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Von wegen „America First“: Trump First – ein Autokrat legt die Axt an die Demokratie

Donald Trump schreitet durchs Kapitol zur Terrasse, auf der seine Vereidigung als 45. Präsident der Vereinigten Staaten stattfindet: mit eisigen Gesichtszügen. Trump lässt die Bibellesungen und Gebete über sich ergehen und sendet mit seiner Körpersprache eine eindeutige Botschaft gen Himmel: Da soll einer über sein? DER soll sich nicht täuschen! Trump beginnt seine Rede nach der Vereidigung mit einem knappen „Thank you“, um dann allen klar zu machen: Mit diesem System räume ich jetzt auf!

Denn heute übertragen wir nicht nur die Macht von einer Regierung auf die andere, von einer Partei zur anderen – vielmehr nehmen wir Washington DC die Macht – und geben sie euch zurück, dem amerikanischen Volk. Zu lange hat eine kleine Gruppe in der Hauptstadt unserer Nation die Früchte der Regierungsarbeit geerntet, während das Volk die Kosten tragen musste. Washington florierte – doch das Volk hatte keinen Anteil an diesem Reichtum.

Doch wen zählt Trump zum Volk? Die versammelten Repräsentanten der USA offensichtlich nicht. Die Bürger/innen, die ihn nicht gewählt haben, wohl auch nicht. Denn er verliert kein Wort an seine politischen Gegner, keine versöhnliche Geste gegenüber denen, die er während des Wahlkampfes ausgegrenzt und bepöbelt hat. Die Summe der Bürgerinnen und Bürger der Vereinigten Staaten ist offensichtlich auch nicht „das Volk“. Denn dann müsste Trump zumindest einen Gedanken darauf verschwenden, dass er aus diesem Volk bei der Präsidenten-Wahl drei Millionen Stimmen weniger bekommen hat als seine Mitbewerberin Hillary Clinton. Das Volk – das sind in Augen Trumps „die vergessenen Frauen und Männer unseres Landes“, „die … nicht länger vergessen sein (werden)“. Das Volk ist die „Bewegung, wie sie die Welt noch nie gesehen hat“. Was sich da abspielt? Ganz einfach: Trump bestimmt selbst, wer „das Volk“ ist, wer dazu gehört und wer nicht. Damit knüpft er an einen entlarvenden Satz aus seinem Wahlkampf an:

Das einzige, was zählt, ist die Einheit des Volkes. All die anderen Menschen zählen nicht.

Zum Beispiel die Menschen, die in den demokratischen Institutionen der USA arbeiten. Denn die sind laut Trump gegen das Volk. Nüchtern gilt es an diesem Tag festzuhalten: Trump hat sich mit seiner Rede von der repräsentativen Demokratie verabschiedet und sich einem plumpen Nationalismus verschrieben. In der Diktion Trumps hört sich das so an:

Der 20. Januar 2016 wird in Erinnerung bleiben als der Tag, an dem das Volk wieder zum Souverän wurde.

Und da Trump allein weiß, was das Volk will (denn in seinem goldenen Käfig in New York war der Rüpel-Milliardär „dem Volk“ sehr nahe!), sind seine Handlungen mit dem Willen des Volkes eins – Trump ist der Souverän. Da braucht er das Volk auch nicht mehr zu fragen. Das wäre nur Zeitverschwendung. Das alles hat mit Demokratie nichts, aber auch gar nichts zu tun. Als milliardenschwerer Immobilienmogul mag man sich in seiner Hybris erlauben können, rücksichtslos gegen das Gemeinwohl zu handeln und die Interessen von Bevölkerungsgruppen mit Füßen zu treten. Als demokratisch gewählter Politiker ist auch Donald Trump allen Bürgerinnen und Bürgern seines Landes verpflichtet. Doch Trump hat mit seiner heutigen Rede die Axt an die Grundfesten der Demokratie gelegt – nicht „America first“ war seine Botschaft, sondern „Trump first“. Da ist es nur ein schwacher Trost, dass es anfing zu regnen, als Trump ans Rednerpult schritt.

2 Antworten

  1. Man sollte jetzt gelassen bleiben und nicht die verständliche Abneigung gegen Trump dazu nutzen, ihn als singulär darzustellen:

    1. Trump hat mit seiner Antrittsrede den Wahlkampf fortgesetzt und wenig Inspirerendes gesagt. Das machen – leider – die deutschen Politiker regelmässig auch in ihren Statements nach Schließung der Wahllokale.
    2. Trump hat in sehr populistischer Art seine Egomanie als Dienen am Volk dargestellt und diesem goldene Zeiten versprochen. Das machen „Die Linke“ und teilweise die Grünen und die Sozialdemokratie bei uns auch, wenn sie uns zB vormachen wollen, daß unsere Lage sich mit einer „Reichensteuer“ in Wohlgefallen auflösen und staatliches Schuldenmachen uns voranbringen würde.
    3. Trump hat das Motto „America first“ zum Grundsatz erhoben, lehnt Multilateralismus und Globalisierung weitgehend ab. Das spiegelt einen großen Teil der deutschen Bevölkerung und die Mehrzahl aller deutschen NGOs wider, wenn diese zB TTIP/CETA ablehnen oder zwar den Schutz der NATO aber bitteschön dazu nichts beitragen wollen außer moralischen Appellen „auf Augenhöhe“.
    4. Wo Trump mit seiner Rede „die Axt an die Demokratie“ gelegt habe, ist eigentlich nicht so recht ersichtlich. Zwar ist er mit Stimmenminorität gewählt, aber das ist nicht ihm anzulasten sondern dem amerikanischen Wahlsystem. Zwar ist seine Rede eine „Klientelrede“, aber das sind fast alle Wahlsiegreden und es macht sie nicht undemokratisch. Zwar war seine Rede ein trauriges Politikerbashing in Richtung aller seiner Vorgänger und ein unanständiger „Aufstand“ gegen das politische Establishment in Washington – aber was passiert denn täglich bei uns anderes und was passiert denn anderes in diesem blog, wenn’s gerade passt?

    Also bleiben wir lieber sachlich mit unserer Kritik und lassen emotionale Weinerlichkeit beiseite:
    1. Trump wird Amerika juristisch möglicherweise für Jahrzehnte in die Vergangenheit zurückführen, weil er die Macht haben wird, mehrere Richter des höchsten Gerichts in seiner ersten Amtszeit zu ernennen – und zwar auf Lebenszeit. Das ist zwar traurig, aber eine amerikanische Angelegenheit.
    2. Trump wird das politische Weltsystem des Multilateralismus – UNO, NATO, Freihandelsverträge, etc – erschüttern und das könnte gefährlich werden, nicht so sehr für Amerika selbst, aber für viele seiner Partner und Verbündeten. Man kann nur hoffen, daß ihn hier die Realitäten der heutigen Welt eingrenzen werden.
    3. Trump wird, wie sein Vor-Vorgänger Bush, Amerika und die westliche Welt unglaubwürdiger machen, indem er die bisher gemeinsamen Werte in der politischen Praxis relativiert. Dies wird uns allen schaden und müßte durch Europa ausgeglichen werden. Das kann aber nicht – wie immer man darüber denkt – zu einer Verweigerungspolitik führen, wie sie Chirac / Schröder im Falle des IrakKrieges praktiziert haben, sondern es muß durch eine Verantwortungspolitik erfolgen, die durch eigene Beiträge auch und insbesondere materieller Art Einfluß schafft.
    4. Trump wird eine Realaußenpolitik machen, die deutlich weniger Distanz zu undemokratischen Politikern hält, deren „Durchschlagskraft“ er eher bewundert. Dem werden wir in Europa nur entgegenwirken können, wenn wir unsere positiven Werte – und dazu gehört nicht das egoistische Ausleben eigener Privilegien und sogenannter Rechte zu Lasten Anderer – vorleben, ohne sie zur Voraussetzung für gemeinsames politisches Handeln da zu machen, wo Interessengleichheit dies erfordert.

    Die Tragik des Januar 2017 bleibt allerdings, daß wir in diesem Monat gleich zwei „my-country-first-Reden“ gehört haben: May und Trump. Der Westen und seine Wertematrix werden aber in der globalisierten Welt nur bestehen können, wenn wir eben nicht in nationale Egoismen verfallen, sondern uns enger zusammenschließen – UNO, EU, NATO, TTIP, internationales Völkerrecht und Menschenrechtskonvention, etc, einerseits; aber andererseits auch Toleranz praktizieren und Spielraum schaffen, damit Entwicklungen wie in Ungarn oder Polen Ansporn zu diskreter Diplomatie mit dem Ziel des Zusammenhaltens und nicht Anlaß für überhebliche Moralpredigten und selbstgerechte Belehrung werden. Verantwortungsethik anstelle von Gesinnungsethik, Realitätssinn in politischen Konflikten bezüglich des Erreichbaren und der dazu möglichen „Partner“, Diplomatie anstelle von Besserwisserei, Öffnung nach außen unter Inkaufnahme nicht nur der erzielbaren Vorteile sondern auch der unvermeidlichen Nachteile, vor allem: Herstellung des nötigen politischen Gewichts neben dem vorhandenen wirtschaftlichen – das alles wird im „Zeitalter Trump“ für Europa entscheidend werden.
    Andreas Schwerdtfeger

    1. Lieber Herr Schwerdtfeger, Es ist sehr erfreulich, dass wir uns in der Einschätzung der politischen Lage nicht unbedingt einig sind, aber doch sehr nahe. Das bezieht sich auch auf Ihren Kommentar zu „NPD, Höcke und Trump …“. „Weinerlich“ empfinde ich das nicht, was ich geschrieben habe. Eher kommt es mir auf Klarheit an, damit die jetzt notwendige politische Auseinandersetzung auch kraftvoll geführt wird. Ihr Christian Wolff

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