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Schwerter zu Pflugscharen – was sonst?

Eigentlich fällt einem nicht mehr viel ein – angesichts der horrenden Schreckensbilder aus dem Irak, aus Syrien, aus Libyen, aus dem Gaza. Was soll man zu dem Gemetzel sagen, auf welche Seite sich schlagen, wen anklagen, was tun? Unabhängig davon, wie jeder die politische Situation in Osteuropa und in der arabischen Welt einschätzt – es beschleicht einen das Gefühl, dass niemand wirklich weiß, wie weiter. Mehr noch: Auch eine Angela Merkel, auch ein Barack Obama scheinen zu ahnen, dass mit militärischer Gewalt nichts zu lösen ist, sondern die Probleme nur zu potenzieren sind. Doch als ob sie ein letzter Vorbehalt davor zurückschrecken lässt, die Erkenntnis der Vernunft auszusprechen  und entsprechend zu handeln, wird durch sie und viele derer, die in der sog. internationalen Gemeinschaft das Sagen haben, weiter dem Krieg und dem Waffenexport der rote Teppich ausgerollt – wohl wissend, dass das, was jetzt die IS-Banden an Terror gegen Christen und Moslems im Irak veranstalten, eine der vielen vorhersehbaren Folgen des katastrophalen Golfkrieges 2003 ist. Was also tun?

Gestern wurde in den Gottesdiensten ein Text verlesen, dem wir dem hebräischen Teil unserer Bibel verdanken:

Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. (Jesaja 2,4)

Eine Botschaft – völlig konträr zur Wirklichkeit des Tötens und Getötetwerdens in der Ukraine, in Syrien, im Irak, in Libyen, in Israel/Palästina. Nutzlos visionär, was Jesaja vor über 2.500 Jahren notiert hat? Nein, gerade jetzt ist diese Erinnerung an die prophetische Weissagung notwendig, damit wir nicht vor der Allmacht der Gewalt kapitulieren. Sie führt uns nur in die Sackgasse einer gedankenlosen Kriegspolitik. Eines sollte jedem klar sein: Nicht der Terror des sog. „Islamischen Staates“, nicht der bewaffnete Konflikt in der Ukraine entziehen pazifistischen Grundüberzeugungen und Handlungsweisen den Boden. Vielmehr zeigen die Kriege an: Ohne gewaltfreie Konfliktlösungen sind keine einem friedlichen und gerechten Zusammenleben dienende politische Strategien zu entwickeln! Denn die gegenwärtigen Waffengänge sind Folge von Waffengängen, und nicht etwa Konsequenzen einer verschmähten sog. „Appeasementpolitik“. Darum sind derzeit alle Forderungen von Waffenlieferungen an Konfliktparteien, denen man aus Machtkalkül „vertraut“, aus denen aber morgen schon wieder Feinde werden können, völlig absurd. Sie ändern – auch wenn es uns vorgegaukelt wird,  am menschlichen Leid nichts.

Und noch etwas ist an der Vision des Jesaja von Bedeutung: Sie zeigt auf, von welchen Visionen und Werten gerade die jüdische Glaubenstradition geprägt ist. An diese hat vor 2000 Jahren Jesus angeknüpft und sie in der Bergpredigt neu ins Recht gesetzt und verstärkt. Was für ein Glück, dass wir als Juden und Christen auf eine solche Tradition zurückgreifen können. Darum ein offenes Wort zum Antisemitismus bzw. zur antijüdischen Propaganda. Beides ist heute nicht stärker als vor 30, 40 oder 50 Jahren, was die Sache nicht besser macht. Aber es bringt wenig, so zu tun, als sei jüdisches Leben in Deutschland bedrohter als vor 10 Jahren. Was heute anders ist: Antisemitismus wird nicht nur durch Alt- und Neonazis praktiziert. Heute werden wir – Folge der Globalisierung – in unseren Städten Zeugen von all den hasserfüllten Auseinandersetzungen, die ein paar Tausend Kilometer entfernt zu einem Gaza-Krieg oder auch zum Bürgerkrieg im Irak führen. Und: Viele, die ihr Denken und ihren Glauben ganz bewusst im Glauben Israels verankert sehen, sind nicht mehr bereit, die Gewaltpolitik der Regierung Israels kritiklos hinzunehmen. So unstrittig für sie der Staat Israel ist, so sehr fordert die Missachtung von Menschenrechten durch die Netanjahu-Administration Widerspruch heraus. Wer also heute Antisemitismus bekämpfen will, muss vor allem an die Glaubenstradition anknüpfen, der wir eine unbedingte Friedens- und Versöhnungsbereitschaft verdanken. Denn antijüdisch ist, die Visionen eines Jesaja nicht mehr gelten zu lassen. Antijüdisch ist, jegliches Gottvertrauen durch die Macht der Waffen zu ersetzen. Antijüdisch ist, sich dem friedlichen Zusammenleben der Verschiedenen zu verweigern.

Ich weiß: Diese Gedanken werden an dem für uns unvorstellbaren Leid der Menschen im Nahen Osten nichts ändern. Aber: Es ist Zeit, dass wir weltweit Abschied nehmen von der grausamen Illusion, als könnten wir die Welt durch Bombenteppiche, von Dronen gelegt, befrieden. Wer sich nur ein bisschen mit dem derzeitigen Geschehen im Nahen Osten auseinandersetzt, erkennt sehr schnell: Die arabische, die islamische Welt befindet sich im Aufruhr. Der Israel-Gaza-Krieg gerät da zur Marginalie. Die eigentliche Auseinandersetzung verläuft zwischen den islamischen Konfessionen. Aber auch diese Gewaltexzesse, so grausam sie sind, werden nichts daran ändern, dass nur in der Vision eines Jesaja Zukunft liegt und nur von ihr aus vernünftige Strategien für ein friedliches Zusammenleben zu entwickeln sind. Niemand sollte sich davon abbringen lassen.

5 Antworten

  1. Lieber Christian!
    Durch den Kopftuch-Artikel , dem ich voll zustimme, bin ich mal wieder auf Deinen Blog gestoßen. Vor allem möchte ich Dir aber für Deinen Beitrag „Schwerter zu Pflugscharen“ herzlich danken, der mir im August entgangen ist, da ich mit Karin 14 Tage in Bad Wildbad war. Ich sende Dir noch ein Bulletin der Schweizer Religiösen Sozialisten, welche ich gerade näher kennen lerne. Herzliche Grüße Heinz

  2. Ach, lieber Herr Wolff, was schreiben Sie sich die Welt doch leicht zurecht! Weder die ISIS noch die Hamas noch so viele andere derartige Organisationen werden der Bibel wegen ihre Schwerter zu Pflugscharen machen. Und auch ist ISIS nicht eine Folge des „katastrophalen Golf-Krieges von 2003“ – nach der Logik wäre der 30-jährige Krieg eine Folge von Jesus. Es gibt immer – und hat immer gegeben – Tausende von Alternativen. Richtig ist leider vielmehr: ISIS und Hamas (und viele andere gleichen Typs) sind nicht gesprächsbereit, sind keine Gesprächspartner und kennen nur die Sprache der Gewalt und des Fundamentalismus. Sie müssen schon bei aller Anständigkeit des Friedensgedankens bessere Lösungen aufzeigen als eine Illusion einseitigen Reden-wollens oder was immer Sie eigentlich in concreto vorschlagen. Das ist ja die Schwäche Ihrer gesamten Argumentation: Dass Sie ein sehr erstrebenswertes Ziel verkünden – und keinerlei Lösungsansatz bieten, der allen Seiten vermittelbar wäre. Frau Käßmann glaubt, wir könnten uns „Puerto-Ricanisieren“; Sie glauben, man müsste nur hingehen und reden. Die evangelische Kirche sollte sich angesichts solcher vereinfachenden Illusionen lieber aus der Politik verabschieden. Und konkret zu Israel: Dieser Staat hat 1999 im Gespräch Rabin-Arafat-Clinton ALLES zugestanden, was Arafat gefordert hat, mit Ausnahme der Aufgabe Jerusalems als ungeteilter Hauptstadt Israels (dieses schwierige Thema hätte man später weiter verhandeln müssen). Arafat hätte zugreifen können. Er hat es nicht getan. Die 2-Staaten-Lösung ist in Wirklichkeit längst tot – das kann man auch Israel zum Vorwurf machen, aber es hat eben nur die Wahl zwischen einem impotenten Gesprächspartner Abbas oder einer raketenwütigen Terrororganisation Hamas / Hizbollah. Da muss man wohl als erstes auf die Palästinenser schauen für einen Lösungsansatz!
    Friede kommt nur, wenn es BEIDE / ALLE Seiten ihn wollen. Wenn einer redet und die anderen schiessen, dann wird es wohl keine Umwandlung von Schwertern zu Pflugscharen geben; dies um so weniger, wenn von aussen einseitig wohlfeile philosophische Vorschläge kommen, denen jede realistische Grundlage fehlt.
    Mit herzlichem Gruss,
    Andreas Schwerdtfeger

    1. Lieber Herr Schwerdtfeger, vielen Dank für Ihre grundsätzliche Kritik. Ihr Vorwurf, dass ich mir die Welt zurechtschreibe, geht mE ins Leere. Denn ich verleugne an keiner Stelle die Wirklichkeit. Das Einzige, was ich mache: Ich versuche, auf dem Hintergrund einer biblischen Vision Ansätze zu finden, wie ein Ausweg aus der Gewaltspirale gefunden werden kann. Dass dies ein schwieriger Weg und Prozess ist, weiß ich auch. Und vor der Tatsache, dass wir es bei verschiedenen Konfliktparteien mit Menschen zu tun haben, die null Bereitschaft signalisieren, sich auf einen Friedensprozess einzulassen, verschließe ich meine Augen nicht. Das Einzige, was ich zusätzlich mache: Ich bleibe dabei nicht stehen, sondern frage mich: Wie können jenseits von Krieg zur Verständigung kommen? Selbst wenn ich keine pazifistische Grundüberzeugungen hätte, müsste ich nüchtern konstatieren: Keine politische Macht, die derzeit in der arabischen Welt militärisch mitmischt, verfügt über eine politische Strategie geschweige denn über eine Zielvorstellung, wie sich diese Region entwickeln soll. Vielleicht wird es Sie überraschen: Ich habe nichts gegen eine begrenzte Polizeiaktion gegen die Terrorgruppe IS – so wie ein wild um sich schießender Bankräuber/Amokläufer an seinem grausamen Tun durch gezielten, aber begrenzten Gewalteinsatz gehindert werden muss. Aber das muss es dann auch sein. Danach muss Politik einsetzen. Die aber vermisse ich im Nahen Osten seit Jahrzehnten. Das einzuklagen und auf Gewalt vermindernde Lösungen zu pochen, ist eine legitimie Aufgabe der Kirchen. Dass es auch zu kirchlichen Äußerungen Alternativen gibt und diese der Kritik würdig sind, ist unstrittig. Aber das Recht, ja die Pflicht zum „prophetischen Wort“ sollte niemand der Kirche absprechen.
      Noch eine Bemerkung. Sie schreiben: „Frieden kommt nur, wenn es BEIDE/Alle Seiten wollen“. Das, lieber Herr Schwerdtfeger, steht am Ende eines Prozesses. Am Anfang steht immer einer, der ohne Vorbedingung aus dem Bedingungsverhältnis ausschert – siehe Mahatma Gandhi, Martin Luther King, Nelson Mandela oder auch die Friedliche Revolution 1989. Und ganz erfolglos war dies alles nicht.
      Herzliche Grüße Ihr Christian Wolff

  3. Lieber Christian,
    ich bin völlig einverstanden mit dem Tenor des Textes und der Grundhaltung christlicher Überzeugung, dass Gewalt nur mehr Gewalt hervorbringt.
    Problematisch – bei der Nennung der Menschenrechtsverletzungen durch die Netanjahu-Administration muss man mindestens auf gleiche Weise die heftigen Menschenrechtsverletzungen der Hamas anklagen und nennen. Sonst wird es zu einseitig.
    Ich wünschte mir ähnlich intensive Demonstrationen in Deutschland von muslimischen Mitbürgern gegen die Gewalt, die im Nahen Osten verübt wird. Beispielhaft sind die Jessiden in unserem Land, die für ihre Glaubensgeschwister die Stimme erheben und gleichzeitig die christlichen Minderheiten nennen.
    Verantwortung in der Politik zu haben in der heutigen Welt ist eine schwere Bürde und hochkomplex.
    In der Barmer Erklärung wird da ein Stück Orientierung gegeben:
    „Die Schrift sagt uns, dass der Staat nach göttlicher Anordnung die Aufgabe hat in der noch nicht erlösten Welt, in der auch die Kirche steht, nach dem Maß menschlicher Einsicht und menschlichen Vermögens unter Androhung und Ausübung von Gewalt für Recht und Frieden zu sorgen. Die Kirche erkennt in Dank und Ehrfurcht gegen Gott die Wohltat dieser seiner Anordnung an. Sie erinnert an Gottes Reich, an Gottes Gebot und Gerechtigkeit und damit an die Verantwortung der Regierenden und Regierten. Sie vertraut und gehorcht der Kraft des Wortes, durch das Gott alle Dinge trägt.“
    Danke für Deine Anregung!

    1. Lieber Enno,
      Danke für Deine kritischen Anmerkungen. Dass die Hamas verantwortlich ist für ein Unrechtssystem im Gaza, steht für mich außer Frage. Aber es ging mir in meinem Beitrag nicht darum, ein „Verurteilungsgleichgewicht“ zu halten, sondern die Regierung Netanjahu an den Maßstäben der jüdischen Glaubenstradition zu messen, auf die sie sich beruft. Natürlich müssen wir bei uns viel mehr tun, als derzeit geschieht. Barmen V ist da eine gute Orientierung. Das Wort „Gewalt“ mit Anklang an CA XVI darf aber nicht dazu führen, auch innerkirchlich den Pazifismus als politische Strategie zu desavouieren. Mir ist derzeit vor allem wichtig, dass wir die Selbstverständlichkeit, mit der kriegerische Handlungen als unausweichlich dargestellt und durchgeführt werden, durchbrechen.
      Christian

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