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Selbstbeschäftigung und Wirklichkeitsverleugnung – EKD in der Sackgasse

Auf der in der vergangenen Woche abgebrochenen Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) wurde die 6. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) vorgestellt. Ein wichtiges, aber wenig überraschendes Ergebnis dieser umfangreichen Untersuchung: Die Säkularisierung der Gesellschaft, also die Entfremdung von jeder Form von Religiosität, schreitet mit Macht voran, und zwar sehr viel schneller als bisher erwartet. Eine Folge wird sein, dass sich wahrscheinlich schon 2040 (und nicht erst 2060) die Mitgliederzahl der beiden großen Kirchen mindestens halbiert haben wird. Denn es ist eben nicht so, dass Menschen etwas vermissen, wenn sie nicht religiös sind. Die berühmte Antwort eines Leipziger Jugendlichen auf die Frage, ob er religiös sei, „Nein, ich bin normal“, sprach schon in den 90er Jahren Bände. Insofern war und ist es ein Trugschluss zu glauben, man müsse als Kirche nur brach liegenden religiösen Bedürfnisse bei den Menschen wachküssen – eine Erkenntnis, die mir schon vor 30 Jahren in einer säkularen Stadt wie Leipzig schmerzlich bewusst wurde. Denn alles, was jetzt durch die KMU zu Tage befördert wird, ist in Ostdeutschland schon seit Jahrzehnten Wirklichkeit.

Nun scheint aber eine Kirche, die als Institution bis jetzt und jenseits eigener Glaubwürdigkeit versucht, gesellschaftlichen Trends zu entsprechen, und die sich selten vom gesellschaftlichen Konsens zu lösen vermochte, durch die 6. KMU erst einmal in ein Loch zu fallen – oder besser: ihr dämmert langsam, dass sie schon lange in diesem Loch gefangen ist. Gleichzeitig verharrt die Kirche in der Sprachlosigkeit eigenständiger Position, die sie schon seit der Corona-Pandemie wie eine leere Hülse erscheinen ließ. Insofern ist der Rücktritt der Ratsvorsitzenden der EKD, Präses Annette Kurschus, von allen ihren Ämtern weniger eine Konsequenz aus ihrer Verwicklung in einem noch ungeklärten sexuellen Missbrauchsfalls eines kirchlichen Mitarbeiters, als vielmehr Ausdruck einer schleichenden Implosion eines kirchlichen Wasserkopfs. In diesem Wasserkopf ist offensichtlich wenig Platz für Innovation, inhaltliche Schärfung des kirchlichen Auftrags und Glaubwürdigkeit, aber viel Platz für Intrige, Selbstbeschäftigung und Wirklichkeitsverleugnung. Darunter leidet auch die dringend notwendige Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs unter dem Dach der evangelischen Kirche.* Die EKD hat es wie fast alle landeskirchlichen Leitungsorgane bis jetzt nicht geschafft, auf die dramatischen Entwicklungen angemessen zu reagieren, die sich auch in Westdeutschland schon lange vor 1990 abzeichneten. Wie im gesellschaftlichen Bereich leben wir auch in den Kirchen seit über 30 Jahren von der Substanz und auf Verschleiß. Dabei wäre die Vereinigung der beiden Kirchen 1991 der Zeitpunkt gewesen, alles auf den Prüfstand zu stellen und die kirchliche Arbeit in einer säkularen/religionslosen Gesellschaft neu auszurichten und zu profilieren. Stattdessen jagt eine sog. Strukturreform die andere ohne den Hauch einer Perspektive.

Dabei gibt es die. Denn zwei Überlegungen im Anschluss an die Ergebnisse der 6. KMU sollten ins Zentrum der Debatten rücken:

  • Kirchgemeinden und ihr Personal haben eine entscheidende Funktion bei der religiösen Sozialisation, also bei der Glaubensbildung, von jungen Menschen. Hier sind die Impulse entscheidend, die Menschen in einer kirchlichen Kita, beim Religionsunterricht und in der Konfirmandenzeit erfahren. Diese Erfahrungen haben langfristige Folgen für die Bindung an eine Kirchgemeinde.
  • Kirche hat sich vor Ort (und weniger durch Erklärungen von institutionellen Organen) mit ihrer Botschaft, ihren Werten, ihrer tätigen Nächstenliebe gesellschaftlich einzubringen und mit anderen Gruppierungen dem Gemeinwohl zu dienen. In der öffentlich wahrnehmbaren Einheit von Glauben und Leben liegt die stärkste Kraft einer Kirchgemeinde.

Diesen beiden Erwartungen gilt es durch entschlossenes Handeln zu entsprechen – in der Nachwuchsakquise, der theologischen Ausbildung und in einer ortsgebundenen, an den Menschen und Mitgliedern der Kirche orientierten Basisarbeit. Nur so werden wir Erkennbarkeit und Attraktivität erreichen, die nicht mehr von Quantität abhängig sind. Ebenso benötigen wir in den Kirchgemeinden Pfarrer:innen, die neben der Glaubensbildung und innovativen, menschennahen Angeboten dem Öffentlichkeitscharakter und der gesellschaftspolitischen Verantwortung der christlichen Gemeinde gerecht werden. Wer in dieser Weise Kirche vor Ort lebt und gestaltet, wird sich sehr schnell lösen können von nur noch fiskalisch bestimmten sog. Strukturreformen. Damit rücken dann die Grundlagen der biblischen Botschaft in den Mittelpunkt, die nach wie vor für ein menschenwürdiges Zusammenleben attraktiv und von Bedeutung sind – und die die Kirche vor Verkrustung bewahren und den notwendigen Diskurs zwischen Institution und Intuition befördern.

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* Für die Aufdeckung und Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der Kirche sind kirchliche Gremien denkbar ungeeignet. Die Kirche hat die Aufgabe, von der Institution unabhängige Strukturen zu schaffen bzw. aufbauen zu lassen, die für Betroffene und Opfer angstfrei zugänglich sein müssen. Die Kirche muss Abschied nehmen von dem Anspruch, sie könne Konfliktlösungsstrategien innerhalb ihres Apparates und abgeschirmt von normalen Prozessen (Justiz und Polizei) lösen. Das wird nicht funktionieren – auch nicht in Bezug auf den sog. Dritten Weg, also einer kircheninternen Mitbestimmungsregelung zwischen Vorsetzten und Beschäftigten.

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12 Antworten

  1. Lieber Christian!

    Danke für deine Analyse. Ich möchte einen Aspekt noch ergänzen oder verschärfen, der mir aufgefallen ist: Dass die Zahlen in Ostdeutschland was die Bindung an die Gemeinde und das Engagement in der Gemeinde, den Kontakt zum Seelsorger anbelangt, besser sind als in Westdeutschland und dies in der Analyse und Berichterstattung aber nicht vorkommt!

    Mich überrascht dieser Unterschied nicht! Was mich überrascht, dass es nicht scharenweise Konsultationen von West nach Ost gegeben hat, von Gemeinderealitäten hier zu lernen, vor die westdt. Landeskirchen noch gestellt sein werden. Ich meine das fern jeglicher Ostalgie ganz nüchtern. Wenn man hingegen an die Berichterstattung von den Ost-Reisen des EKD-Rates denkt, kam man sich doch 1. wie beim Bericht über einen Zoo-Besuch vor und 2. konnte man im arroganten Staunen der Ratsmitglieder sehen, wie wenig sie vom Gemeindealltag eig. mitkriegen. Ich hatte nicht den Eindruck, dass es da um Zuhören und Lernen geht.

    Überraschen tut einen das nicht, wenn man sieht, wie unterrepräsentiert „stinknormale“ Gemeindearbeit im Personal der Ratsmitglieder ist.

  2. Da mir die Hintergründe des angeblichen sexuellen Missbrauchs, die zum Rücktritt von Frau Kurschus geführt haben, völlig unbekannt sind, will ich als ganz „gewöhnliches“ Kirchenmitglied auch gar nicht darauf eingehen. Ich stimme Ihnen aber zu, lieber Herr Wolff, dass sich die EKD als kirchliche Gesamt-Organisation seit langem in einer Sackgasse befindet. Dennoch – und obwohl ich mit vielen politischen Aktionen der EKD, z. B. den Flüchtlingsrettungsmaßnahmen im Mittelmeer, nicht einverstanden bin, habe ich nie erwogen, aus unserer evangelisch-lutherischen Kirche auszutreten. Und zwar aus den beiden Gründen, die Sie sehr richtig benennen: 1. die ganz wichtige praktische Arbeit der einzelnen Kirchengemeinden in der Einheit von Glauben und Leben und 2. die Heranführung der jungen Menschen, unserer Kinder und Enkel, an die christliche Religion. Gerade hat der gegenwärtig wohl am besten in Deutschland integrierte schwarze Immigrant Asfa-Wossen Asserate in seinem neuesten Buch „Deutsch vom Scheitel bis zur Sohle“ in einem Extra-Kapitel das deutsche Pfarrhaus gewürdigt und dabei unter anderen Goethe zitiert: „Ein protestantischer Landgeistlicher ist vielleicht der schönste Gegenstand einer modernen Idylle, er erscheint wie Melchisedek, als Priester und als König in einer Person. … Er ist Vater, Hausherr, Landmann und so vollkommen ein Glied der Gemeinde. Auf diesem reinen, schönen, irdischen Grunde ruht sein höherer Beruf; ihm ist übergeben, die Menschen ins Leben zu führen, für ihre geistige Erziehung zu sorgen, sie zu belehren, zu kräftigen zu trösten, und, wenn der Trost für die Gegenwart nicht ausreicht, die Hoffnung einer glücklicheren Zukunft heranzurufen und zu verbürgen.“ „Verstandes- und Herzensbildung – im evangelischen Pfarrhaus schien sie vereint,“ schreibt Asserate dazu und führt noch weitere Zitate aus der deutschen Literatur, z. B. von Heinrich Heine, an, um dann über die Aufklärung, „die Mauern der Kirche geschleift und den Glanz aus den Gotteshäusern verbannt“ habe, auf die Rolle zu kommen, die das Pfarrhaus in der DDR z. B. durch Oskar Brüsewitz spielte. Auch wenn die Säkularisierung inzwischen immer weiter fortgeschritten ist und die Stellung des Pfarrers (oder der Pfarrerin) sich stark gewandelt hat, so kann ich doch aus meinem inzwischen langen Leben in verschiedenen Gemeinden in Deutschland und Brasilien bestätigen, dass es viel mehr auf das einzelne Pfarrhaus, den örtlichen Pfarrer oder heute die Pfarrerin ankommt als auf die übergeordnete Lenkung durch Bischöfe und die EKD. Dennoch geht es nicht ohne Führung und Organisation und es bleibt zu hoffen, dass sich auch in Zukunft idealistisch gesinnte Menschen finden lassen, die diese schwierige Aufgabe übernehmen.

  3. Ich tue mich schwer mit dem Religionsbegriff. Ich sehe auch nicht, dass unsere Gesellschaft immer religionsloser wird. Das war eine Epoche in der späten DDR – nun floriert das Religiöse eigentlich überall wo man hinschaut.(Globuli, Yoga, jede Menge Esoteriken und sovieles mehr). Nur die Kirche hat ihre Deutungsmacht über Religiösität verloren. Das finde ich nicht mal so schlimm – mir schwebt auch eher ein „religionsloses Christentum“ vor. M.E. muss es in der Kirche auch um die Rede von Gott gehen und nicht darum den Relevanzverlust der Kirche aufzuhalten. Auch wenn Sie mir meist aus der Seele sprechen Herr Wolff, diese Diagnose kann ich nicht teilen und hätte sie auch so gar nicht erwartet.

    1. Es geht mir in meinen Überlegungen nicht darum, einen abtrakten Relevanzverlust der Kirche aufzuhalten. Vielmehr klage ich die Erkennbarkeit von Kirche vor Ort in der säkularen Gesellschaft ein. Außerdem lebt eine Kirchgemeinde wie jeder andere Verein auch von den Menschen, die Mitglieder sind und sich in ihr engagieren.

  4. Frau Kurschus begann ihre Rücktrittserklärung:

    „Die Evangelische Kirche von Westfalen und die Evangelische Kirche in Deutschland sind seit Jahren der Mittelpunkt meines Lebens. Nicht nur meine Tage, auch mein ganzes Denken und Handeln sind davon bestimmt.“

    https://www.ekd.de/ruecktritt-annette-kurschus-81672.htm

    Diese vollständige Identifikation mit dem eigenen Amt entspricht eigentlich nicht dem evangelischen Verständis

    „Anders als in der katholischen Lehre, die das Amt von der Person des Priesters und dessen Weihe her denkt, unterschied Luther zwischen Person und Amt.
    Annette Kurschus verwischt diese Grenze. Womöglich hinderte auch das sie daran, den Missbrauchsfall frühzeitig offenzulegen und in den kirchlichen Gremien freimütig zu beratschlagen, was daraus angesichts der schwierigen Lage der Kirche für ihre Ämter folgt. Stattdessen verschanzte Kurschus sich zunächst hinter juristischen Bedenken, verhedderte sich dann in einer Salamitaktik und kehrt nun umso stärker ihr reines Gewissen und ihre Aufrichtigkeit hervor.“

    © Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung 26. 11. 2023

    1. Immer offensichtlicher wird: 1. Präses Kurschus hat den Fall von Anfang an die entsprechenden Gremien der Landeskirche verwiesen. 2. Bis jetzt ist noch keine staatsanwaltliche Anklage gegen den kirchlichen Mitarbeiter erhoben worden. 3. Der eigentliche Grund für ihren Rücktritt ist wohl, dass sie keienrlei Rückhalt im Rat der EKD gefunden hat. Sie wurde mehr oder weniger abserviert – nicht durch und von der Presse, sondern von Ihresgleichen. Darum geht von diesem Rücktritt keine Bereinigungskraft aus – weder im Blick auf die Aufarbeitung des Missbrauchs in der Kirche noch im Blick auf die triste Gesamtlage der evangelischen Kirche.

      1. „Bis jetzt ist noch keine staatsanwaltliche Anklage gegen den kirchlichen Mitarbeiter erhoben worden,“
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        „Zwei Männer haben in eidesstattlichen Aussagen beteuert, die damalige Pfarrerin in den 90er-Jahren mündlich darüber informiert zu haben. Kurschus will dagegen bis zu einer anonymen Anzeige im Frühjahr nur von homosexuellen Neigungen und ehelicher Untreue des Mannes gewusst haben.“

        https://www.deutschlandfunk.de/annette-kurschus-ruecktritt-evangelische-kirche-ekd-kommentar-100.html

        Die Straftaten sind längst verjährt; deshalb jetzt keine staatsanwaltlichen Ermittlungen.

        1. Es ist bis jetzt noch nicht geklärt, ob überhaupt Straftaten vorliegen. Im Fall, dass Straftaten vorliegen sollten, sind die voraussichtlich verjährt. Die bis jetzt bekannten Betroffenen waren zum Zeitpunkt der sexuellen Übergriffigkeit volljährig. Bei allem Unverständnis und aller Empörung über möglichen sexuellen Missbrauch dürfen die Maßstäbe des Rechtsstaates nicht außeracht gelassen werden.

      2. Ihre Gedanken teilend möchte ich dann noch einen anderen Blickwinkel zu Frau Kurschus‘ Rücktritt beitragen, den ich in einem Leserbrief für die Rheinische Post, formulierte:
        Dass Frau Kurschus zurückgetreten ist, ist eine gute Entscheidung: für sie als Person und auch für die Institution. Denn das permanente Spekulieren und Debattieren in der Presse über ihr Wissen oder Nicht-Wissen seit dem ominösen Gartentermin hätte allen Beteiligten, insbesondere den Betroffenen nicht gutgetan. Ich wünsche ihr jedenfalls, dass sich im Nachhinein ihr Verhalten als nicht zu beanstanden erweist.
        Erstaunt bin ich darüber, dass die Zeitschiene, der Zeitpunkt der Vorwürfe gegen Kurschus kaum kritisch hinterfragt wird. Sie soll von der sexualisierten Gewalt schon seit dem Gartengespräch Ende der 90ger des vorigen Jahrhunderts gewußt haben, so zwei eidesstattliche Zeugen des Gesprächs. Warum haben diese Kurschus‘ vermutet unterlassenes Aktivwerden, ihr angebliches Vertuschen, nicht schon längst öffentlich gemacht. Der Skandal „Missbrauch“ ist nicht erst seit letzter Woche gesamtgesellschaftliches Thema. Als der Kurschus wohl betreffende Fall dann im Januar anonymisiert öffentlich gemacht wurde, da nahm alles seinen juristischen Verlauf. Und dass sie damit nicht breit in die Medien gegangen ist, halte ich – auch und vor allem mit Blick auf die Betroffenen – für schützend sinnvoll. Die für den Täter zuständigen Instanzen sind tätig geworden. Warum haben die eidesstattlichen Zeugen nicht schon bei Kurschus‘ Wahl zur Ratsvorsitzenden, zur Präses der westfälischen Kirche, zur Superintendentin „angeklagt“? Warum erst jetzt mit dem angeblichen Jahrzehntewissen zerstörerisch agieren? Haben da vielleicht recht(s)gläubige Pietisten*innen – Siegen gilt innerkirchlich als Pietkong – ihr Wissen so lange aufgespart, bis es eine aus ihrer Perspektive zu liberale Theologin zerstörerisch belasten könnte? Geht es den Anklägern vielleicht mehr um Kurschus denn um das Leid der Betroffenen? Vor Jahren bei einer „nur“ Pfarrerin, Superintendentin oder Präses wäre es – strategisch betrachtet – nicht wirksam genug demütigend gewesen? Der Schatten, den Kurschus unglückliche Kommunikation auf sie wirft, liegt m. E. ebenso groß – wenn nicht größer – auf die Zeugen, die sich seltsam spät erinnern, mit Kurschus ein „dunkles Geheimnis“ zu teilen. Mein Bedauern gilt den vom Missbrauch Betroffenen und Frau Kurschus. Für die Zeugen habe ich nur ein ob ihrer von mir vermuteten „Taktik“ verständnisloses Kopfschütteln über. Wie lange haben sie die Betroffenen mit ihrem behaupteten Mitwissen allein gelassen!? Oder denken sie „Besser spät als nie!“ Sie haben ein übles Geschmäckle! Besonders beeindruckt hat mich der mit Kurschus solidarische Rücktritt des Juristen Michael Bertrams aus der Leitung der ev. Kirche von Westfalen: aus Protest über die „Lieblosigkeit und Kälte“ im Rat der EKD gegenüber Annette Kurschus. Beim Umgang des Rates mit Kurschus assoziierte ich unwillkürlich den auf den verhafteten Jesus angesprochenen Petrus mit seinem vollmundigen Votum „Ich kenne diesen Menschen nicht.“

  5. Kirche hat das gleiche Problem wie Schule: ein lange gewachsenes System reproduziert sich selbst. Da gibt es kaum Fenster nach draußen. Wenn die wenigen Fenster durch Stürme undicht werden, sorgen falsche Gewissheiten dafür, dass keiner die Fenster aufmacht, denn das wäre eine Lösung. Es geht heute nicht immer um inhaltliche Fragen, es geht um das Bodenpersonal, denn nur dieses ist für Botschaften und Dialoge zuständig, in tragischer Gemeinschaft mit den Verbliebenen. Wenn man dem Pfarrer und dem Lehrer seinen Beruf schon an der Nasenspitze ansieht, wird nicht der berechtigte Stolz über einen wunderbaren Beruf transportiert, sondern das Denken und Fühlen in einem geschlossenen System, indem die meisten dasselbe denken, im Bewusstein der Wahrheiten im System. Ein inzwischen verstorbener Superintendent in Leipzig nannte das “ die Pipeline zum lieben Gott“.
    Dass auch die Politik mit dem gleichen Problem des Denkens in geschlossenen Systemen zu kämpfen hat, macht die Sache nicht besser.

  6. Neulich in der Fußgängerzone: der „Kippe“-Verkäufer, mit dem ich öfter plaudere, fragt unvermittelt: Glaubst Du an Gott? Als ich nicht kurz, klar und vor allem schnell antworte, meint er, es sei wenig sinnvoll, wenn wir das jetzt weiter vertiefen…. Mich hat es seither aber nicht mehr losgelassen.
    Für mich hat es auch viel mit „EKD in der Sackgasse“ zu tun. Eigentlich drücke ich mich seit langem vor der Beantwortung der Frage „glaubst Du“ – mein „rationales“ Argument ist immer „ich weiß es nicht“.
    Zur Kirche ist mein Kontakt über Jahre immer weiter verkümmert – bis wir nach Leipzig gezogen sind, ich Mitglied der Thomaskirche wurde.
    Hier habe ich begeisternde Predigten, wunderbare (kirchen-) musikalische Darbietungen gehört und wurde (ziemlich) regelmäßiger Gottesdienst-Besucher!
    Meine Eltern waren, aufgrund ihres gelernten/anerzogenen Glaubens, ganz selbstverständliche Gottesdienst-Besucher. Unsere Kinder könnte ich, weder durch Hinweis auf eine bewegende Predigt, noch auf musikalische Darbietungen dazu bewegen, mit in einen Gottesdienst zu kommen. Beide haben Kitas und Grundschulen in kirchlicher Trägerschaft besucht.
    Auch in diesem Jahr wird sicher nicht nur die Thomaskirche an Heilig Abend bis auf den letzten Platz gefüllt sein.
    Ich persönlich freue mich sehr auf die Predigt von Britta Taddiken und den musikalischen Rahmen.
    Allen Leser:innen des Blogs wünsche ich gesegnete Festtage und ein gesundes, glückliches 2024!

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