oder Folge journalistischen Unvermögens ist): Der AfD wird das „Verdienst“ zugeschrieben, die rechten Themen in anderen Parteien getragen zu haben. Darüber hinaus wird ein Interview mit einer älteren Dame aus Erfurt gezeigt, die am Rande einer AfD-Kundgebung mit Björn Höcke ihre diffusen Ängste angesichts möglicher Rentenkürzungen und zu vieler Ausländer äußert – um aufzuzeigen, dass es doch ganz normale Menschen sind, die inzwischen ähnlich denken wie die AfD. Da wird natürlich nicht problematisiert, dass diese Frau bis jetzt keinen Cent Einbußen erlebt hat, kein Produkt weniger kaufen kann und – da in Erfurt beheimatet – wahrscheinlich kaum Berührung mit Ausländern hat. Aber mit der Kerze in der Hand – Symbol von ‘89 – wird sie als rechtsunverdächtig hingestellt: „Wir sind das Volk“. So werden Frauke Petry und die AfD mit der Aura von des Volkes Stimme umgeben. Da kann sich dann Petry genüsslich in der ihr eigenen Pseudoempörung aus der Täterrolle als geistige Brandstifterin davonstehlen und sich wohlig in der Opferrolle einrichten: Man diffamiere sie ständig als Nazi, dabei sage sie doch nur, was andere sich nicht mehr auszusprechen getrauen, was aber der Wahrheit entspricht. Damit ist dann der Boden dafür bereitet, dass die übelsten rechten Sprüche geklopft und auch Taten vollzogen werden können – und dennoch so getan wird, als habe dies alles nichts zu tun mit rechtsextremen Terror und schon gar nicht mit Nazis. Am Ende eines ach so normalen Fernsehabends ist so aus rechtsradikalen Grundmustern ein gesellschaftsfähiger Diskursbeitrag geworden. Dabei wäre es sehr einfach gewesen, in der Runde darauf hinzuweisen: Es geht nicht darum, Menschen als Nazis zu outen oder sie mit diesem Begriff zu belegen. Es reicht auszusprechen, was rechtsradikales Gedankengut ausmacht:

  • Demokratieverachtung
  • Politiker-Bashing
  • Nationalismus und völkische Deutschtümelei
  • Fremdenfeindlichkeit
  • Verfeindung von Bevölkerungsgruppen (Flüchtlinge und Asylbewerber als Sündenböcke)
  • Absage an den Pluralismus
  • Russlandfreundlichkeit a la Hitler-Stalin-Pakt („Putin, hilf uns“)

All diese Kriterien findet man bei Pegida/Legida und der AfD zur Genüge erfüllt. Die Frage ist also nicht, wie ich Menschen kategorisiere, sondern inwieweit ihre Politik und Überzeugungen den genannten Kriterien genügen. Seit einem Jahr verstehe ich immer besser (und erschrecke zutiefst), warum es in Deutschland zur nationalsozialistischen Schreckensherrschaft kommen konnte: nicht weil alle Deutschen Nazis waren, sondern weil schleichend eine erdrückende Mehrheit der Deutschen (einschließlich so liebenswürdiger älterer Damen wie die aus Erfurt), sich einverstanden erklärte mit diesen ideologischen Grundmustern des Rechtsradikalismus, zumindest dem nichts entgegensetzte, und dadurch diejenigen beförderte, die das schließlich militant-terroristisch durchgesetzt haben. Wer wissen will, wie das heute funktioniert, der schaue bitte in die Länder der EU, die sich die hiesigen Rechten nun zum Vorbild nehmen: Ungarn, Polen, Slowakei. Da wurden und werden in wenigen Wochen die demokratischen Grund- und Freiheitsrechte aufgehoben, da werden das „christliche Abendland“ und seine Traditionen auf übelste Weise als Waffe gegen ein multireligiöses Zusammenleben eingesetzt und dadurch deformiert, da terrorisieren inzwischen Rechtsradikale ganze Ortschaften, da wird Mitte November in Wroclaw eine Judenpuppe verbrannt – und es gibt kaum eine politische Kraft, die dem Einhalt gebietet. Das ist eine Wirklichkeit, die uns erschaudern lassen und vor allem auf den Plan rufen muss, die freiheitliche Demokratie gegen die zu verteidigen, die heute Hass schüren, Menschengruppen gegeneinander aufbringen und bereit sind, an die ideologischen Grundmuster des Nationalsozialismus anzuknüpfen. Darüber hätte die Runde bei „hartaberfair“ debattieren müssen. Dann hätte deutlich werden können, wer heute den tatsächlichen Brandstiftern den Zündstoff liefert.

5 Antworten

  1. Wie würde sich Frau Petry freuen, würde Sie diesen Beitrag lesen! Er trieft wieder von unglücklicher Polemik, von schwammigem Geschichtsverständnis, von Übertreibung und Realitätsverweigerung und spielt damit denen in die Hände, die den rechten Hetzern nachlaufen und die sich durch solche Auslassungen bestätigt fühlen.
    In Wirklichkeit ist es doch so:
    – wenn zwischen 5 und 15 % der Bevölkerung einer solchen (hässlichen) Partei wie AfD hinterherlaufen, dann ist eine pauschale Verbannung in das rechte Pfui-Lager kontraproduktiv. Dann sind im Gegenteil sachliche Auseinandersetzung, das Suchen nach dem Gespräch, die nüchterne und auch zuhörende Diskussion, schliesslich der Versuch des Überzeugens, nicht aber hasserfüllte Rhetorik angebracht.
    – Es ist durchaus legitim, auch dann ein Problem zu sehen – oder auch nur ein vermeintliches Problem zu sehen, – wenn man (bisher) nicht persönlich betroffen ist. Was soll also der Hinweis auf die Erfurter Dame, der indirekt in dem Beitrag das Recht abgesprochen wird, sich zu äußern? Sollte aber diese Kritik doch berechtigt sein – ja, dann sind wir wohl zwar nicht bei der „Lügenpresse“, aber eben doch bei der „manipulativen Presse“, von der Sie, Herr Wolff, doch eben nichts hören wollen.
    – Und dann die sehr einfältige Sicht auf das Entstehen des Nationalsozialismus. Es war ja gerade nicht das „Einverständnis“ mit dem Rechtsradikalismus, das die Menschen zu Unterstützern machte, sondern vielmehr waren es die Angst vor oder das Erleben der Arbeitslosigkeit, die radikale und gewalttätige Auseinandersetzung der Rechten mit der Linken und das Fehlen einer starken „Mitte“, die starke nationale Komponente im politischen Denken der Völker, etc. Erkennen Sie sich wieder, Herr Wolff: auch Sie äussern sich radikal und kompromißlos, auch Sie grenzen Ihren überlegenen Multikulturismus gegen die bösen „Aus-Länder“ ab – und natürlich haben Sie keine Angst vor Arbeitslosigkeit (sind also in dieser Hinsicht auch nicht „betroffen“ – eben wie die Erfurter Dame).
    – Sie definieren Rechtsradikalismus durch eine Strichaufzählung. Aber Demokratieverachtung und Politiker-bashing betreiben Sie auch; völkische Deutschtümelei und Fremdenfeindlichkeit bedürften wohl einer näheren Beschreibung und sind auch keineswegs kennzeichnend für viele der Menschen in unserem Lande, die sich zu Recht Sorgen machen, ob wir „das schaffen“ (wenn auch durchaus für deren Anführer); Pluralismus ist ein ganz unpräziser Begriff, der weite Interpretationsspielräume eröffnet und auch klare Grenzen haben muß; Putin hat wenig mit dem Hitler-Stalin-Pakt zu tun; etc, etc.
    Hartaberfair ist, da stimme ich Ihnen zu, eine weit überschätzte und eher schlechte Sendung. Aber wenn unsere Demokratie es nicht mehr aushielte, daß auch eine Frau Petry ihren Unsinn öffentlich in den Medien verbreiten dürfte, und wenn unsere Demokratie es nicht schaffte – Sie tragen nicht allzu viel dazu bei – die Probleme sachlich zu diskutieren, dann Gute Nacht!
    Ich grüße Sie,
    Andreas Schwerdtfeger

    1. Irgendwie ist das alles sehr weit hergeholt, was Sie, lieber Herr Schwerdtfeger, kritisch einwenden.
      1. Mit keinem Wort habe ich geäußert, dass Frauke Petry nicht mehr öffentlich auftreten darf. Aber ich habe mir erlaubt zu kritisieren, dass durch Absicht oder Unvermögen von Plasberg am vergangenen Montag nicht das Thema diskutiert wurde, sondern Frauke Petry eine Plattform geboten wurde, ihre Überzeugungen zu äußern, die in der Sache ein Teil des eigentlich zu behandelnden Problems sind.
      2. Im Gegensatz zu vielen anderen, habe ich mit Stichworten skizziert, was für mich Kriterien des Rechtsextremismus sind. Da ist in der Begrifflichkeit nichts schwammig oder ungenau.
      3. Ich habe keine historische Analyse des Nationalsozialismus vorgelegt. Ich habe vielmehr darauf hingewiesen, dass für mich manches aus den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts erklärbar wird angesichts der aktuellen Stimmungslage. Das geht Gott sei Dank nicht nur mir so.

      1. Lieber Herr Wolff, diese Antwort auf den durchaus stichhaltigen Kommentar von Herrn Schwerdtfeger überzeugt mich nun gar nicht. Wie schwammig die von Ihnen jetzt noch einmal hervorgehobenen Kriterien des Rechtsextremismus sind, zeigt allein schon die Tatsache, dass sie selbst in diese Kategorie gehören würden: „Demokratieverachtung“, „Politikerbashing“ und „Fremdenfeindlichkeit“ sprechen jedenfalls aus Ihren wiederholten pauschalen Attacken gegen den mehrfach mit großer Mehrheit gewählten ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban und seine Fides-Partei. Vielleicht bringen Sie es jetzt endlich mal über sich, sich für den (vielleicht irrtümlichen?) Vorwurf zu entschuldigen, Ungarn habe seine Grenzen gegen die Flüchtlinge geschlossen. Schon im Oktober hatte ich Sie nach einem Ungarnbesuch darauf aufmerksam gemacht, dass Ungarn die Grenzen für Flüchtlinge keineswegs geschlossen, sondern nur nach vorheriger Kritik der EU seine „grüne Grenze“ befestigt hatte, nachdem diese bis dahin Hunderttausende völlig unkontrolliert passiert hatten. Nachdem inzwischen die Österreicher unter ihrem von Ihnen als Sozialdemokraten wohl mehr als Orban geschätzten Ministerpräsidenten Faymann genau das gleiche Verfahren – zunächst unkontrollierter Durchlass der Massen und Weiterleitung über die „grünen Grenzen“ nach Bayern, und jetzt Bau eines Stacheldrahtzauns an der Grenze nach Slowenien – allerdings nicht an einer Schengen-Außengrenze, sondern sogar innerhalb des Schengen-Raums durchgeführt haben, wäre es doch wirklich an der Zeit, auch mal einen Fehler einzugestehen und sich für Ihr irrtümliches „Politikerbashing“ zu entschuldigen. Sie wollen sich doch sicher nicht auch noch die „Verfeindung von Bevölkerungsgruppen“, und gerade der Ungarn, vorwerfen lassen, die doch die ersten waren, die 1989 den ostdeutschen Flüchtlingen die Grenzen öffneten!

        1. Damit da überhaupt kein Missverständnis aufkommt: Ungarn (und leider bald auch Polen und hoffentlich nicht auch noch Frankreich) hat sich zu einem autoritären Staat entwickelt, der Grund- und Menschenrechte verletzt. Der Umgang mit Flüchtlingen ist ein himmelschreiender Skandal, der aufkommende Antisemitismus beängstigend und die Aushebelung der Demokratie schon viel zu weit fortgeschritten. ich weiß nicht, wofür ich mich entschuldigen soll. Ich bin eher entsetzt darüber, dass Menschen wie Sie ein solches System auch noch verteidigen. Dass solche Entwicklungen wie in Ungarn auch noch von einer erdrückenden Mehrheit der Bevölkerung durch Wahlen Zustimmung erfahren, macht diese nicht besser. Wir rechtfertigen die Verbrechen der Nationalsozialisten auch nicht mit dem Argument, dass Hitler sich der Zustimmung der Mehrheit der Deutschen bis weit in den 2. Weltkrieg hinein sicher sein konnte. Also: Ich erwarten von der Europäischen Union, dass sie die demokratischen Standards von ihren Mitgliedsstaaten einfordert.

  2. Genau. Die ganze Pegida-Show hielt ich für vorübergehend und deswegen ungefährlich, bis ich im Radio Interviews mit Mitläufern gehört habe, die sich als ‚ganz normale Leute‘ bezeichnet haben, die aber ‚berechtigte Sorgen‘ haben. Soso, habe ich mir gedacht, so muss das auch in Deutschland in den 30’er Jahren gelaufen sein. So erklärt sich wie ein ‚ganz normales Volk‘ zum kollektiven Massenmörder mutieren konnte.
    Einen Anlass für diese Entwicklung sehe ich darin, dass die Politik und die Politiker nicht erklären, für welche Werte sie stehen und warum. Ihr Handeln scheint allein dadurch bestimmt zu sein, wie man die meisten Wählerstimmen hinter sich vereint. (Hiervon muss man – ausnahmsweise – Frau Merkel ausnehmen.) Das ‚normale Volk‘ geht auf die Straße, weil die Politik nicht erklärt, wo es lang geht, und warum.
    Ich würde mir wünschen, dass die Politik klarstellen würde, nach welchen Grundsätzen zu handeln ist – auch vor dem Hintergrund der besonderen Verantwortung der Deutschen. Ich würde es auch für sinnvoll halten, realistisch über das Thema Obergrenze zu diskutieren. Es ist doch klar, dass es irgendwo eine Obergrenze gibt. Können wir nicht nüchtern und ohne Wählerfangabsichten darüber nachdenken, wie man – auch unter Berücksichtigung der Grundwerte – eine Grenze zieht? Und diese dann dem Volk erklären.
    Im Moment fühlt sich das ‚normale Volk‘ wohl führungslos. Das lässt eine Lücke, in die Führer einspringen können. Die demokratisch gewählten Politiker -aller Couleure- sind jetzt deswegen in der Pflicht, Führung zu zeigen.

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