Da toben Kriege in der Ukraine, im Gaza, in Syrien, im Irak, in Libyen, in Mali mit unvorstellbaren Grausamkeiten – von den weiteren über drei Dutzend bewaffneten Auseinandersetzungen auf dieser Erde gar nicht zu reden. Da können diese Kriege nur deswegen geführt werden, weil in den Industrienationen Waffen produziert und weltweit exportiert werden und mit ihnen ein schmutziger Handel betrieben wird. Und dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) fällt nichts anderes ein, als Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) dafür zu kritisieren, dass er die geltenden Gesetze zur Eindämmung von Rüstungsexporten endlich wieder anwendet. Das ist nicht nur ein politischer Skandal, es ist angesichts der Kriegsgräuel ein moralisch verwerflicher Akt. Und so ganz nebenbei wird durch Seehofers Attacke das Attribut „Christlich“ im Parteinamen besudelt. Ist das der Beitrag der Regierungspartei CSU zum Gedenken an den Ausbruch des 1. Weltkrieges vor 100 Jahren, dem eine beispiellose Aufrüstung vorausging?
Wenn man dann noch liest, dass Seehofer seinen Vorstoß damit begründet, dass Deutschland mit der Verweigerung von Rüstungsexporten nicht aus der „Wertegemeinschaft der Terrorbekämpfung“ (Originalton Seehofer) ausscheren dürfe, dann wird es ganz abenteuerlich. Denn wer darf sich alles zu dieser „Wertegemeinschaft“ zählen: China, Russland, Saudi-Arabien, Qatar. Vor den „Werten“ dieser Gemeinschaft kann es einem nur grausen! Als in den vergangenen Wochen bei Demonstrationen gegen den Gaza-Krieg sich in dem Protest offener, auch gewalttätiger Antisemitismus breit machte, haben Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Recht darauf hingewiesen, dass antisemitische Propaganda nicht geduldet werden darf. Geduldet werden darf aber auch nicht eine Politik, die dazu beiträgt, dass Kriege weiter mit Waffen aus Deutschland gefüttert und genährt werden und die alle Werte, insbesondere die der jüdisch-christlichen Glaubenstradition, mit Füßen tritt. Hier ist die viel beschworene internationale Verantwortung Deutschlands gefragt. Hier wäre es mehr als überfällig, wenn sowohl der Bundespräsident wie auch die Bundeskanzlerin schnell Klarheit schaffen: Deutschland versteht sich als Friedensmacht, die auch durch eine drastische Verringerung von Rüstungsproduktion und -exporten dazu beiträgt, bewaffnete Konflikte auszutrocknen und verfeindete Mächte zu nichtmilitärischen Konfliktlösungen anzuhalten. Rüstungsgüter herzustellen und zu exportieren bedeutet aber nichts anderes, als weltweit die Tötungsmaschinerie Krieg am Leben zu erhalten. Wenn wir in diesen Tagen hoffentlich voller Entsetzen an das katastrophale Geschehen Ende Juli/Anfang August 1914 erinnern, dann sollten wir dies mit dem Auftrag verbinden, das Gerede von der Notwendigkeit von Rüstungsproduktion und -exporten und der Unvermeidbarkeit des Kriegführenmüssens als schlechtes Märchen zu entlarven.
3 Antworten
Ich weiss ja, lieber Herr Wolff, dass Sie gegen Rüstung und Rüstungsexporte sind, aber die Diskussion wird sicher besser geführt, indem man erstens die Zahlen und Tatsachen ungefähr kennt und zweitens die andere Meinung respektiert und den „Gegner“ nicht mit Vokabeln wie „schmutzig“ diskreditiert. Unsere Medien erwecken ja bewusst mit der Formulierung „DEU sei der drittgrösste Waffenexporteur“ den Eindruck, dass riesige Mengen Waffen jährlich DEU verlassen. Richtig ist, dass die USA ca 30-35% aller Waffenexporte verantworten, Russland ca 25-30%, DEU ca 7-10%. Der deutsche Rüstungsexport macht ungefähr 6 Mrd € jährlich aus; weit mehr als die Hälfte davon geht in NATO-Länder. 6 Mrd € sind ein vergleichsweise kleiner Anteil am Gesamtexport DEUs. Deshalb übertreibt Seehofer auch, wenn er auf die Bedeutung der Arbeitsplätze hinweist, wobei diese natürlich davon abhängt, wie hoch der Rüstungsanteil an der Gesamtproduktion einer Firma ist und insofern einige Firmen schlimmer betroffen wären als andere, wenn restriktiver gehandelt würde. Ein besonderes Problem unserer Welt bleibt die Produktion und der Handel mit Kleinwaffen; allerdings muss – leider – gesagt werden, dass dieser Handel eben auch besonders schwer zu überwachen ist. Die Produktion solcher Waffen komplett einzustellen, ist unrealistische Gutmenschenvision – man denke nur an die Ausrüstung von Polizeikräften als ein Beispiel ihrer Notwendigkeit.
Immer wieder – gerade jetzt im Zusammenhang mit ISIS – fällt der Satz in den Medien und bei den Gegner von Waffenexporten: „Der Gedanke ist unerträglich, dass mit diesen Waffen unschuldige Menschen getötet werden“ – wie wahr! Aber es ist eben genauso unerträglich, dass durch die Nichtlieferung von Waffen unschuldige Menschen nicht gerettet werden können. Eine solche Phraseologie hilft also in Wirklichkeit nicht weiter.
Am Schluss sind wir wieder bei der Erkenntnis, dass es nicht die Waffe sondern der Mensch ist, der tötet oder rettet. Dazu müssen wir mit den „Gegnern“ reden, was wiederum voraussetzt, dass wir ihre Meinung, ihre Grundsätze, ihre von den unseren abweichenden Sitten auch dann als Grundlage des Gesprächs akzeptieren, wenn diese nicht die unseren sind. Der Westen aber – und ein Teil der EKD jedoch – sind inzwischen einem moralischen Fundamentalismus und Rigorismus verfallen (siehe auch das Ukraine-Problem und den Umgang mit Putin), der in seiner Unbedingtheit für Gespräche, Verhandlungen und Kompromisse kaum weniger gefährlich ist als die islamische Gewalt.
Also, lieber Herr Wolff, lassen Sie gegenüber Seehofer mal die Kirche im Dorf (wie ein ehemaliger Bundeskanzler formuliert hat).
Mit freundlichem Gruss,
Ihr Andreas Schwerdtfeger
Lieber Herr Schwerdtfeger, mein Kommentar zu Seehofer ist zeitlich vor der jetzigen öffentlichen Debatte geschrieben worden. Und ich bleibe dabei: Wem nichts anderes einfällt, als mehr Waffenproduktion und -exporte zu fordern, der erweist sich als Opportunist losgelöst von politischen Zielvorstellungen und ethischen Maßstäben. Das passt aber zu Seehofer. Was die gegenwärtige Debatte angeht, nur zwei Bemerkungen:
1. Jetzt reden wir nur noch über Waffenlieferungen – und die Frage, was denn in der arabischen Welt werden soll, verschwindet. In kurzer Zeit werden wir uns wieder einmal die Haare raufen, weil die Kurden mit dem jetzt gelieferten Waffenarsenal für einen eigenen Staat kämpfen werden – gegen die Türkei und gegen Syrien. Und wer ist dann „Freund“ und wer ist dann „Feind“. Es ist belämmernd zu sehen, wie im Windschatten eines Krieges wieder die profitieren, die Krieg ermöglichen.
2. Ich stimme Ihnen absolut zu, dass Gespräche zwischen unterschiedlichen Kulturen und politischen Systemen nur möglich sind, wenn der andere geachtet wird und nicht die Bedingung gestellt wird: Zuerst musst Du so werden wie ich, dann können wir weiterreden. Das war das große Verdienst von Willy Brandt und Egon Bahr, dass sie so die Ostpolitik gestaltet haben, die schließlich zum Erfolg führte. Der „Menschenrechtsfundamentalismus“, den Sie offensichtlich im Blick haben, ist allein schon deswegen unglaubwürdig, weil er immer verbunden ist mit kriegerischen Auseinandersetzungen (siehe Golfkrieg II). Fu8ndamentalismus zeichnet sich dadurch aus, dass er die Ziele, die er vorgibt zu erreichen, durch die eigene Praxis desavouiert.
Herzliche Grüße
Christian Wolff
ein mutiger und notwendiger Beitrag ! Danke
( erhalten über Pfarrer Reinhard Freier )