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Neue Universitätskirche St. Pauli: Die Quälerei nimmt kein Ende

Sie ist weitgehend fertiggestellt: die neue Universitätskirche St. Pauli. Mit Chorraum und Langhaus, mit dem Pauliner-Altar aber noch ohne Kanzel, mit der großen Jehmlich-Orgel auf der Westempore und der Schwalbennestorgel im Chorraum, mit ausreichender Bestuhlung – und einer völlig überflüssigen „Glas“-Wand aus Acryl. Sie wirkt jetzt schon wie eine vergessene Baustellen-Absicherung und gewährt nur einen verschwommenen Durchblick, vernebelt durch eine dicke Staubschicht. Besonders hässlich: die 10 cm breite, vertikale Einfassung der beiden Acryl-Flügel von der Gewölbedecke bis zum Boden genau in der Mitte des Raumes. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann dieser überflüssige Unsinn beseitigt wird.

Doch das ändert nichts daran: Die neue Universitätskirche St. Pauli könnte schon heute ihrer Bestimmung übergeben werden, wäre da nicht die quälende Herumeierei um Namen, Funktion und Eröffnung. So ist heute der Presse zu entnehmen, dass zunächst am 23. August 2017, also während der Semesterferien (!), eine „Bauabschlussfeier“ stattfinden soll – hinter verschlossenen Türen im Beisein von Ministerpräsident Stanislaw Tillich, Finanzminister Georg Unland und Bundesbildungsministerin Johanna Wanka, alle der CDU angehörend. Da darf man gespannt sein, ob die versammelten Christdemokrat/innen sich ihres Parteinamens erinnern und beim Bauabschluss endlich von dem reden, was erstellt worden ist: die neue Universitätskirche St. Pauli. Oder wird im Programm für die vorgesehene „Ökumenische Feier“ als Ortsangabe stehen: „im für Gottesdienste geschaffenen Paulinum-Bereich“, um nur ja den Begriff „Kirche“ zu vermeiden? Aber vielleicht werden die Beteiligten auch noch andere Wortungetüme schaffen, um das Einfache und Einleuchtende (besser: das Aufklärende und Angemessene) zu vermeiden: neue Universitätskirche St. Pauli. Die Planung dieses Festaktes scheint die unselige Baugeschichte fortzusetzen: frei von jeglicher Souveränität und Geschichtsbewusstsein, dafür ganz viel Befindlichkeit – und ein bisschen Wahlkampf der billigen Art. Nur so ist zu erklären, dass die Rektorin der Universität, Beate Schücking, bei der Bauabschlussfeier nicht sprechen soll/darf. Offensichtlich will die Staatsregierung allen unmissverständlich deutlich machen, dass die Universitäten am Gängelband der Landesregierung hängen – von wegen Autonomie und Freiheit von Forschung und Lehre. Da wäre Widerspruchsgeist der Universitätsangehörigen gefragt, anstatt weiter die Wirklichkeit des Neubaus der Universitätskirche St. Pauli zu verleugnen.

Stattdessen steht zu befürchten, dass die peinlichen Abgrenzungsdebatten im Blick auf die Einweihung der neuen Universitätskirche im Dezember 2017 wieder aufleben: Welcher Teil der Kirche soll denn zuerst (ein)geweiht werden? Wie wird das benannt, was da (ein)geweiht wird? Wie werden die Stühle im Chorraum gestellt werden? Was, wenn deutlich mehr als 200 Menschen an der Weihe der Unikirche teilnehmen? Ist dann die Plaste-Wand geöffnet? Ist sie auch geöffnet beim Festakt, oder will man bewusst „Aula“ und „Andachtsraum“ trennen? Was für eine unwürdige Quälerei angesichts des wunderbaren Bauwerks und seiner großartigen Architektur. Dabei könnte es so einfach sein: am 2. Dezember 2017, dem Gründungstag der Universität Leipzig vor 608 Jahren, ein großer Gottesdienst zur Einweihung der Universitätskirche mit anschließendem Festakt – alles bei geöffneter Acryl-Wand, die dann am besten auch in diesem Zustand bleibt (schon allein des Durchblicks wegen). Dazu wäre nur nötig: Souveränität und Geschichtsbewusstsein. Man soll die Hoffnung nicht aufgeben, dass beides auch in der Universität Leipzig reichlich vorhanden ist. Schon jetzt aber sollten alle nüchtern zur Kenntnis nehmen: Unabhängig davon, wie die Universität Leipzig das Gebäude nennt und zu welchen Wortkapriolen sich Medien und andere verleiten lassen – am Augustusplatz steht die neue Universitätskirche St. Pauli: Gott sei Dank! Sie kann endlich wieder so genutzt werden, wie es der Historie entspricht und den Erfordernissen eines Wissenschaftsbetriebs des 21. Jahrhunderts durchaus angemessen ist: als Gottesdienststätte, als Raum für die Universitätsmusik, als akademischer Festsaal. Damit ist alles erreicht, was das Ziel all derjenigen war, die sich mit dem Verbrechen der Sprengung der Universitätskirche St. Pauli am 30. Mai 1968 nicht abgefunden haben. Damit ist aber auch dem genüge getan, dass im 21. Jahrhundert ein Bildungsort wie die Universität ein geistiges und geistliches Zentrum, in dem es zum kritischen Diskurs zwischen Wissenschaft und Religion, zwischen Glauben und Vernunft kommen kann, kein Überfluss, sondern eine Notwendigkeit ist. Die Universität Leipzig, aber auch alle Bürgerinnen und Bürger Leipzigs, tun gut daran, das jetzige Ergebnis dieses Engagements dankbar und erfreut anzunehmen.

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