Heute, am 11. November, ist der Tag des Heiligen Martin (316-397). Im Jahr 356 verweigerte er kurz vor einem kriegrischen Feldzug gegenüber dem römischen Kaiser Julian den Kriegsdienst. Leider spielt dieses Ereignis bei den Martinsumzügen kaum eine Rolle. Dabei zeigt der Heilige Martin gerade durch seinen mutigen Schritt, was Aufgabe von Christ:innen und der Kirche in einer kriegerischen Welt ist: ein deutliches Zeichen für den Frieden zu setzen, anstatt Krieg und Kriegsdienst zu rechtfertigen. Die ökumenische Friedensdekade, die am morgigen Sonntag, 12. November 2023, beginnt und bis zum Buß- und Bettag am 22. November 2023 andauert, will in der Tradition des Heiligen Martin Krieg und Terror als Mittel der politischen Interessensauseinandersetzung zwischen Mächten und Völkern zumindest religiös delegitimieren. In der ökumenischen Friedensdekade werden zumindest Christ:innen daran erinnert, was ihre vornehmste Aufgabe ist und wofür sie einzutreten haben: für eine strikte Gewaltminimierung. Das muss die Überschrift auch für alles kirchliche Handeln sein und werden. Denn es gehört nicht zum Auftrag der Kirchen, über Krieg, Gewalt und Terror noch eine religiöse Schokoladensauce zu gießen. Vielmehr hat sie alles, was Kriege befördert, grundsätzlich infrage zu stellen. Denn nur so kann sie – abseits aller politischen Opportunitätsüberlegungen – den Grundanliegen der biblischen Botschaft folgen und ihre Glaubwürdigkeit bewahren. Darin liegt der fundamentale Unterschied zwischen politischen Parteien, Parlamenten, Regierungen auf der einen und dem kirchlichen Wirken unter den Menschen auf der anderen Seite begründet. Für Kirche müssen der Frieden und Gewaltminimierung absolute Priorität behalten. Krieg bleibt in dem Bewusstsein eines Christenmenschen auch in einer kriegerischen Welt eine Unmöglichkeit oder religiös ausgedrückt: ein Sündenfall des Menschen.
Dieses haben wir in den nächsten 10 Tagen immer wieder durchzubuchstabieren und in die gesellschaftspolitische Debatte einzubringen. Diese ist seit Monaten davon geprägt, dass kriegerische Auseinandersetzungen wieder zu einer politischen Notwendigkeit und Selbstverständlichkeit erklärt werden. Damit aber gerät der unbedingte Friedensauftrag, der sich auch aus der Präambel des Grundgesetzes ergibt, immer mehr in den Hintergrund. Nach 54 Jahren hat Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius einen verhängnisvollen Paradigmenwechsel vollzogen. Am 29. Oktober 2023 sagte er in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“: „Wir müssen kriegstüchtig werden.“ Damit meint er ausdrücklich nicht nur die Bundeswehr. Pistorius klagt in seinen neuen Richtlinien für die Bundeswehr auch die Kriegstüchtigkeit der Gesellschaft ein. Damit versucht Pistorius ganz offensichtlich, einen ideologischen Unterbau zu schaffen für das gigantische Aufrüstungsprogramm und für eine neue Kriegsbereitschaft in der Bevölkerung. Fatal an diesen Äußerungen ist, dass damit der Paradigmenwechsel, den 1969 der damalige Bundespräsident Gustav Heinemann in seiner Antrittsrede am 1. Juli 1969 eingeleitet hatte, einkassiert wird. Heinemann führte damals aus: „Nicht der Krieg ist der Ernstfall, in dem der Mann sich zu bewähren habe, wie meine Generation in der kaiserlichen Zeit auf den Schulbänken lernte, sondern der Frieden ist der Ernstfall, in dem wir alle uns zu bewähren haben. Hinter dem Frieden gibt es keine Existenz mehr.“ Er lieferte damit eine Grundlage für die Friedens- und Ostpolitik, die durch Willy Brandt und die sozial-liberale Koalition in Gang gesetzt wurde. Alles sollte ausgerichtet sein auf Friedenssicherung und damit auf die Verhinderung von kriegerischen Auseinandersetzungen in Europa.
Wenn nun seit Ausbruch des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 so getan wird, als sei dadurch in Europa eine neue Situation entstanden, in der man sich verabschieden müsse von einer sog. Friedensdividende, dann wird dabei einfach ignoriert, dass es in den vergangenen 30 Jahren keine europäische Friedenspolitik gab, die ausgerichtet war auf Gewaltminimierung. Nie hat man aus dem Mund von Regierungspolitiker:innen gehört: Wir müssen friedenstüchtig (so Heribert Prantl in seiner trefflichen Kolumne in der Süddeutschen Zeitung vom 09.11.2023) werden – und darum legen wir ein Sondervermögen auf, um nichtmilitärische Konfliktlösungsstrategien zu fördern. Stattdessen verfallen wir mit einer neuen Kriegsrhetorik in eine gefährliche Tonlage, um Kriegführenkönnen wieder zu einer Selbstverständlichkeit werden zu lassen. Das ist nicht nur ein fatales Signal, das sich kaum mit den Grundwerten unserer Verfassung vereinbaren lässt. Dahinter verbirgt sich vor allem eine Schein-Rationalisierung all dessen, was Kriege hinterlassen: verbrannte Erde in den Seelen der Menschen und auf den Schlachtfeldern verfeindeter Länder. Denn eines lehren uns die vergangenen Jahrzehnte: Durch Kriegsrhetorik und tatsächlich geführte Kriege können auf Dauer keine Bedingungen des Friedens geschaffen werden. Beides zerstört Gesellschaften im Innern und hinterlässt nach Außen ausschließlich innere und äußere Verwüstung. Jeden Tag werden wir davon Zeuge. Das darf keine Zukunft haben.
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Hier geht es zur Ansprache im Friedensgebet am 13. November 2023 in der Nikolaikirche zum Thema „kriegstüchtig …“?
63 Antworten
Der Krieg
der Räuber gegen die Beraubten,
der Unterdrücker gegen die Unterdrückten
der Sklavenhalter gegen die Sklaven,
der Reichen gegen die Armen
ist stets ein Verteidigungskrieg
zur Verteidigung der Freiheit.
Vergleichen wir Israel, das Westjordanland und den Gazastreifen, finden wir folgende Daten: Bruttoinlandprodukt pro Kopf in USD: 54.337/4.458/1.257; Größe in qkm: 22.380/5.860/365; Bevölkerung in Mio: 9,2/3,2/2,2.
Der wesentliche Grund für Hochrüstung und Krieg liegt auf der Hand: die Aufrechterhaltung der Ungleichheit und die diesem Zweck dienende Okkupation der Ressourcen dieser Erde – und der „Freiheit“ zu deren maßloser Verschwendung.
Die dazu notwendige Vorherrschaft des Westens verfällt, weil die himmelschreiende Ungleichheit in einer vernetzten Welt niemanden mehr verborgen bleibt. Mit Ausnahme derer, die es sich leisten können, davon nichts wissen zu wollen, wie Achille Mbembe formulierte. Das Dilemma der (westlichen) Demokratie ist, dass sie zur Lösung dieser Widersprüche offenkundig nicht geeignet ist.
Auf die Frage :„Wir stehen vor einem Szenario, in dem die traditionellen Eliten des Kapitalismus nicht zu wissen scheinen, wie sie die verschiedenen Krisen, die das System heimsuchen, eindämmen sollen“ schreibt der indische Historiker und Direktor des Tricontinental Institut for Social Research, Vijay Prashad: „Die intellektuelle Vision der traditionellen kapitalistischen Eliten, deren mittelmäßige Vertreter (Biden, Macron, Scholz) ein Zeichen dieses Verfall sind, hat sich deutlich verschlechtert. Keiner dieser führenden Politiker hat ein Konzept für die drängenden Probleme dieser Zeit, wie die Gefahren der Klimakatastrophe und die wachsende soziale Ungleichheit. Anstatt neue Ideen auf den Tisch zu legen, sind zumindest die Führer der traditionellen kapitalistischen Klasse im Westen darauf erpicht, die Konflikte mit Russland und China zu beschleunigen, um so ihre Unfähigkeit zu kompensieren, sich beispielsweise gegen China wirtschaftlich durchzusetzen.
Das ist die Grenze ihres geistigen Beitrags zu den Problemen unserer Zeit: Konfrontation statt Zusammenarbeit.“
Herr Schneider,
leider ist ein unkooperatives Verhalten von Staaten normal. Das soll heißen, kein Staat wird auf Dauer das Gemeinwohl der Welt höher einschätzen, als den Vorteil den es sich verspricht, seinen individuellen Vorteil zu nutzen. Das lehrt die Spieltheorie und das erlaben wir bei der Klimafrage. Es gibt immer Trittbettfahrer und solche die sich einen Vorteil aus der Nicht-Solidarität versprechen und bekommen. Da sind alle gleich. Kapitalist oder nicht. (Das gilt übrigens auch in unserem Lande zwischen den Menschen.)
Schon in der Bibel steht deshalb mit Recht:in Johannes 8,7: “ Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.“ .
Vor diesem Hintergrund alleine WIDERSPRECHE ich Ihnen insoweit, als Sie den Eindruck vermitteln, das sei ein Thema des Westens und des Kapitalismus. Jeder Player versucht einen Vorteil für sich zu ergattern. Das ist ein Verhalten, was wir schon seit der Hochrüstung im Kalten Krieg im Zusammenhang mit den Atomwaffen gesehen haben. Wenn der Eine, dann ich auch, möglichst besser…Da ist der EINE nicht besser als der ANDERE.
Aber es gilt noch etwas Anderes: In einer Gesellschaft von kooperationswilligen (sprich dem Gemeinwohl der Gesamtheit verpflichteten) und anderen, aggressiven, seinem eigenen Vorteil verfolgenden hat sich gezeigt, dass die beste und erfolgreichste Strategie die ist, möglichst kooperativ zu sein und dann so zu antworten, wie der Gegner antwortet. Antwortet er aggressiv, muss ich auch aggressiv antworten, antwortet er kooperativ, muss ich auch kooperativ antworten etc.
Das kann man nun durch deklinieren: Beginnen wir mit dem Angriff auf einen Staat. Wenn einer mit Waffengewalt angreift, muss ich entsprechend reagieren. Aber ich muss Ihn nicht vernichten, kaputt machen und die Reaktion abwarten, wie er darauf reagiert. etc..
Nach der Lehre vom gerechten Frieden der EKD muss dabei geprüft werden, ob die Abwehr erfolgreich sein kann UND ob die Mittel verhältnismäßig sind und ob die angewandten Mittel von einer dazu autorisierten Instanz getroffen wurden….
Danach – so erkennt man – gäbe es genügend Grund, so scheint mir, seitens der Kirchen gegen den rein formalen, rechtlichen Ansatz vorzugehen.
Nehmen Sie Israel aus Beispiel: War der Einsatz wie wir ihn jetzt im Gaza Streifen erleben friedensethisch geboten?
Um zu einem Frieden zu kommen frage ich laienhaft: Hätte es ausgereicht x-hundert palästinensische Geiseln zu inhaftieren und ansonsten das weitere Verhalten abzuwarten und dann adäquat zu reagieren, stets zum kooperativen Verhalten bereit….Muss man wie im Falle Ukraine fordern, dass man vor den 21.2.2014 zurück kommt ?
Man kann aber auch diese Überlegungen früher beginnen lassen…
Wie man auch den Einstieg sucht und begründet: Freuen wir uns, dass wir unsere in einer Demokratie zu leben und beklagen wir nicht die nicht zu übersehenden Unzulänglichkeiten. Reden wir Klartext und lassen wir uns nicht davon abbringen: Es geht letztlich um Menschen, unschuldige. Es geht nicht primär darum, was Recht ist (Was genau ist das im konkreten Fall), sondern was den Menschen und dem Frieden dient.
Herr Dr. Tesche, ich möchte Ihnen auch nur in einem Punkt widersprechen: Seinen Mantel kann nur teilen, wer einen besitzt.
Hier stößt die Spieltheorie an ihren Grenzen.
Weitere Überlegung zu St. Martin: Das Gesamteinkommen (BIP) Israels, des Westjordanlandes und des Gazastreifens ergibt pro Kopf 35.400 USD.
Das wäre knapp das 3- fache des chinesischen und das 17-fache des indischen BIP pro Kopf.
Ich verstehe Ihre Ansprache im Friedensgebet am 13. November 2023, lieber Herr Wolff, unter seelsorgerischem Aspekt. So kann ich sie verstehen und akzeptieren.
Dass Kriegs- und Friedensfähigkeit zwei Seiten einer Medaille sind und sich gegenseitig bedingen, leuchtet ein. Andererseits folgen Kriegshandwerk und Friedensarbeit eigenen, spezifischen Regeln und stehen in gewisser Weise im Gegensatz zueinander, ein typischer Fall von Dialektik also.
Was Friedensfähigkeit bedeutet, hat Herr Tesche dankenswerterweise deutlich benannt: Frieden durch Kompromisse einfordern, abgehen von Maximalforderungen und Verzicht auf die Dämonisierung des Gegners. So gesehen steht es um die Friedensfähigkeit des Westens nicht zum Besten. Herr Tesche verweist auf die Reaktionen bzw. das Nichtreagieren auf den Putin-Brief vom 17. Dezember 2021. Ein krasses Beispiel dafür, wie wenig Menschenleben zählen, wenn es um die Durchsetzung globalstrategischer Ziele geht, war das Torpedieren der russisch-ukrainischen Friedensverhandlungen im März 2022 durch die NATO. Ich erwähne das deshalb, weil Harald Kujat, Hajo Funke und Michael von der Schulenburg dieser Tage eine Studie vorgelegt haben, in der die damaligen Bemühungen detailliert nachgezeichnet und damit die seitdem von interessierten Kreisen diesbezüglich verbreiteten Unwahrheiten abgeräumt werden (https://www.telepolis.de/features/Wie-ein-frueher-Frieden-im-Ukraine-Krieg-scheiterte-9363118.html, https://www.telepolis.de/features/Wie-der-Westen-auf-Diplomatie-setzte-und-die-Ukraine-dann-in-den-Krieg-fuehrte-9385191.html?seite=all ).
Boris Johnson hatte ich bislang eher für einen Polit-Clown gehalten, jetzt lerne ich, dass er (zusammen mit den USA) für den immer noch weiter gehenden, brutalen Krieg zwischen Russland und der Ukraine verantwortlich ist, weil er kurz vor dem Zustandekommen einer Friedensvereinbarung im März 2022 Selenskyj untersagt hatte, diese anzunehmen …
Vermutlich werden in den nächsten Tagen auch Studien erscheinen, dass nach der Grundsatzentscheidung des BVG zur Gültigkeit und Einhaltung der Schuldenbremse vorzeitige Neuwahlen wohl wahrscheinlich, vielleicht sogar unumgänglich sind – und Friedrich Merz, vielleicht in einer Koalition mit dem spannenden Experiment BSW, der nächste Bundeskanzler wird.
Für mich persönlich wäre dann auch nicht mehr weiter schlimm, wenn Andreas Scheuer Nachfolger von Boris Pistorius und vielleicht Hubert Aiwanger von Annalena Baerbock würde …
General a. D. Kujat war im Aufsichtsrat eines putinnahen Think Tanks.
https://www.deutschlandfunkkultur.de/russischer-think-tank-in-berlin-friedensinstrument-oder-100.html
Wem es an Potenzial zum Argumentieren fehlt, versucht es eben immer wieder mit Angriffen ad hominem. Typisch, typisch!
Ich erfahre immer gern Hintergründe über Personen, um ihre Handlungen besser einordnen zu können – wie z. B. über den ARD-Journalisten Hubert Seipel, der aus Russland 600 000 € erhielt, um Putin in Büchern und Filmen positiv dastehen zu lassen.
Lieber Herr Wolff,
Sie haben ein wahrlich wichtiges Thema aufgegriffen: Frieden statt Krieg. Dass Thema!
Die Diskussion hier im Forum zeigt, wie unterschiedlich doch die Perspektiven sein können, alle wollen Frieden, aber…
Wie ich Ihren Beitrag verstanden habe, geht es Ihnen vor allem darum, dass Frieden und Gewaltminimierung absolute Priorität behalten und nicht die Kriegsbereitschaft der Bevölkerung gefördert wird. Krieg soll nicht zur Normalität werden und nicht im Vordergrund stehen. Mit diesem Ziel bin ich absolut einverstanden.
Heißt das aber: Wir müssen friedenstüchtig werden, nicht kriegstüchtig? Wenn wir unter kriegstüchtig die Fähigkeit verstehen einen Verteidigungskrieg im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung (Kernaufgabe der Bundeswehr nach den neuen verteidigungspolitischen Richtlinien), zu führen, dann meine ich nicht, dass es ein Entweder-Oder gibt. Wir müssen beides: Das Land muss vor allem Friedenstüchtig und Friedenswillig sein und die Bundeswehr kriegstüchtig, die Bevölkerung hinter sich wissend, damit das umgesetzt werden kann.
Ich kann also die Aufregung von Ihnen nicht teilen: Pistorius als Verteidigungsminister hat das Thema Kriegstüchtigkeit eindeutig auf die Bundeswehr bezogen und hat das ja auch auf der Bundeswehrtagung vorgetragen. Er schreibt in den Richtlinien: Alle Strukturen und Prozesse müssen dem übergeordneten Ziel der Wehrhaftigkeit und, für den Fall der Streitkräfte, der Kriegstüchtigkeit dienen.
Ich habe Vertrauen in das demokratische System im Konkreten zu formulieren, was dass für die Bundeswehr bedeutet. Das gilt nicht nur hinsichtlich Art und Umfang der Ausstattung und Einstellung, sondern auch hinsichtlich der Einsätze. Das wir jetzt nicht verteidigungsfähig sind, scheint von niemandem bezweifelt zu werden. Dabei scheint mir besonderes Augenmerk auf das Thema Bündnisverpflichtung zu richten sein und hier ist sehr wohl auch die Meinungen und Positionen aller gefragt, auch der Kirchen.
Aber ich folge Ihnen, es wäre gut und richtig gewesen, wenn der Bundeskanzler die besondere dem Frieden in der Welt verpflichtete. Er hätte Deutschlands Wille zum Frieden in der Welt durch nichtmilitärischer Art formulieren können. Das wäre schön. Aber kann das Scholz überhaupt? Ist er frei genug im Denken und Handeln? Zweifel sind nicht angebracht. Schade. Dafür haben wir eine wertebasierte, feministische Außenpolitik, die eher Gräben aufreißt statt Frieden zu stiften und zumindest im Fall Ukraine auf Krieg setzt….
Sie beklagen auch, dass die Kirchen so ruhig sind.
Wie kommt das? Ich meine folgendes Schema ausgemacht zu haben, dass einem Automatismus folgt: Kommt es zu einem Angriff auf ein souveränes Land, wird sofort „Verletzung des Völkerrechts herangezogen“. Handelt es sich um ein Land von strategischer Bedeutung für den Westen folgt daraus sofort die Unterstützung des angegriffenen Landes mit allen möglichen Hilfsmitteln, auch kriegerischen Mitteln unterhalb der Schwelle selbst Kriegspartei zu werden. Siehe Ukraine, siehe in abgewandelter Form Israel.
Nach meinem Verständnis ist das auch genau die Position, die das Konzept des gerechten Friedens entwickelt hat und damit das Konzept vom gerechten Krieg weitgehend ablöste. Den Aspekt der Prävention ist noch unbearbeitet, wenngleich ungemein wichtiger. Ich verweise hierzu auf die m.E. letzte friedensethische Positionierung der Evangelischen Kirche aus 2007 unter dem Titel: „Aus Gottes Frieden leben- für gerechten Frieden sorgen. Eine Gedenkschrift des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland. Ein neueres Konzept hat sie m.W. nicht.
Das Konzept vom gerechten Frieden setzt, wie Huber in der Einleitung schrieb, …den Ausbau der internationalen Rechtsordnung voraus. Die aber liegt seit Jahren im Koma. Eine multipolare Welt mit wechselnden Machtkonstellationen ist entstanden, in der sich keiner (auch die sog. Guten, wie wir) nicht seinen Vorteil verschafft.)
Bei den Fällen der Intervention im Kosovo, Irak u.ä. hat die Kirche nach meinem Verständnis auch Ihren Frieden in der Konzeption gefunden, oder?
Ich meine: Auch die Kirche bleibt gefordert, sich neu zu positionieren um nicht in dem rechtlich möglichen Mechanismus zu verharren. Das können auch Politiker… Das scheinbare Ruhekissen, nämlich dass dann der Krieg nach den Regeln des Völkerrechts abläuft, ist in Wirklichkeit eine Nebelbombe. Das tut er nicht. Es geht um Töten, möglichst viele…und schnell. Manche, z.B. Israel , USA akzeptieren manche Regeln nicht und machen eigene.
Jeder Krieg hat seine Vorgeschichte, er entsteht nicht im luftleeren Raum. (im Falle Ukraine, Israel als Beispiel). D arauf muss immer wieder verwiesen werden. Das hat die Friedenspolitik auch zu leisten.
Nicht alles, was rechtlich möglich ist, ist ethisch geboten (z.B. Brief Putin vom 17.12.21) Da muss sich der Christ und die Kirche rechtzeitig einmischen.
Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, ist es meist zu spät. Dann läuft der Automatismus ab mit viel Leid und Toten.
Im Übrigen heißt ja das Recht auf Selbstverteidigung und zur Unterstützung ja nicht, dass der Gegner sofort vernichtet werden muss, obwohl der Druck dazu hoch ist (Gaza Streifen). War klar/Ist klar, wohin es langfristig gehen soll?
Für alle friedenswilligen und Frieden suchende bleibt dann aber noch die Pflicht Frieden durch Kompromisse jederzeit einzufordern. Auch jetzt, wenn der Andere nicht will, wie es heißt.
Fordern wir Kompromisse ein und verharren wir nicht im Statischen, formal rechtlich. Im Zweifel ist das ohnehin fraglich.
Wenn jeder auf seiner Maximalposition verbleibt, sich auf das vermeintliche Recht beruft oder man Gott spielt, (soll heißen, vorgibt zu wissen, was der andere denkt und will, ohne es direkt auszuloten in Verhandlungen,) wird es keinen Frieden geben, sofern man ihn eigentlich will.
Aus christlicher Sicht kann vielleicht folgende Bild zur Orientierung hilfreich sein: Die Welt ist eine gemeinsame Familie von gleichwertigen. Sie habe ich als Christ nach dem Prinzip der Nächstenliebe und Goldenen Regel zu behandeln. Es gibt keine Bösen vom Grunde auf. Der vermeintlich Böse ist wie ich. So habe ich ihn zu behandeln und auch seine Bedürfnisse als gleichwertig zu akzeptieren und nach einem Ausgleich zu suchen und dazu bereit zu bleiben. Aber ich bleibe kriegstüchtig, um mein Selbst im Ernstfall zu schützen.
Übrigens: Das Prinzip gilt auch im Zwischenmenschlichen und der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner.
Vielleicht sollten wir uns angewöhnen überhaupt auch im Zusammenhang mit den Kriegsparteien mehr von Gegner zu sprechen statt von Feinden. Beim Wort feind schwingt gleich Vernichtung, Töten mit, kaputt machen. Einen Gegner bekämpft man, macht ihn aber nicht kaputt. Auch ein Schritt zum Frieden.
Die Redensart „nicht gleich den Kopf abreissen“ ist in DEU durchaus üblich und wird eher als freundliches Aufeinander-Zugehen interpretiert. Ich habe, da ich Voltaire zitierte, seinen Begriff „abschlagen“ benutzt. Was Sie Herr Wolff, draus machen, entspricht durchaus Ihrer Tendenz, die Diskussion bei ausgehenden Arhumebten zu eher harschen Vorwürfen zu mutzen. So schrieben Sie vor einiger Zeit bei einem zugegeben m,ißliebigen Beitrag: „„Wer so … redet, … der geht – wenn’s drauf ankommt – über Leichen und will dabei nicht gestört werden.“. Und auch jetzt schreiben Sie in ähnlichem Stil „Kopf abschlagen offensichtlich für den eine Option, der diesen Spruch gebraucht.“ Man sollte vielleicht mit solchen Vorwürfen auch im Zorn etwas vorsichtiger umgehen.
Vielleicht nehmen Sie sich einfach mal die Zeit, mir Ihr Argument der „gigantischen Aufrüstung“ zu begründen, denn darum geht es doch.
Andreas Schwerdtfeger
Ist das wirklich so schwer zu begreifen, dass die weltweite Hochrüstung (laut SIPRI inzwischen 2,2 Billionen Dollar 2022) ein kriegstreibender und Mensch und Umwelt zerstörender Faktor ist? Es ist doch rational nicht zu erklären, dass Menschen jedes Jahr ein gigantisches Zerstörungsprogramm im materiellen Wert von über einer halben Billion Dollar auflegt – wohl wissend, dass schon die Produktion vion Waffen nichts mit „Nachhaltigkeit“ zu tun hat, die Anwendung schon gar nicht. Denn jede Waffe, die hergestellt wird, erfüllt nur einen Zweck: Menschenleben auszulöschen und die Infrastruktur eines Landes zu zerstören. Dieser Irrsinn wird nun Tag für Tag mühsam rationalisiert. Das ändert aber nichts daran, dass Rüstung nichts anderes als eine Tötungsmaschinerie ist. Dieses auszusprechen ist heute genauso wichtig wie der Ruf des Kindes im Märchen von „Des Kaisers neue Kleider“: Der hat ja nichts an. Christian Wolff
Wir sind uns einig, Herr Wolff, daß – auf den Globus bezogen – zu viel gerüstet wird, und vielleicht erkennen Sie ja mal, daß ich im Gegensatz zu Ihnen immer wieder versuche, die Übereinstimmungen zwischen uns herauszustellen. Es ist also nicht schwer zu begreifen, daß für Rüstung zu viel Geld ausgegeben wird. Aber ist es denn so schwer zu begreifen, daß dies überwiegend in Diktaturen und Terroristenkreisen passiert und daß wir im Westen, also auch Deutschland, zur Abwehr von Gefahren fähig sein müssen? Und daß man die Bewertung dieser Gefahren und also auch die Konsequenzen für die eigene „Kriegstüchtigkeit“ zur Abwehr besser den Experten als dem ideologischen Gefühl übersetzt? Und ist es denn so schwer zu begreifen, daß Ihr Satz: „ jede Waffe, die hergestellt wird, erfüllt nur einen Zweck: Menschenleben auszulöschen und die Infrastruktur eines Landes zu zerstören,“ eben nicht stimmt, weil er ideologischer Unsinn ist? Die Bewaffnung der Bundeswehr, der gesamten Nato, dient – was die letzten 70 Jahre ja nachweisen – dem Schutz und der (erfolgreichen) Verteidigung unseres Lebensentwurfes, der Sie und Ihre Ideologie überhaupt erst ermöglicht, auch wenn er diese deshalb nicht richtig macht. Wenn Sie also von „Aufrüstung“ bezüglich Nato und Bundeswehr reden, müssten Sie das an von mir genannten Kriterien nachweisen. Wenn Sie damit die Bösewichter dieser Welt meinen – ja, dann gehen Sie doch mal mit der Bergpredigt zur Hamas und bewirken die von uns allen so sehnlich herbeigesehnte Abrüstung: Ich wünsche viel Erfolg!
Andreas Schwerdtfeger
1. Nur in Diktaturen und Terrorregimen wird zu viel Geld ausgegeben für Rüstung, während „wir im Westen“ nur das Nötigste tun? Wie verträgt sich das mit der tatsache, dass im Jahr 2022 allein die USA Rüstungsgüter im Wert von 800 Milliarden Dollar hergestellt hat.
2. Es ist eben kein „ideologischer Unsinn, sondern traurige Wirklichkeit, unter der Millionen Menschen leiden und die uns jeden Tag per Medien freihaus geliefert wird, dass Rüstungsgüter nur dem Zweck dienen, Menschenleben auszulöschen und Infrastruktur zu zerstören. Diesen Irrsinn zu steuern und zu begrenzen, ist die eigentliche Herausforderung für die, die Verteidigungsbereich tätig sind.
„Dieser Irrsinn wird nun Tag für Tag mühsam rationalisiert.“
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Das ist seit Menschengedenken so und wird immer bleiben. Es gibt nun mal gut und böse. Die Bösen brauchen Waffen, um die Guten zu besiegen und sich ihre Territorien anzueignen. Letztere brauchen welche, um sich zu verteidigen.
Genau vor diesem Defätismus hat mich der liebe Gott bis jetzt bewahrt. Dafür bin ich ihm jeden Tag dankbar.
Herr Wolff zeigt uns hier wieder mal, daß er die Verkörperung des Problems der SPD ist, die das BverfG uns gerade gestern erneut aufgedeckt hat: Diese kann mit Geld nicht umgehen und er verwechselt grundsätzliche finanzpolitische Fakten. Ein Verteidigungshaushalt ist – wie jeder Einzelplan – etwas anderes als dessen investiver Anteil. Und wie man den Unsinn verbreiten kann, daß die Verteidigungsbemühungen der USA, die ihn, Wolff, und uns alle schützen, tödlich seien, bleibt sein Geheimnis (was kein Argument gegen das Janusgesicht der gesamten Frage „Waffen“ ist, aber das ist ja ausreichend dargestellt). Solange Wolff nicht bereit ist, sein Bedrohungsbild, seine strategischen Überlegungen zur Verteidigung in der Nato, zur Leistungsfähigkeit von Waffen in einer Skala von Eskalations- und Deeskalationsmöglichkeiten, zu Logistik, Verteidigung ziviler und wirtschaftlicher Infrastruktur, etc, etc, darzustellen und dabei nachzuweisen, was überflüssig ist – und das kann er eben nicht -, solange ist seine Argumentation in diesem Gebiet nichts als ideologische Verbohrtheit.
Und daß ihn sein lieber Gott bisher bewahrt hat, liegt nicht am „Defätismus“ von Plätzsch, sondern an seiner glücklichen Geburt im Westen Deutschlands, die ihn unter den Schutz der 880 Milliarden Verteidigungsausgaben der USA gestellt hat und nicht unter die Herrschaft zB eines Baschar al-Assad (oder auch Putin). Aber die Demokratie läßt sein Geschwätz zu – das ist unbestritten.
Andreas Schwerdtfeger
Da hier einer in seiner Tonlage verharrt, lasse ich das jetzt einfach so unkommentiert stehen …
Was für ein „denk-würdiger“ 13.11.23!
Die klare (unaufgeregte) Tonlage im Friedensgebet in der Nikolaikirche; Gedanken zum Thema „Kriegstüchtigkeit“, zur Pflicht der Kirche, hier klar Stellung zu beziehen und Abwägungen, was der Einzelne tun kann…
Beeindruckend auch die Texte des Kabarettisten und Liedermachers Wolfram der Zweite, insbesondere in seinem Gute-Nacht-Lied „Handvoll Träume“!
Ebenso wichtig und erhellend, die zufällig zustande gekommene Fortführung des Gedankenaustauschs bei einem Glas Wein…
Im Gegensatz zu Herrn Haspelmath zerstören solche Erfahrungen nicht mein Vertrauen in die Kirche, sie begründen/vertiefen es nachhaltig!
Den ganzen Abend über hat niemand Herrn Pistorius „Kriegstreiberei“ unterstellt – als klugem Spitzenpolitiker muss seine Wortwahl aber präzise sein und sich der Konsequenzen bewusst.
Für mich bleibt daher unverständlich, warum er fortwährend von „Deutschland muss kriegstüchtig werden“ spricht…
Hier wird uns in wenigen Zeilen die ganze Widersprüchlichkeit einiger Beitragenden dargestellt:
Wolff schreibt in seiner großen „Flexibilität“, er habe sich mit keinem Wort dazu geäussert, die Bundeswehr abzuschaffen – aber er macht uns permanent deutlich, daß die Ertüchtigung der auch aufgrund von SPD-Einsprüchen über Jahrzehnte vernachlässigten Armee zur Auftragserfüllung ebenfalls nicht nötig sei und nennt dies – freilich one Sachkenntnis – „gigantische Aufrüstung“. Um im Feuerwehrbeispiel zu bleiben: Wolff will die Feuerwehr, aber bitte ohne Drehleiter, Schläuche oder Atemmasken, denn das wäre „Aufrüstung“.
Und nun kommt Löbler mit seinem tollen Satz: „Ich möchte wohl eine abschreckungsfähige und verteidigungsfähige Bundeswehr, aber keine kriegstüchtige und erst recht keine solche Gesellschaft“. Was wohl ist der Unterschied zwischen „verteidigungsfähig“ und „kriegstüchtig“ angesichts der Tatsache, daß auch Verteidigung Krieg ist (und hässlicher dazu, siehe Ukraine)? Löbler argumentiert nach dem Prinzip „wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“ – und das ist die typische Unehrlichkeit unserer Gesellschaft. Genau hier liegt dann auch der Beweis für die Richtigkeit der Forderung Psitorius‘, daß auch die Gesellschaft „kriegstüchtig“ werden muss: Sie muß nämlich, genau wie unser politisches Establishment, endlich lernen, daß Kriegstüchtigkeit, also die personelle, materielle und mentale Verteidigungsbereitschaft einer Gesellschaft EINE zwingende Voraussetzung dafür ist, daß es eben nicht zum Ernstfall kommt. Wenn unsere Gesellschaft die politische Frage „Verteidigung“ durch sachliche, kompetente und informierte Diskussion politischer Szenarien und strategischer Bedingungen anstelle von emotionalen Widersprüchlichkeiten und Verdrängung diskutieren könnte, dann würde dies wohl die Forderung Pistorius‘ nach gesellschaftlicher Kriegstüchtigkeit erfüllen – und daß dies dringend notwendig ist, verschließt sich nur Menschen, die den Kopf in den Sand stecken, sich auf die USA verlassen und diese gleichzeitig beschimpfen.
Andreas Schwerdtfeger
Nein, lieber Herr Schwerdtfeger, ich will eine Feuerwehr, die den Brand unter Einsatz von Drehleiter, Schläuche und Atemmasken löscht und nicht dadurch, dass einfach eine (Wasser-)Bombe auf das Haus geworfen wird. Außerdem gibt es einen erheblichen Unterschied zwischen einer gut ausgerüsteten Bundeswehr und einem Aufrüstungsprogramm, das sehr schnell unkontrollierbar wird. Beste Grüße Christian Wolff
Na gut, lieber Herr Wolff, wir verstehen Ihr verzweifeltes Rückzugsgefecht ja: Dann eben Drehleiter ja, aber Hubschrauber mit Wasserkorb nein. Und was den Unterschied zwischen einer „gut ausgerüsteten Bundeswehr“ und einem Aufrüstungsprogramm (unkontrollierbar)“ ist, bitte ich Sie ja seit langer Zeit, mir mit Ihrer ganzen Expertise zu erläutern – Bedrohung, Strategie, Waffenwirkungen, Eskalationsvermeidung, Interdependenz von Politik und Streitkräften, was auch immer. Sie bleiben das ja schuldig, weil Sie offensichtlich die Fachdiskussion scheuen und stattdessen lieber mit wohlfeilen Schlagworten aufwarten. Verlassen Sie doch mal Ihren Schützengraben und kommen Sie zu mir auf den Hochsitz, wo man Überblick hat über die Themen – Pardon: Nur Spaß!
Andreas Schwerdtfeger
Ich hoffe, Christian Wolff hat speziell heute Wichtigeres und Angenehmeres vor, als in einem verzweifelten Rückzugsgefecht „den Unterschied zwischen einer gut ausgerüsteten Bundeswehr und einem Aufrüstungsprogramm“ (immer und immer wieder) zu erläutern!
Vielleicht erinnert sich der hochgeschätzte Bundeswehr-Experte noch an die ein oder andere (Satire-) Sendung vor einigen Jahren, in der genüsslich aufgezählt wurde, wie viele A400 Transportflugzeuge, Helikopter, oder Panzer gerade (nicht) einsatzfähig seien – ganz zu schweigen von Beschaffungskapriolen (z.B. Funkgeräte, die in die dafür vorgesehenen Waffengattungen gar nicht eingebaut werden konnten).
Die Probleme der Flugbereitschaft (die eben nicht zur Beförderung von Spitzenpolitiker:innen von A nach B bereit war) betrafen nach seiner Expertise allerdings nicht die Bundeswehr, sondern deren Outsourcing-Partner Lufthansa Technik.
Versteht man unter Aufrüstung (noch) mehr und effektivere (also tödlichere) Waffensysteme für die Bundeswehr, sieht aber gleichzeitig den wachsenden Nationalismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus in Deutschland bis hin zur bald nicht mehr auszuschließenden Regierungsbeteiligung der AfD (Thüringen; Höcke), kann (hoffentlich nicht nur) mir Angst und Bange werden!
Auch ich nenne das ein UNKONTROLLIERBARES AUFRÜSTUNGSPROGRAMM!
Und mit Christian Wolff finde auch ich es beschämend, dass die Kirche nicht laut aufschreit, wenn Boris Pistorius trotzdem ein ums andere Mal fordert „Deutschland muss kriegstüchtig werden“.
Diesen Beitrag, lieber Herr Käfer, sehen wir angesichts Ihrer völligen Unkenntnis in der Sache, die Sie hier wieder mit einiger Polemik überzeugend nachweisen, mit Voltaire’schem Spott und gleichzeitiger Milde: Wir schlagen Niemandem den Kopf ab, der keinen hat!
Andreas Schwerdtfeger
Ein mehr als unappetitlicher Spruch, der nun den einen Schluss zulässt: Kopf abschlagen offensichtlich für den eine Option, der diesen Spruch gebraucht.
„Aufrüstungsprogramm, das sehr schnell unkontrollierbar wird“
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Das ist lächerlich!
Minister Pistorius musste heute eingestehen, dass das Ziel der EU, 1 Mio Artilleriegranaten bis zum Frühjahr 2024 an die Ukraine zu liefern, nicht erreichbar ist, weil die Rüstungsindustrie nicht die Kapazitäten für die Produktion hat.
https://web.de/magazine/politik/pistorius-erwartet-scheitern-eu-munitionsplan-ukraine-38865254
Das ist leider nicht „lächerlich“. Keiner weiß (selbst SIPRI nicht), wie viel Rüstungsgüter weltweit auf Halde, als Schmuggelware unterwegs sind und in die falschen Hände kommen.
Dass Bundeswehrwaffen in die falschen Hände kommen, lässt sich sicher nicht völlig ausschließen. Doch ist dies kein stichhaltiges Argument gegen die unabdingbare Aufrüstung der lange Zeit sträflich vernachlässigten deutschen Armee, die noch Bestände an die Ukraine abgegeben musste.
Sehr geehrter Herr Schwerdtfeger, machen wir es uns einfach und setzen die differenzierenden Begriffe in den anderen Argumente einfach gleich, dann verschwinden vielleicht auch die Argumente selbst. Wenn sie den Unterschied zwischen Verteidigung und Krieg nicht sehen (wollen/können?), dann können sie meinem Gedanken auch nicht folgen. Da ist es dann auch einfacher, aber eben doch nicht richtiger, mir Unehrlichkeit vorzuwerfen. Überzeugend ist es nicht.
Es fällt doch auf, dass Herr Pistorius neben den Worten „Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit“ zusätzlich das Wort „Kriegstüchtigkeit“ verwendet. Schaut man im Duden (um Spekulationen zu reduzieren) nach, dann heisst es dort und auch bei „wortbedeutung.info“: Kriegstüchtigkeit = „(gut, im Duden) gerüstet für einen Krieg“. Das hat doch Bedeutung und Konsequenzen? Ich möchte wohl eine abschreckungsfähige und Verteidigungsfähige Bundeswehr, aber keine kriegstüchtige und erst recht keine solche Gesellschaft.
Vielen Dank für diesen wunderbaren Text! Ja, die Situation ist jetzt ähnlich wie bei Corona und nach dem Überfall auf die Ukraine: Die Gesellschaft ist sich einig, dass das Böse so schlimm ist, dass wir uns keine Zwischentöne erlauben können – das Böse muss ein für alle Mal ausgemerzt werden: Corona durch Zero-Covid eliminiert, das Putin-Regime gestürzt, und die Hamas ein für alle mal beseitigt. Dafür müssen wir eben zur Not riesige Opfer bringen. Corona war ein „Krieg“ (Macron), und Deutschland hat mehr als €400 Milliarden für Corona ausgegeben (viermal so viel wie jetzt für die neue Kriegstüchtigkeit). Zur Ertüchtigung gehört natürlich die passende Ideologie: die Zweifler*innen (wie Heribert Prantl oder Sahra Wagenknecht) werden als „Coronaleugner“, als „Putinknechte“ oder als „Antisemiten“ verunglimpft, und ihre Demos werden verboten. Wenn es dann alles nichts bringt und das Scheitern offenbar wird (und man sich Hals über Kopf aus Afghanistan zurückzieht, oder urplötzlich die Lockdowns aufgibt, wie es China gemacht hat), dann erklärt man die Operation eben für erfolgreich und redet nicht mehr über das Thema. Deshalb ist es so wohltuend, diesen Text von Ihnen zu lesen, über eine Zeit, als es in der Kirche (und der SPD) noch Friedensfreunde gab, und als es niemandem in den Sinn gekommen wäre, ein antidemokratisches Plakat an eine Kirche zu hängen („22 ist nicht 89“ – so als ob eine kritische Begleitung der Regierung in einer Demokratie nicht selbstverständlich wäre).
Da sollte nicht zu viel Euphorie aufkommen und nicht zu viel in einen Topf geworfen werden, lieber Herr Haspelmath. Hamas ist – unabhängig von der Frage, wie sie zu bekämpfen ist – eine monströse Terrororganisation, an deren Verbrechen nichts, aber auch gar nichts zu relativieren ist. Putin ist – unabhängig von der Frage, wie Frieden und Freiheit für die Ukraine zu erreichen ist, ein elender Killer und Kriegsverbrecher, und Corona war – unabhängig davon, wie man das Virus bekämpft – eine zunächst unberechenbare Bedrohung. Darum: Natürlich gehört auch heute noch klar und eindeutig gegen die unverschämte Vereinnahmung und Pervertierung der Friedlichen Revolution durch die Rechtsnationalisten gesagt: „22 ist nicht 89“! Gott sei Dank haben das die Inennstadtkirche sichtbar für alle unterstrichen. Wenn man das auf dem Schirm hat, dann vermag man auch zu differenzieren zwischen einem Heribert Prantl und einer Sahra Wagenknecht. Wenn Sie das alles bei meinem Text mitlesen und ihn dann weiter für wunderbar halten, kann mich dies nur freuen und danke für die Blumen. Beste Grüße, Christian Wolff
Historische Ereignisse (wie die Friedliche Revolution) werden natürlich „vereinnahmt“ – das war immer so und wird immer so sein. In Frankreich marschiert gerade Marine Le Pen (die gegen Araber und Muslime ist) gemeinsam mit Premierministerin Elisabeth Borne (die für Israel und den Westen ist) gegen Antisemitismus und Hamas – aber eben aus unterschiedlichen Gründen. Eine weltoffene Demokratie hält es aus, dass man historische Ereignisse verschieden interpretiert. Fühlt sich die Kirche so bedrängt, dass sie es Menschen von den Rändern der Gesellschaft (von Ihnen als „Rechtsnationalisten“ verunglimpft) nicht verzeiht, wenn diese gegen den NATO-Krieg in der Ukraine protestieren, und dabei an 1989 erinnern? Damals hieß es „keine Gewalt!“, und genau das war auch jetzt wieder das Motto der Menschen, die Sie als „Rechte“ bezeichnen. Vor allem aber waren diese Menschen schockiert über diesen neuen Krieg, genauso wie Margot Käßmann und Eugen Drewermann, genauso wie Jürgen Fliege und Peter Brandt. Sie können diese Menschen alle aussortieren (obwohl es Ihre früheren Weggefährten waren), aber dann können Sie sich nicht gleichzeitig als Demokratiebefürworter bezeichnen. Demokratie ARGUMENTIERT, sie verunglimpft und verwirft nicht.
Es geht nicht um „aussortieren“ – es geht um Haltung! Ich muss in der Demokratie nicht gut finden, wenn Menschen Unsinn reden.
„Haltung“ oder „Meinung“ ist in Ordnung, aber wenn Kirchen friedliche Demonstrationen für Frieden (und sei es von AfD-Anhängern) mit großen Plakaten verunglimpfen, dann ist das deprimierend. Ich bin jedes Mal traurig, wenn ich meine früher so geliebte Thomaskirche sehe, weil mir immer dieses antidemokratische Plakat vor Augen steht. War es vielleicht alles falsch, auch die Konfirmation unserer Kinder dort? Im Rückblick stelle ich mir viele Fragen. Das Plakat hat mein Vertrauen in die Kirche komplett zerstört.
Das ist dann wohl Ihr Problem. Dieses Plakat war eine wichtige, notwendige und absolut richtige Positionierung der Innenstadtkirchen gegen Rechtsnationalisten, Reichsbürger, AfD, die auf unverfrorene Weise für ihre antidemokratische Politik die Friedliche Revolution zu instrumentalisieren versuchen.
„dass sie es Menschen von den Rändern der Gesellschaft (von Ihnen als „Rechtsnationalisten“ verunglimpft) “
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Herr Wolff bezeichnet stets die AfD als Rechtsnationalisten – und das zu recht!
Die Friedensdemonstranten waren sicher nicht alle AfD-Anhänger. Auch die sächsische CDU hat sich gegen den Kriegs-Kurs von Scholz und Merz gewandt. Der NATO-Krieg in der Ukraine ist in Ostdeutschland eben sehr unpopulär, und auch deshalb wählen viele die AfD. Sie möchten lieber eine Politik wie bei Willy Brandt.
Wie verblendet muss man sein, um eine Kriegspartei (Nationalismus ist eine der Keimzellen von Krieg) wie die AfD in einem Atemzug zu nennen mit Willy Brandt und um den Angriffskrieg Russlands zum NATO-Krieg zu erklären?
Die Überschrift des aktuellen Blog-Themas ist „Die Tonlage muss sich ändern“.
Es verwundert mich sehr, verehrter Herr Haspelmath, dass Sie in diesem Zusammenhang vom „NATO-Krieg in der Ukraine“ sprechen; nein, eigentlich bin ich tief traurig!
Ein Banner an der Thomaskirche „22 ist nicht 89“ nennen Sie „antidemokratisches Plakat“, Sie interpretieren es als „Verunglimpfung friedlicher Demonstranten“, es habe Ihr „Vertrauen in die Kirche komplett zerstört“ (13.11., 7:36 Uhr)??? Sie fragen sich „War es vielleicht alles falsch, auch die Konfirmation unserer Kinder dort (Anm.: in der Thomaskirche)?“
Vielleicht hilft es Ihnen weiter, wenn Sie einmal kurz „22 ist nicht 89“ ins Gegenteil kehren („22 IST 89“)?
Klar, mathematisch ist das Unsinn. Ich habe aber auch keine Soldaten, Stasi, oder andere Staatsbedienstete in Seitenstraßen wahrgenommen, die bei einem entsprechenden Befehl bereit gewesen wären, für „chinesische Verhältnisse“ zu sorgen. Auch schienen mir die Ihnen am Herzen liegenden Demonstranten zahlenmäßig sehr weit entfernt von den Teilnehmerzahlen der Friedensmärsche 1989 im Anschluss an die Friedensgebete in der Nikolaikirche!
Haben Sie schon einmal z.B. mit Frau Kallenbach oder Frau Oltmanns, die 1989 aktiv dabei waren, über Ihre Frustration, Ihre Gleichsetzung der Ereignisse/Zustände von 1989 und 2022 gesprochen?
„Sie möchten lieber eine Politik wie bei Willy Brandt.“
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Ich halte mich an Brandts Rede als Regierender Bürgermeister Berlins wenige Tage nach dem Mauerbau am 16. August 1961:
„Unser Volk tritt in eine Bewährungsprobe ein, in die eigentliche Bewährungs-
probe, vor der alles, was bisher in diesen vergangenen Jahren geschehen ist, zu
einem Nichts wird! Unser Volk wird jetzt von der Geschichte gewogen, und wehe
uns, wenn wir durch Gleichgültigkeit, durch Bequemlichkeit, durch Trägheit oder
durch moralische Schwäche diese Probe nicht bestehen! Dann nämlich werden
die Kommunisten nicht am Brandenburger Tor haltmachen. Dann werden sie
auch nicht an der Zonengrenze stehenbleiben und auch nicht am Rhein.
…
Die Ereignisse der letzten Tage haben bewiesen, daß die sowjetische Herausforderung des Westens nicht zurückgenommen wird. Sie haben bewiesen, daß friedliche Koexistenz nur ein anderes Wort ist für eine Kraftprobe, der man nur ausweichen kann, wenn man kapituliert. Diese Stadt Berlin wünscht den Frieden, aber sie kapituliert nicht.“
https://www.willy-brandt-biografie.de/wp-content/uploads/2017/08/Rede_Brandt_Mauerbau_1961.pdf
Ja, Herr Käfer, leider haben nur wenige Menschen gegen den NATO-Krieg in der Ukraine protestiert, und ja, leider waren wohl auch Rechte dabei – aber das heißt nicht, dass sie nicht manchmal richtig liegen. Ja, ich habe immer wieder versucht, mit Frau Kallenbach und Frau Oltmanns ins Gespräch zu kommen, aber vergebens. Herr Wolff reagiert immerhin manchmal auf Kommentare hier, aber nicht mit Argumenten (er wirft mir „Verblendung“ vor, aber das ist ja kein Argument). Ich denke, Herr Wolff und seine Freunde können sich einfach nicht vorstellen, dass sie bei den Corona-Lockdowns und dem Ukraine-Krieg komplett daneben gelegen haben können, und dass die AfD oft recht hatte. (Ich konnte mir das bis 2020 auch nicht vorstellen – ich war bis 2020 dreißig Jahre lang Grünen-Mitglied, bin dann aber wegen des Lockdown- und Kriegskurses ausgetreten.)
Bevor man anderen ein vermindertes Vorstellungsvermögen unterstellt, sollte man sein eigenes kritisch prüfen …
Lieber Pfarrer Wolff!
Da auf ihre heutige Replik in meinem Thread eine Reply-Funktion nicht mehr aktiv ist, hier noch eine – allerletzte – Sicht zum Thema und die von Ihnen angeführte heutige Interviewpassage aus dem Deutschlandfunk. Mit Blick auf die Ukraine und Israel (und die Zukunft Deutschlands in Europa!) würde ich formulieren:
„Wer sich die Fähigkeit zum Krieg nicht aneignet bzw. bewahrt, nimmt in Kauf, dass im eigenen Land jedwede Zivilisation außer Kraft gesetzt wird.“
In gleichzeitigem Respekt vor Ihrer abweichender Sicht zu den Wegen zu Frieden und Sicherheit im 21. Jahrhundert, wünsche ich Herrn Pistorius doch eine wirkungsvolle Amtszeit, an dessen Ende unumkehrbar sichergestellt ist, dass eine kriegsertüchtigte Bundeswehr einen relevanten Beitrag zu Frieden und Sicherheit in Europa leisten kann.
Ihr Jost Brüggenwirth
Lieber Herr Wolff,
die Zielsetzung Ihres Beitrages teilen hier wohl alle Kommentatoren: Es geht darum, Frieden zu schaffen, zu erhalten, zu verteidigen, weltweit zu fördern – und dies, bezogen auf die eigene Regierung, natürlich besonders in deren Verantwortungsbereich, der da lautet: „Schaden vom deutschen Volke zu wenden“. Die Frage ist also nicht die nach dem Ziel, sondern die nach dem Weg. Und es geht dabei natürlich auch um die Frage, wie stark der eigene Einfluß auf diesem Weg in einer multipolaren, sehr diversen und überwiegend undemokratischen und von Menschenrechten weit entfernten Welt ist. Ich nehme Ihnen selbstverständlich Ihren Friedenswillen als Ziel ab – was Sie ja umgekehrt deutlich weniger tun.
Ansonsten allerdings ist Ihr Beitrag wieder mal ein Beweis von Traumtänzerei. „Demokratie kann nur durch Demokrat:innen verteidigt werden“, schreiben Sie uns und verschleiern damit mal wieder alles, worum es geht mit einer nichtssagenden Phrase – falls Sie nicht undemokratisch unterstellen wollen, daß alle, die einen anderen Weg zur Friedenssicherung als Sie empfehlen, eben keine Demokraten sind.
Die ganze Tendenz Ihrer Argumentation hier – und in vielen Beiträgen zu diesem Thema, denn Sie sagen hier ja nicht gerade etwas Neues – ist in logischer Konsequenz:
Wir könnten den Krieg durch Abschaffung von Waffen und Streitkräften abschaffen; und das ist wohl Hochrisikopolitik nach dem Motto
– hätten wir keine Polizei, gäbe es keine Gewalt auf Strassen und in Schulen;
– hätten wir keine Feuerwehr, gäbe es keine Feuer;
– schmissen wir endlich unsere Haustüren und Fensterriegel weg, gäbe es keine Einbrüche;
– gäbe es kein Strafgesetzbuch, gäbe es keine Verbrechen mehr.
Ihre These, daß es in den letzten Jahrzehnten keinerlei politische Friedensinitiativen in Europa oder durch den Westen gab, ist übertrieben, enthält aber einen wahren Kern. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, daß dieser Mangel an Friedeninitiativen ganz wesentlich daraus resultiert, daß der Westen in seiner moralischen Überlegenheit und Rechthaberei eben die ganze restliche Welt antagonisiert und nicht erkannt hat, daß Kompromisse, Nichteinmischung und zielgerichtetes Anstreben des Erreichbaren (im Gegensatz zum utopischen Wünschbaren) uns vermutlich weiter gebracht hätten. Die ganz Ukrainepolitik des Westens ist hierfür ebenso Beispiel, wie der überhebliche Umgang des Westens mit Russland bei gleichzeitigem Kuschen gegenüber China in den letzten zwei Dekaden. Und interessant ist ja in diesem Zusammenhang auch, wie unterschiedlich der Westen mit den Kriegen in Ukraine und Israel umgeht: In der Ukrainefrage fehlt nach zwei Jahren jede politische Initiative und strategische Zieldefinition; in Israel dagegen (richtigerweise) denkt man schon nach drei Wochen über das „Danach“ nach.
Und was nun die Wortwahl angeht: Der Begriff „Tüchtigkeit“ unterstellt Kompetenz in der behandelten Frage – und genau die fehlt bei uns in Deutschland in der Öffentlichkeit (Sie selbst sind ja das beste Beispiel) und weitverbreitet auch in der politischen Ebene. Man könnte natürlich gerne den Begriff „kriegstüchtig“ durch „friedenstüchtig“ ersetzen, wie Sie uns vorschlagen, wenn dann verstanden würde (was ich bezweifle), daß dies inhaltlich das gleiche ist: Man muß den Krieg führen können – von der Mentalität und Bereitschaft des Volkes her, ebenso wie von der personellen und materiellen Aufstellung her –, um ihn nicht führen zu müssen. Friedenspolitik ist Kriegsvorbereitung, genauso wie die beste Verteidigung gegen Feuer die Feuerwehr ist! Und dies besonders, wenn man sich gegen Menschen stellen muß, die immer von „gigantischen Aufrüstungsprogrammen“ schwafeln, ohne je (trotz Aufforderung) mal argumentativ zu belegen, an welchen Kriterien sie das eigentlich festmachen.
Ihr Heinemann-Zitat beschreibt das Ziel – zum Weg hat Heinemann nichts gesagt: Er wußte wohl (wie Sie auch) warum: Wenn man kein Konzept hat, muß halt die Floskel reichen.
Andreas Schwerdtfeger
Lieber Herr Schwerdtfeger, Ihr ganzer Einspruch krankt daran, dass Sie aus dem, was ich schreibe, einen Popanz machen. Mit keinem Wort habe ich mich dazu geäußert, die Bundeswehr (Polizei, Feuerwehr) abzuschaffen. es geht vielmehr darum, von welchen Prämissen aus und mit welcher Zielsetzung Politik betrieben wird. Beste Grüße Christian Wolff
Dann schreiben Sie hier mal in konkreten politischen Handlungsvorschlägen, was Sie meinen mit Sätzen wie:
„- Vielmehr hat sie (die Kirche) alles, was Kriege befördert, grundsätzlich infrage zu stellen (Streitkräfte in Demokratien verhindern Kriege, allerdings nur, wenn sie dazu personell und materiell befähigt sind, insofern stehen sie dann also nicht „infrage“)
– Für Kirche müssen der Frieden und Gewaltminimierung absolute Priorität behalten (das ist kein Alleinstellungsmerkma! Für JEDEN trifft dies zu in Demokratien – es geht um den Weg)
– Damit versucht Pistorius ganz offensichtlich, einen ideologischen Unterbau zu schaffen für das gigantische Aufrüstungsprogramm und für eine neue Kriegsbereitschaft in der Bevölkerung (Unsinn: Pistorius erklärt der Öffentlichkeit, daß sie mögliche Szenarien berücksichtigen und sich damit auch mental auseinandersetzen muß – das ist Realität, nicht Ideologie)
– Alles sollte ausgerichtet sein auf Friedenssicherung und damit auf die Verhinderung von kriegerischen Auseinandersetzungen in Europa (richtig – und dazu tragen Streitkräfte essentiell und unverzichtbar bei und es gilt übrigens nicht nur für Europa)
– verfallen wir mit einer neuen Kriegsrhetorik in eine gefährliche Tonlage, um Kriegführenkönnen wieder zu einer Selbstverständlichkeit werden zu lassen (in der Tat: Kriegführenkönnen ist selbstverständliche Voraussetzung für Überleben bei Angriff – alles andere ist gefährlich)“.
Erstens zeigen alle diese Hinweise die Berechtigung meines Argumentes, daß es in dieser Diskussion um den WEG, nicht um das ZIEL geht – schön, daß wir da übereinstimmen.
Und zweitens hat Pistorius zu Recht deutlich gemacht, daß „Kriegführenkönnen“ das beste Rezept ist, um nicht Krieg führen zu müssen – ich stimme ihm zu und das wird wohl jeder tun, der nur ein bißchen von dieser Frage versteht.
Schliesslich drittens: Solange Sie nicht willens sind, anhand konkreter Kriterien (Bedrohungsszenarien, eigenen Zielsetzungen und Strategien, breite Palette von Reaktionsmöglichkeiten auf Angriffe in verschiedenen Ebenen, Waffen- und anderen Bedrohungswirkungen, zB Cyber oder zivile Infrastruktur) Ihre Vokabel von der „(gigantischen) Aufrüstung“ sachlich nachzuweisen, bleibt sie eben Propaganda und unsachlich – genau wie die von Ihnen zitierten Nullsätze Heinemanns.
Andreas Schwerdtfeger
Da alle Gedanken, die nicht den Ihrigen entsprechen, zu „Nullsätze(n)“ erklärt werden, erübrigt sich ein näheres Eingehen auf Ihre Punkte, die offensichtlich eines erstaunlichen Allwissenheitsanspruchs entspringen …
Ewiges ausweichen und wegducken!
Fehlt nur noch der Schützengraben …
Das Thema Friedenssicherung oder neuerdings eher das “Wie gewinnen wir einen Krieg“ ist hier schon so oft behandelt worden, dass wohl kaum neue Erkenntnisse zu erwarten sind. Wenn doch, dann vermitteln vielleicht vor allem die aktuellen Entwicklungen in der Ukraine eine leichte Idee davon, dass für erfolgreiche Kreuzzüge gegen das „Böse“ schlicht und einfach die Ressourcen fehlen, dass das Maß an Menschenopfern, das man bereit ist, für einen Sieg gegen das „Böse“ in Kauf zu nehmen, alle vertretbaren Grenzen zu sprengen droht, und dass es den Antreibern der vermeintlich gerechten Kriege an moralischer Reputation in den Augen eines Großteils der Welt fehlt.
Deshalb habe ich die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben, dass man sich irgendwann wieder darauf besinnt, dass Frieden langfristig nur mit und nicht gegen vermeintliche Kontrahenten geschaffen werden kann. Es ist eben falsch, dass die angebliche Stabilität während des kalten Krieges nur auf blanker Abschreckung beruht hat. So bestand der Kern der Abrüstungsverträge der späten achtziger Jahre in der gegenseitigen Anerkennung nationaler Sicherheitsinteressen. Zum Beispiel wurde mit dem ABM-Vertrag festgelegt, dass alle Seiten nicht das Maximum an Abwehrmöglichkeit realisieren und damit die Zweitschlagfähigkeit für jeden aufrechterhalten bleibt.
Warum wurde gerade dieser Vertrag einseitig gekündigt? Warum mussten unbedingt US-Raketen in Polen und Rumänien stationiert werden? Als Ergebnis erhielten wir die Mittelstreckenraketen in Kaliningrad. Warum wollte G. W. Bush die Ukraine (und Georgien) 2008 unbedingt in die NATO hineinziehen, obwohl es Zweifel an einer belastbaren Mehrheit in deren Bevölkerung für einen solches Projekt gab? Der Kiewer US-Botschafter rechnete Ende 2007 mit nicht mehr als 25% Zustimmung. Ein für 2006 vorgesehenes Referendum zum NATO-Beitritt war, obwohl das Quorum erreicht wurde, von Juschtschenko vorsorglich abgesagt worden. Die vielfach gestreute These, Merkel und Sarkozy haben mit der Verweigerung eines sofortigen NATO-Aufnahmeverfahrens für besagte Länder die Voraussetzung für den späteren russischen Überfall geschaffen, ist nicht nur aus diesem Grund Unfug, sondern auch deshalb, weil unabhängig von NATO-Beschlüssen die USA sofort nach ihrem Misserfolg bilateral mit der Hochrüstung der Ukraine begannen (U. S. Ukraine Charter on Strategic Partnership, 19. Dezember 2008). Und trotzdem wäre die ukrainische Armee Anfang 2015 fast komplett untergegangen, wenn Merkel und Co. nicht die Russen zu den Minsker Verträgen überredet hätten. Das gesteigerte Desaster, wozu die Konfrontation mit Russland geführt hat, erleben wir jetzt. Meinen Sie dieses, Herr Wolff, wenn Sie von einer seit 30 Jahren fehlenden europäischen Friedenspolitik schreiben? Geschichten, wie sie Herr Dresel erzählt, verschleiern nur das katastrophale Versagen westlicher Sicherheitspolitik.
PS: Dass ein strammer deutscher Kriegsminister, als ein solcher versteht sich Herr Pistorius wahrscheinlich, in seinem Volk fast verschüttet geglaubte Kernkompetenzen reaktivieren will, ist tatsächlich bemerkenswert!
Lieber Pfarrer Wolff!
Ich war am vergangenen Dienstag im Berliner Renaissance-Theater zur Buchlesung von Professor Herfried Münkler, zugleich auch verbunden mit einem Dialog mit Lars Klingbeil.
Es wurde das neue Buch „Die Welt in Aufruhr. Die Ordnung der Mächte im 21. Jahrhundert“ vorgestellt. Moderation hatte Spiegel Chefredakteur Dirk Kurbjuweit.
Gleich zu Beginn der Veranstaltung wurde Professor Münkler vom Moderator gefragt, was er denn von der Einlassung des Verteidigungsministers zur „Kriegstüchtigkeit“ halten würde.
Münkler antwortete ganz schlicht mit Schillers Wilhelm Tell: „Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt.“ Und er ergänzte dann sinngemäß, dass es Pistorius wohl offenbar verstanden habe, mit welchen Nachbarn man es im Osten zu tun hätte und er eine starke Verteidigungsfähigkeit als Grundvoraussetzung erkannt habe, um im 21. Jahrhundert Ordnung und Frieden in Europa die größtmögliche Chance zu geben. Der Denkansatz, ad 1) Kriege durch supranationale Kontrakte, deren Einhaltung durch einen wirksamen supranationalen Hüter überwacht werden, zu verhindern, seien offensichtlich vor Charakteren a la Putin ebenso gescheitert wie ad 2) der Versuch, Aggressoren durch wirtschaftliche Verflechtungen einzuhegen.
Später ergänzte Lars Klingbeil, dass es ihn immer wieder zutiefst verärgern würde, wie Willy Brandt aus bestimmten Teilen der Gesellschaft und auch seiner Partei als Ostpolitik-„Engel“ verklärt würde, ohne zugleich klar zu benennen, dass in seiner Zeit als Kanzler die Verteidigungsausgaben auf 3% des Bruttoinlandsprodukts und mehr gesteigert wurden und Willy Brandt die ausgestreckte Hand gen Osten stets verbunden hätte mit einer klaren Botschaft, dass die ausgestreckte Hand nicht aus Mangel an alternativen Konfliktbewältigungsmöglichkeiten ausgestreckt sei.
Alle Beteiligte der Veranstaltung haben sich sehr integer mit der Frage auseinandergesetzt, wie denn Politik ausgestaltet sein muss, die Frieden in Europa sichern bzw.
wiederherstellen will. Keiner hat dem anderen die Ernsthaftigkeit und die friedensbezogene Zielrichtung abgesprochen.
Umso surrealer empfinde ich in der zeitlichen Nähe zu dieser sehr substantiellen Veranstaltung, wie Sie in Ihrem aktuellen Beitrag, sehr geschätzter Pfarrer Wolff, die (von Pistorius aus für mich vollkommen nachvollziehbaren Gründen) zugespitzte Formulierung der „Kriegstüchtigkeit“ von mir so empfunden geradezu in die Nähe der Kriegslust rücken.
Ich betrachte es als ein sehr sehr großes Glück für Deutschland (und in diesem Falle auch zuvorderst für die SPD selbst…), dass die SPD mehr zu bieten hat in der Rolle des Verteidigungsministers als Frau Lambrecht! Pistorius versöhnt mich wieder sehr mit dem Gedanken, die SPD als ausgesprochen wählbar zu betrachten.
Mit freundlichem Gruß,
Ihr Jost Brüggenwirth
Lieber Herr Brüggenwirth, vielen Dank für Ihre kritische Replik auf meinen Blog-Beitrag. Wir sind uns hoffentlich darin einig, dass gerade in zugespitzten politischen Situationen Sprache und Wortwahl von höchster Bedeutung sind. Wenn Verteidigungsminister Boris Pistorius jetzt den Begriff „kriegstüchtig“ benutzt und dies nicht nur auf die Bundeswehr, sondern auf die Gesellschaft bezieht, dann tut er dies sehr bewusst. Er hätte ja auch von der Verteidigungsfähigkeit sprechen können. Die Gefahr, die von diesem Begriff ausgeht, sehe ich vor allem in der Rationalisierung des Schreckens, die jede kriegerische Handlung auslöst. In dieser rationalen Kälte vollzieht sich derzeit auch die Diskussion. Dabei fällt dann auf, dass das Wort Frieden immer mehr aus der öffentliche Debatte verschwindet. Das halte ich für fatal – und für eine bewusste Abkehr vom Paradigmenwechsel, den Gustav Heinemann 1969 vollzogen hat. Sie mögen meine Argumentation als „surreal“ empfinden, für mich ist es Ausdruck der Rationalität des Friedens. Zu dieser gehört auch die Überzeugung von Willy Brandt, dass seine Friedens- und Ostpolitik nur möglich war durch die Einbettung in die NATO und eine starke Bundeswehr. Nur hat Willy Brandt die Prioritäten anders gesetzt als jetzt Boris Pistorius. Niemals hätte er von Kriegstüchtigkeit gesprochen, Hemut Schmidt schon gar nicht. Für ihn war Krieg „Scheiße“ – so des Öfteren seine Einlassung. Mit zunehmendem Alter hat er sein Unverständnis darüber geäußert, wie schnell Politiker:innen der Nachkriegsgeneration bei der Hand sind, militärische Interventionspolitik zu befürworten. Ich sehe jedenfalls mit großer Sorge, wie wir immer mehr auch ideologisch denen den Boden bereiten, die unter „Kriegstüchtigkeit“ von Bundeswehr und Gesellschaft noch ganz anderes verstehen, als ich es Boris Pistorius jemals unterstellen würde. Jedenfalls hat mich heute mehr als aufgeschreckt, dass die Politikwissenschaftlerin Isabelle Borucki fordert, sich auf die Regierungsbeteiligung der AfD einzustellen …
Beste Grüße, Christian Wolff
Lieber Pfarrer Wolff!
Wenn ich mit Ihnen jetzt hier als Herr Pistorius im Dialog stünde, würde ich Ihnen jetzt antworten:
„Ja, Krieg ist ‚Scheiße’. Genau deshalb müssen wir uns kriegstüchtig machen – ganz in der Erkenntnis aus Wilhelm Tell und in nüchterner Zurkenntnisnahme desjenigen Nachbarn, mit dem wir es im Osten zu tun haben.“
Wie so häufig: im Ziel mit Ihnen ganz sehr verbunden, jedoch in Hinblick auf die Wege zum Ziel ganz und gar im Widerspruch – herzlich Ihr Jost Brüggenwirth
Lieber Herr Brüggenwirth, es geht doch nicht nur um den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Was ist mit dem Nahen Osten? Was mit den Kriegen auf dem afrikanischen Kontinent? Wollen wir in Zukunft alle Konflikte kriegerisch lösen und unsere Gesellschaft dafür kriegstüchtig machen? Und was ist mit denen, die sich schon seit Pegida-Zeiten in einem Kriegszustand mit den „Invasoren“, sprich Geflüchteten, wähnen? Wozu werden die durch diese Rhetorik ertüchtigt? Mir scheint, dass wir derzeit schon Gefangene einer allein auf Krieg ausgerichteten Politik geworden sind, die uns nicht zuletzt von den Putins dieser Welt aufgedrückt wird. In diesen Gefängnis möchte ich mich nicht begeben. Beste Grüße, Christian Wolff
Lieber Pfarrer Wolff!
Ich empfände es als hilfreich in der Sache, in das von Herrn Pistorius gewählte Wort der ‚Kriegstüchtigkeit‘ nicht anderes hineinzuinterpretieren und zu deuten als das, was er tatsächlich geschrieben hat in den verteidigungspolitischen Leitlinien 2023, hier: Textbox Seite 9.
https://www.bmvg.de/resource/blob/5701724/eacb54dfc428b6808c9088402de91836/verteidigungspolitische-richtlinien-2023-data.pdf
Ich bin dankbar, dass Herr Pistorius (anders als unsäglich viele Verteidigungsminister und Regierungen zuvor) schlicht seinen Job macht, nämlich alles in seiner Macht stehende dafür zu tun, dass die Bundeswehr innerhalb des Verteidigungsbündnisses NATO ihren Auftrag auch und insbesondere mit militärischen Mitteln wirksam erfüllen kann. Surreal für mich, wenn ein Verteidigungsminister die notwendigen Fähigkeiten und Voraussetzungen zur Erfüllung der Aufgabe in diesen Zeiten noch nicht einmal klar benennen sollen darf.
Auch wenn Sie über die Wege zum Ziel von Sicherheit und Frieden wohl unterschiedlicher Auffassung sind – billigen Sie Ihrem Parteifreund Pistorius doch bitte zu, dass er sich in seinem Tun ebenso wie der frühere Verteidigungsminister Helmut Schmidt (und Sie) von der Maxime Krieg ist ‚Scheiße‘ leiten lässt.
In freundlicher Verbundenheit,
Jost Brüggenwirth
Vielen Dank, lieber Herr Brüggenwirth, für Ihre Replik. Ich habe die Leitlinien auch gelesen. Es geht mir nicht darum, etwas in die Worte von Pistorius „hineinzuinterpretieren“. Vielmehr weiß jeder, der öffentlich spricht, über die Bedeutung, die bestimmte Worte im öffentlich Raum gewinnen. Heute Morgen hat im Deutschlandfunk ein Philosoph (Name ist mir entfallen) gesagt, dass Krieg die Außerkraftsetzung von Zivilisation und Menschlichkeit ist. Kriegstüchtig werden, würde dann bedeuten, sich die Fähigkeit anzueignen, zivilisatorische Errungenschaften und Menschenwürde außer Kraft zu setzen. Genau darin sehe ich die Gefahr, wenn ein Bundesverteidigungsminister solche Begriffe wie „kriegstüchtig“ ist die Debatte einführt. Beste Grüße, Christian Wolff
Lieber Herr Wolff, endlich mal eine Stimme, die diesem unsägliche Wort „kriegstüchtig“
widerspricht. Wie konnte es wieder zu dieser Entwicklung kommen? Haben wir wirklich
nichts mehr in Erinnerung, mit welchen Sprüchen die beiden letzten Katastrophen
begonnen haben? Es darf nur noch eine Anstrengung bei den derzeitigen Konflikten
geben: Verhandlung mit dem Ziel zum Frieden. Wir befinden uns nicht auf einem Fußballplatz, wo es darum geht, eine Seite bis zum Krieg zu puschen. Wir sind Menschen, die mit Konflikten leben (müssen). aber weil wir Menschen sind und mit
Herz und Verstand ausgestattet sind, müssen wir alles für den Frieden tun.
Liebe Grüße
Peter Moldt
Lieber Herr Wolff, dass Sie als Pastor i. R. pazifistische Grundsätze vertreten, verstehe ich. Aber dass Sie als Staatsbürger und SPD-Mitglied kein Verständnis für die Haltung Ihres Parteifreundes Pistorius aufbringen, ist unverständlich. Denken sie doch daran, wie die Appeasement-Politik der Briten und Franzosen 1938/39 zum 2. Weltkrieg führte und wie die Abschreckung zwischen 1945 und 1990 erfolgreich erreichte, dass aus dem „kalten Krieg“ kein großer heißer wurde. Auch der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, der ja schon 2014 begann, hätte sicher vermieden werden können, wenn die Ukraine (wie die baltischen Staaten) rechtzeitig in die NATO aufgenommen worden wäre und aufgerüstet hätte. Leider gilt in der Politik doch der Grundsatz: Wer Frieden will, muss auf den Krieg vorbereitet sein! Das spricht leider gegen die Wirkung des Pazifismus und für Pistorius.
In diesem Sinne Ihr Hans v. Heydebreck
Darf ich fragen, welche Friedenswirkung die zahllosen Kriege im Nahen Osten gehabt haben? Darf ich fragen, welche Friedenswirkung der 20-jährige militärische Kriegseinsatz in Afghanistan gehabt hat? Darf ich fragen, wie man Demokratie verteidigen will mit dem Mittel Krieg, der erst einmal alles verwüstet, was uns Menschen eigentlich heilig sein müsste?
Anstatt martialisch die Kriegstüchtigkeit der Gesellschaft zu fordern, sollte sich Herr Pistorius erst einmal an seine Kabinettskollegen wenden. Die in der „Zeitenwende-Rede“ des Kanzlers zugesicherten 2 % des Bruttoinlandsprodukts für die Bundeswehr sind in weiter Ferne.
Die bessere Formel statt „Kriegstüchtigkeit“ wäre natürlich „Selbstverteidigungsfähigkeit“ gewesen. Denn dazu sind die westlichen Demokratien verpflichtet.
Die westlichen Demokratien sind massiv von innen wie von außen massiv bedroht. Die unmittelbare Bedrohung in Europa geht vom russischen Mystizismus aus, dessen kriegerisches Gesicht Putin ist. Die russische Armee hat in Tschetschenien, in Syrien in der Ukraine, aufgefüllt mit verurteilten Schwerverbrechern, verabscheuungswürdige Kriegsverbrechen begangen ohne eine Möglichkeit die Verbrechen zu stoppen.
In Nahost haben wir das Abschlachten von wehrlosen Zivilisten durch Mörderbanden der Hamas erleben müssen.
Soll wirklich der deutsche Verteidigungsminister angesichts der Bedrohungslage keine Konsequenzen verlangen, wenn Putins Armee und Kamyrow brutale Söldner andere Staaten überfallen und arabische Staaten statt Flüchtlinge aufzunehmen die Hamas und Hisbollah finanzieren?
Diese Realität ist unerträglich. Im Augenblick hat eine ehrlich gemeinte Friedensinitiative der deutschen Regierung keine reelle Chance.
Deshalb:
Zunächst gilt es im Inneren sich gegen Rassismus aufzustellen und genauso sich Putin zu widersetzen, weil der Antisemit jubelnd sich unter Palestinenserflaggen in den Straßen sich zusammenrottet, Populisten und Neonazis rassistische Parolen skandieren, russische Raketen in ukrainischen Städten wehrlose Zivilisten treffen und wir Millionen Flüchtlinge zu versorgen haben.
Wir haben den Frieden und die Freiheit notfalls auch unter Einsatz von Gewalt zu verteidigen und uns von der Geisel des Krieges zu befreien. Wer hätte es nicht gerne eine andere Welt!
Lieber Hans Alois, vielen Dank für Deine kritische Replik. Deinem ersten Satz stimme ich zu, wobei „kriegstüchtig“ leider mehr als eine Formel ist. Sie lenkt vor allem davon ab, dass die Bedrohungslage, die Du drastisch schilderst (auch da stimme ich Dir zu), mehr erfordert als die militärische Selbstverteidigungsfähigkeit – einmal davon abgesehen, dass alles, was jetzt ins Militär gesteckt wird, eines Tages auch von denen genutzt werden kann, deren Regierungsbeteiligung heute die Marburger Politikwissenschaftlerin Isabelle Borucki als unvermeidlich ansieht: die AfD. Und das ist, wie alle nationalistisch-autokratische Perteien eine kriegstreibende Kraft! Also: Auch die Verteidigung der Demokratie kann am wenigstens mit Waffengealt gelingen. Demokratie kann nur durch Demokrat:innen verteidigt werden. Beste Grüße, Christian