Es war ein großes, bewegendes Ereignis: die Einweihung der neuen katholischen Propsteikirche St. Trinitatis – sinnfällig zwischen Nonnenmühlgraben und Martin-Luther-Ring angesiedelt. Gut und überfällig, dass damit die katholische Kirche wieder ins Zentrum der Stadt gerückt ist. Zwei Jahre vor dem Reformationsjubiläum 2017 wird mit diesem Bau deutlich: Wir Menschen können nicht in Frieden zusammenleben, wenn wir uns nicht gegenseitig den Bau von Gotteshäusern und damit die eigenständige, höchst unterschiedliche religiöse Glaubenspraxis zugestehen. Denn diese sind nicht nur ein Ort der Einkehr und des Trostes. Sie weisen in ihrer Architektur immer auch über den Alltag, über diese Welt hinaus – und zwingen uns Menschen zur heilsamen Selbstbeschränkung und befreien uns von anmaßender Überheblichkeit. Aber natürlich spiegeln Gotteshäuser auch immer das Spezifische einer Glaubensgemeinschaft wider. Das aber wurde und wird nicht nur als Bereicherung städtischen Lebens angesehen. Gotteshäuser waren zu allen Zeiten auch Ziel zerstörerischen Wirkens, geboren aus ideologischer und religiöser Überheblichkeit und Verblendung.
So kam es schon im Mittelalter dazu, dass Synagogen in den Städten zerstört und an ihre Stellen Kirchen gebaut wurden. Es gehört zu den dunklen Seiten der Reformation, dass – wie in Leipzig – die Klöster aufgelöst und dem Erdboden gleich gemacht wurden. Ebenso können wir nur mit Scham darauf zurückblicken, dass das Leben der katholischen Christen im 17. bis zum Beginn des 19. Jahrhundert scharfen Repressalien unterworfen war. Erst 1847 konnte die katholische Propsteikirche in der Rudolphstraße eingeweiht werden. Ironie der Geschichte: 1886 wurde die Lutherkirche im Johannapark gebaut, auch um ein Zeichen zu setzen gegen den aufstrebenden Katholizismus und das Judentum; diese Lutherkirche wurde nach 1968 (Sprengung der Unikirche) von der Propsteigemeinde gottesdienstlich genutzt. Es war ein großes Verbrechen, dass im November 1938 neben vielen anderen Synagogen und Bethäusern die Hauptsynagoge in der Gottschedstraße zerstört wurde. Damit begann die Vernichtung jüdischen Lebens. Trotz der Befreiung vom Nationalsozialismus und seiner vernichtenden Ideologie kam es am 30. Mai 1968 zur Sprengung der seit 1945 von den Katholiken genutzten Universitätskirche St. Pauli – veranlasst durch den SED-Staat. Und schließlich war es eine letzte Gemeinheit des SED-Staates, dass den Katholiken ein Sumpfgelände als Bauland für die neue Propsteikirche am Rande der Stadt angeboten wurde – wesentliche Ursache für den Neubau.
Jetzt steht die neue Propsteikirche St. Trinitatis – sehr prominent und in einer beeindruckenden Architektur. Zu dieser kann man der Gemeinde aber auch der Stadt Leipzig nur gratulieren. Die Kubatur der Kirche fügt sich hervorragend in die Zentrumslage ein und eröffnet völlig neue Blicke auf das Rathaus. Darüber hinaus ist dieses Gebäude ein markanter erster Baustein für die Neugestaltung der Brache am Leuschnerplatz. Das neue Zentrum des christlichen Glaubens wird hoffentlich ausstrahlen – nicht zuletzt, weil architektonisch mit dem „Bibelschaufenster“ eine Säule der Reformation sichtbar wird: sola scriptura (allein die Schrift) und der schlichte Innenraum der Kirche protestantischer nicht sein kann. Die wachsende, lebendige Propsteigemeinde wird hoffentlich mit dazu beitragen, dass wir gemeinsam dafür Sorge tragen, dass in unserer Stadt auch andere Religionsgemeinschaften ihre Gottes- und Gebetshäuser bauen können und wir so einen wichtigen Beitrag leisten zum friedlichen Zusammenleben der Verschiedenen.
Bleibt ein Wermutstropfen: Nach wie vor ist eine gemeinsame Abendmahlsfeier zwischen Katholiken und evangelischen Christen in einer katholischen Kirche nicht möglich. Das widerspricht allem, was wir beim Festgottesdienst zur Kirchweihe am Samstag gebetet, gesungen und gehört haben. Dabei hätte ich gerne meine Freude über diesen Bau und meine ökumenische Verbundenheit mit der Propsteigemeinde durch die Teilnahme an der Eucharistie zum Ausdruck gebracht. Denn es ist schon absurd, die Liturgie aus vollem Herzen mitzusingen, die Einladung Jesu zu hören – und dann sitzen zu bleiben. Aber wir Evangelischen hätten den Festakt mit der Teilnahme an der Eucharistie überlagert mit einem Schritt, der längst überfällig und dennoch nicht möglich ist. Bei so vielen Gemeinsamkeiten und vor allem angesichts der Glaubwürdigkeit, die wir uns als Christen jeden Tag neu aneignen müssen (anstatt sie auf’s Spiel zu setzen), kann es keinen einsichtigen Grund geben, das Abendmahl nicht gemeinsam zu feiern. Wahrscheinlich müssen wir doch die Methode anwenden, durch die allein Veränderung möglich wird und Glaubwürdigkeit zu erlangen ist: einfach machen.
Eine Antwort
Lieber Herr Wolff,
obwohl insbesondere in Ihrer Käfertaler Zeit nicht immer Ihrer Meinung, haben Sie hier den Nagel auf dem Kopf getroffen. Super!!!
Gruß
Norbert Stier, EPHK a.D.