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Verkehrte Welt

Man reibt sich verwundert die Augen:

  • Donald Trump will den Ukraine-Krieg in einem Tag beenden, jedenfalls noch vor seiner Einführung als neuer Präsident der USA, sollte es überhaupt dazu kommen (was der liebe Gott und die Wähler:innen in den Vereinigten Staaten verhindern mögen!).
  • Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán, der derzeit die EU-Rat Präsidentschaft innehat, begibt sich auf eigene Faust auf „Friedensmission“ in die Ukraine, nach Russland und China, sehnt sich Donald Trump als nächsten Präsidenten der USA herbei und begründet seine Motivation damit, dass die Waffen so schnell wie möglich schweigen müssen.
  • Der Spitzenkandidat der AfD in Thüringen Björn Höcke ruft bei der Eröffnung des Landtagswahlkampfes zu einer „großen überparteilichen Friedensbewegung“ auf und möchte, dass lieber heute als morgen die Gaslieferungen aus Russland in Gang gesetzt werden.
  • Sahra Wagenknecht und ihr BSW wollen sofort einen Waffenstillstand herstellen und plädieren ebenfalls für die Wiederaufnahme der Gaslieferungen aus Russland.

Alle Vorschläge werden gemacht von Leuten, die (bis auf Sahra Wagenknecht) ausgewiesene Demokratie-Zerstörer mit enormer krimineller Energie sind, nationalistisch-autokratischen Vorstellungen folgen und sich dabei im Einklang sehen mit dem, natürlich von ihnen definierten „Volk“. In diesem Sinn sind sie „natürliche Partner“ des Putin-Russland. Diese Gemengelage verdeckt völlig, worum es beim Ukrainekrieg geht. Russland hat diesen Krieg nicht vom Zaun gebrochen, weil es sich bedroht gesehen hat vom Westen oder der NATO. Das Putin-Russland verfolgt mit diesem Krieg seine nationalistisch-imperialistischen Ziele: die Herstellung eines großrussischen Reiches mit dem Anspruch, Weltmacht zu sein, bei gleichzeitiger ideologischer Gleichschaltung der Bevölkerung. Diesem Ziel stehen die inzwischen selbstständig gewordenen Teile der alten Sowjetunion wie die Ukraine, Belarus, Georgien, Moldawien dann im Wege, wenn sie ihre eigene Staatlichkeit verfolgen, sich zu freiheitlichen Demokratien entwickeln und langfristig Teil der EU werden wollen. Insofern verfolgt Putin mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine das Ziel, die Ukraine an einer eigenständigen Entwicklung zu hindern, den Autokratismus zu fördern und die westlichen Demokratien weiter zu destabilisieren.

Auf diesem Hintergrund ist mehr als auffällig: Alle oben aufgeführten Vorschläge, schnell zu einer Beendigung der kriegerischen Handlungen zu gelangen, haben weder die Bevölkerung der Ukraine, noch ihren politischen Willen, noch die Erhaltung der Staatlichkeit der Ukraine im Blick. Alle Vorschläge beziehen sich auf das Putin-Russland – so, als ob Putin „Opfer“ einer verfehlten Politik des Westens sei und nun in irgendeiner Weise besänftigt werden müsse (das jedenfalls ist immer der Unterton bei Sahra Wagenknecht).

Dennoch: Die ausschließlich auf die aktuelle Kriegführung und Waffenlieferungen ausgerichtete Politik der EU und Deutschlands ist mehr als gefährlich. Das gilt sowohl für das ideologisch aufgeheizte Stichwort „Kriegstüchtigkeit“ wie für den horrenden Ausbau der Rüstungsproduktion und die zwischen Präsident Joe Biden und Bundeskanzler Olaf Scholz abgesprochene Stationierung neuer Raketen auf deutschem Boden ohne jede Perspektive für Abrüstungsinitiativen und -verhandlungen. Gerade weil sich die militanten Vertreter des nationalistischen Autokratismus derzeit als Teil einer „Friedensbewegung“ aufspielen, gerade weil sich derzeit im Nahen Osten die katastrophalen Folgen rein militärischer Interventionspolitik auf grauenhafte Weise zeigen, gerade weil die Kriege der letzten Jahrzehnte nur verbrannte Erde und Unregierbarkeit ganzer Regionen nach sich ziehen, ist es unerlässlich, dass Deutschland seine Politik, auch die militärische Unterstützung der Ukraine, endlich in eine überzeugende, öffentlich kommunizierte Friedensperspektive für Europa einbettet.

Wir dürfen gerade als Sozialdemokrat:innen nicht länger zulassen, dass diejenigen, die aus sehr durchsichtigen Gründen die Ukraine den imperialistischen Interessen Russlands ausliefern wollen, sich jetzt in den Wahlkämpfen als „Friedensstifter“ aufspielen können, während sozialdemokratische Politik als „kriegstreibend“ diffamiert werden kann. Deswegen sollte Verteidigungsminister Boris Pistorius den Begriff „kriegstüchtig“ schnellstens aus seinem Vokabular streichen. Darum muss die Sozialdemokratie gerade im Blick auf die Ukraine Grundzüge einer europäischen Friedenspolitik kommunizieren – und zwar durch ihre Mandatsträger:innen. Darum brauchen wir eine selbstbewusste öffentliche Debatte um die – auch militärischen – Maßnahmen, die langfristig den Frieden sichern und vor allem Konsequenzen ziehen aus den verheerenden Fehlern kriegerischer Interventionspolitik in Afghanistan, Mali, Naher Osten. Doch den wichtigsten Beitrag kann heute schon jede:r für den Frieden leisten: hier, vor Ort für die freiheitliche Demokratie eintreten; hier, vor Ort den Menschen das Rückgrat stärken und für die Demokratie begeistern; hier, vor Ort keinen Millimeter vor den derzeit säuselnden Vertreter:innen eines nationalistischen Autokratismus zurückweichen. Resilienz, Widerstandsfähigkeit gegenüber den Versuchungen des Autokratismus wird nicht dadurch erzielt, dass man sich auf die Gewaltebene der Autokraten ziehen lässt. Resilienz wohnt den Werten inne, die Grundlage einer offenen, demokratischen Gesellschaft sind.

44 Antworten

  1. Zitat A. Schwerdtfeger: „Welch einen Unsinn schreiben Sie doch, Herr Wolff.“
    Zum wiederholten Male: Grundgesetz Artikel 1 + 2 / Schutz der Menschenwürde: Die Würde des Menschen ist unantastbar.
    Michael Käfer bringt es auf den Punkt: diese neurotisch basierten Würdelosigkeiten gegenüber Andersdenkenden, hochkonzentriert auf Chr. Wolff abgeschossen (AS hat einige Affinitäten zum Militärischen…) langweilen, ergo: diese Entgleisungen bringen uns allesamt nicht weiter, schaffen vor allem FRIEDEN auch im Kleinen mitnichten!!
    Warum eigentlich, Herr AS, besteigen Sie nicht schnellstens einen Zug via Moskau, klopfen im Kreml bei Putin an und machen ihm klar, dass er aufhören sollte, schnellstens. Keine ermüdende Rhetorik mit elendigen Verbalattacken, sondern handeln Sie, tun Sie etwas, gern auch im Duo mit Joh. Lerchner, der übrigens andere, seine komplexen Argumente im Blog fixiert, jedoch die Würde des Anderen nicht verletzt, eine elementare Regel des Anstands!
    Am 01. September ist übrigens Weltfriedenstag – denken Sie doch mal in aller Ruhe darüber nach, Herr AS!
    Jo.Flade

  2. Herr Plätzsch, Herr Schwerdtfeger, dem, der sich akut – also heute – bedroht sieht, verschaffen Sie keinen Schutz mit Waffen, die – nicht einmal einsatzbereit, siehe Wolfgang Richter – in zwei Jahren stationiert werden. Mir geht es um Glaubwürdigkeit, sowohl eine gegenwärtig abschreckende Waffenwirkung selbst betreffend als auch die Begründung, neue, zusätzliche Waffen zu stationieren mit ihrer spezifischen militärischen und politischen Bedeutung (auch als bevorzugtes Angriffsziel des Gegners). Gerade hinsichtlich der Wartezeit, in der diese angeblich erforderliche Abschreckung erst realisiert werden soll, finde ich den Stationierungsbeschluss der SPD-Bosse einfach nicht glaubwürdig. Naheliegend ist eher die Annahme, dass man einer schon lange existierenden strategischen Planung der US-Administration zu Willen sein möchte, auch unmittelbar vor den Landtagswahlen. So muss man selbst am wahlstrategischen Geschick unserer Spitzenkräfte zweifeln.

    Und, Herr Schwerdtfeger, Denkfehler in Ihrem Kartoffelbeispiel. Richtig geht es so: Sie fürchten heute zu verhungern, und ich würde Ihnen raten, sich auf die Kartoffeln in zwei Jahren zu freuen. Anstatt jetzt in Ihren vollen Kühlschrank zu gucken.

    Denn „Abschreckung“ war für mich immer die präsente Gewährung des atomaren Schutzschildes durch die USA, unterhalb dessen die Nato-Länder sich bestmöglich auf den konventionellen Krieg vorzubereiten hatten und haben (das durchaus im Sinne „si vis pacem . . .“) – seinerzeit in am Verhältnismäßigkeitsprinzip (!) ausgerichteten Eskalationsstufen („flexible response“). Mir leuchtet das alles ein bis heute. Nicht überzeugend fand ich jedoch, dass die Bundeswehr in den Siebziger Jahren das Verschießen atomarer Gefechtsfeldwaffen (155 mm) übte – bei der Reichweite von damals 18 km Prinzip „verbrannte Erde“ im eigenen Land ? Der ebenso bedenkliche Doppelbeschluss war immerhin mit dem Verhandlungsziel „beiderseitiger Verzicht“ verbunden. Dass eine solche Option jetzt von vornherein ausgelassen wird, kann natürlich ‘was mit fehlendem Vertrauen in Putins Vertragstreue zu tun haben.

    Darin sehe ich in der Tat ein Problem für Ukrainekrieg-Beendigungs-Verhandlungen. Wie Schwerdtfeger richtig schreibt, braucht es Sicherheitsgarantien. Aber Russlands ? Nach Minsk I, II ? Auch wenn ich nicht der Parole folge „die Ukraine darf einem Bündnis selbstbestimmt beitreten, wie sie es gerade möchte“, habe ich keine Vorstellung, wie der Ukraine jetzt noch Sicherheit gegenüber diesem Nachbarn garantiert werden soll ohne NATO-Beitritt. Bin gespannt auf Vorschläge.

    Und, Herr Schwerdtfeger, ich stelle klar, den von mir in dem Zusammenhang mit der unterschiedlichen Waffenexportneigung unseres Kanzlers nicht erwähnten Hamas-Überfall sehe ich als fürchterliches Verbrechen. Ich meine aber auch, dass es den Hardlinern der Hamas – diese nun mal Verwalter des Gazastreifens – schwerer gefallen wäre und fallen würde, genügend Personal zu finden für ihre Verbrechen, wenn Israel, insbesondere die israelischen Regierungen seit Jahren, sich bemüht hätten, ein weniger hervorragendes Feindbild abzugeben, ob durch Abriegelung des Gazastreifens, ob durch Unterdrückung im Westjordanland. Erklären Sie mal, was daran nicht „menschenfeindlich“ ist. Und erklären Sie bitte, was genau die „Terroristen-Taktik“ ist, auf die die Medien hereinfallen. Denn wo, bitte, kann man „jeden Tag Interviews von Palästinensern aus Gaza“ sehen ? Ich nehme es so wahr, dass jedenfalls westliche Medien keinen Zutritt zum Gazastreifen, sondern nur unkommentiertes Bild-Material von palästinensischen Journalisten im Gazastreifen zur Verfügung haben, nicht unbedingt täglich. Sollte man das also nicht zeigen, um nicht auf etwas – was ? – hereinzufallen ?

    An denen, die dezidiert Pro-Israel sprechen, fällt mir auf (nicht repräsentativ) die Faktenferne bzw. die Weigerung, sich mit Fakten, mit denen man sie konfrontiert, zu befassen – „keine Zeit“, „Propaganda“. Sollten Sie es so halten, sehr geehrter Herr Schwerdtfeger, dann ist es auch in Ordnung.

  3. Noch kurzer Zusatz: Das „Ammenmärchen “ „Putin-Russland ist Opfer“ haben Sie, sehr geehrter Herr Wolff, ja selbst erfunden um es dann bekämpfen zu können.
    Herr Lerchner hat das soweit ich es überfliegen konnte nicht behauptet. Netter Trick :etwas überspitzen, dramatisieren um es unglaubwürdig zu machen.

  4. Sie haben mir Ihrer Argumentation völlig Recht, Herr Lerchner, und Wolffs These, man mache damit Russland zum Opfer, ist ziemlich falsch. Auch wenn der Westen wesentlich zur Vermeidung dieses Krieges hätte beitragen können, bedeutet dies schließlich nicht, dass man die russische Aggression billigte. Und dass Putin nach Beginn seines Krieges für eine Begründung desselben sucht, ist nachvollziehbar auch dann, wenn wir diese Begründung nicht teilen und unsererseits als „aggressiv“ ansehen. Der Westen hat mit seiner ständigen NATO-Annäherung an Russland einen strategischen Fehler gemacht, der bezüglich des Baltikums und Polens, möglicherweise auch Rumäniens und Bulgariens aus historischen Gründen noch erklärlich und also richtig gewesen ist. Mit der Ukraine und Georgien, auch mit Moldavien (wo ja noch russische Truppen stehen) war eben für Russland der Bogen überspannt, weil sehr konkrete russische Interessen im Schwarzmeerraum (zB die seit Jahrhunderten russische Marinebasis Sevastopol) tangiert sind. Die NATO hätte das erkennen müssen. Aber die damalige russische strategische Schwäche hat zu weltpolitischer Arroganz geführt, die Russland zwar nicht zum Opfer macht, die aber das russische Verhalten bis zu einem gewissen Grad erklärt. Es gäbe durchaus auch einige Beispiele aus dem Gebiet der erst schwächelnden und dann aufgegebenen Rüstungskontrolle (zB der KSE/AKSE-Vertrag), wo der Westen sich nicht sehr kooperativ verhielt.
    Nun rechtfertigt ein Fehlverhalten der einen Seite natürlich nicht eine kriegerische Aggression der anderen Seite, auch rechtfertigt die erste gewaltsame Veränderung von Grenzen in Europa im Kosovo durch die NATO nach dem Kriege nicht eine zweite solche Grenzänderung. Leider aber zeigt dieses Beispiel doch, dass wir im Westen die Lage durch eine einseitige Brille sehen – und dies behindert den Prozess der Problemlösung, d.h. der Wiederherstellung des Friedens (im Falle des Israel-Problems ist das ja ähnlich mit dem verzweifelten Festhalten an der längst toten Zwei-Staaten-Lösung).
    Es geht also um die Lösung. Und diese kann natürlich nicht die Wagenknecht’sche sein (oder die der AfD), dass man auf Verteidigung hier oder in der Ukraine verzichtet oder sich bei Putin anbiedert. Es kann auch nicht die Wolff’sche sein, dass man der Ukraine alles Gute wünscht, Putin aggressiv und mit wenig christlichen Vokabeln verdammt und dann über Waffen und Rüstung kenntnislos daher zieht, als könne man diese aus der Welt schaffen. Die Lösung liegt wohl eigentlich in der Entwicklung eines Konzepts zum künftigen Aussehen des europäischen Kontinents unter Beteiligung aller entsprechenden Staaten. Zu Zeiten Breschnews, der auch ein Aggressor war (Tchechoslowakei, Afghanistan, ständige Bedrohung Polens), hat der Westen das noch verstanden und so einen vergleichsweise sicheren Frieden UND den Beginn wirksamer Rüstungskontrolle auf der Basis eigener Stärke bei gleichzeitiger Verhandlungsbereitschaft, der Anerkennung der Stärke der Gegenseite und dem Verzicht auf unnötiges Moralisieren erreichen können (denn jeder wusste ja, dass man den KSZE-Korb 3 sehr unterschiedlich interpretieren würde). Heute – man sieht es an der Wolff’schen Rhetorik – halten wir uns für die einzig Wahren, Guten und Schönen – und auf DER Basis ist schlecht Realpolitik machen, insbesondere wenn man (Berechtigung hin oder her) genau das macht, was man dem Gegner vorwirft: Nur die eigene Maximalposition als Voraussetzung für Verhandlungen zu akzeptieren.
    Im Falle Ukraine plädiere ich daher dafür, die Ukraine weiter militärisch zu unterstützen; gleichzeitig die Ukraine davon zu überzeugen, dass der Westen insgesamt ein Interesse an Frieden auf dem Kontinent (der RUS einschließt) und an gemeinsamem Handeln gegen die Monopolansprüche Chinas hat; dass die augenblickliche moralische Politik des Westens uns auch gegenüber dem globalen Süden langfristig schwächen wird und dass deswegen auf der Basis der militärischen Stärke ein Kompromiss mit Russland gefunden werden muss. Dieser sollte umfassen: Waffenstillstand ohne Anerkennung von Eroberungen (aber mit einem Lösungsangebot in Sachen Sevastopol); Gefangenenaustausch und Rückführung entführter Kinder; Zusagen Russlands zu mindestens teilweiser Entschädigung der Ukraine und zur Bereitschaft, über besetzte Gebiete unter internationaler Aufsicht zu verhandeln; Verzicht der Ukraine auf NATO-Mitgliedschaft bei gleichzeitigen anderweitigen Sicherheitsgarantien (auch durch Russland); wirtschaftliche Vereinbarungen auf trilateraler Basis – RUS, UKR/(Georgien), EU.
    Solange wir jedenfalls nichts Besseres tun, als im Wolff’schen Stil immer neue Beleidigungen an Putins Adresse zu schicken (seien sie aus unserer Sicht noch so berechtigt), solange nähren wir aus Rechthaberei einen Krieg, der wohl auf Dauer – siehe Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit – in einer Niederlage enden könnte, weil, wir wissen es ja, die Gesellschaft und die Medien aus Ermüdung und Desinteresse sowie aus German Angst irgendwann die Seiten wechseln (auch hier ist Israel leider ein gutes Beispiel).
    Andreas Schwerdtfeger

    1. Es ist immer wieder auffällig, dass die Bevölkerung, also die Bürger:innen der Ukraine, in all den Überlegungen überhaupt keine Rolle spielen – weder bei Herrn Schwerdtfeger, noch bei Herrn Lerchner, und schon bei gar nicht bei Sahra Wagenknecht. Offensichtlich ist völlig aus dem Blick geraten, dass Putin seinen militärischen Überfall damit begründet hat, die Ukraine von Nazis zu säubern und zu befreien: „Wir werden uns bemühen, eine Entmilitarisierung und Entnazifizierung der Ukraine zu erreichen.“ Dieses Narrativ hat wesentlich zur Akzeptanz des Krieges in Russland beigetragen. Es zeigt aber gleichzeitig den imperialen, dikatorischen Charakter des Kriegszugs, der keinerlei Rücksicht auf den demokratischen Willen der ukrainischen Bevölkerung nimmt. Solange man die Ukraine als Manövriermasse zwischen Russland und den USA, der NATO ansieht, wird es schwierig mit Verhandlungen.

      1. Welch einen Unsinn schreiben Sie doch, Herr Wolff: Wenn also jemand für das Ende des Waffeneinsatzes plädiert, dann ist er „gegen die ukrainische Bevölkerung“. Im Fall Gaza ist dann die Argumentation genau umgekehrt: Aus Rücksicht auf die Palästinenser muss Israel sich künftige Aggression und Terrorismus weiter gefallen lassen! Ich schrieb schon vor langem:
        • die ukrainischen Kriegsziele müssen nicht identisch sein mit denen der NATO, weil die Ukraine nach Raum und Zeit auf ihr Territorium schaut, die NATO dagegen unter globalstrategischen Gesichtspunkten weit umfassender denken und handeln muss.
        • Die Nato muss also unter Berücksichtigung der Bedürfnisse ihres Quasi-Verbündeten Ukraine ihre eigenen Interessen verfolgen. Dies hat nichts zu tun mit der Vernachlässigung der ukrainischen Bevölkerung – wie ja auch meine (sicher sehr unvollständigen) Vorschläge für Lösungsansätze zeigen.
        • Russland wie in der Vergangenheit in europäische Sicherheit mit einzubinden ist pro-ukrainische Politik und deshalb ist der Ausdruck „Manövriermasse“ völlig unangebracht.
        Aber es ist eben wie es immer ist: Die Ideologen des Friedens – die Gutmenschen also – bieten keine konkrete Lösung; schimpfen auf alle, die das tun, weil Lösungen nie vollständig zugunsten einer Seite sind; heucheln sich zwischen Verdammung von Waffen und Selbstverteidigung durch; erheben sich zu Moralaposteln mit weißer Weste über die, die Verantwortung übernehmen und also auch Schuld auf sich laden; und verlängern die Probleme – in diesem Falle nach Wolff: Der Krieg soll ruhig weitergehen, solange die Ukraine im Recht ist. Wichtiger ist, gemeinsam den Aggressor zu beschimpfen. Gäbe es eine Chance für „unconditional surrender“ Russlands, dann wäre das ja eine Option. Aber gibt es die?
        Andreas Schwerdtfeger

          1. Sie gehen nie auf Argumente ein – nur die Ausreden sind unterschiedlich. Und die Ausrede, mit der Sie Mitdiskutanten auf Ihr Vokabellexikon festlegen wollen, ist vielleicht die schwächste. Aber wer auf den Standpunkt steht, dass das Bemühen um Frieden mit diplomatischen Mitteln bei gleichzeitiger Stärkung der ukrainischen Verteidigung die Ukrainer zur „Manövriermasse“ macht und „Politik über ihre Köpfe“ ist – ja, der stellt eben Ideologie und Rechthaberei über das praktisch Notwendige und Machbare. Erstaunlich nur, dass dieser Mangel an Empathie ausgerechnet von einem Pfarrer kommt. Religion ist wohl eben unerbittlich! Ich dagegen werde widerlegt sein, wenn die Ukraine Russland vollständig besiegt hat, man wieder aufbauen und die Opfer vergessen kann – vielleicht ein zu hoher Preis?
            Andreas Schwerdtfeger

        1. Woran ich merke, dass ich immer älter werde?
          Nun, es gab Zeiten, da haben mich Beiträge von H. Schwerdtfeger, ob Ihrer Chuzpe und meist herablassenden Kritik an Christian Wolff und anderen, noch aufgeregt. Heute langweilen sie nur – stets vorhersehbar, mit immer gleichen Attributen und „sachlichen Argumenten“. Jetzt aber, quasi als Krönung, (13.8., 13:38 Uhr): „Welch einen Unsinn schreiben Sie doch, Herr Wolff“.
          Und das aus der Feder des großen Zeitgeistes , der doch von sich behauptet, „sich schon immer für eine verbale Abrüstung eingesetzt zu haben“
          Bisweilen wünschte ich, er würde dem Ratschlag des großen Dresdner Autors Uwe Tellkamp folgen. Der hatte ihn im Dezember 2023 gefragt, warum er sein Talent weiter im Blog dieses bornierten Wolff (in dem auch der noch borniertere Käfer schreibt) denn verschwende…

      2. Wenn man an die Bevölkerung der Ukraine denkt und an das Land ist der Friede d as Wichtigste . Diejenigen ( etwa so: https://www.youtube.com/watch?v=T2ttzdBZLFY) die den Krieg vom Sofa aus über 4eckige Geräte verfolgen vergessen, dass dort t ä g l i c h 500 – 2000 Ukrainische Männer im Schützengraben sterben. Wir reden hier also von mindestens 500000 Toten und 3X sovielen Schwerverletzten. Dazu kommt eine Verwüstung des Landes, von Städten und der Infrastruktur. Dieser Krieg ist von der Ukraine nicht zu gewinnen und außerhalb unserer veröffentlichten Meinung kann man auch sehen, dass die Russen langsam aber beständig vorrücken. Gebietsgewinne und Verluste verhalten sich wie 10 :1 für die Russen. . https://www.youtube.com/watch?v=5NZu9Brb5rk
        Mit jedem Tag , jeder Woche… die der Krieg weitergeht,wird die Position der Ukraine schlechter. Jede Woche sterben weitere 5000 Ukrainer, jeden Monat weitere 20000. Neue Wunderwaffen aus dem Westen verlängern nur das Leiden und erweisen sich auf dem Schlachtfeld eben nicht als „gamechanger“. Der Leopard brennt genauso gut wie jeder andere Panzer, die F16 ist auch nur ein fliegender Sarg……
        Ein gr0ßerTeil der Ukrainischen Bevölkerung weiß das längst: Mehrere 100000 Wehrpflichtige haben sich durch Flucht in die EU (gut nachvollziehbar) dem Fronteinsatz entzogen. Ein Frieden vor 1 Jahr wäre besser als vor 1/2 Jahr und dieser besser als in 1/2 Jahr gewesen.

        Lieber Herr Wolff, wenn man andere gut belegte Meinungen als Ammenmärchen bezeichnet fördert das nicht geraden die Diskussionskultur.

        Hier können Sie sich einen Kurzen Ausschnitt einer Rede eines US geopolitischen Thinktanks anhören. Das ganze
        ist ca. 10 Jahre alt und beschreibt die zukünftige Entwicklung auf eine für den Wertewesten nicht gerade schmeichelhafte Art und Weise.
        George Friedman, ist der Chef von Strategic Forecasting Inc. (abgekürzt Stratfor), ein führender privater US-Think Tank, der u.a. Analysen zur Geopolitik erstellt. Während der Pressekonferenz beim Chicago Council on Global Affairs (2015) wird die US-amerikanische globale Strategie besonders auch in Bezug auf Europa und Deutschland sehr klar und deutlich offengelegt.
        https://www.youtube.com/watch?v=vln_ApfoFgw

        1. Über die Schrecken des Krieges müssen wir nicht streiten. Es ist für jeden Nichtbeteiligten unvorstellbar, was kriegerische Gewalt anrichtet. Die Generation, die den 2. Weltkrieg miterlebt hat, wusste das. Darum waren Brandt und Schmidt der Überzeugung, dass man lieber 1000 mal reden soll, als einmal schießen. Nach dieser Maxime haben auch Scholz und Macron gehandelt und sind nach Moskau gefahren, um mit Putin zu reden. Nur: Was, wenn dann doch einer die Knarre in die Hand nimmt und einen Krieg beginnt? Das ist die Situation des 24.02.2024 gewesen. Natürlich muss auch jetzt alles getan werden, um den Krieg lieber heute als morgen zu beenden. Gleichzeitig muss der Aggressor zurückgedrängt bzw. zum Aufgeben seiner Aggression gedrängt werden.

  5. Wesentliche Prämissen der Wolff’schen Ausführungen sind m. E. anzuzweifeln:

    John J. Mearsheimer hat dieser Tage zusammengefasst und erläutert, was gegen die gängige These spricht, Russlands Invasion ziele darauf ab, die gesamte Ukraine zu erobern und sie zum Teil eines Großrusslands zu machen; in Osteuropa ein Imperium zu errichten, ähnlich wie es die Sowjetunion war, sobald dieses Ziel erreicht ist; und Putin ein Imperialist mit einem Masterplan sei, der sich nahtlos in eine reiche expansionistische Tradition Russlands einfügt (https://mearsheimer.substack.com/p/who-caused-the-ukraine-war?utm_source=post-email-title&publication_id=1753552&post_id=147357385&utm_campaign=email-post-title&isFreemail=true&r=25sftg&triedRedirect=true&utm_medium=email).

    Erstens: Es gibt keine Beweise aus der Zeit vor dem 24. Februar 2022 dafür, dass Putin die Ukraine erobern und sie in Russland eingliedern wollte. Um zu beweisen, dass Putin entschlossen war, die gesamte Ukraine zu erobern und sie in Russland einzugliedern, muss man zeigen, dass er (a) dies für ein erstrebenswertes Ziel hielt, (b) er es für ein machbares Ziel hielt und (c) dass er beabsichtigte, dieses Ziel zu verfolgen. Nichts davon ist möglich. Die Rede Putins auf der MSC 2007 als Beleg heranzuziehen (Flade), ist Nonsens. Dagegen gibt es Hinweise dafür, dass Putin die Ukraine als unabhängigen Staat anerkannt hat.

    Zweitens: Es gibt keine Beweise dafür, dass Putin eine Marionettenregierung für die Ukraine vorbereite, prorussische Führer in Kiew kultiviere oder politische Maßnahmen verfolgte, die es ermöglichen würden, das ganze Land zu besetzen und in Russland zu integrieren.

    Drittens: Putin hatte nicht annähernd genügend Truppen, um die Ukraine zu erobern. Die russischen Invasionstruppen in einer Stärke von 100.00 bis 190.00 Mann waren der von der NATO ausgebildeten ukrainischen Armee quantitativ und qualitativ deutlich unterlegen.

    Viertens: Putin versuchte, in den Monaten vor Kriegsbeginn eine diplomatische Lösung für die sich zusammenbrauende Krise zu finden. Erinnert sei an die Briefe an Joe Biden und Stoltenberg mit folgenden Forderungen: (1) Ukraine darf der NATO nicht beitreten, (2) keine Offensivwaffen in der Nähe der russischen Grenze stationieren, (3) Zurückverlegung von NATO-Truppen und –Ausrüstungen auf den Stand von 1997.

    Fünftens: Friedensverhandlungen unmittelbar nach Kriegsbeginn. Abzug russischer Truppen aus dem Gebiet Kiew als Geste guten Willens.

    Sechstens: Es gibt nicht den geringsten Beweis dafür, dass Putin die Eroberung anderer Länder in Osteuropa in Erwägung zog.

    Siebtens: Bis zum Beginn der Ukraine-Krise hat kaum jemand behauptet, Putin habe imperiale Ambitionen. So war Putin noch im April 2008 geladener Gast beim NATO-Gipfel in Bukarest. Mit dem 22. Februar 2024 wurde er plötzlich zum imperialen Aggressor. Die abrupte Wendung in der Rhetorik erfolgte erst mit Ausbruch der Ukraine-Krise. Erst dann wurde Putin als gefährlicher Führer mit imperialen Ambitionen und Russland als ernsthafte militärische Bedrohung beschrieben. Offenbar will hier jemand von der Mitverantwortung für die Krise freigesprochen werden.

    Mearsheimer benennt auch Hauptgründe für die Annahme, dass die NATO-Erweiterung die Hauptursache für den Ukraine-Krieg ist:

    Erstens: Die russische Führung hat vor Beginn des Krieges wiederholt erklärt, dass sie die NATO-Osterweiterung in die Ukraine als existentielle Bedrohung betrachtet. Das Argument, der Westen hätte vor dem Krieg der Aufnahme der Ukraine in die NATO wenig Aufmerksamkeit geschenkt und es hätte sowieso keine Chance gegeben, dass die Ukraine in absehbarer Zeit in die NATO aufgenommen wird, ist nicht stichhaltig. Seit 2014 erfolgten eine Ausbildung des ukrainischen Militärs nach NATO-Standards (jährlich 10.000 Mann), umfangreiche Waffenlieferungen sowie gemeinsame Militärübungen. Joe Biden, 14.06.2014: „Wir bekräftigen die auf dem Bukarester Gipfel 2008 getroffene Entscheidung, dass die Ukraine Mitglied des Bündnisses wird.“ Unterzeichnung der „US-Ukraine Charter on Strategic Partnership“ (Kuleba und Blinken, 10.11.2021) mit dem Ziel der vollständige Integration der Ukraine in die europäischen und euroatlantischen Institutionen.

    Zweitens: Eine beträchtliche Anzahl einflussreicher und hochangesehener Personen im Westen erkannte bereits vor dem Kriege, dass die NATO-Erweiterung – insbesondere in die Ukraine – von der russischen Führung als tödliche Bedrohung angesehen werde. Zahlreiche amerikanische Politiker und Strategen lehnten in den 1990er Jahren die Entscheidung Bill Clintons ab, die NATO zu erweitern. Die russische Führung würde dieses als Bedrohung ihrer vitalen Interessen ansehen und es bestünde die Gefahr, dass dieses in eine Katastrophe führen würde.

    Drittens: Die zentrale Bedeutung der tiefen Angst Russlands vor einem NATO-Beitritt der Ukraine wird in folgenden Entwicklungen deutlich: Während der Istanbuler Verhandlungen machten die Russen unmissverständlich klar, dass die Ukraine eine „dauerhafte Neutralität“ akzeptieren müsse und nicht der NATO beitreten könne. Die Ukraine akzeptierte diese Forderung. Dass Kiew offiziell erklärt, seine Pläne für einen NATO-Beitritt aufzugeben, ist wesentlicher Punkt der Forderungen Putins vom 14. Juni 2024 für einen Waffenstillstand und die Aufnahme von Verhandlungen zur Beendigung des Krieges.

    Die meisten der Mearsheimer’schen Argumente sind nicht neu und haben hier in der Debatte schon verschiedentlich eine Rolle gespielt. Umso bemerkenswerte ist es, mit welcher beispiellosen Ignoranz immer wieder die gleichen Phrasen gedroschen werden. Es liegt der Verdacht nahe, dass es dabei nicht um Erkenntnisse geht, sondern eher darum, ohne Bezug zur Realität mit Macht und in unlauterer Weise, bestimmte Narrative durchzusetzen. Aus welchen Gründen auch immer.

    1. Putin-Russland ist Opfer … es ist mir unbegreiflich, wie Sie uns dieses Ammenmärchen in allen Variationen immer wieder neu aufzutischen versuchen. Putin hat zu Beginn seines Angriffskriegs unmissverständlich ausgeführt, was er von der Ukraine hält: „+++ Putin bezeichnet Ukraine als »historisches russisches Gebiet« +++ 20.33 Uhr: Russlands Präsident Wladimir Putin hat am Montagabend in einer Fernsehansprache an die Nation die Ukraine als »historisches russisches Gebiet« bezeichnet. Das Land sei »ein integraler Bestandteil der eigenen Geschichte«, sagte das Staatsoberhaupt. Die Ukraine habe keine Tradition der Eigenstaatlichkeit. Der Kollaps der Sowjetunion 1991 habe Russland in eine schwierige Lage gebracht. In dessen Folge sei es ein Fehler gewesen, die Ukraine und weitere Sowjetrepubliken in die Unabhängigkeit zu entlassen. »Wir haben diesen Republiken das Recht gegeben, die Union ohne Bedingungen zu verlassen«, sagte Putin. »Das ist einfach Wahnsinn.«“ (DER SPIEGEL vom 22.02.2022) Außerdem möchte ich nur verweisen auf die brutale Niederschlagung der Demokratie-Bewegung in Belarus nach den gefälschten Präsidentschaftswahlen 2020/21.

    2. “ Putin hatte nicht annähernd genügend Truppen, um die Ukraine zu erobern. Die russischen Invasionstruppen in einer Stärke von 100.00 bis 190.00 Mann waren der von der NATO ausgebildeten ukrainischen Armee quantitativ und qualitativ deutlich unterlegen.“
      ___________________________________________________________________

      Warum erteilte Putin den Angriffsbefehl? Weil er sich nicht im Klaren war, dass die ukrainischen Truppen vom Westen gut ausgebildet waren und eine hohe Kampfmoral besitzen, während seine Truppen veraltete Befehlsstrukturen aufweisen. Das bewahrheitet sich jetzt wieder bei dem Vorstoß des ukrainischen Militärs bei Kursk. Die Russen können nicht improvisieren, handeln nur beim Vorhandensein militärischer Pläne.

  6. „Eine in zwei Jahren realisierte Abschreckung schützt nicht vor heute bestehender Bedrohung“ – schreibt uns Hoellger und das ist so, als würde man sagen, der Kauf einer Kartoffel heute kann uns nicht vor dem Hunger morgen schützen.
    Er schreibt uns auch, dass eine Stationierung weitreichender konventioneller Waffen Russland eine Begründung für auswärtige Bedrohung liefern könne. Das ist so, als würde man sagen, meine Entscheidungen unterliegen der Kontrolle und Zustimmung eines als gefährlich empfundenen Gegners. Immerhin will ich nicht bestreiten, dass die Berücksichtigung von Gegenreaktionen auf eigene Entscheidungen natürlich ein vernünftiges strategisches Muss ist.
    Wie immer ist der Beitrag Richters in der Tat sehr lesenswert. Richter argumentiert bei herausragender Sachkenntnis überwiegend formal: Bilateralität anstelle von Multilateralität (NATO); Exekutivbeschluss an Stelle parlamentarischer Debatte; konventionelle Bewaffnung im Gegensatz zur nuklearen Nachrüstungsdebatte in den 80er Jahren; kein paralleles Verhandlungsangebot zur Abrüstung. Dies alles sind gewichtige und berechtigte Argumente. Die Frage nach der Notwendigkeit der geplanten Waffenkategorie in einem flexiblen Abschreckungsarsenal ist nachvollziehbar und kann sicherlich unterschiedlich beantwortet werden. Die Sorge, Deutschland würde dadurch zum Ziel, scheint mir weniger nachvollziehbar, denn im geopolitischen Kontext ist Deutschland sowieso Ziel, wenn man Putin Angriffsabsichten größeren Stils gegen die NATO unterstellt.
    Hoellger schrieb uns auch schon „von der menschenfeindlichen Politik der gegenwärtigen israelischen Regierung“, ohne die Hamas zu erwähnen, die mit ihren Terroristen ständig die eigene Bevölkerung als Geisel nimmt (ganz abgesehen von den israelischen Geiseln) und die eigentliche Ursache für dieses „menschenfeindliche israelische Verhalten“ ist. In Israel ist die Lage so, dass seit dem 7. Okt ’23 Tausende Israelis vertrieben sind; dass in Gaza israelische Menschen in Tunnels festgehalten werden, deren Befreiung durch Verhandlungen ein offensichtlich unrealistisches Ziel ist, da die Hamas sich dieses Erpressungspotentials niemals vollständig entblößen wird, und dass die Hamas-Terroristen den von den Israelis gesteuerten Flüchtlingsbewegungen in Gaza zu deren Schutz immer sofort folgen und dadurch die eigene Bevölkerung zusätzlich und bewusst als Geisel und Schutzschild missbrauchen. Und die Medien fallen ja auch drauf rein: Jeden Tag Interviews von Palästinensern aus Gaza, selten bis gar nicht Bilder/Gespräche aus Nord-Israel: Die Terroristen-Taktik geht auf!
    Und was die Vokabeln angeht, lieber Herr Hoellger, haben Sie vielleicht schon selbst bemerkt, dass „begrenzt“ oder „geringstmöglich“ Alibi-Ausdrücke sind und eben nicht Verhältnismäßigkeit beschreiben. Eine derart komplizierte Materie wie Abschreckung, Verteidigung und Rüstungskontrolle muss sich an beschreibbaren Kriterien (Bedrohung, Raum und Zeit, Absichten und Fähigkeiten, etc) orientieren und messen lassen und kann nur in Beziehung zu diesen qualitativ und quantitativ beschrieben werden. Dies aber leistet zwar Richter, nicht aber Wolff, und deshalb sind dessen Anmerkungen zu diesen Fragen, wie ja auch sein Kontext zeigt, unseriös.
    Andreas Schwerdtfeger

  7. So wird in Sachsen für die Landtagswahl zum 1. Sept. (Weltfriedenstag) Politik propagiert; dies nicht nur mal so als eine Info in die Runde, wohin die politische Kultur hingeraten ist:

    „Sollen die Kriegstreiber ihre Politik selber ausbaden. Wir Sachsen setzen uns für Frieden und den Ausgleich mit allen europäischen Völkern ein. Aggressiver NATO-Aufrüstung und Scharfmacherei erteilen wir eine klare Absage. Es muss endlich auf Dialog gesetzt werden, die Initiativen von Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán zeigen, wie Außenpolitik funktioniert.

    Wenn die Berliner Politiker weiter das Säbelrasseln betreiben und sich darauf vorbereiten möchten, bis 2029 in Deutschland kampfbereit zu sein, erteilen wir ihnen eine klare Absage. Auch bei der Landtagswahl am 1. September. Wir Sachsen machen bei ihrem Krieg nicht mit!“…

    FREIE SACHSEN: Folgt uns bei Telegram! http://t.me/freiesachsen

    PS/
    Und auf den Plakaten der FS wird allerorten öffentlich gemacht und gefordert:
    „GRÜNE an die Ostfront“.

  8. Hier der Link zu dem RND-Kretschmer-Interview: https://ogy.de/h6qs

    Scharfe Kritik an den Aussagen von Kretschmer gab es auch vom Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marcus Faber (FDP). »Es widert mich an, wie ein Ministerpräsident den Überlebenskampf der Ukrainerinnen und Ukrainer für seinen Regionalwahlkampf benutzt«, sagte Faber. Die deutschen Waffenlieferungen würden der Ukraine dabei helfen, sich zu verteidigen. Das würden sie nicht aus Kriegslust tun, »sondern weil sie nicht in einem großen Butscha leben wollen, in dem die russische Armee wahllos mordet, foltert und vergewaltigt«, so Faber weiter.
    © spiegel.de 9. 8. 24 https://ogy.de/rm3h

    Besser kann man es nicht ausdrücken. Leider rangiert die F.D.P. in Sachsen unter „Sonstige“, und eine Stimme für sie wäre verschenkt.

  9. „Wir können nicht länger Mittel für Waffen an die Ukraine in die Hand nehmen, damit diese Waffen aufgebraucht werden und nichts bringen. Es muss alles im Verhältnis stehen.“

    MP Kretschmer lt. ZDF vom 9. 8. 24 https://ogy.de/3cwr

    Das ist wenigstens mal eine ehrliche Aussage, und nicht immer der hohe moralische Standpunkt von wegen Verhandeln, Einfrieren und Waffenstillstand. Selbstverständlich „brachten“ die bisherigen Waffenlieferungen „etwas“, nämlich den Bestand der Ukraine als souveräner Staat.

    Mein Wahlbrief ist glücklicherweise raus, wobei die SPD-Kandidatin meines Wahlkreises, die linksradikale Irena Rudolph-Kokot, für mich ohnehin unwählbar wäre.

  10. Der von Ihnen, lieber Herr Lerchner, empfohlene Artikel von Wollfgang Richter ist wirklich lesenswert. Aber über aktuell laufende Stabilitätsgespräche, so hatte ich Sie verstanden, habe ich nichts gefunden. Und, lieber Herr Plätzsch, eine in zwei Jahren realisierte Abschreckung schützt nicht vor heute bestehender Bedrohung. Also trägt diese Begründung nicht für den Stationierungsplan, der dann auch nicht, wie weiland der Doppelbeschluss, ausdrücklich in Abhängigkeit zu einem von der Gegenseite geforderten Verzicht auf Aufrüstung gestellt ist. Das mit den Bastarden und eigener Stärke empfinde ich im Bereich von Nuklearwaffen unvernünftig.

    1. Die auf offizieller diplomatischer Ebene stattfindenden bilateralen strategischen Stabilitätsgespräche sind zwar ins Stocken geraten (Richter, S. 12), unterhalb dieser Ebene gäbe es aber immer noch einen Stabilitätsdialog im informellen Track-II Format (S. 13) mit dem Ziel, Vereinbarungen zur Aufrechterhaltung des strategischen Gleichgewichts zu erreichen. Ich war etwas unpräzise.

    2. Herr Hoellger, dass die Stationierung konventioneller neuer US-Mittelstreckenraketen in Deutschland erst in 2 Jahren abgeschlossen sein wird, ist zwar bedauerlich, aber offenbar nicht zu ändern. Putin wird seine Armee vorher nicht wieder angriffsbereit gemacht haben, so dass der späte Stationierungszeitpunkt nicht ins Gewicht fällt. Ich habe nicht von Kernwaffen gesprochen, insofern sei mir eine flapsige Bemerkung gestattet.

  11. Meine Erwartung, gerichtet an Herrn Lerchner und an Herrn Schwerdtfeger, lautet, die eigenen Widerworte jeweils zu bedenken, die dem Wolff’schen Appell gelten, maßzuhalten bei Produktion, Stationierung und Dislozierung insbesondere strategisch bedeutsamer Waffen.
    Von welchen trotz Ukraine-Krieg noch existierenden bilateralen strategischen Stabilitätsgesprächen USA-Russland sprechen Sie, Herr Lerchner ? Welches strategische Gleichgewicht ist – auch aus der Sicht Russlands – überhaupt noch zu unterminieren in Anbetracht der dynamisch für Ungleichgewicht sorgenden russischen Absicht, die Ukraine vollständig zu unterwerfen ?
    Und, Herr Schwerdtfeger, was am Begriff „geringstmöglicher Gewalteinsatz“ ist emotional und unpräzise ? „Geringstmöglich“ ist d e r Ausdruck für Verhältnismäßigkeit, die neben der Voraussetzung der Erforderlichkeit oberste Richtschnur sein muss, ob bei polizeilichen Maßnahmen, ob bei Rüstungs- und Stationierungsentscheidungen. Ihre Sachkenntnis in allen Ehren, aber ist Ihnen denn (a) klar, wie eine plötzlich für nötig gehaltene Raketenstationierung in zwei Jahren h e u t e abschrecken soll, und ist Ihnen (b) nicht klar, dass sie der jetzt schon aggressiven russischen Kamarilla eine weitere Begründung für das angebliche Bedrohtsein Russlands liefert ?

    1. Herr Hoellger, leider brauchen Rüstungsprojekte Zeit. Wenn man sie jedoch ganz unterließe, gewährte man den Russen uneinholbare Fortschritte. So basteln sie schon jetzt an Raketen, die einen Atomreaktor an Bordhaben und damit jeden Punkt auf der Erde erreichen können. Oder denken Sie an die Hyperschallrakete „Kinschal“, auch wenn deren Einsatz in der Ukraine nur begrenzte Wirkung zeigte.

      „und ist Ihnen (b) nicht klar, dass sie der jetzt schon aggressiven russischen Kamarilla eine weitere Begründung für das angebliche Bedrohtsein Russlands liefert ?“
      ________________________________________________________________

      Was Putin und seine Spießgesellen für antiwestliche Propaganda machen, sollte uns nur wenig kümmern. Nur durch Stärke sind diese Bastarde zu beeindrucken.

    2. Sehr geehrter Herr Hoellger,

      bei meiner Kritik am Beschluss zur Stationierung landgestützter Raketen in Deutschland habe ich mich stark an die jüngste Arbeit von Wolfgang Richter gehalten. Sie kann nunmehr direkt von der Webseite der Friedrich-Ebert-Stiftung geladen werden (https://library.fes.de/pdf-files/bueros/wien/21371.pdf). Jeder der sich tiefgehender dafür interessiert, inwieweit die geplante Raketenstationierung Rüstungskontrollmaßnahmen tangiert, sollte den Text lesen. Eine seriösere Quelle ist wohl kaum denkbar.

      Wie in dem Text von W. Richter erläutert, geht es bei den genannten bilateralen strategischen Stabilitätsgesprächen zwischen den USA und Russland letztendlich um die Bedingungen für eine Fortsetzung des New START-Vertrages, der unlängst bis zum Februar 2026 verlängert worden war. Knackpunkt ist eine gemeinsame Definition des Begriffs „strategische Stabilität“. Bisher „umfasste er vor allem das strategische Gleichgewicht der „Triade“ von Nuklearwaffenträgern mit interkontinentaler Reichweite (ICNBM, SLBM, schwere Bomber) und er dazugehörigen dislozierten Sprengköpfe“. Dafür wurden zuletzt Obergrenzen festgelegt. Gestritten wird u. a. darüber, inwieweit die durch die NATO-Osterweiterung ermöglichte Stationierung von Kurz- und Mittelstreckenraketen an Russlands Grenzen und die Lieferung weitreichender Waffen an die Ukraine als strategisch relevant anzusehen sind. Das wäre nunmehr auch für die neu zu stationierenden Mittelstreckenraketen relevant. Interessant ist übrigens auch, wie im Text die Ursachen für das Scheitern des INF-Vertrages dargestellt werden. Was wir diesbezüglich von unseren Leitmedien an „Aufklärung“ geboten bekommen, ist milde gesagt ziemlich dürftig.

      Inwieweit der Krieg in der Ukraine das strategische Gleichgewicht zwischen den USA und Russland beeinflusst, wäre sicherlich interessant zu diskutieren. Die Bestrebungen der USA laufen ja darauf hinaus, mit Hilfe des Ukraine-Krieges Russland nachhaltig zu schwächen und als geostrategischen Gegner auszuschalten (und damit eventuell auch gleich China). Dass es derartige Überlegungen bereits vor Beginn des Ukraine-Krieges gab, ist hinlänglich bekannt (https://www.rand.org/pubs/research_briefs/RB10014.html).

      Beste Grüße,

      Johannes Lerchner

      1. „Die Bestrebungen der USA laufen ja darauf hinaus, mit Hilfe des Ukraine-Krieges Russland nachhaltig zu schwächen und als geostrategischen Gegner auszuschalten …“ – Wie bitte? Soll das heißen, die USA sind der eigentliche Aggressor und haben Russland sozusagen dazu „gezwungen“, die Ukraine militärisch zu überfallen, um daran dann zu zerbrechen? Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, als wird hier krampfhaft versucht, Russland als „Opfer“ darzustellen, um alles was Russland initiiert, zu entschuldigen bzw. als hinterhältige Machenschaft der USA darzustellen.

  12. In einem offenen Brief haben ehemalige DDR-Bürgerrechtler die Parteigründerin Sarah Wagenknecht als Lügnerin entlarvt und vor einer Koalition mit ihrem BSW gewarnt.
    Insbesondere ihre Haltung im Ukrainekrieg disqualifiziere Wagenknecht.

    Siehe „Spiegel“ vom 5. 8. 24 https://ogy.de/gldk

  13. Was Sie so „ausführen“ (4. August, 10.02h), lieber Herr Wolff, ist ja deswegen noch lange nicht richtig. Ihr geballter Sachverstand in Sachen Sicherheit und Verteidigung zeigt sich ja schon in den ständigen Schwammigkeiten, die Sie uns so präsentieren: „Begrenzte Aufrüstung“, jetzt „geringstmöglicher Gewalteinsatz“ – alles emotionale, unpräzise Ausweich-Vokabeln, die Sie dann mit Unwahrheiten verbinden: „… jede Waffe, die produziert wird, (wird) eines Tages auch eingesetzt …“. In den 80er und 90er Jahren wurden zahlreichen Waffen, sowohl nukleare als auch konventionelle, im Rahmen von Rüstungskontrollvereinbarungen, vernichtet, also eben nicht eingesetzt. Warum? Weil die NATO gemäß Doppelbeschluss, über den Schmidt in seiner Partei gestolpert ist und den Kohl mit durchgesetzt hat, den Gegner aus einer Position der Stärke heraus zur Einsicht (nicht nur in militärische Vernunft, sondern auch in ökonomische Notwendigkeit) bringen konnte. Denselben Zweck – neben dem der notwendigen Verteidigung – verfolgt die jetzige Biden-Scholz Initiative, die also richtig und notwendig ist.
    Es ist interessant, wie Illusionisten des Friedens sich widersprechen und ihre Jünger (die ja allerdings auch in Kindergartenrunden zusammensitzen und nur herzhaft lachen) mit Widersprüchen abspeisen: Wolff verlangt Rüstungskontrolle und will uns weismachen, dass man diese durch einseitigen Verzicht auf angemessenen Verteidigungswillen („Kriegstüchtigkeit“) und an der Realität der Bedrohung festgestellte Verteidigungsfähigkeit erreichen könne. Welchen Anreiz hat denn ein so böser Diktatur wie Putin an Rüstungskontrolle gegenüber einem Gegner (den er ja angeblich demnächst überfallen will), der sich selbst schon vorher freiwillig einseitig abrüstet und auf die ausdrücklich nicht näher beschriebene „Kraft bzw. Kräfte, die sich für eine Befriedung von Krisenregionen einsetzen“ (mit dem schon zitierten „geringstmöglichen Gewalteinsatz“) beschränken will (es geht ja übrigens dabei nicht um „Krisenregionen“, sondern um konkrete Verteidigung des eigenen Landes). Alles ideologische Pseudo-Weisheiten an der Realität und an der Vernunft vorbei.
    Und im übrigen ist dabei noch nicht mal berücksichtigt, dass ja derzeit Wolff gleichzeitig komplett auf Waffen setzt, die der Ukraine zu liefern sind, damit sie dem Bösewicht widerstehen kann, denn mit dem reden will er ja nicht, kann man ja nicht. Das alles ist billige Wirtshausstrategie, der ja leider die SPD in Teilen sowieso verfallen ist. Sicherheitspolitik und Strategie sind Felder, die neben Gottvertrauen auch Realismus, vor allem Sachkenntnis erfordern und da haperts eben, lieber Herr Wolff, bei Ihnen (wie auch bei Ihren Freunden, die da glauben, ein herzhaftes Lachen löse Probleme, die sie gar nicht überschauen). Es ist beeindruckend, wie einige in Deutschland dem Diktator Putin in die Hände spielen: Bei jeder Erwähnung des Wortes „nuklear“ durch ihn kommen sie ins ängstliche Zittern und glauben gleichzeitig, diese Bedrohung durch Unterwerfung ausschalten zu können und das ganze mit Vokabeln wie „Rückgrat“ und „Resilienz“ zu übertünchen. Und sie erklären uns, dass Putin als nächstes auf uns zielt. wollen aber keine Verteidigung, weil wir dann „zum Ziel werden“ – ja, was denn nun?
    Andreas Schwerdtfeger

  14. Herr Schwerdtfeger – wie Sie richtig konstatieren mit Ihrem Kommentar-Resümee:
    „…wird uns wohl realpolitisch weder nach innen noch nach außen wirklich weiterbringen.“ Mit solchen Kommentaren beweisen Sie es deutlichst: diese bringen uns allesamt nicht weiter!!!
    Schönen Sonntag Ihnen in Ihre einsame Kemenate.

  15. Welch ein Beitrag! Hier haben wir einen Weltenerklärer und Putin-Versteher, der die Dinge auf den Punkt bringt: Wie Putin denkt (imperialistisch), was seine Ziele sind (imperialistisch), wovon er sich nicht beeindrucken lässt (der NATO). Das Ganze stellt er dann in den Kontext des verbrecherischen Quartetts (aus dem eine dann doch nicht dazugehört), die ihn dabei auf die eine oder andere Art unterstützen, und fordert eine „Einbettung Deutschlands“ in eine sicherlich bewusst vage gehaltene „Friedensperspektive“. Diese aber, bitte schön, soll aus einer Position der Schwäche entwickelt werden, denn „Kriegstüchtigkeit“ – also die Fähigkeit und vor allem den Willen zur Verteidigung – und einen „horrenden Ausbau der Rüstungsproduktion“ wollen wir, bitte schön, nicht. Wie sichern wir den Frieden und den Sturz Putins stattdessen? Ist doch klar: Durch eine „selbstbewusste öffentliche Debatte“, durch „Resilienz (und) Widerstandsfähigkeit gegenüber den Versuchungen des Autokratismus“ – also wahrscheinlich wohl durch Zeichen setzende Demonstrationen. Putin wird erschreckt sein. Wen würde man nicht beglückwünschen zu solchen Erkenntnissen, zu solchem offensichtlichen Lösen aller Probleme, zu diesem Ansatz, Putin endlich loszuwerden und unsere Demokratien nach außen und innen zu verteidigen. Und dann setzt einer aus ähnlicher Perspektive noch ein Sahnehäubchen drauf und erklärt uns, die USA verfolgten eine „Erstschlagsstrategie“ – toll!
    Was vermisst man? Vielleicht eine stringente Darstellung wenigstens einiger Fakten anstatt eingestreuter vager Hinweise auf Rüstungskontrolle oder militärische Intervention, auf Friedenssicherung und demokratisches Rückgrat. Immerhin: Es ist die Rede von „InterventionsPOLITIK“ – das ist ein Fortschritt, denn in der Tat ist der politische Primat der entscheidende Faktor. Das hat Pistorius erkannt, weshalb er jetzt auch politisch im Pazifik unterwegs ist; weshalb er Kriegstüchtigkeit der deutschen Gesellschaft (im Gegensatz zu ständiger German Angst) fordert; weshalb die Regierung als Voraussetzung für spätere gleichgewichtige Rüstungskontrolle die europäische und deutsche Verteidigung stärkt (siehe die in dieser Hinsicht erfolgreiche Politik der Kanzler Schmidt und Kohl); weshalb auch die Bundesregierung gegen berechtigte schwerwiegende Bedenken der amerikanischen Bitte um Unterstützung in der Geiselfrage nachgekommen ist. Eine Wurschtelei von Putins Motiven über ein paar „Säuseleien“ ohne konkreten Hintergrund hin zu Schlagworten wie „Resilienz“ und „Rückgrat“ (was Stärke vortäuscht, wo Schwäche gefordert wird) wird uns wohl realpolitisch weder nach innen noch nach außen wirklich weiterbringen.
    Andreas Schwerdtfeger

      1. Ich dachte, hier geht es um den demokratischen Diskurs und nicht um Zustimmung? Und zum demokratischen Diskurs gehören sowohl Würze als auch Inhalt und Kontroverse. Deshalb braucht es neben schwammiger Polemik auch noch Realismus, neben Vergangenheitsbeschreibung auch noch Zukunftsgestaltung (oder Vorschläge dazu), neben der unerklärten Nutzung von Schlagworten („Rüstungskontrolle“) auch noch Beherrschung der jeweiligen Thematik, neben Emotion noch ein bisschen Realismus.
        Immerhin aber, lieber Herr Wolff, gibt es ja Beiträge von Ihnen, denen ich zustimme, auch von Herzen – und ich warte noch darauf, dass Sie mal wenigstens ansatzweise überhaupt zu einem meiner Argumente Stellung nehmen oder Ihre erläutern (zB was Sie unter „begrenzter Aufrüstung“, die Sie befürworten, im Gegensatz zu einem „horrenden Ausbau der Rüstungsproduktion“, den Sie ablehnen, verstehen und wie Sie das jeweils konkret anhand von Szenarien begründen). Fachleute sollten das können.
        Ich grüße Sie in vollem Verständnis (sozusagen als Wolff-Versteher), wenn auch nicht (immer) mit Zustimmung.
        Andreas Schwerdtfeger

        1. Schon des Öfteren habe ich ausgeführt, dass jede Waffe, die produziert wird, eines Tages auch eingesetzt wird – nur weiß heute niemand, wann, wo und wozu. Allein dies müsste jede:n dazu veranlassen, Rüstungsproduktion zu begrenzen. Derzeit aber werden angesichts der vielen kriegerischen Auseinandersetzungen und der politischen Priorität für militärische Interventionen Rüstungsproduktion und -handel ausgebaut. Das ist verheerend und lähmt die Kraft bzw. Kräfte, die sich für eine Befriedung von Krisenregionen einsetzen mit dem geringstmöglichen Gewalteinsatz.

          1. Es gibt aber auch das Szenario, dass Waffen bzw. Munition händeringend gesucht werden, um sich einem Satan entgegenstellen zu können.

    1. Die gravierenden negativen Auswirkungen der auf Initiative der USA getroffenen Vereinbarung über die Stationierung gegen Russland gerichteter landgestützter Langstreckenwaffen auf die regionale und globale Rüstungskontrolle stehen im Widerspruch um in der Sicherheitsstrategie der Bundesregierung von 2023 erklärten Ziel, Rüstungskontrolle und Abrüstungs zu fördern. Dass die verabredeten Rüstungsmassnahmen als Voraussetzung für eine „spätere gleichgewichtige Rüstungskontrolle“ dienen könnten, ist unwahrscheinlich. Die Gründe dafür hat dieser Tage Ihr ehemaliger Kollege (?) Oberst a. D. Wolfgang Richter ausführlich erläutert (https://www.dropbox.com/scl/fi/b38umhyb4rovcp7d5dizh/Stationierung-LRS-in-Deutschland-WR-22.07.24-rev..pdf?rlkey=dy27cl2ek20eu2wjux459niy18e=3&dl=0).

      Nachdem von den USA bereits in der Vergangenheit wichtige Rüstungskontrollvereinbarungen wie ABM- und A-KSE-Vertrag sowie Open Sky beerdigt wurden und dann 2019 mit fadenscheinigen Gründen auch der INF-Vertrag verlassen wurde, blieb nur das russische Angebot für ein Stationierungs-Moratorium, das einen Stationierungswettlauf verhindert hat. Mit der deutsch-amerikanischen Vereinbarung hat sich dieses Angebot erledigt.

      Die trotz Ukraine-Krieg noch existierenden bilateralen strategischen Stabilitätsgespräche USA-Russland sind ebenfalls in Gefahr. Aus russischer Sicht bedeutet die geplante Raketenstationierung eine Unterminierung des strategischen Gleichgewichts und stellt damit die Fortsetzung des New START-Vertrages in Frage. Mit Beginn der Raketenstationierung in Deutschland könnte zum ersten Mal seit den 1960er Jahren eine Lage eintreten, in der keine rechtsverbindlichen Vereinbarungen einen globalen nuklearen Rüstungswettlauf zwischen Russland und den USA verhindern.

      Sie verweisen auf den Vorbildcharakter der Regierungen Schmidt und Kohl. Im Gegensatz zum NATO-Doppelbschluss von 1979, der von beiden Regierungen getragen wurde, lässt jedoch die bilaterale Erklärung zur Raketenstationierung keinen Spielraum für Diplomatie erkennen. Es gibt kein Angebot an Moskau, das erläutert, unter welchen Bedingungen die Stationierungsentscheidung revidiert werden könnte.

      Bemerkenswert finde ich auch, mit welcher Gelassenheit unsere „Rettet-die-Demokratie“-Aktivisten es hinnehmen, dass Entscheidungen, die Deutschland einer erhöhten Gefährdung aussetzen und das atomare Risiko für Deutschland im Konfliktfall enorm erhöhen, als exekutiver Akt der Bundesregierung mitgeteilt werden, ohne sie im Vorfeld im Bundestag und in der deutschen Öffentlichkeit zu diskutieren.

      Zu erläutern, inwieweit die geplante Raketenstationierung mit der US-amerikanischen Erstschlagstrategie zusammenhängt, würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen. Es sei nur an die Arbeiten von Günther Auth verwiesen, der an der LMU München zu diesem Thema geforscht hat (siehe z. B. https://www.nachdenkseiten.de/?p=113043).

  16. Lieber Joh. Lerchner – Zitat aus Ihrem Kommentar:
    „…und sich daran beteiligen, unbewiesene Propagandaparolen über vermeintliche nationalistisch-imperialistische Ziele Russlands und dessen angebliches Streben nach Wiederherstellung des Sowjetimperiums zu verbreiten.“ Damit fokussieren Sie sich nicht nur auf Chr. Wolff!
    Ich darf an die 43. Sicherheitskonferenz in München, 2007 / rede Putins unter dem Link:
    http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Sicherheitskonferenz/2007-putin-dt.html erinnern; da sprach Putin Klartext und vernebelte im letzten Absatz seine wahren Interessen:
    Zitat zum Ende der Rede:
    „Sehr geehrte Damen und Herren!
    Zum Abschluss möchte ich Folgendes bemerken. Wir hören sehr oft, auch ich persönlich, von unseren Partnern, auch den europäischen, den Aufruf an Russland, eine noch aktivere Rolle in den Angelegenheiten der Welt zu spielen.
    In diesem Zusammenhang gestatte ich mir eine kleine Anmerkung. Man muss uns kaum dazu ermuntern oder drängen. Russland ist ein Land mit einer mehr als tausendjährigen Geschichte und fast immer hatte es das Privileg, eine unabhängige Außenpolitik führen zu können.

    Wir werden an dieser Tradition auch heute nichts ändern. Dabei sehen wir sehr genau, wie sich die Welt verändert hat, schätzen realistisch unsere eigenen Möglichkeiten und unser Potenzial ein. Und natürlich möchten wir gerne mit verantwortungsvollen und ebenfalls selbstständigen Partnern zusammenarbeiten am Aufbau einer gerechten und demokratischen Welt, in der Sicherheit und Aufblühen nicht nur für Auserwählte, sondern für alle gewährleistet ist.
    Ich danke für die Aufmerksamkeit.“ (Putin).

    Mehr ist nicht zu sagen, Herr Lerchner. Und die Dokumentation zu S. Wagenknecht (Phönix) offenbart nicht minder eine ziemlich fragwürdige Sicht auf diesen Imperator, der ganz klar das Sowjetreich nach Gorbatschows Präsidentschaft neu aufbaut – was sonst?? Der Ukrainekrieg seit reichlich 2 Jahren spricht eine deutliche Sprache, wie auch die geostrategischen Ambitionen Russlands in Nahost (Iran), den von ihm verbal vorgetragenen Willen zum angeblichen FRIEDEN auf dieser Welt.

  17. Sie haben recht: Es wird höchste Zeit, dass sich auch die SPD bei denjenigen mit einreiht, die sich für mehr Diplomatie im Ukraine-Krieg und die Schaffung einer (neuen) europäischen Friedensordnung engagieren. Es ist zu wünschen, dass die jüngste diesbezügliche Initiative von Rolf Mützenich und Gernot Erler nicht auch von den eigenen Genossen niedergewalzt wird. Warum unterstützen eigentlich Sie diese Initiative nicht lautstark und öffentlich?

    So ehrenwert Ihr Plädoyer für mehr SPD-Friedenspolitik ist, Sie werden auch in diesem Fall erfolglos sein, wenn Sie sich einer Sachdebatte über die komplexen Ursachen des Ukraine-Krieges verweigern und sich daran beteiligen, unbewiesene Propagandaparolen über vermeintliche nationalistisch-imperialistische Ziele Russlands und dessen angebliches Streben nach Wiederherstellung des Sowjetimperiums zu verbreiten. Diejenigen, die versuchen, die Diskussion über legitime Sicherheitsinteressen zu verhindern, machen sich mitschuldig an der fortlaufenden Zerstörung der Lebensgrundlagen der Ukrainer.

    Es stimmt auch, dass die beschlossene Stationierung neuer amerikanischer Mittelstreckenraketen auf deutschen Boden Fragen aufwirft. Die Behauptung, eine solche Stationierung erfolge gemäß Absprache zwischen Scholz und Biden, ist irreführend. Auch die ständig bemühte These, es handele sich um Reaktionen auf gebrochene Abrüstungsvereinbarungen durch Russland, ist Unfug und geradezu eine Unverschämtheit.

    Der Stationierungsbeschluss steht spätestens seit 2021 fest und ist wesentliches Element der US-amerikanischen Erstschlagstrategie (Muli-Domain Task Force, MDTF). Diese seit 2006 verfolgte Strategie sieht vor, dass die US-amerikanischen Nuklearstreitkräfte darauf ausgerichtet werden, zu einem gegebenen Zeitpunkt „preemptive disarming strikes“ gegen Russland und China durchzuführen. Ist es in deutschem Interesse, derartige, vor allem für Deutschland riskante Unternehmen zu unterstützen?

    Soweit erst einmal in aller Kürze, geschrieben auf meinem iPhone während der Wanderung auf dem Mosel-Jakobsweg.

    1. Nein, lieber Herr Lerchner, ich beteilige mich nicht an einer solchen Nebelkerzen-Debatte. Das Putin-Russland und sein Autokratismus mit imperialem Anspruch ist nicht „Opfer“ westlicher Hegemonialpolitik. Diesem Märchen möchte ich nicht weiter folgen. Kriterium für mich ist: Welchen Stellenwert nimmt die Anerkennung der Ukraine als souveräner Staat ein? Da fällt mir auf, dass die Ukraine als eigenständiger Staat und der Wille der Bevölkerung für Putin, Trump, Orbán, Wagenknecht überhauopt keine Rolle spielt – und für Sie offensichtlich auch nicht. Das ist mehr als verräterisch. Insofern sind für mich Formulierungen wie „Komplexe Ursachen des Ukraine-Krieges“ lediglich Nebelkerzen und „Propagandaparolen“ (sie Sie mir unterstellen). Beste Grüße, Christian Wolff

  18. Heute wurde im DLF-Interview Herr Dr. Michael Lüders als „Nahostexperte“, aber auch als Mitglied des (erweiterten) Parteivorstands der Wagenknechtpartei vorgestellt. Dort ist er als ausgewiesener Antiamerikaner gut aufgehoben. So hat diese Partei auch ihr Gutes.
    https://michael-lueders.de/

    1. Die Auskünfte von Michael Lüders im Dlf-Interview – Thema: der Nahost-Krieg – entsprachen dem, was auch andere Nahost-Experten sagen, ob Wissenschaftler, ob Journalisten. Deshalb ist es nicht in Ordnung, das Wort Nahostexperte bei Lüders in Anführungszeichen zu setzen. Dass er sich der Wagenknecht-Partei zuwendet – nun ja. Die unangenehmste Erklärung wäre, dass Nahostexperten in den maßgeblichen Parteien CDU-CSU, SPD, FDP, Bündnis90Grüne nicht gehört werden – Stichworte antiisraelischer Antisemitismus, ausdrückliche Aufrechterhaltung deutscher Waffenlieferungen an Israel.

      Im Sinne einer „selbstbewussten öffentlichen Debatte um die – auch militärischen – Maßnahmen, die langfristig den Frieden sichern,“ erscheint als Widerspruch die Scholz’sche Zurückhaltung bei der Behinderung russischer Angriffsbasen durch weiterreichende Waffen einerseits, und andererseits die Scholz’sche Weigerung, deutlich Abstand zu nehmen – auch mit erklärtem Stopp der Waffenlieferungen – von der menschenfeindlichen Politik der gegenwärtigen israelischen Regierung.

      1. „Deshalb ist es nicht in Ordnung, das Wort Nahostexperte bei Lüders in Anführungszeichen zu setzen.“
        ___________________________________________________________________

        Ich habe nur den Deutschlandfunk wertfrei zitiert – deshalb die Anführungszeichen.

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