gehalten in der Motette am 08. Mai 2015 in der Thomaskirche Leipzig. Es wurde u.a. von Walfort Davies (1869-1941) „Out of the deep“ (Psalm 130) gesungen.
Mitte Januar erhielt ich einen überraschenden Telefonanruf. Am anderen Ende meldete sich der damalige Sprecher des Pegida-Ablegers Legida, ein älterer Herr namens Jörg Hoyer. Ob ich bereit sei, mit ihm zu reden, fragte er mich. Ich bejahte dies mit dem Hinweis, dass ich grundsätzlich mit jedem spreche. Hoyer fragte mich, was ich eigentlich gegen Legida hätte. Es ginge ihm doch nur darum, dass die Kirchen wieder voller würden, und darüber müsse ich mich doch freuen. Ich antwortete: Wenn dem so sei, dann könne er doch alle Legida-/Pegida-Spaziergänger zum Gottesdienst in die Thomaskirche einladen – und dann würden sie hören, worauf es nicht nur Christen ankommt: Jeder Mensch ist – unabhängig von Nationalität, körperlicher Beschaffenheit, politischer oder religiöser Überzeugung – ein Geschöpf Gottes mit Recht und Würde gesegnet; unser Auftrag ist, sich um die Schwachen zu kümmern und das beschädigte Leben zu schützen; darum gilt unsere besondere Fürsorge den Flüchtlingen; Gewaltlosigkeit, Nächsten- und Feindesliebe sind dabei unaufgebbare Maßstäbe des Glaubens. Hoyer wendete ein, dass ich ihn nicht verstehe. Ich entgegnete: Doch, ich verstehe ihn und Legida sehr genau – aber gerade deswegen habe ich null Verständnis für die in meinen Augen gefährlichen Vorstellungen von Legida/Pegida wie die Forderung „Schluss mit dem Kriegsschuldkult“. Allein dieser Begriff zeige, dass Legida die Nazivergangenheit zu beschönigen versuche. Hoyer erwiderte: Junge Leute würden doch von der Vergangenheit nichts verstehen; die solle man damit erst gar nicht belasten. Ich entgegnete, dass mir sehr klar sei, warum Legida/Pegida, aber auch andere Rechtsradikale, nicht mehr mit der Nazi-Vergangenheit auseinandersetzen wollen. So können sie problemlos an diese anknüpfen.
Warum ich das erzähle? Heute ist der 8. Mai. Vor 70 Jahren kam das von Deutschland ausgehende, 12 Jahre andauernde gnadenlose Zerstören, Morden und Abschlachten in Europa zu einem Ende. Doch schafften dies unsere Eltern und Großeltern nicht aus sich heraus. Die Befreiung vom Nationalsozialismus haben wir den Amerikanern, den Russen, den Engländern, den Franzosen zu verdanken. Auch wenn die Vorgänge 70 Jahre zurückliegen und die meisten unter uns diese schreckliche, grauenvolle Zeit nicht miterlebt haben und schon gar nicht als Person am Verbrechen des Nationalsozialismus beteiligt waren – wir müssen uns immer wieder und neu mit der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft auseinandersetzen. Denn wir stehen in der Verantwortung, sind Teil der Schuldgeschichte unserer Vorfahren. Von dieser können wir uns nicht selbst lossprechen, auch nicht als Nachgeborene – zumal die Opfer noch unter uns leben. Wohl aber können wir – wie der Beter des 130. Psalms – auf Befreiung, Vergebung hoffen, um diese bitten: „Denn bei dir ist die Vergebung, dass man dich fürchte.“ (Psalm 130,4) Befreiung schenkt uns die Kraft, der Schuld vergangener Generationen zu stellen, um vor allem eines zu erreichen: nichts zu vergessen, an nichts anknüpfen zu müssen, was Bedingung für das Verbrechen, für die Schuld war. Darin drückt sich Ehrfurcht vor Gott aus.
Einer der nicht gerade zahlreichen Aufrechten in der Evangelischen Kirche während der Nazi-Zeit war Pastor Martin Niemöller. Von 1937 bis zum Kriegsende 1945 war er als persönlicher Gefangener Adolf Hitlers im KZ Dachau eingesperrt. Als er dieses im Herbst 1945 noch einmal aufsuchte, las er auf einer Tafel: „Hier wurden in den Jahren 1933 bis 1945 238.756 Menschen verbrannt.“ Niemöller schrieb damals erschrocken auf: „Hier fand ich den Steckbrief gegen mich, mein Alibi war zerstört; denn es ging nur von 1937 bis 1945, als ich KZ-Häftling war. Von 1933 bis 1937 war ich ein freier Mann, war Pastor meiner Gemeinde und predigte, als sei nichts geschehen. Ich hätte vor meine Gemeinde stehen müssen, um sie zu warnen, nicht mitschuldig zu werden an diesem Verbrechen.“ Niemöller sprach als erklärter Gegner des Nationalsozialismus sehr bewusst von seiner persönlichen und der Deutschen Schuld – nicht, um einen „Kult“ daraus zu machen. Vielmehr war ihm als Christ bewusst: Erst die Erkenntnis der eigenen Schuld macht den Weg frei zur Versöhnung. Aber die Schuld, die ich verdränge, wuchert weiter in mir. Darum formulierte er im Oktober 1945 im Stuttgarter Schuldbekenntnis: „Durch uns ist unendliches Leid über viele Völker und Länder gebracht worden.“
Dieses „Durch uns“, damals schon umstritten, hat nichts an Gültigkeit verloren. Es beinhaltet die Mahnung, nichts von dem zu wiederholen bzw. an das anzuknüpfen, was dazu führte, Millionen Menschen wegen ihrer Religion, ihrer politischen Überzeugung, ihrer körperlichen Schwäche, ihrer sexuellen Ausrichtung zu ermorden. Befreiung ist also sehr viel mehr als: Kapitulation. Wer im Blick auf den 8. Mai 1945 von Kapitulation spricht, bringt sich allzu schnell als Täter in die Opferrolle. Das war über Jahrzehnte der fatale Unterton vor allem in Westdeutschland. Befreiung bedeutet aber: Die Bedingungen, die zum Faschismus geführt haben – wie autoritäres, antidemokratisches Denken, Antisemitismus, Nationalismus, Kriegsbegeisterung und Gewaltverherrlichung – dürfen nicht mehr unser Leben bestimmen. Ihnen müssen wir die Werte des Glaubens entgegensetzen: Barmherzigkeit, Gewaltlosigkeit, Ehrfurcht vor dem Leben, versöhnendes Handeln. Wenn wir also Anknüpfungspunkte suchen, dann finden wir sie in den Menschen, die aufgrund dieser Werte in der Nazi-Zeit Widerstand geleistet haben – Menschen wie Paul Schneider, Georg Elser oder Hermann Stöhr.
Dass das aber nicht selbstverständlich ist, wird allein daran deutlich, dass die genannten Personen nur (noch) Wenigen bekannt sind. Aber auch in der unmittelbaren Nachkriegszeit wurde deutlich, dass die genannten Grundwerte kein Konsens sind – wobei wir uns leider nicht in einer Nachkriegs-, sondern eher in einer bis heute andauernden Vorkriegszeit befinden. Schon wenige Monate nach dem 08. Mai 1945 kam es zum Atombombenabwurf auf Hiroshima und Nagasaki. Der Befreiung am 08. Mai folgte in Europa nicht die Freiheit für alle. Wir wissen, dass die Folgelasten des 2. Weltkrieges zwischen Ost- und Westdeutschland bis 1989 sehr ungleich verteilt waren. Befreiung ist eben kein einmaliger Akt, sondern eine bleibende Bitte und ständige Herausforderung – auch heute. Genau vor einer Woche hat eine Gruppe von Neonazis in Weimar die 1. Mai Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes überfallen – sozusagen am Fuße des Ettersberg mit dem vor 70 Jahren befreiten Konzentrationslager Buchenwald. Dieses unselige Treiben, in einer Kette vieler gewalttätiger Übergriffe auf Asylunterkünfte – ist ein Alarmzeichen. An jedem Tag werden die Gaben unseres Glaubens herausgefordert: Freiheit und Verantwortung und uns damit das Eintreten für die Demokratie abverlangt.
16 Antworten
Herr Schwerdtfeger –
Sie sagen mir, wenn ich Sie richtig verstehe, dass mein Wunsch, Genaues über die Toten von Dachau zu erfahren, mich suspekt macht. Dieser Logik kann ich nicht folgen, denn wenn die Suche nach der Wahrheit suspekt ist, kommt man in ein weltanschauliches Gebiet, das dem der NS-Zeit recht nahe liegt. Auch damals hätte man Schwierigkeiten bekommen, wenn man die von der Regierung verbreiteten Aussagen, etwa über die Juden, auf ihren Wahrheitsgehalt abgeklopft hätte.
TD
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Herr Wolff –
Natürlich muss man Niemöllers seinerzeitige Aussage korrekt wiedergeben und insofern kann man Ihnen auch keinerlei Vorwürfe machen. Ich hätte es jedoch, wie schon gesagt, sehr geschätzt, wenn Sie auf die Diskrepanzen zwischen der damaligen Darstellung und dem heutigen Kenntnisstand hingewiesen hätten – dadurch wird der moralische Aspekt von Niemöllers persönlichen Angaben nicht entwertet.
TD
Eben! Und das macht Sie so suspekt!
A.S.
Die Diskussion über Zahlen ist insofern an den Haaren herbeigezogen, weil ich in meinem Beitrag Martin Niemöller zitiert habe, der wiederum die Aufschrift auf einer Tafel im KZ Dachau aus dem Herbst 1945 zitiert. Und auf dieser Tafel stand die Zahl. Selbst wenn man heute über andere Opferzahlen verfügt, hätte ich gar keine andere Zahl nennen können. Niemöller aber ging es nicht um die Zahl der Opfer, sondern um die Jahreszahlen 1933-1945. Aus denen hat er auf seinen Schuldanteil 1933-1937 an den Verbrechen des Nationalsozialismus geschlossen – obwohl er sieben Jahre im KZ einsaß (übrigens zunächst in Sachsenhausen).
Herr Schwerdtfeger –
vielleicht hänge ich als Naturwissenschaftler zu sehr an Zahlen, aber ich meine, dass man in Bezug auf Ereignisse, bei denen Zahlen eine Rolle spielen, zunächst einmal die Zahlen selbst kennen muss, bevor man ein Urteil abgibt.
Wie schwierig das ist, zeigt ein Blick auf die Opferzahlen, die nach Kriegsende für das KZ Majdanek genannt wurden. Wikipedia sagt dazu:
„Über die Zahl der Opfer, die in Majdanek bis zum Herbst 1943 mit unterschiedlichen Methoden getötet wurden oder dort starben, gab es lange Zeit nur grob geschätzte Angaben. Erste Zahlenangaben nach der Befreiung im Jahre 1944 beliefen sich auf 1.700.000 Opfer. 1948 vermutete man, dass in Majdanek 360.000 Menschen umgekommen seien. Spätere Schätzungen gingen von einer Gesamtzahl von 235.000 Opfern (davon 110.000 Juden) aus; bei diesen Schätzwerten wurde die Opferzahl durch Massenvergasung in Majdanek auf unter 50.000 angenommen.[* 10][10] Neue Forschungsergebnisse von 2006 reduzieren die Gesamtzahl aller derjenigen, die in Majdanek ums Leben kamen, auf 78.000, darunter 59.000 Juden.“
Man erkennt, dass die anfangs bekanntgegebenen Zahlen die heutigen Schätzungen um den Faktor 20 überstiegen; für mich ist das ein wesenticher Punkt für die Beurteilung solcher Ereignisse.
Ja, Herr Dunskus, Zahlen sind historisch gesehen wichtig, aber nicht, wenn man sie, wie Sie, exculpatorisch verwendet. Aber ich weiss ja, dass es sich nicht wirklich lohnt, mit den Vereinfachern und Entschuldigern zu diskutieren. Halten wir uns Beide einfach an das Motto aus Alexander Demandt („Der Fall Roms“, S. 43): „Die Wahrheit ist kein hinreichender Grund, sie anderen mitzuteilen“. (Und „Beide“ schreibt man klein).
Andreas Schwerdtfeger
Herr Schwerdtfeger –
es ist natürlich richtig, dass es ein englisches Wort gibt, das mainstream heißt, so wie es auch richtig ist dass das Wort „jemand“ im Deutschen nicht mit einem großen J geschrieben wird; es kann allerdings sein, dass Ihr Computer vielleicht gerade streikte, pardon strikete. Wenn ich da Mehnstriem geschrieben habe, dann aus Ärger über eine Invasion von z.T. falsch übernommenen, manchmal sogar in der Ursprache gar nicht existierenden Wörtern aus dem Englischen, z.B. Handy. Ob ich nun in den USA studiert habe oder nicht können Sie hier feststellen:
http://www.scs.illinois.edu/alumnilist/search_results3.php?aId=431&ofs=20
Ihr Argument, es käme hinsichtlich der deutschen Verbrechen im 2. WK nicht auf Zahlen an, ist m.E. vom Standpunkt der Historiographie nicht annehmbar denn sonst wären etwa die vom Auschwitz-Museum vorgenommenen zahlenmäßigen Revisionen der Geschichte dieses Lagers völlig nebensächlich und überflüssig (und dann müsste man die historiographischen Arbeiten dort einstellen).
Wir wissen auch aus dem Buch „Bloodlands“ von Timothy Snyder (S. 356 der engl. Ausgabe), dass Opferzahlen, besonders in Osteuropa nach dem 2.WK eine wichtige Rolle spielten und manipuliert wurden (TS: „Berman … directed that the official estimate of non-Jewish dead be significantly increased and that of the Jewish dead somewhat decreased, so that the two numbers were equal: three million each“).
Allein schon deswegen sind Zahlenangaben ein wichtiges historisches Element.
„Mainstream“ heisst das Wort – und Jemand, der behauptet, in den USA studiert zu haben, müsste das wissen. Es ist (häufig) das Problem der Generation zwischen 1925 und 1933 geborener Deutscher, dass sie zwar unschuldig sind, sich aber eben doch noch glauben exculpieren zu müssen, nur weil sie „miterlebt“ haben (im Gegensatz zu den Nachgeborenen ab, sagen wir mal, 1938). Und so lavieren diese Menschen zwischen Distanzierung und Verständnis, insbesondere indem sie Zahlen kleinreden oder deutsche Verbrechen mit angeblichen alliierten Verbrechen vergleichen und rechtfertigen. In Wirklichkeit kommt es tatsächlich auf diese Zahlen und Vergleiche nicht an und ein angeblich qualitativer Unterschied ist nur eine geistige Perversion!
Und in einem Land, in dem anonyme Meldungen von Mißständen, Apps zur Anzeige von Falschparkern, sogenannte whistleblower die ihren Amtseid verletzen, etc., als „normal“ angesehen oder zum Heldentum hochstilisiert werden, ist die Vorstellung, es schreibe Jemand unter falschem Namen, nun wirklich nicht abwegig.
Andreas Schwerdtfeger
Herr Krause –
meine Doktorarbeit können sie in den Akten der University of Ilinois finden, wo ich sie 1960, teilweise im Rahmen eines Fulbright-Stipendiums vorgelegt habe. Mein Doktorvater war Prof. J.W. Westwater, den wir 2006 zu Grabe gertagen haben.
Ansonsten halte ich Ihren Kommentar stellenweise für etwas beleidigend, aber das war ja wohl Ihre Absicht – Menschen, die vom Mehnstriem abweichen, sind ja vogelfrei.
Herr Wolff –
die Lektüre Ihres Artikels „Schuld und Befreiung – …“ hat mich etwas befremdet. Als Nicht-Christ kann ich mit Ihren Bibel-Zitaten zum Begriff Schuld ohnehin wenig anfangen, zumal, wenn man für die Vererbung solcher Stigmata im Grunde genommen auf einen rassistisch aufgeladenen Volksbegriff zurückgreifen muss.
Als 1933 geborener Deutscher fühle ich mich in keiner Weise für Untaten des NS-Regimes schuldig oder verantwortlich, wenn ich auch akzeptiere, dass von mir gezahlte Steuern für Entschädigungszahlungen verwendet werden. Und die Menschen, die seit Jahrzehnten aus fremden Ländern massenweise nach Deutschland einwandern, können m.E. nun wirklich in keiner Weise für solche Schuldgefühle vereinnahmt werden.
Ferner hätte ich von einem Menschen, der sich ehrlich mit den hier behandelten Fragen befassen will, erwartet, dass er – soweit er dies vermag – die sachlichen Fragen korrekt darstellt. Sie zitieren Pastor Niemöller:
„Hier wurden in den Jahren 1933 bis 1945 238.756 Menschen verbrannt.“
ohne darauf hinzuweisen, dass die von ihm genannte Zahl völlig falsch ist und lediglich eine amerikanische Propaganda-Behauptung darstellt. Wie Sie o.w. aus dem Internet, etwa bei Wikipedia, hätten erfahren können, lag die Zahl der in Dachau verstorbenen Menschen erheblich niedriger:
„Die erhalten gebliebenen Dokumente der Standesämter und des nach Kriegsende eingerichteten Standesamts des Internationalen Suchdienstes (ITS) belegen schriftlich 32.009 Sterbefälle.[58] Jedoch …. Die heutige historische Forschung geht von etwa 41.500 Todesopfern aus“.
Das bedeutet, die Propaganda-Zahl war wissentlich um den Faktor acht überhöhrt worden (so wie Goebbels dies für die Zahl der Dresdner Bombenopfer getan haben soll). Nun bringen Sie bitte nicht das Argument ins Spiel, es komme ja gar nicht auf solche Zahlen an, denn auch 32 000 Tote seien schrecklich genug – das mag sein, jedoch werden häufig aus falschen quantitativen Angaben falsche qualitative Schlüsse gezogen und das gilt es zu verhindern.
Ihre Mahnung schließlich, „nichts von dem zu wiederholen bzw. an das anzuknüpfen, …“ bringt uns ganz zwangsläufig in das Dilemma, das Sartre in seinem Schauspiel „Der Teufel und der Liebe Gott“ an der Person des Götz so trefflich beschrieben hat: Man kann nämlich aus der Motivation heraus, nur mehr Gutes zu tun, genau soviel Unheil anrichten, wie aus absoluter Bosheit heraus.
Sozusagen als Postscriptum möchte ich noch sagen, dass mir, in Ihren Kommentaren, die Unterstellung, jemand schreibe vielleicht unter falschem Namen, sehr missfällt – dafü’r gibt es prima facie überhaupt keinen Anlass.
Mit den besten Grüßen
Ihr
Thomas Dunskus
Wo kann man denn Ihre Doktorarbeit mal lesen, Herr Dr. Dunskus? Im Katalog der Deutschen Bücherei sind Sie jedenfalls nicht verzeichnet. – Es ist im übrigen schön, dass Sie es gestattet haben, dass auch Ihre Steuern für Entschädigungszahlungen für deutsche Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg mit verwendet werden durften. Aber der deutsche Staat hat dafür bestimmt nicht Ihre Genehmigung eingeholt oder? Dem Staat Israel hätten Sie dann ganz bestimmt keine Entschädigungszahlungen zukommen lassen. – Die Revision der NS-Geschichte scheint – wenn man ihre ganzen wirren Amazon-Buchbesprechungen zu diesem Thema liest – anscheinend Ihr großes Hobby zu sein oder? Am Ende ist wohl der größte Verbrecher der deutschen Geschichte, Adolf Hitler, für Sie noch ein großer Staatsmann gewesen – könnte das sein, Herr Dr. Dunskus? Sie sind ein übelster Geschichtsrevisionist, offensichtlich aus der ganz rechten Ecke, der schon weiß, warum er wohl in Frankreich lebt. Hier hätte sich wohl schon die Staatsanwaltschaft für Sie interessiert oder?
„Scheil beschreibt, dass im Laufe des Sommers 1939, die polnischen Forderungen hinsichtlich der Schaffung eines großpolnischen Staates immer lauter wurden und dass bereits im April jenes Jahres der Vorsitzende der polnischen nationaldemokratischen Partei, Kowalski, in einer Rede die Oder-Neisse-Linie als Westgrenze des Landes forderte. Diese Bestrebungen blieben natürlich in Berlin nicht unbemerkt. Die Spannungen in Mitteleuropa verschärften sich zusehends, es gab mehr und mehr bewaffnete Zwischenfälle, die später in diplomatischen Dokumenten beschrieben wurden. Zu diesen deutscherseits amtlich erwähnten Zwischenfällen gehörte jedoch nicht der sog. “Überfall auf den Sender Gleiwitz”, der erst im Nürnberger Prozess eine gewisse Berühmtheit erlangen sollte. Obwohl die Reichsregierung mehrmals versuchte, in Verhandlungen mit Polen eine Entspannung herbeizuführen, wurden solche Vorschläge polnischerseits abgelehnt, ja, etwa in Bezug auf Danzig, als “Angriffsmaßnahmen” abqualifiziert. Polen verließ sich auf seine Armee, auf die Unterstützung durch Großbritannien und Frankreich und auf die Neutralität der Sowjetunion. Man rechnete damit, in kürzester Zeit vor den Toren Berlins zu stehen. Das Unheil war nicht mehr aufzuhalten; die Deutschen übernahmen die Initiative, die polnische Armee brach innerhalb von drei Wochen zusammen, Wehrmacht und Rote Armee reichten sich am Bug die Hand – und die Westmächte sahen zu, und zwar nicht nur im Herbst 1939, sondern auch fünf Jahre später bei dem von ihnen ermutigten Warschauer Aufstand und noch einmal nach Kriegsende, als Polen für ein weiteres halbes Jahrhundert unter die Herrschaft der Sowjetunion geriet.Die polnische Führung hatte übersehen, dass ihr Land nur ein überflüssiger Bauer auf dem großen Schachbrett der Weltpolitik gewesen war, es ging den Weltmächten um die Niederwerfung Deutschlands als Machtfaktor, dafür war jedes Mittel recht, auch der Verrat an Polen. Es ging auch nicht um die anti-jüdische Poltik Berlins, denn die entsprechenden polnischen Maßnahmen hatten viel früher begonnen, waren nicht weniger krass als die deutschen und hätten mithin, wenn dies wichtig gewesen wäre, gleichermaßen bekämpft werden müssen.“
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Und nochmal Ja, lieber Herr Wolff, denn einig sind wir uns jedenfalls darin, dass aus der Schuld (ob man diese nun über Generationen weitertragen darf / sollte oder nicht) eine Verantwortung entsteht, die zukunftsorientiert ist und die deshalb zumindest die Kenntnis der Vergangenheit voraussetzt. Und insofern ist unsere „Uneinigkeit“ in dieser Frage eher begrenzt. Vielleicht ist es eher ein Streit um Worte als eine wirkliche Diskrepanz der Meinung. Ich glaube aber zB, dass unser Bundespräsident besser daran getan hätte, den 70. Jahrestag für EINE grosse Rede zu nutzen, als physisch von der Westerplatte über Warschau durch eine stattliche Anzahl von Konzentrationslagern, thematisch zusätzlich noch über Armenien, Griechenland und die Hereros zu traben – man kann eben auch ein Thema solange zerreden, bis man unglaubwürdig wird und dann entstehen Begriffe wie „Kriegsschuldkult“, zu dem Herr G. eben durch zu viel Kotau beiträgt. Weizsäcker hat es 1985 besser gemacht!
Und auf das Lutherjahr freue ich mich mit Ihnen und hoffe, dass die „Schuldfrage“ sich deutlich mehr auf die Zukunft als auf die Vergangenheit konzentriert. Es ist eben bei der Vergangenheitsbetrachtung immer das Problem zu beachten, dass man sie mit heutigen Maßstäben mißt – und das, in Abwandlung des römischen Grundsatzes „nulla poena sine lege“ – ist eben immer auch verfälschend und ungerecht.
Mit herzlichem Gruß,
Andreas Schwerdtfeger
„Denn wir stehen in der Verantwortung, sind Teil der Schuldgeschichte unserer Vorfahren.“ Das ist ein Non-Sequitur und ausserdem falsch! Wir stehen eben gerade nicht in der Schuld, die unsere Vorfahren auf sich geladen haben – wir nicht, und schon gar nicht unsere Kinder oder Enkel. In der Verantwortung stehen wir in der Tat, wir sind Teil der Geschichte Deutschlands, aber nicht der Schuldgeschichte unserer Eltern. Viel besser hat es eben Winkler in seiner Bundestagsrede am 8. Mai ausgedrückt: „Abgeschlossen ist die deutsche Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit nicht, und sie wird es auch niemals sein. Jede Generation wird ihren eigenen Zugang zum Verständnis einer so widerspruchsvollen Geschichte wie der deutschen suchen. Es gibt vieles Gelungene in dieser Geschichte, nicht zuletzt in der Zeit nach 1945, über das sich die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik Deutschland freuen und worauf sie stolz sein können. Aber die Aneignung dieser Geschichte muss auch die Bereitschaft einschließen, sich den dunklen Seiten der Vergangenheit zu stellen. Niemand erwartet von den Nachgeborenen, dass sie sich schuldig fühlen angesichts von Taten, die lange vor ihrer Geburt von Deutschen im Namen Deutschlands begangen wurden. Zur Verantwortung für das eigene Land gehört aber immer auch der Wille, sich der Geschichte dieses Landes im Ganzen bewusst zu werden. Das gilt für alle Deutschen, ob ihre Vorfahren vor 1945 in Deutschland lebten oder erst später hier eingewandert sind. Und es gilt für die, die sich entschlossen haben oder noch entschließen werden, Deutsche zu werden.“
Also:
– Keine Schuld der heutigen Generationen, auch keine Schuldgeschichte – und in der Tat deswegen auch kein andauernder Kriegsschuldkult, wie wir Deutschen ihn besonders pflegen (denn Bekenntnis zur eigenen Geschichte und deren Verbrechen, heisst – inzwischen – eben nicht ewige Entschuldigung für Vergangenes sondern vor allem Einsatz für die Zukunft),
– aber Verantwortung gerade der heutigen Generation, aus der Geschichte zu lernen und die Erkenntnisse in Verantwortung umzusetzen – und dies „auf Augenhöhe“ mit unseren Verbündeten und Partnern insbesondere aber auch mit der Weltgemeinschaft als Ganzes,
– in der Tat gilt dies „für alle Deutschen“ und verlangt also eine solche Verantwortung und ein solches Bekenntnis auch von unseren Mitbürgern mit ausländischer Herkunft,
– und schliesslich: Ja, die Rote Armee gehört mit zu den Befreiern Deutschlands von der Nazi-Herrschaft und ihre Opfer sind zu ehren; aber die Sowjetunion gehört eben nicht zu den Befreiern Deutschlands – sie hat vielmehr in der Mitte Europas und eben auch im Osten Deutschlands eine mörderische Diktatur durch eine andere ersetzt. Mehr nicht!
Andreas Schwerdtfeger
Ja, lieber Herr Schwerdtfeger, da werden wir nicht zusammenkommen. Natürlich ist es Ihr gutes Recht, die theologische Kategorie Schuld abzulehnen. Sie sollten aber wissen, dass mit der Schulderkenntnis der Mensch nicht zu einem schlechteren wird, sondern dass damit die Basis gelegt wird für Erneuerung. Merkwürdig ist nur – und darum habe ich das Beispiel Niemöller genannt, dass die Schuldübernahme schon 1945 vehement abgelehnt wurde. Menschen wie Niemöller oder Heinemann, die das „Stuttgarter Schuldbekenntnis“ vom 19. Oktober 1945 im Wesentlichen formuliert hatten, wurden nicht müde, auf die Schuld aller hinzuweisen – und handelten sich damit bittere Feindschaft ein. Dabei ging es beiden nur darum, dass die Nazi-Vergangenheit nicht einfach abgehakt wird, sondern dass jeder seinen Anteil an Beteiligung an diesem Verbrechen sieht, erkennt und aufgrund der Vergebung einen Neuanfang wagt. Übrigens steht uns 2017 auch noch bevor, ein Schuldbekenntnis abzulegen – ohne an der Großartigkeit der Reformation etwas zu verkürzen. Aber die militante Judenfeindschaft Luthers und ihre Folgen darf nicht einfach als historisch gegeben hingenommen werden.
Wie ist es möglich, dass solche Pfarrer wie Sie, nicht endlich von der Bildfläche verschwinden. Vor allem aus Leipzig.
Für Sie gibt es nur einen ehrlichen Weg, um die Gläubigen von Ihnen zu entlasten.
Treten Sie aus der Kirche aus und treten Sie zum Islam über.
Sonst tut es mir wirklich weh Kirchensteuern zu entrichten.
„Bonum commune est melius quam bonum unius.“
Ich habe lange überlegt, diesen Kommentar freizuschalten. Solche Briefe, Mails erreichen mich seit Monaten sehr oft – meist anonym. Ob es den „Karl Lenovski“ tatsächlich gibt, weiß ich nicht. Aber es wird ja ein konkreter Mensch diese Mail geschrieben haben. Und sie zeigt, dass kritischer Diskurs sehr unterentwickelt ist. Daran ändert auch nichts das Zitat von Thomas von Aquin (auf Deutsch: „Das Wohl aller ist wichtiger als das Wohl eines einzelnen“), das in diesem Zusammenhang allerdings eher nach der Naziparole klingt „Du bist nichts. Dein Volk ist alles.“ oder: Wenn wir die, die uns stören, vertreiben, dann geht es uns allen viel besser. Nun wird aber Karl Lenovski weiter ertragen müssen, dass nicht nur Christian Wolff Bürger der Stadt Leipzig bleibt, sondern viele Menschen aus aller Herren Länder Bürgerinnen und Bürger Leipzigs werden und somit das friedliche Zusammenleben der Verschiedenen unsere Aufgabe bleibt. Christian Wolff