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Nach der Bundestagswahl – ein paar Gedanken zur Lage

Am Sonntag wurde die große Koalition krachend abgewählt. Gegenüber der Bundestagswahl 2013 haben CDU/CSU und SPD über 13 % an Zweitstimmen verloren, wobei der größte Anteil des Verlustes auf die CDU/CSU fällt. Profitiert haben davon vor allem zwei Parteien: die FDP und die AfD. Die Konsequenz aus diesem Wahlergebnis kann nur lauten: Die SPD muss in die Opposition gehen. Ob sie sich darin erneuern kann, wird davon abhängen, ob sie in den nächsten Jahren in Kommunen und Bundesländern, insbesondere in Ostdeutschland, eine neue politische Basis für sozialdemokratische Grundpositionen aufzubauen vermag. Dazu gehören folgende Schwerpunkte:

  • die Ausgestaltung der freiheitlichen Demokratie insbesondere durch eine gerechte Beteiligung eines jeden und einer jeden an Bildung, Arbeit, Einkommen;
  • die Integration des sog. Flüchtlingsthemas in eine friedenspolitische Vision für den Nahen Osten und Nordafrika;
  • die Verbindung von kultureller, religiöser Vielfalt und der Förderung der eigenen Identität durch soziale Sicherheit (Ausbildung, Wohnen, Rente);
  • intensive Demokratiebildung in den Ausbildungseinrichtungen einschließlich der Herausforderung, Wertevermittlung und Digitalisierung des Alltags miteinander zu verbinden.

Die Ausgestaltung einer solchen Programmatik muss einhergehen mit einer Belebung des gesellschaftspolitischen Diskurses, vor allem aber mit einem neuen Schulterschluss zwischen Sozialdemokratie und Gewerkschaften. Sie müssen der über Jahrzehnte vernachlässigten politischen Bildung neuen Schwung verleihen.

Die besondere Dramatik des Wahlergebnisses liegt aber nicht nur im Absturz der SPD. Dieser hat vor allem zwei hausgemachte Ursachen: das Abtauchen von Martin Schulz zwischen dem 19. März und 14. Mai 2017 und das Versäumnis, die Große Koalition im Juni/Juli zu verlassen. Dramatisch ist auch die faktische Teilung Deutschlands im Wählerverhalten. Diese wird sichtbar im unterschiedlichen Abschneiden der AfD. In Ostdeutschland wurde sie zweistärkste Partei, in Sachsen mit 27 % Stimmenanteil die stärkste Partei. Wir können uns die Lage nicht einfach dadurch schön reden, dass bundesweit lediglich 12,6 % der Zweitstimmen auf die AfD gefallen sind und demnach 87,4 % eine andere Partei als die AfD gewählt haben. Das trifft auf die ostdeutschen Bundesländer eben nicht zu. Da hat die AfD gerade mit ihren völkischen und nationalistischen Parolen gepunktet – in Regionen, in denen es kaum Flüchtlinge, dafür aber ganz viele Menschen gibt, die für die Parolen eines Björn Höcke empfänglich sind. Das heißt – und das gilt bundesweit: das Flüchtlingsthema hat mit der Wahl der AfD nur sehr bedingt zu tun. Der Grund für deren Erfolg liegt tiefer. Um ihn zu erkennen, sollte man sich eines klar machen: Verantwortlich für die Stimmabgabe sind die Wählerinnen und Wähler, nicht die Gewählten oder die Parteien. Sie haben der AfD ihre Stimme gegeben in vollem Wissen um deren rechtsradikale Ausrichtung. Darum kann es  nicht beruhigen, wenn Wahlforscher darauf hinweisen, dass Zweidrittel der AfD-Wähler/innen Protestwähler/innen seien. Das mag sein – aber sie haben zunächst und vor allem einer AfD die Stimme gegeben, die gegen Flüchtlinge hetzt, kulturell-völkische Homogenität predigt, die Verbrechen der Nazis relativiert, Politikerbashing betreibt und die Demokratie verachtet. Gerade weil ich Wähler/innen, die der AfD ihre Stimme geben, sehr ernst nehme, beteilige ich mich nicht an einer besonders problematischen Form der betulichen Bevormundung: man müsse schließlich die AfD-Wähler verstehen; sie hätten keine andere Möglichkeit, ihrem Protest, ihren Sorgen Gewicht zu verleihen, als bei der AfD anzudocken. Wie bitte? AfD-Wähler/innen sind keine armseligen Trottel! Nein, auch die, die AfD gewählt haben, hatten andere Möglichkeiten. Aber es gibt – Gott sei Dank – unter den im Bundestag vertretenen Parteien keine andere als die AfD, die offen Rassismus predigt, die Verfassungsgrundsätze wie Asyl und Religionsfreiheit infrage stellt, die auf Flüchtlinge schießen will, die sich nationalsozialistischer Rhetorik bedient. Weil sie dieses macht und über diese Schiene die Illusion vermittelt, wir lösen alles, was den Bürger umtreibt, darum wird die AfD von Menschen gewählt, für die Menschenrechte, Grundwerte der Verfassung, soziale Gerechtigkeit und aktive Beteiligung an der Demokratie nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Wie gehen wir nun mit der AfD um? Auch da enthält das Wahlergebnis eine klare Botschaft: Wer meint, sich der AfD anbiedern zu müssen und sich nun von ihr die Themen diktieren lässt, der wird verlieren. Genau das ist der CSU in Bayern widerfahren: Sie hat dramatische Verluste hinnehmen müssen, während die AfD in Bayern 12,4 % der Zweitstimmen auf sich vereinigen konnte. Darum kann es nur eine Strategie geben: Keinen Millimetern vor der AfD-Rhetorik und ihren politischen Zielen zurückweichen; keinen Millimeter ihrem Programm folgen; sie nicht als „normale“ Partei im demokratischen Spektrum ansehen, sondern als die Partei bekämpfen, die aufgrund ihrer Programmatik durchaus erfolgreich versucht, die latent für rechtsradikales Gedankengut offenen Menschen an sich zu binden. Nun wird behauptet: Das reicht nicht. Das mag sein. Aber damit fängt es an! Wir haben in den ostdeutschen Bundesländern inzwischen eine Situation, die mehr als alarmierend ist: Denn in zu vielen Ortschaften vertreten Pfarrer/innen, Lehrer/innen, Erzieher/innen, Vereinsvorsitzende, Mittelständler, Gewerkschafter inzwischen AfD-Positionen, nicht verdeckt sondern offen – d.h. die rechtsextremistische Ideologie der AfD wird von Führungspersönlichkeiten und sog. Opinionleader mehr oder weniger befördert. So weit ist es vor allem in Sachsen gekommen – nicht über Nacht, sondern in einem Prozess, der über 25 Jahre andauert und an dem die CDU ein gerüttelt Maß an Schuld trägt. Ich möchte daran erinnern, dass es schon Ende der 90er Jahren in NPD-Hochburgen Sachsens vorgekommen ist, dass Eltern verlangt haben, dass im Kindergarten nur noch „deutsche“ Lieder gesungen werden. Die Lage ist also mehr als ernst – und mit einem „Wir nehmen jetzt eure Sorgen ernst“ ist es nicht getan. Das einzige, was jetzt hilft: Klarheit in der Position und ein dem Menschen nahes politisches Handeln, das sich an den demokratischen Grundwerten ausrichtet. Dazu gehört auch, dass wir die Gemütsverfassung von nicht wenigen Menschen erfassen und dieser widerstehen:

  • ein asozialer Egoismus, der in jedem Fremden einen Eindringling vermutet;
  • eine sinnentleerte Lebensperspektive auch als Spätfolge der DDR-Zeit, also weniger Politik(er)verdruss als Verdruss über das eigene Leben;
  • die Bereitschaft, für ein „Linsengericht“ Freiheits- und Menschenrechte aufzugeben.

Bleibt die SPD in Sachsen. Sie steckt in einem tiefen Dilemma. Weil sie durch die Koalition mit der CDU in die Regierungsarbeit eingebunden ist, steht sie in der Mithaftung für die CDU-Politik und kann nur schwer selbständig agieren. Aus diesem Dilemma kann sie sich nur befreien, wenn sie zwei Strategieansätze beachtet:

  • Jetzt offensiv sozialdemokratische Projekte verfolgen, auch solche, die nicht im Koalitionsvertrag stehen – mit dem Risiko, dass die Koalition mit der CDU vor der Landtagswahl 2019 platzt.
  • Die Partei muss sich insbesondere im ländlichen Raum profilieren und in den Städten vor allem programmatisch die politische Auseinandersetzung suchen und führen

Dieser Weg ist schwer, sehr schwer. Wir brauchen dazu vor allem mehr Köpfe, die landesweit als Sozialdemokraten erkennbar sind und dafür stehen. Die Zeiten vornehmer Zurückhaltung sind vorbei. Es gilt, sich aktiv zu beteiligen und neu zur Sozialdemokratie zu bekennen.

P.S. Die Zeit einer Bundeskanzlerin Angela Merkel läuft ab. Sollte es zu einer Jamaika-Koalition kommen, wird diese wahrscheinlich nicht besonders lange halten. Dann stehen Neuwahlen an – ohne Angela Merkel.

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9 Antworten

  1. Aus der österreichsichen Zeitung „Die Presse“ ein Gastkommentar zum deutschen Wahlergebnis:
    Die Geister der Weimarer Republik spuken wieder

    Deutschland kann die Gespenster der Vergangenheit am besten mittels eines stabilen Europa in Schach halten.

    Harold James
    01.10.2017 um 18:41

    Das Resultat der deutschen Bundestagswahl vom vergangenen Sonntag ist seltsam paradox. Unter dem Vorsitz von Bundeskanzlerin Angela Merkel ist die CDU unbestreitbar die stärkste Kraft geworden, ohne die eine neue Regierung undenkbar ist. Doch sowohl die Unionsparteien als auch ihr bisheriger Koalitionspartner SPD haben herbe Verluste erlitten. Als erste Reaktion auf die 20,4 Prozent, bei denen die Sozialdemokraten gelandet sind (2013 waren es noch 25,7 Prozent), verkündeten mehrere sozialdemokratische Spitzenpolitiker den Gang in die Opposition.

    Diese Reaktion – ein Machtverzicht – war ein Wesensmerkmal der Politik im Deutschland der Zwischenkriegszeit, als der erste Versuch, dem Land mit der Weimarer Republik eine demokratische Staatsform zu geben, nach kurzer Zeit scheiterte. Seit der Gründung der Bundesrepublik 1949 wird die deutsche Politik von dieser einen Frage verfolgt: Könnten die Ereignisse der Weimarer Republik sich wiederholen und die Rechtsradikalen erneut triumphieren? Mit der Alternative für Deutschland (AfD) zieht nun zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg eine extremistische Partei in den Bundestag ein – und somit steht diese Frage wieder im Raum.

    Unverkennbare Parallelen

    Einige Parallelen zu Weimar sind tatsächlich unverkennbar. Selbst in den relativ stabilen Jahren der Weimarer Republik Mitte und Ende der 1920er-Jahre – also noch vor der Weltwirtschaftskrise – wurden Parteien von den Wählern abgestraft, wenn sie an der Regierung beteiligt waren und belohnt, wenn sie sich als alternative oder Protestparteien präsentierten.

    Die gemäßigte Rechte war zwischen 1924 und 1928 an einer Koalitionsregierung beteiligt und erlitt danach herbe Verluste; nach 1928 wurde die SPD ebenfalls für ihre Beteiligung an einer Koalition abgestraft.

    Dann folgte die Wirtschaftskrise und der gleiche Mechanismus entfaltete umso stärker seine Wirkung: Es war politischer Selbstmord, die Regierung zu unterstützen – oder das System, wie es die zunehmend radikale Opposition nannte. Es kam zur Flucht vor der Verantwortung und die Wähler straften die verbleibenden Politiker nur noch härter ab.

    Wenn in Zusammenhang mit dem deutschen Wahlergebnis Raum für Optimismus bleibt, dann aufgrund seiner Nähe zu anderen Wahlergebnissen in Europa. Der Anteil der AfD mit rund 13 Prozent der Stimmen ist fast genauso hoch wie das Ergebnis, das der Populist Geert Wilders im April bei den Parlamentswahlen in den Niederlanden erreicht hat, was weithin als Schlappe für den Rechtspopulismus gewertet wurde.

    Klar ist, dass die überwältigende Mehrheit der Deutschen die AfD nicht unterstützt, deren Erfolg schon bald verblassen könnte, da sich sogleich eine Spaltung in der Parteispitze abzeichnete.

    Es ist tatsächlich schwer vorstellbar, auf welcher Basis die AfD weiter Zulauf erhalten sollte. In vielen Industriestaaten werden Wahlen oftmals schlicht als Spiegelbild der Konjunktur betrachtet. Das gilt vor allem für Deutschland. Die Wähler im Heimatland des Wirtschaftswunders sind stolz darauf, die stärkste Volkswirtschaft des Euroraums zu stellen. Die deutsche Wirtschaft prosperiert, die Erwerbstätigkeit ist auf einem Rekordniveau.

    Das Oktoberfest in München verzeichnet jedes Jahr neue Besucherrekorde. Es wird dort mehr getrunken und mehr gegessen – aber weniger geprügelt und es gibt weniger Straftaten. Sogar die Eurozone insgesamt erholt sich überraschend gut.

    Weitverbreitete Enttäuschung

    Aber Regierungen sind wie Menschen: Wenn sie eine lange Zeit in derselben Position verbringen, gehen ihnen die Ideen aus. Ende 2016 wirkte Angela Merkel schon ziemlich müde und der frisch gekürte SPD-Vorsitzende Martin Schulz konnte sich für kurze Zeit über steigende Umfragewerte freuen. Als sich jedoch herausstellte, dass Schulz auch keine neuen Ideen hat, wich die Begeisterung rasch der Ernüchterung.

    Die schlechten Wahlergebnisse der Regierungskoalition scheinen eindeutig eine weitverbreitete Enttäuschung über die Spitzenpolitiker zu widerspiegeln, die nichts Neues zu bieten haben.

    Zudem wird das Ergebnis der Bundestagswahl die Bildung einer neuen Koalition nicht ganz einfach machen. Die plausibelste – eigentlich die einzige – Alternative zu einer Großen Koalition aus CDU und SPD wäre eine größere Gruppierung, an der sowohl die FDP als auch die Grünen beteiligt sind (eine Jamaika-Koalition, so benannt nach der Flagge des Inselstaates, die in den Farben der Parteien – Schwarz, Grün und Gelb – gehalten ist). Es war häufiger zu hören, dass Angela Merkel gern eine Koalition nur mit den Grünen gesehen hätte, da es seit ihrer Ankündigung eines schnellen Ausstiegs aus der Atomenergie nach der Katastrophe im japanischen Fukushima von 2011 in vielen Bereichen eine starke Annäherung an die Agenda der Grünen gegeben hat.

    Hoffen auf einen Neuanfang

    Die Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition werden schwierig, weil die FDP einen deutlich konservativeren Ansatz in Wirtschaftsfragen verfolgt, vor allem in Bezug auf Transferzahlungen an die übrigen Länder der Eurozone. Damit ist eine solche Jamaika-Koalition aber nicht vom Tisch – und das könnte eine neue Politik für Deutschland bedeuten. Während das politische Profil der FDP klassisch marktliberal geprägt ist, sind die Grünen in den vergangen zehn Jahren offener für Marktmechanismen als beste Möglichkeit zur Verwirklichung ihrer umweltpolitischen Agenda geworden.

    Eine neue Koalition ist eine Möglichkeit zu zeigen, wie ein Neuanfang in der deutschen Politik funktionieren kann. Und dieser Neuanfang würde sich auf Europa erstrecken, vor allem durch eine engere deutsch-französische Zusammenarbeit, deren Grundlage ein Einvernehmen über eine größere Bedeutung des Marktes und die Reform europäischer Institutionen bildet, die Marktprozesse beaufsichtigen und überwachen.

    Es gibt viele Bereiche – Sicherheitsfragen, militärische Zusammenarbeit, der Umgang mit den unmittelbaren Bedürfnissen von Flüchtlingen – in denen gemeinsame europäische Anstrengungen notwendig sind.

    Die Lehre von Weimar

    Deutschland kann dem Menetekel der „Weimarer Verhältnisse“ unmöglich entgehen, wenn es ausschließlich in nationalen Kategorien denkt. Die Antwort auf politische Unsicherheit ist in der Stabilisierung der europäischen und internationalen Systeme zu suchen.

    Das war die abschließende politische Lehre der Weimarer Republik: Als es zur Erosion der Weltordnung gekommen war, schien innenpolitische Zusammenarbeit nur von geringem Nutzen zu sein, dafür war extremistische Rhetorik opportun. Die Gespenster der Vergangenheit aber lassen sich nur durch ein stabiles Europa in Schach halten.

    Aus dem Englischen von Sandra Pontow.

    Copyright: Project Syndicate, 2017.

  2. Lieber Herr Schuster, die politische Bildung findet u.a. durch Die Landeszentrale für Politische Bildung statt. Auch wenn der Rücktritt ihres Leiters Frank Richter Kein Ruhmesblatt für die cDU ist. Außerdem gibt es noch den sächsichen Ableger der
    Friedrich – Ebert Stiftung statt. Es liegt wohl nicht am Angebot sondern eher am mangelnden Interesse der Bidlungsbedürf-tigen. Und dazu muss man/frau nicht mal das Land Sachsen verlassen.

  3. Lieber Herr Kollege Wolff,
    ich bin dankbar für Ihre klare und differenzierte Analyse. Ich habe sie hier in Karlsruhe weitergeleitet an ein altes SPD-Mitglied, denn wenn ich wahrnehme, wie kurzsichtige Entschuldigungen für die AfD gefunden werden, dann hilft es vielleicht, dass jemand aus den östlichemn Bundesländern für Klartext sorgt.
    Danke und Ihnen weiterhin Mut und Ausdauer. Ich gehe heute Abend zu einem „Stammtisch“, dem ich seit einigen Jahren angehöre, heute um den lauten Worten zu widersprechen.
    Hans-Wilhelm Ubbelohde

  4. Eine Wortmeldung aus Dresden:
    1. Die Analyse von Christian Wolff ist nicht nur treffend, sondern in ihrer Aufforderung, wie es jetzt weiter zu gehen hat, INTELLIGENT (dies geht mal an den rheinländischen Ewigschreiber).
    2. Wenn Frau Dr. Merkel nach der katastrophal ausgegangenen BTW resümiert, sie wisse nicht, was jetzt anders gemacht werden müsste, ja dann wird die Katastrophe noch perfekter. Diese völlige Realitätsferne widerspricht übrigens elementarem Vorgehen in der Naturwissenschaft: erst eine Befundanalyse bzw. deren klares Ergebnis sollte Grundlage für zukünftiges Denken und Tun sein.
    3. Wenn Volker Bouffier (hessischer MP) im Interview einer Tageszeitung feststellt: „Ohne Angela Merkel hätten wir das Ergebnis nicht erreicht.“ ist ihm eine glänzende Wahrheitsfindung gelungen (er meinte freilich: ohne sie ginge es nicht weiter…
    4. Nicht nur St. Tillich (MP in Sachsen), sondern auch dem zugunsten der AfD haushoch dessen Bundestagsmandat abhandengekommene Generalsekretär der sächsischen CDU M. Kretschmer ist der erste Platz der AfD vor der CDU unfassbar und schockierend. Seit drei Jahren wird Dresden zum orgiastischem Sammelbecken unsäglicher Pegida-Veranstaltungen. Ich – und nicht nur ich – frage mich, was da der selbstverliebten CDU in Sachsen grundsätzlich abhanden gekommen ist, nun ganz offensichtlich die politische Realität, die man in fahrlässiger Weise einfach ignorierte und mit selbsttäuschender Arroganz permanent bagatellisierte.
    5. Mag sein, dass M. Schulz zur Elefantenrunde am Wahlabend dünnhäutig und nicht immer souverän agierte; die Entscheidung, die lähmende Koalitionsbank mit der der dringend nötigen Opposition ab sofort zu tauschen verdient allen Respekt!! Eine andere Reaktion wäre der endgültige Abgesang der SPD gewesen.
    Und 6. Gott sei Dank ist ein Herr Herrmann (politische Provinz Bayern) aus dem Rennen. Unvorstellbar, diesen Mann als Bundesinnenminister.
    Postludium: Zu tiefsten SED-DDR-Zeiten gab es mal ein Jubel-Lutherjahr unter Honeckers Gnaden. Und der Volksmund fand spitzbübig: „Proletarier aller Länder, um Gottes Willen: vereinigt euch!. “ Etwas abgewandelt die jüngste Wahlkatastrophe reflektierend sage ich: Demokraten, um Gottes Willen – vereinigt Euch, in Deutschland und in Europa! Jo.Flade (der übrigens auch das jahrelange sanfte Schweigen der EKD und der Landeskirche zum Erstarken der AfD als schockierend empfindet. Zum Glück gab und gibt es Pfarrer in Dresden und Leipzig, die aufmerksamer sind und sich zu Wort melden – leider eine Minderheit)

    1. Sehr geehrter Herr Flade, für den Satz aus Ihrem Beitrag „Ich – und nicht nur ich – frage mich, was da der selbstverliebten CDU in Sachsen grundsätzlich abhanden gekommen ist, nun ganz offensichtlich die politische Realität, die man in fahrlässiger Weise einfach ignorierte und mit selbsttäuschender Arroganz permanent bagatellisierte.“
      Da habe ich eine Erklärung, der sächsichen CDU bzw. dem Ministerpräsidenten ist nichts abhanden gekommen, sondern die haben als ehemalige DDR-Blockpartei-Mitglieder politische Realität gar nicht besessen.

  5. Lieber Christian Wolff, der größte Fehler war, überhaupt in die 2. Groko 2013 „gegangen“ zu sein. Alles andere folgte daraus. Die 1. Große Koalition war ein singuläres Ereignis und nicht zuletzt den verhandelden Personen ( Guttenberg und Wehner) „geschuldet“. Die 2. Groko war der gescheiterte Versuch, es ohne große Not zu wiederholen. Startegisch hätte es m.M. nach, mehr Sinn gemacht, die CDU in eine Minderheits-regierung zu zwingen und die „Zuverlässigkeit“ der Linken und Grünen zu testen. Selbst auf die Gefahr von Neuwahlen. Aber offensichtlich war der Drang zu den „Fleischtöpfen“ übermächtig. Und der Mitgliederentscheid hat bewiesen, wie es um die „Schwarmintelligenz wirklich bestellt ist. Wie es in Sachsen um die Zukunft der SPD bestellt sein wird, nach dieser BTW, werden WIR erleben. Skepsis ist durchaus angebracht.

  6. Stimme im Prinzip zu. Aber wenn es nicht zu Jamaika kommen sollte, muss die SPD überlegen, ob sie nicht doch in die Regierung geht. Neuwahlen würden vermutlich zu noch mehr Frustration der Wähler und zu einem weiteren Erstarken der AfD führen.

    1. Lieber Herr Goll, warum soll die SPD den Weg der Selbstverzwergung“ beschreiten nur um „unbedarften“ Wählern eine Lernprozess zu ersparen?

  7. Mich bedrückt das Wahlergebnis in Sachsen auch. In meiner Herkunftsgemeinde Malschwitz/ Landkreis Butzen hat die AfD 38,7 % bekommen. Woran liegt das? Ich glaube, es gibt eine zu enge Verbindung von CDU und rechten Gruppen. Die Bestätigung des Vizelandrats Herr Witschas in seinem Amt in Bautzen trotz seiner facebook-Kontakte zum führenden NPD- Mann Wruck, mit dem er das Flüchtlingsproblem in Bautzen lösen wollte durch die CDU-Fraktion geben ein beredtes Zeugnis. Auch die These, dass viele Menschen in der DDR, bedingt durch die Ideologie kein stabiles Wertegerüst mit auf den Lebensweg bekommen haben, scheint mir nachdenkenswert. Eine Rolle mag auch spielen, dass viele Oberlausitzer und Sachsen insgesamt nicht raus gekommen sind aus ihrem Bundesland und nach wie vor quasi im Tal der Ahnungslosen leben, könnte ein Grund für diese politische Unbedarftheit sein. Was helfen würde, wäre politische Bildung und Bildung insgesamt und die Ermutigung, gegen rechtes Gedankengut Farbe zu bekennen.

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