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Pegida am Ende – die Suche nach Gewissheit und Offenheit erst am Anfang

Es scheint mit Pegida bald vorbei zu sein. Zum einen sind die Hintermänner und –frauen entlarvt. Denn mit dem Leipzig-Ableger „Legida“ und seinen Thesen von „nationaler Kultur“ statt Multikulti, vom Ende mit dem „Kriegsschuldkult“, von den Asylbewerbern als „Sozialschmarotzern“ ist die Maske von Pegida gefallen. Mit dieser wollten sie sich einen bürgerlichen Anstrich verleihen. Doch hinter denen, die da seit Wochen krakeelen „Wir sind das Volk“ und „Lügenpresse“ skandieren, steht dasselbe rechtsradikale Netzwerk, das sich seit 1990 Sachsen als Aufmarschgebiet herausgesucht hat. Nach der Selbstzerfleischung der NPD musste eine neue Organisationsform geschaffen werden – eine, die massentauglich ist. Diese wurde mit der sog. Pegida-Bewegung gefunden.

Der Boden für Pegida/Legida war aber schon vor Jahren bereitet worden – vor allem durch Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ und durch die, die dieses Buch über Monate promotet haben. Bewusst und gezielt wurden Sarrazins Thesen gepuscht, um bestimmte Denk- und Argumentationsmuster salonfähig zu machen. Von daher erklärt sich zweierlei:

  • der islamophobe Teil im Namen von Pegida/Legida;
  • die Mobilisierung derer, die sich als abgehängt, nicht beachtet empfinden.

Wenn einer aus der Elite das zu Papier bringt, was „endlich einmal gesagt werden muss“ und durchs Land zieht mit der Attitüde, er sei ein Opfer der „Grenzen der Meinungsfreiheit“, aber millionenfach seine Machwerke durch die Medien vermarkten und verkaufen kann, dann wittern jene Morgenluft, die sich innerlich abgehängt sehen und es „denen da Oben“ endlich mal zeigen wollen. Von daher ist es kein Wunder, dass sich die Menschen angesprochen fühlen, die – aus welchen Gründen auch immer – unzufrieden sind und – auf Ostdeutschland bezogen – 25 Jahre nach der Friedlichen Revolution und nach einem Veränderungsstress sich innerlich und äußerlich ins Abseits gestellt sehen. Statt einer Aufbruchbewegung (wie gut 20 Jahre nach dem Ende der Naziherrschaft in Westdeutschland) begegnen wir in denen, die jetzt Pegida nachrennen, meistens Männern, die überfordert, frustriert, vereinsamt erscheinen und darum auf Abwehr schalten – übrigens unabhängig vom sozialen Status. In dieser Fruststimmung verbinden sich Angst vor Überfremdung und vor dem Islam, Antiamerikanismus (Amerikaner sind Kriegstreiber und Ausspionierer, auch nicht besser als die Stasi), Kritik an Kriegseinsätzen der Bundeswehr und neue Russlandfreundschaft zu einem kruden Verschwörungsweltbild, zu dem die Allmacht des Finanzkapital ebenso gehört wie die unsichtbare Herrschaft des „Weltjudentums“. Da geht alles durcheinander: sozialistische Grundideen, Pazifismus, rechtsradikale Ausgrenzungsmentalität und eine Wiederauflage des Hitler-Stalin-Paktes – immer mit dem Tremolo in der Stimme: Es muss doch einmal gesagt werden dürfen bzw. Endlich können wir über Tabuthemen reden. Doch sie landen immer im Dunstkreis des rechtsradikalen Ideengebräus: Demokratieverachtung, Sündenbockmentalität, Vergangenheitsbeschönigung, Nationalismus – übrigens auch, wenn sie im Billigflieger nach Dubai oder Bangkok abheben und lauthals darüber schwadronieren, dass die Politik in der DDR das Volk nicht verstehen wollte und jetzt auch nicht, hat sich eben nichts geändert …

Was sofort ins Auge springt und wahrscheinlich ganz viel erklärt: Diese zumeist Männer verfügen über keine innere Mitte. Sie reden vom „christlichen Abendland“, dessen Kultur gerettet werden müsse, haben sich aber schon seit Generationen vom Glauben abgekehrt und ergehen sich in rüdem Kirchen- und Religionsbashing. Sie greifen nicht nur beim Versuch, die Welt zu verstehen, sondern auch beim blinden Folgen von Pegida/Legida ins Leere, was sie zu kruden ideologischen Rundumschlägen, Hassmails und wüsten Beschimpfungen ausholen lässt. Sie verfügen über keine Lebensidee und schon gar nicht über ein inneres Krisenmanagement. Religiöse Verankerungen sind ihnen fremd. Also bedeutet die Begegnung mit dem Islam eine Bedrohung. Vereinsamte Männer, die sich vor dem Alleinsein im Alter fürchten, sehen im Dönerladen, wie die Mehrgenerationenfamilie aus der Türkei funktioniert – und werden sich ihrer defekten Sozialbezüge bewusst, können darauf aber nur mit Abwehr reagieren. Der Mystiker Meister Eckhart hat einmal gesagt: „Nur wer um seine Mitte weiß, kann weite Kreise ziehen.“ Wer diese nicht kennt, wird um sich angstvoll eine Mauer bauen. Genau das geschieht bei denen, die in Pegida/Legida eine neue Heimat suchen.

Und nun ist die Frage: Wie damit umgehen? Wie diesen Frust auffangen und von den rechten Rattenfängern bei Pegida/Legida absorbieren? Wie verhindern, dass von den Parteien politisch allzu schnell das übernommen wird, was da als angebliche Volksstimmung herausgebrüllt wird? Wichtig ist: Die Drahtzieher von Pegida benennen und entlarven. Dieser Prozess ist im Gange – wird aber gleichzeitig konterkariert durch diejenigen, die den Bürgerdiskurs verwechseln mit einer Debatte im Schlepptau der Pegida-Leute. Darum gilt es genau hinzuschauen, was sich seit einer Woche abspielt: Da wurden unter fadenscheinigen Gründen alle Demonstrationen in Dresden am Montag verboten. Diese „Pause“ diente vor allem der Klärung des Verhältnisses zwischen AfD und Pegida. Am Mittwoch wurde Lutz Bachmann entsorgt – offensichtlich auf Drängen von Frauke Petry (AfD). Nun bilden diese und Kathrin Oertel das Duo, das die Pegida-Bewegung in die AfD überführen soll. Wäre da nicht Legida, die demaskierte Pegida. Deren Parolen und Überzeugungen sind aber genau das, was hinter Pegida von Anfang an steht – wovon sich aber die sog. Pegidasprecher immer dann distanzieren, wenn sie darauf angesprochen werden, um es bei nächster Gelegenheit zu wiederholen oder wiederholen zu lassen. Darum klingt die Ankündigung von Kathrin Oertel, man wolle gegen Legida juristisch vorgehen, so hohl, und darum ist die heutige Aussage des Legida-Sprechers Silvio Rößler in Dresden so zutreffend: „Da passt kein Blatt Papier mehr dazwischen“. Die angeblich so moderaten 19 Forderungen der Pegida dienen nur der Vernebelung. Denn im Windschatten von „Das ist doch durchaus vernünftig“ werden seit Wochen vergiftete Keile in unsere Gesellschaft getrieben und nicht zufällig ständig Anleihen im Nazijargon gemacht. Alle, die nicht Deutsch sind, werden unter den Generalverdacht gestellt, uns Deutschen zur Last zu fallen. So hat Pegida/Legida das traurige Verdienst, Ausländern und Asylbewerbern, Menschen anderen Glaubens, Moslems und Juden, spüren zu lassen: Eigentlich wäre es besser, wenn ihr nicht unter uns leben würdet. Diese Stimmungslage ist ganz bewusst und gezielt erzeugt und geschürt worden. Das ist nicht nur verwerflich, es ist brandgefährlich. Und darum darf es keinerlei irgendwie geartete Kumpanei mit Pegida/Legida geben – auch nicht mit denen, die jetzt – wie die AfD – diese faulen Früchte einzusammeln versuchen. Was tägliche Aufgabe bleibt:

  • mit den Bürgerinnen und Bürgern reden, natürlich, aber auch wissen, von welcher Position aus – und: zu den Gesprächspartnern gehören auch die Asylbewerber selbst, die Flüchtlingsräte in den Städten, die muslimischen Gemeinden.
  • Kinder, Jugendliche, Erwachsene zur Beteiligung an der Demokratie ermutigen und anhalten.
  • Angebote einer Mitte machen, die mir beides ermöglicht: Gewissheit und Offenheit und von der aus ich mich angstfrei in einer multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft bewegen kann. Ein getröstetes Gottvertrauen kann da ebenso helfen wie ein im Glauben gebundenes Wertegefüge.

 

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