Das war eine Katastrophe mit einer sich über Jahre dramatisch aufbauenden Ansage: der Brand, der das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos Anfang dieser Woche zerstört hat. Es ist müßig, sich darüber zu streiten, wie der Brand hat ausbrechen können. Seit Jahren leben in dem für 3.000 Migranten errichteten Lager bis zu 13.000 Menschen – unter Bedingungen, die mehr als menschenunwürdig und auch eine Zumutung für die einheimische Bevölkerung sind. Seit langer Zeit wird von Hilfsorganisationen auf das himmelschreiende Unrecht und die katastrophalen Verhältnisse in Moria hingewiesen. Doch weder die Regierung Griechenlands noch die Staaten der Europäischen Union haben darauf reagiert. Im Gegenteil: Ganz offensichtlich wurden die verheerenden Zustände bewusst herbeigeführt, um weitere Flüchtlinge davon abzuhalten, von der Türkei aus auf die Insel Lesbos zu gelangen. Denn es wäre überhaupt kein Problem gewesen, für die Geflüchteten auf Lesbos Camps zu errichten, die den Mindeststandards der Menschenwürde genügen. Vorschläge dazu gab es genug. Das ist nicht nur ein politischer Skandal unvorstellbaren Ausmaßes, geduldet von allen Mitgliedern europäische Regierungen, einschließlich der Bundesregierung. Es ist eine Bankrotterklärung der sog. europäischen Wertegemeinschaft. Von diesen Werten sind in den Flammen von Moria nichts als graue Asche und gespenstische Trümmer übrig geblieben – und Menschen, die nun ohne jede Perspektive auf den Straßen von Lesbos weiter dahinvegetieren müssen, während Regierungsmitglieder europäischer Länder in nicht überbietbarem, kalten Zynismus wie der Österreichische Außenminister Alexander Schallenberger (ÖVP) gönnerhaft „Hilfe vor Ort“ anbieten bei „Bedarf an Zelten und Decken“ und – wie der österreichische Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) – die Migranten für die jetzige Lage verantwortlich machen: Gewaltbereite Migranten haben „die Katastrophe bewusst ausgelöst und damit Menschenleben gefährdet“ (https://www.vol.at/zib2-schallenberg-strikt-gegen-aufnahme-von-moria-migranten-in-oesterreich/6734639).
Moria ist zu einem Fanal eines Europa geworden, dass seine in Jahrhunderten gewachsene Werte verraten hat – nicht zuletzt die Werte des christlichen Glaubens wie Nächstenliebe und Ehrfurcht vor dem Leben, auf die sich Parteien wie ÖVP, CDU, CSU berufen. Alle Glaubwürdigkeit ist dahin. Wie kann das überhaupt geheilt werden? Mit der Aufnahme von nun auf der Straße lebenden Geflüchteten in Deutschland und anderen europäischen Ländern ist es nicht getan – vor allem dann nicht, wenn dies als „humanitäre“ Antwort auf die Brandkatastrophe verkauft wird. Denn nicht der Brand ist die Ursache für die das schreckliche Geschehen – es ist die menschenverachtende, alle Werte mit Füßen tretende Flüchtlingspolitik der EU der vergangenen Jahre, für die Moria zum schändlichen Symbol geworden ist. Diese Politik muss sich radikal ändern – und zwar in doppelter Weise: menschenwürdige Aufnahme von Migranten bei uns und in Flüchtlingscamps und vor allem eine aktive Befriedungspolitik in den Ländern und Regionen, aus denen Menschen flüchten. Es mag ein kleines Hoffnungszeichen sein, dass es wenigstens einen Minister in der deutschen Bundesregierung gibt, der schon seit Jahren diese Änderung einfordert und auf die unhaltbaren Zustände von Moria hingewiesen hat: Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) (https://www.nwzonline.de/interview/minister-mueller-uebers-lager-moria-dramatische-ereignisse-muessen-ein-weckruf-sein_a_50,9,3710933606.html). Doch das genügt nicht – wie der gerade zu Ende gegangene, peinlich selbstgerechte Aufritt von Innenminister Horst Seehofer (CSU) vor der Presse überdeutlich offenbart hat. Ohne ein Eingeständnis der EU und der Bundesregierung, politisch und moralisch versagt zu haben, wird es zu keiner wirklichen Umkehr kommen. Beides muss jetzt von uns politisch eingeklagt werden.
Nachtrag: Komme mir bitte niemand mit dem Hinweis auf Max Webers Unterscheidung von Verantwortungs- und Gesinnungsethik, mit der letztlich jede politische Schweinerei gerechtfertigt werden kann. Nein, hier geht es um „Verantwortung vor Gott und den Menschen“ (Präambel des Grundgesetz), d.h. Verantwortung kann nicht von Moral getrennt werden. Was aber die EU in Moria zugelassen hat, lässt sich weder vor Gott noch vor irgendeinem Menschen verantworten! Moria ist ein politisches und moralisches Desaster. Da hätte ich mir ein deutlicheres Zeichen von den Kirchen gewünscht als die gestrige Erklärung der evangelischen Bischöf/innen.
49 Antworten
Lieber Herr Lerchner –
Zu Ihrer klaren Reaktion auf A. Schwerdtfeger, der auch ich voll zustimme, sollte meine Ergänzung zur im Blog diskutierten Flüchtlingsproblematik insofern zu verstehen sein, als allein der Syrienkrieg die Ohnmacht der Weltgemeinschaft und damit auch der EU offenbart.
Hier „nur“ zur Realisierung die Fakten zum Krieg in Syrien seit 2011 (!):
Syrien zersplitterte in Gebiete, die entweder von der Assad-Regierung, von diversen Oppositionsgruppen, den kurdischen Volksverteidigungseinheiten oder von Islamisten hoheitlich beherrscht wurden. Die Bündnispartner Assads mit direkter Beteiligung des Iran mit seinen Revolutionsgarden, der libanesischen Hisbollah-Miliz und Russland mit seinem Militäreinsatz und die Bildung des internationalen Bündnisses unter Führung der Vereinigten Staaten gegen die Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS; Sunniten)) machten aus dem Kampf innerhalb Syriens unübersehbar einen Stellvertreterkrieg: Es kämpfen u.a. der schiitische Iran gegen das sunnitische Saudi-Arabien und Katar sowohl als auch Russland und die USA um die Vormacht in der Region, nicht allein aus geostrategischen, sondern sehr wahrscheinlich auch aus wirtschaftlichen Gründen… Und die Türkei, die seit 2016 mit ihren Militäroffensiven das Kurdenproblem „lösen“ und damit ureigenste Interessen klären will, verschärfte mit ihren Militäroffensiven (Nordsyrien) den kriegerischen Konflikt enorm.
Bilanz:
Nach Schätzungen der UNO wurden seit Kriegsbeginn 500.000 Menschen getötet, etwa 11,6 Millionen Syrer sind seit 2015 auf der Flucht, davon 6,3 Millionen innerhalb Syriens, fünf Millionen Menschen flohen aus Syrien. Die Weltorganisation soll die durch den Syrien-Krieg ausgelöste humanitäre Flüchtlingskatastrophe als die schlimmste nach dem Völkermord in Ruanda bezeichnet haben. Bis heute ist ein Ende dieses Krieges nicht erkennbar.
(nachzulesen Wikipedia)
Auch Lesbos/Moria ist grausames Ergebnis der dargestellten Tatsachen!
Wer heute noch denkt und meint, durch militärisches „Engagement“ würde auch die EU geostrategisch geschützt und der Weltfrieden gesichert, muss ein Kausalitätsproblem haben.
Carl A. Sandberg: Gedicht The People, Yes „Sometime they’ll give a war and nobody will come“
„Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin“).
Ich meine: Es gehen noch zu viele, viel zu viele hin!
Ich grüße Sie, Herr Lerchner.
Sehr geehrter Herr Schwerdtfeger,
herzlichen Dank, dass Sie so umfassend auf meinen kleinen Einwurf zu Ursachen der wohl chronischen Flüchtlingsmisere eingegangen sind. Ich hätte mich auch über eine Reaktion auf meine Replik zu Ihren Thesen vom 13. September gefreut.
Zu Ihren Einlassungen:
Den Einsatz der Bundeswehr zu kritisieren, heißt natürlich, die „Sicherheitspolitik“ der Bundesregierung und der sie tragenden politischen Kräfte zu kritisieren. Das ist trivial und bedarf keiner Erläuterungen.
Ich gehe davon aus, dass es sich bei dem zitierten „Cost of War“ – Projekt um ein seriöses Unternehmen handelt. Wenn Sie sich die Details anschauen (z. B. Karte auf Website), dann sehen Sie, dass Millionen Flüchtlinge hauptsächlich aus den Gebieten amerikanischer Militäroperationen kommen. Die in Griechenland gelandeten Migranten stammen zu 60 % daher. Wenn Sie das ignorieren, gibt es Grund, an Ihrer (!) ideologischen Unbefangenheit zweifeln.
Mir ist klar, dass sich das Migrationsproblem langfristig nicht durch Aufnahme unbegrenzter Flüchtlingskontingente in Europa lösen lässt, sondern nur durch Beseitigung von Fluchtursachen. Und dazu gehört eben auch, dass der Einsatz kriegerischer Mittel zur Durchsetzung geostrategischer Interessen in Zukunft nicht mehr stattfindet. Solange Staaten von außen zerstört werden, wie das in Libyen erfolgreich und in Syrien beinahe geschehen ist, wird sich an der Flüchtlingsmisere nichts ändern. Unabhängig vom guten Willen dieser oder jener europäischen Länder.
Obwohl es nicht unmittelbar zu meinem Thema gehört, noch eine Bemerkung zu angeblichen Sicherheitserfordernissen. Wenn tausende Unbeteiligte durch Drohnenmorde, gesteuert über die US-Base Ramstein, zu Tode kommen, erhöht das meine Sicherheit überhaupt nicht, im Gegenteil. Es ist auch ein großes Geheimnis, wieso die Stationierung modernisierter amerikanischer Kernwaffen in der Bundesrepublik sich positiv auf die Sicherheitslage auswirken soll. Ich kann weder eine Bedrohung durch Russland oder gar durch China erkennen. Hier werden ganz offensichtlich beliebte Märchen gepflegt. Um eventuell in Zukunft Nord Stream 2 gegen Sabotageattacken zu schützen, reichen einfachere Mittel.
Mit besten Grüßen,
Johannes Lerchner
Lieber Herr Wolff,
wieso geht man einen Seehofer an, der sich um eine europ. Lösung bemüht?
Würden Sie auch ein neues 2015 akzeptieren?
Bedenken alle Sozen wirklich die ärmeren Bürger in der Flüchtlingsdebatte immer mit?
Würde eine gezielte humane Lösung auf Lesbos usw. nicht erstmal ausreichen und die Lage verbessern? Extrempositionen können Jusos äußern, aber nicht erfahrene Sozialdemokraten!
Lieber Herr Maier,
1. Wenn Innenminister Seehofer um eine europäische Lösung bemüht ist, dann hätte er die Zustände in Moria niemals zulassen dürfen. Stattdessen hat er sich an der kollektiven Verantwortungslosigkeit der EU den Geflüchteten gegenüber auf Lesbos beteiligt.
2. Was heißt ein „neues 2015“? 2015 hat unsere Gesellschaft erlebt, dass sie zu einem menschlichen, bürgerschaftlichen Engagement fähig ist. Der Publizist Georg Diez hat dazu vermerkt: „Darum war das, was im Sommer 2015 geschah, die Grenzen, die offen blieben für die, die nach Deutschland wollten, kein Staatsversagen, wie so oft beschworen – es war vielmehr ein Staatsgelingen, es war Demokratie ohne Anleitung, es war ein Bürgertriumph, weil die Menschen von selbst das Richtige taten, ohne zu warten, was gewünscht oder gefordert war, es war etwas, das in der deutschen Geschichte, die so obrigkeitsstaatlich von Abwarten und Argwohn und Angst geprägt ist, eher rar ist.“
3. Sozialdemokraten haben die Bekämpfung der Armut nie mit nationalen Anliegen vermischt. Die Sozialdemokratie war immer international ausgerichtet. Das bedeutet: Es verbietet sich für einen Sozialdemokraten, einen armen Deutschen gegen einen armen Geflüchteten auszuspielen oder diese gegeneinander aufzubringen.
4. Auf Lesbos wurde zu keinem Zeitpunkt eine „humane Lösung“ verfolgt. Das ist der Skandal. Vielmehr hat man die menschenunwürdigen Zustände bewusst herbeigeführt und zugelassen, um abzuschrecken. Das ist der himmelschreiende Skandal.
5. „Erfahrene Sozialdemokraten“ dürfen diese Zustände niemals gutheißen, sondern müssen Jusos und andere junge Menschen dazu ermuntern, hier ihre Stimme zu erheben. Wenn das eine „Extremposition“ sein soll, dann bin ich in diesem Fall gerne ein Extremist.
Beste Grüße Christian Wolff
Lieber Herr Wolff,
ich akzeptiere und verstehe Ihe Ansicht aus Ihrer Position heraus. Ich gestatte mir aber darauf hinzuweisen , dass es unter den SPD Wählern in dieser Frage durchaus verschiedene Ansichten gibt, es ist zu einfach, alles nur aus der Funktionärsebene zu betrachten
Offene Grenzen im dauerhaften engerem Sinne sind für mich religiöse, nicht politische Forderungen. Der evan. Kirchentag soll und kann nicht Grundlage einer verantwortungsethischen Politk und Regierungsführung sein, bei allem Respekt
Lieber Herr Maier, dass es unter SPD-Wähler/innen sehr unterschiedliche Motive gibt, der SPD die Stimme zu geben, ist geschenkt. Das Entscheidende ist aber, wie die Sozialdemokratie dem/der Wähler/in gegenüber auftritt. Das ist keine Frage der „Funktionärsebene“, sondern eine Aufgabe aller Mitglieder der SPD, auch wenn sie, so wie ich, „nur“ Mitglied sind (und das seit 50 Jahren). „Offene Grenzen“ basieren ausschließlich auf politischen Entscheidungen. Es ist ein Segen, dass der Prozess der europäischen Einigung zu offenen Grenzen geführt hat. Hier das Rad der Geschichte zurückzudrehen ist kreuzgefährlich. Denn Grenzziehungen und in der Folge Grenzüberschreitungen, sprich: nationale Politik, waren und sind eine der Hauptursachen für Kriege. Der Kirchentag, lieber Herr Maier, ist eine alle zwei Jahre stattfindende Großveranstaltung der Evangelischen Kirche – ein großes Forum für theologische, kirchliche, gesellschaftliche Fragen und Probleme. Er gibt Anstöße für den gesellschaftspolitischen Diskurs – nicht mehr und nicht weniger. Beste Grüße Christian Wolff
Lieber Herr Wollf,
Danke für so offene und respektvolle Antwort!moffene Grenzen war von mir im Sinne von „lässt sie unbegrenzt nach Europa kommen“ gemeint. Im Sinne der europ. Einigung sind offene Grenzen ein Segen, welcher aber gesicherte Aussengrenzen als Gegenpol bedarf!
Ich wähle noch nach sozialen Fragestellungen, grundsätzlich halte ich die innere Sicherheit neben der sozialen für die für mich wahlentscheidenden Punkte.Die deutschen Konservativen kann ich auf Bundesebene nicht wählen, so dass mir nur Liberale oder Rechte bleiben würden, welche ich derzeit noch nicht wählen möchte!
Lieber Herr Maier, es gibt ja noch ein paar andere Alternativen: SPD, Grüne, Linke – Parteien, die ihre Grundanliegen immer mit dem sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft verbinden. Wer heute Friedenspolitik, Ökologie und soziale Gerechtigkeit sowie die Grundwerte der Verfassung als Maßstab für seine Wahlentscheidung anlegt, macht mit seinem Kreuz bei der SPD auf jeden Fall keinen Fehler. Beste Grüße Christian Wolff
Zu 1): Immerhin stimmte Minister Seehofer dem Vorschlag des Flüchtlingshilfswerks UNHCR zu, 408 Familien, insgesamt 1553 Menschen auf den fünf griechischen Inseln, also nicht nur aus Lesbos, aufzunehmen. Grund dafür war auch, dass Griechenland dem zustimmte, weil es sich um anerkannte Familien handelte. Man wollte auf jeden Fall verhindern, dass der Eindruck entstünde, Brandstiftung lohne sich. Lt SPIEGEL vom 19. 9. 20 ist Seehofer „schwer frustriert über den Unwillen der Nachbarstaaten, Flüchtlinge aus Griechenland aufzunehmen.“
A. Schwerdtfeger:
…Absurder Inhalt , ideologische Verbogenheit , unpräzise, Verschleierung (Herrn Lerchners Beitrag) / belehrend oder kriecherisch (Herrn Flades Beitrag), Kommentare dazu lohnen inhaltlich nicht, ideologische Enge, lobhudlerische Meinungslosigkeit, argumentative Verschleierung…Und weiter: Sie sehen, Herr Käfer, Herr Wolff will einfach nicht! Na, dann machen wir eben im bisherigen Stil weiter, Verschwörungstheorien werden von Wolff als Kampfbegriff erklärt (hier spricht der Militär a.D.),, und wem die sachlichen Argumente ausgehen (zu Beiträgen von Chr. Wolff), der erfindet welche…
Großartiges Vokabular, fantastischer Stil, famos dies alles.
Und:
Trotz dieser ewigen Verbalentgleisungen, Verächtlichmachungen, Respektlosigkeiten und mit dieser überaus deutlichst sich selbstisolierenden Kemenaten-Mentalität, aus der es sich so wunderbar „weltgewandt“ über Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Militär und dazu über alles so kenntnisreich hier im Skript heraus theoretisieren lässt, folgen dann doch davon nicht ablassen könnend endlose Erklärungen, Thesen, pseudopolitische Statements – und die Irrungen und Wirrungen wollen kein Ende nehmen. Und der Absolutheitsanspruch zur Unfehlbarkeit der eigenen subjektiven Wahrnehmung zu doch wohl ziemlich komplex zu betrachtenden Themen krönt ALLES. Die nicht enden wollenden, egozentrisch fundamentierten Kommentare seit Ewigkeiten in diesem Blog, die Schmäuhungen und Diffamierungen würzen dann noch das Ganze, womit der seriöse Austausch leider, leider elendig verkommt.
So ist ein Diskurs konstruktiv doch niemals zu führen, gleich gar nicht im notwendigen Wollen, die Gesellschaftsprobleme gemeinsam (!) anzupacken.
Diese Ihre dauerhafte Strategie, Herr Schwerdtfeger, ist niemals friedensstiftend, gleich gar nicht trägt sie zum seriösen, produktiven, respektgebietenden Meinungsaustausch bei – wie lange muss das hier eigentlich noch wiederholt werden?
Unbarmherziger Alleinvertretungsanspruch, Verunglimpfungen, Abwertung Anderer etc.pp. sind auch hier im Wolff-Blog eindeutig fehl am Platze – wann endlich, A. Schwerdtfeger – begreifen Sie das?
Alle anderen, die sich mit ihren Kommentaren – Gott sei Dank lesenswerten und gehaltvollen Sachlichkeiten und Kenntnissen, oft auch vorsichtig, sich selbst hinterfragend – äußern, sind wie oben partiell herausgefiltert, allesamt Ahnungslose, Unwissende, Kriecher, Lobhudler, Hilflose, Besserwisser, verstockte und irrende Pfarrer.
Herr weltgereister Schwerdtfeger: Lesen Sie doch mal bei Karl Kraus nach, dem Sprachkritiker und Analysten; neben anderen Intellektuellen beschäftigte sich Kraus einst mit der Reinheit der Sprache und mit dem auch heutigen Tags wieder festzustellenden kulturellen Verfall (beides, was sich z.B. in Denken und Schreiben und Sprechen etabliert – oder?).
„Wie soll der andere Leute heißen schweigen, der selbst nicht schweigen kann?
PS: Ich vermerke hier mal lediglich, was viele andere Leser dieses Blogs mit Kopfschütteln und Unverständnis reflektieren.
Lieber Jochen, Danke für diesen trefflichen Kommentar. Dein Christian
Es muß nicht auf den absurden Inhalt des Beitrages von Herrn Lerchner eingegangen werden, der im wesentlich ideologische Verbogenheit erkennen läßt. Und auch der immer belehrende (gegenüber Andersdenkenden) oder kriecherische (gegenüber denen, die ihm seine Meinung sagen) Beitrag von Herrn Flade lohnt inhaltlich keinen Kommentar. Aber es ist angebracht, richtig zu stellen bzw deutlicher hervorzuheben, was Lerchner gerne durch unpräzise Formulierungen verschleiert. Also:
1. Die Bundeswehr operiert in AFG aufgrund eines rot/grünen Regierungs- und Parlamentsbeschlusses, der anschließend über die Jahre (mit der Ausnahme von 2009-13) von Außenministern der SPD und mit parlamentarischer Zustimmung der SPD, der Union und teilweise der Grünen bestätigt wurde. Es ist wichtig, den Handelnden (Bundesrepublik Deutschland) von seinem Instrument (Bundeswehr) zu trennen. Wer das nicht eindeutig tut, zeigt sachliche Unkenntnis und ideologisches Eifern. Ich habe oft genug darauf hingewiesen, daß Streitkräfte ein politisches Instrument sind und keine Politik an sich und wer das nicht klar unterscheidet, zeigt intellektuelles Unvermögen. Es „operiert“ also, politisch gesehen, in AFG die Bundesrepublik Deutschland.
2a. Wer das Flüchtlingsproblem auf GRI reduziert, hat die Dimension nicht begriffen. Die überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge, die nach Europa kommen, stammt aus afrikanischen Ländern und ist natürlich nicht Folge der amerikanischen Aussenpolitik, teilweise mit und teilweise ohne deutsche Beteiligung. Die im Nahen und Mittleren Osten entstandenen Flüchtlingssituationen sind im übrigen, genau wie die in Afrika, auch nicht amerikanisch verursacht sondern resultieren aus dem für jeden offensichtlichen Konflikt innerhalb des Islam und seinen mörderischen Auswirkungen durch Terrorismus auch auf den Westen einschließlich des Staates Israel.
2b. Im übrigen: Selbst wenn man, durchaus berechtigt, der Meinung ist, daß Deutschland im Alleingang oder insgesamt mehr Flüchtlinge aufnehmen sollte, so ist das ja kein Grund, die andere Meinung, die augenblicks jedenfalls noch Mehrheitsmeinung ist, zu diffamieren. Es ist ja interessant, daß hier fast alle Stellungnahmen die „europäische Lösung“ einfordern, also das, was die Bundesregierung und Herr Seehofer seit Jahren anstreben. Dabei müßten sie uns ja Lösungen anzubieten versuchen ausserhalb der „europäischen“, denn diese gibt es ja eben nicht. Wer eine Lösung fordert, die auch nach seiner Einsicht unmöglich ist, ist nicht sehr aufrichtig. Eine Formulierung, wie Herr Wolff sie neulich nutzte, „man muß nur wollen“, ist auch nicht sonderlich hilfreich.
3. Die den Amerikanern in DEU zur Verfügung gestellten Basen sind ein sicherheitspolitisches Erfordernis der Bundesrepublik Deutschland und dienen unserer eigenen Sicherheit. Wer aufgrund ideologischer Bedenken à la Lerchner nicht bereit ist, selbst für seine Sicherheit zu sorgen, sollte täglich dankbar auf die Kniee gehen, daß andere seine Sicherheit schützen. Die Rede von der Leyens zum Status Europas vor einigen Tagen zeigte die ganze Unfähigkeit hierzu der EU: Kein Wort zur Sicherheit Europas, zur Fähigkeit des Interessenschutzes, zur Projektion seiner eigenen Werte und Ideale; stattdessen wolkige Versprechungen und Anregungen und großartige Drohungen, die sich machtpolitisch auf nichts und wertepolitisch immer auf eine einige und wertebasierte EU stützen und nicht auf das augenblickliche Gebilde, in dem Zustimmung nur noch erkauft werden kann.
Es war neulich von Bunkermentalität die Rede. Man erkennt sie an ideologischer Enge, lobhudlerischer Meinungslosigkeit und argumentativer Verschleierung.
Andreas Schwerdtfeger
Lieber Herr Lerchner – unlängst wurden mir von Insidern genau die Realitäten diese Ihrer Kommentierung zur Kenntnis gebracht. Es ist nicht ja nur das Problem des mangelnden Durchblicks eines Militär a.D., sondern es offenbart auch noch eine ganz andere Problematik: Die Militärausgaben DEU 2019 lt. Statistik = 49, 3Milliarden US-Dollar.
Nicht nur ich frage mich zunehmend, wie man seitens der Politik dann das Thema Flüchtlinge/Humanitär Hilfen/Aufnahmebereitschaft etc.pp. argumentativ so behandelt, wie man es realiter nach wie vor für ausreichend erachtet, um nicht zu sagen lächerlich macht. nicht nur in diesem Blog!
Es ist nicht hinnehmbar – die Situation auch für Gesamteuropa ist katastrophal.
Ich grüße Sie – Jo.Flade
Nur damit es nicht aus dem Blickfeld gerät: Mehr als drei Fünftel aller Flüchtlinge, die im vergangenen Jahr in Griechenland registriert wurden, stammen aus vier Ländern, in denen die Bundeswehr operiert (Afghanistan, Irak, Syrien) oder die Vereinigten Staaten Drohnenangriffe durchführen (Pakistan) (https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8382/). Wie in einer unlängst veröffentlichten Studie des Watson Institute for International and Public Affairs („Cost of War Project”, https://watson.brown.edu/costsofwar/) an der Brown University, Providence, RI, festgestellt wurde, sind im Zusammenhang mit den seit 9/11 von den USA geführten Kriegen mehr als 37 Millionen Menschen in die Flucht getrieben worden. Deutschland ist involviert als Kriegsteilnehmer (Afghanistan, Syrien, Irak), durch Stellen von Personal in NATO-Stäben und als Standort für US-Basen, die für den Transport von Truppen und Materialien oder für die Durchführung von Drohnenoperationen (Basis Ramstein) genutzt werden. Von einem überwiegend afrikanischen Problem zu reden (A. Schwerdtfeger, 12.09.2020, 09:39), zeugt von keinem großen Durchblick.
DANKE auch Ihnen, lieber Michael Käfer – so ist es wie Sie schreiben.
Und weiter so wie bisher, lieber Christian!! DANKE !
Herzliche Grüße – Jo
Für mich persönlich war und ist „Gutmensch“ eine durchaus positive Zuschreibung.
Im Zuge der aktuellen Diskussion in diesem Blog habe ich aber vorsichtshalber bei Wikipedia nachgelesen; danach ergibt sich für mich kein eindeutiges Bild, wohl aber eine Tendenz zur Verwendung des Begriffs vorwiegend in konservativen und rechten Kreisen zur Diffamierung von Menschen mit anderen Ansichten oder Einstellungen.
Ich verwende den Begriff zunächst also nicht weiter, will aber klarstellen:
Christian Wolff ist für mich ohne jeden Zweifel äußerst respektabel, inspirierend, mitreißend, engagiert, empathisch, tolerant, offen ……
Er hat mich in der persönlichen Begegnung, in Gesprächen, Gottesdiensten und mit seinem Blog in den letzten bald zwei Jahren positiv bewegt, sowohl der Kirche als auch gesellschaftlichem Engagement näher gebracht.
Zur gleichen Zeit bin ich auf Menschen getroffen, deren bloße namentliche Erwähnung meinen Adrenalinspiegel mitunter haben steigen lassen, einige meiner schlechteren Eigenschaften wie Wutausbrüche, Beleidigungen oder Verwünschungen hervorgerufen haben, die ich anschließend nur mühsam kontrolliert einfangen und runterfahren konnte.
Ich wünsche mir, dass Christian genauso wie bisher weitermacht, mit diesem bewundernswerten Langmut gegenüber anderen Meinungen, Angriffen, Diffamierungen.
Danke Christian!
Ja, Herr Käfer- das wünsche ich mir genauso wie Sie-nämlich:dass Christian genauso unermüdlich weitermacht und sich nicht beirren lässt. Und das wünsche ich mir, obwohl ich wahrhaftig nicht immer mit Christian einer Meinung bin.
Und noch etwas scheint mir noch nicht ausreichend ins Bewusstsein gelangt zu sein: Wir lassen nicht nur die Flüchtlinge allein. Zuvörderst ist es auch eine Schande, was die Griechen aushalten müssen auf ihren Inseln. Europa ist nicht in der Lage dort gezielt zu helfen. Und: mit Zahlungen sich aus der Sache rauszulavieren- das zählt doch überhaupt nicht. Hier muss aktiv und koordiniert von allen Eu- Ländern nach Lösungen gesucht und geholfen werden.
Und weiterhin empört mich, wie wir Griechenland auch in Punkto Erdogan, der gezielt Griechenland wegen des augenscheinlich im dortigen Tiel des Mittelmeeres vorhandenen Erdöls provoziert, allein lassen.
Ich will meinem Unmut über die EU nicht mir Öl im Feuer zum Großbrand werden lassen. Daher sage ich sehr gemäßigt: es ist eine Schande , was uns als Europa verkauft wird.
Sie sehen, Herr Käfer, Herr Wolff will einfach nicht! Na, dann machen wir eben im bisherigen Stil weiter.
Andreas Schwerdtfeger
Moria ist nicht nur die Schande Europas – wie Sie, Herr Pfarrer, titelten. Auch die Türkei spielt in dem zynischen Spiel mit den Flüchtlingen mit. Präsident Erdogan schickt sofort tausende Flüchtlinge aus seinen Camps nach Griechenland, sobald von da welche nach Mitteleuropa gelassen werden. Wegen des eskalierten Konflikts bezüglich der Seegrenze zwischen der Türkei und Griechenland ist auch hier gegenwärtig keine gütliche Einigung zu erwarten.Sicher, die Türkei leistet Großartiges bei der Aufnahme von Millionen syrischer Flüchtlinge, doch sind sie auch stets Gegenstand der zynischen Machtpolitik Erdogans, der erst kürzliche die ursprünglich christliche Hagia Sophia vom Museum zur islamischen Moschee veranlasste, was wiederum Griechenland zu energischen Protesten trieb. Niemals darf die Türkei EU-Mitglied werden!
„Ich formuliere meine Meinung völlig sachlich und emotionslos. Sie mögen mir das vorwerfen, aber ich halte nicht allzu viel von Emotionen in der Politik. Das alles ist diskutierbar – aber natürlich nicht, wenn man, siehe oben, glaubt, daß heiliger Zorn und strammes Vokabular ALLEINE die besseren Argumente sind.“
Zitat: Schwerdtfeger (s.u.).
Dass Sie, Herr Schwerdtfeger, „völlig sachlich und emotionslos“, ohne „heiligen Zorn“ und ohne „strammes Vokabular“ auf all das Geschriebene im Blog so reagieren, wie Sie es postulieren, ist – entschuldigen Sie bitte – fast bitterböse Satire. Liest man über Jahre nach, wühlen Sie mit allergrößter Lust im „Geschenk“-Kasten der Verächtlichmachung den anderen gegenüber. Alle Kommentare bzw. Reaktionen darauf (s. Wolff, Lerchner, Käfer) bezeugen dies ausreichend!
Und was die in jeder Art und Weise menschenverachtende Realität im Umgang mit MENSCHEN betrifft, woher sie kommen und warum sie auch immer Schutz und Schirm suchen in einer westlich geprägten, übersatten Konsumgesellschaft, wäre ich an Ihrer Stelle im Ton nun wirklich etwas sensibler, es tät auch der Pflege Ihrer eigenen intellektuellen Hygiene ganz sicher gut.
Lesen Sie doch nur einmal sehr bewusst die UN-Menschenrechtscharta, unabhängig vom Grundgesetz unserer Demokratie, das auch Ihnen gewiss geläufig sein dürfte.
Auch im Falle Lesbos/Moria sind Taten gefordert, keine Dauereloquenz, wie von Ihnen fleißíg betrieben.
Eine Initiative, wozu auch ich meinen Beitrag mit vielen Aufmerksamen leiste, hat durch eingegangene und nicht unbeträchtliche Spendenmittel dringend Lebensmittel, Decken, Medikamente per Schiff nach Moria gebracht; diese Seenotrettungsinitiative hilft LEBEN RETTEN, nachzulesen bei „Mission-Liveline“:
(https://mission-lifeline.de/spenden/?)
Rhetorische Dauerwellen helfen Lebenshilfe suchende Menschen überhaupt nicht – Taten sind gefragt, Herr Schwerdtfeger.
Nehmen Sie bitte ernsthaft zur Kenntnis: diesmal ich bin sehr wütend über Ihre Kommentare zum Blogbeitrag von Chr. Wolff – damit agieren Sie wie gehabt lediglich und noch dazu unbarmherzig theoretisch und entziehen sich vor allem dem wichtigsten Gebot, welches Sie ja – wie ebenfalls ständig nachzulesen – permanent für sich reklamieren: Achtung der Menschenwürde.
Tun Sie es endlich!
Man lese nur diesen belehrerischen Kommentar eines Hilflosen ohne jedes sachliche Argument und ohne Widerlegung auch nur eine einzigen meiner Thesen – er hat sie wie immer nicht verstanden! Der heilige Zorn dessen spricht aus ihm, der sich gerade bei Herrn Wolff unbeliebt macht – denn „Hilfe vor Ort“, wie er sie mit Decken und Lebensmitteln mit-organisiert, ist „gönnerhaft“, wie uns Herr Wolff gkeich eingangs erklärt hat.
Andreas Schwerdtfeger
Lieber Herr Käfer,
ich betrachte den Begriff „Gutmensch“ nicht als Schimpfwort sondern als die kürzestmögliche und präziseste Beschreibung für das, was diese Leute darstellen: hohe moralische Position, alles schon immer gewußt haben, schnelle und allerdings populistische Vorschläge zur Lösung des Problems, die allerdings in Wirklichkeit dasselbe verschleppen, Beschimpfung derjenigen, die das Problem in der Praxis lösen müssen und dabei auf die Realitäten dieser Welt stossen.
Fast alles, was Sie schreiben – und dafür danke ich Ihnen – ist zwischen uns in seiner Aussage konsensfähig (einschließlich und ganz besonders Ihr Hinweis am Schluß, daß Frau von Storch und Co weder hier noch bei anderen Problemen eine Lösung anbieten). Das Problem liegt nicht in den Aussagen; es liegt vielmehr im Weg zur Umsetzung dieser Aussagen. Beispiel:
„Schnelle und effiziente Identifizierung von Flüchtlingen“ – es erscheint mir einfach (ganz vorsichtig gesprochen) unfair, Seehofer zu unterstellen, daß er das nicht auch wollte. Ich habe versucht, die Probleme dabei anzureissen. Beispiel:
„Ernsthafte Anstrengungen für vertragliche Regelungen mit Herkunftsstaaten“ – warum wird Seehofer unterstellt (und wie wird es bewiesen), daß er das nicht „ernsthaft“ tut. Die Sturheit einiger Länder in diesen Fragen scheinen mir jedenfalls eher ernsthaften Anstrengungen zu widerstehen. Beispiel:
“Schaffung von Niederlassungs- und Beschäftigungsperspektiven für Flüchtlinge in der EU“ – „in der EU“ wie Sie so richtig schreiben und genau darum bemüht sich ja wohl Seehofer, aber „die EU“ spielt nicht mit.
Der Streit um die Entwicklungsfähigkeit der EU ist müßig, Koalitionen der Willigen sind denkbar, aber auch diese sind ja – man sieht es am Fall Lesbos – nur durch den Druck der Verweigerung von Alleingängen und nur symbolisch herstellbar. Und das Problem der „einmaligen“ Lösung einer humanitären Katastrophe ist eben, daß wir alle wissen, dass es „Einmaligkeit“ bei solchen Katastrophen eben nicht gibt.
Zusammenfassend: Was Sie schreiben ist richtig, aber leider, wie es scheint, unrealistisch. Und dann sind wir wieder bei o.a. Definition des Gutmenschentums. Ich glaube ja, es würde der Diskussion schon sehr helfen, wenn Herr Wolff (und wir alle) unsere Gedanken und Argumente vortragen würden, ohne sie zu personalisieren. Ich jedenfalls mag Angriffe nicht auf Leute, denen man hochnäsig den guten Willen ohne jeden Beweis abspricht und dabei selbst so tut, als hätte man die Lösung. Auch ich, wohlgemerkt, habe sie nicht (auch nur kleines Licht!), nur sind meine Ansätze eben anders als Ihre – und wenn das anerkannt würde und man sich um diese Ansätze stritte anstatt um die Person (unsere als Beitragende ebenso wie die der handelnden Politiker), dann wäre alles vielleicht entspannter. Ich „tausche“ gerne meine Anmerkungen zu Göhring-E gegen Anmerkungen zu Seehofer (oder werde mir mindestens Mühe geben) und ich habe hier immer wieder angeboten, auf Bemerkungen dieser Art dann zu verzichten, wenn dies reziprok ist. Sie kommen dem nahe, glaube ich, andere können nichts anderes, offensichtlich.
Ich grüße Sie,
Andreas Schwerdtfeger
1. „Gutmensch“ und „Gutmenschentum“ sind Kampfbegriffe aus dem Arsenal des Nationalsozialismus. Sie dienen der Umwertung der Werte. Wer diese Begriffe benutzt, muss wissen, worauf er zurückgreift.
2. Es geht nicht um „Personalisierung“, sondern um Verantwortung. Seehofer trägt als Innenminister ein hohes Maß an politischer Verantwortung für die Zustände in Lesbos. An seiner Politik Kritik zu üben, hat nichts mit „Personalisierung“ oder persönlicher Verunglimpfung etc. zu tun, sondern ist der Sache angemessen.
3. Angesichts der tatsächlichen Verhältnisse auf Lesbos (keine Toiletten, kein Wasser für Tausende Menschen – man erinnere sich nur kurz an den Golfkrieg vor fast 30 Jahren: da war es logistisch kein Problem, innerhalb weniger Tage für 500.000 Soldaten in der Wüste eine Infrastruktur aufzubauen) trägt dieser Beitrag schon grotestke Züge.
Christian Wolff
Schlimm, lieber Herr Wolff, wenn ein Pfarrer (i.R.) der ev. Kirche einer solchen Verschwörungstheorie aufsitzt wie Ihr Punkt 2. wer weiß, ob jetzt der Begriff „Verschwörungstheorie“ von Ihnen auch schnell zum Kampfbegriff erklärt wird. Wie gesagt: Wem die sachlichen Argumente ausgehen, der erfindet welche oder argumentiert persönlich.
Andreas Schwerdtfeger
???
“ „Gutmensch“ und „Gutmenschentum“ sind Kampfbegriffe aus dem Arsenal des Nationalsozialismus. “
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Die „Sprachkritische Aktion Unwort des Jahres“ kürt jedes Jahr das Unwort des Jahres. Die Jury besteht seit 2011 aus fünf ständigen Mitgliedern, davon vier Sprachwissenschaftler und ein Journalist, sowie einem in jährlichem Wechsel kooptierten Mitglied. Für mich sind das kompetente Personen.Sie sagen:
„Der Ausdruck wird zwar schon seit 20 Jahren in der hier gerügten Weise benutzt.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Gutmensch#Weitere_Verwendungen
Der Ausdruck „Gutmensch“ ist also viel neueren Datums als der Nationalsozialismus.
@A.Schwerdtfeger
Sie sehen „keine sachlichen Argumente / nur persönliche Beleidigung“.
„Gutmensch“ ist für Sie eher ein Schimpfwort. Gerne wäre ich der „Gutmensch“, als den Sie mich offenbar sehen (bzw. karikieren wollen), leider werde ich dem im Alltag aber viel zu selten gerecht.
Die beschämenden und katastrophalen Zustände auf Lesbos erfordern dringend schnelles Handeln und zwar explizit auch dann, wenn die Brandstiftung durch eingepferchte Lagerinsassen selbst herbeigeführt wurde!
Offenbar gibt es in Europa Länder, in Deutschland etliche Kommunen, die Aufnahmekapazitäten haben, diese (freiwillig) zur Verfügung stellen wollen, derzeit aber mit dem Hinweis auf das Primat einer „europäischen Lösung“ ausgebremst werden. Gleichzeitig argumentieren Sie, dass Europa derzeit zu keiner Entscheidung fähig ist – soll die Katastrophe also ad Infinitum eskalieren?
Zur Zementierung des Status Quo liefern Sie auch noch gleich eine (Mini-) Dolchstoß-Legende, wenn H. Röttgen und andere unserem Innenminister widersprechen.
Es ist zwar durchaus umstritten, ob eine kurzfristige Verteilung der Verzweifelten von Lesbos eine „Pull-Wirkung“ nach sich zieht. Dies aber als entscheidendes Argument zum Nicht-Handeln zu machen, würde ich als unmenschlich, ja perfide empfinden.
Nun bin ich ein viel zu kleines Licht, um eine Lösung für die weltweiten, wachsenden Flüchtlingsströme (Klimawandel, Kriege, Vermögensverteilung…) entwickeln zu können.
Nach meinem Verständnis sind wir alle (gleichberechtigte) Bewohner EINER Erde, die (noch) genügend Ressourcen zur Versorgung Aller hat. Und wir haben uns auf eine für alle verbindliche Menschenrechts-Charta geeinigt – aber Einige sind halt gleicher als Andere…. Das ist für mich die Hauptursache für Migration (und nicht Faulheit, Abenteurertum, kriminelle Energie…).
Ich stimme Ihnen zu, dass es derzeit „Träumerei“ wäre, Chancengleichheit für alle und überall zu fordern. Also müssen wir uns auf das Entstehen von Flüchtlingsströmen einstellen und diese sinnvoll und menschengerecht lenken lernen. Wir leben im 21. Jahrhundert mit all seinen technischen, wirtschaftlichen und sozialen Möglichkeiten. Es sollte lösbar sein, Menschen in vertretbarer Zeit eindeutig zu identifizieren und, je nach individuellem Migrationsgrund, zu allokieren. Dies ist sicher ein sehr langer und steiniger Weg (ich sprach bereits davon); aber was ist z.B. aus den vor ca. 2 Jahren groß angekündigten Anstrengungen unseres Innenministers geworden, vertragliche Regelungen mit Herkunftsländern zu schließen? Was ist aus der Diskussion um Deutschland als Einwanderungsland geworden? Wer erzählt die „Erfolgsstory“, die Deutschland mit „Gastarbeitern“ und EU-Erweiterung gemacht hat (positive Beiträge zum Sozialbudget, Steigerung des BIP)?
Haben wir nicht einmal davon geschwärmt, dass in den USA Weltfirmen in Garagen entstanden, während wir mit Paragraphen und Industrienormen Start-Ups das Leben schwer gemacht haben?
Tappen wir nicht gerade wieder in dieselbe Falle, wenn wir von der „nie dagewesenen Flutung“ unseres Landes reden, sollten wir jetzt Flüchtlinge aufnehmen?
Macht sich Deutschland (und andere Staaten) nicht gerade einen „schlanken Fuß“, weil das Dublin Abkommen primär Griechenland, Italien, Spanien in die Pflicht nimmt? Wo sind die Initiativen, hier zu neueren, zeitgerechteren Vereinbarungen zu kommen?
Und, last but not least, birgt Ihre gegenteilige Position zur Situation auf Lesbos nicht die Gefahr, als ultima ratio an der Grenze/an den Zäunen der Lager auf Flüchtlinge schießen zu müssen (Fr. von Storch lässt grüßen)?
Zusammengefasst:
Die 13.000 – 20.000 Flüchtlinge auf Lesbos jetzt schnellstens emigrieren.
Erstaufnahme kurz- bis mittelfristig nicht nur an den Aussengrenzen der EU.
Schnelle und effiziente Identifizierung von Flüchtlingen.
Ernsthafte Anstrengungen für vertragliche Regelungen mit Herkunftsstaaten.
Definition von Duldungs-, Bleibe- und Einbürgerungsvoraussetzungen für Flüchtlinge.
Schaffung von Niederlassungs- und Beschäftigungsperspektiven für Flüchtlinge in der EU.
@Michael Käfer, Sie schreiben „Es sollte lösbar sein, Menschen in vertretbarer Zeit eindeutig zu identifizieren und, je nach individuellem Migrationsgrund, zu allokieren.“
Bitte schauen Sie sich die Begriffserklärung an:
https://neueswort.de/allokieren/#wbounce-modal
Die Anwendung dieses Begriffs ist hier unpassend, wenn auch nicht so mißverständlich wie der Begriff der Selektion in einem umstrittenen Kommentar von Silke Hasselmann vom Deutschlandfunk wo dieser Begriff in einer Anmerkung ausgetauscht wurde.
https://www.deutschlandfunk.de/aufnahme-von-moria-fluechtlingen-brandstifter-gehoeren.720.de.html?dram:article_id=484004
Danke, Herr Plätzsch. Ich bin in der Tat mit dem Begriff Allokation nachlässig umgegangen. Für mich war das (volkswirtschaftlich) die (möglichst optimale) Aufteilung der Produktionsfaktoren Boden, Arbeit und Kapital.
Ich hätte besser von Zuweisung oder Ansiedlung von Flüchtlingen in, ihrer jeweiligen Fluchtursache angepassten, geeigneten Regionen sprechen sollen.
Auch ich finde die Bilder von Moria bestürzend . Es ist entsetzlich, dass Menschen so eingepfercht und unter solchen Bedingungen hausen müssen.Und wahrscheinlich ist nach dem jahrelangen Tauziehen das Anzünden des Lagers ein riesiger, nur zu berechtigter Hilfeschrei.
Allerdings- ich kann Saskia Esken und ihre Gefolgschaft in meiner Partei nicht verstehen. Wir tun uns- das zeigt sich immer mehr- mit den Nachwehen von 2015 bis heute vielfach immer noch schwer.
Nun wurde eingewilligt einige Hundert der großen Risikogruppe- nämlich unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge aufzunehmen. Ich finde,wer so etwas fordert, sollte sich in jeder Hinsicht der riesigen Verantwortung bewußt sein. Diese Verantwortung gilt nicht nur gegenüber den Jugendlichen. Wir haben auch eine Verantwortung den hier lebenden Menschen gegenüber, dass wir sie nicht überfordern, gar ängstigen, dass sich die Gutwilligkeit der deutschen Bevölkerung nicht ins Gegenteil verkehrt. ( Was ja leider immer mehr geschieht!)
Was für mich eine schlimme Erkenntnis ist- doch sie gilt in gewisser Hinsicht: AUCH WIR CHRISTEN MÜSSEN LERNEN BIS ZU EINEM GEWISSEN GRAD FREMDES UNGLÜCK ZU ERTRAGEN: ( Das darf- gerade im Fall Moria- nicht daran hindern viele Anstrengungen zu unternehmen, dass sich die Situation DORT bessert.)
Liebe Adelheid, was Du zum Schluss schreibst gilt ja grundsätzlich und ereignet sich schon in der Nachbarschaft. Also ist der Maßstab: Für welche Entwicklung trage ich eine unmittelbare Verantwortung. Für die Zustände in Moria ist die EU unmittelbar verantwortlich – und dabei geht es nicht in erster Linie um die Aufnahem von Migranten bei uns, sondern zunächst um eine menschenwürdige Aufnahme und Behandlung der Flüchtlinge vor Ort. Das ist bewusst und gezielt von Griechenland und der EU nicht gewollt worden. Beste Grüße Christian
Wir sind alle gleichwertige Menschen mit dem Recht auf gleiche Bildungs-, Entwicklungs- und Lebenschancen! Migration entsteht vor allem, wenn diese Rechte vorenthalten werden.
Man kann diese Sätze als „heiligen Zorn und strammes Vokabular“ abtun, vor allem dann, wenn man seine eigenen Aussagen als völlig sachlich und emotionslos begreift.
Man kann aber auch fragen, was sind Ursachen für z.T. extreme Ungleichheiten bei der Chancenverteilung; und Konzepte entwickeln, diese Chancenunterschiede sukzessive zu verkleinern. Ja, das wird dann vermutlich ein steiniger und vor allem langwieriger Weg, den zu gehen insbesondere der „europäischen Urbevölkerung“ (muss in Zukunft eigentlich wieder ein „Europäer-Nachweis“ vorgelegt werden , um bestimmte Leistungen/Privilegien in Anspruch zu nehmen) einiges abverlangen wird.
Zu den Thesen:
• Fällt man einem Minister in den Rücken, wenn man für 13.000 Menschen in akuter höchster Not schnelle Lösungen erreichen will?
• Wer entscheidet, welche mögliche Handlungsalternative vermutlich die wenigsten Opfer kostet?
• Hätte Kanzler Schmidt auch angesichts von 13.000 Geiseln ebenso entschieden, wie er es im Falle Schleyer getan hat?
• Ich kann zwar die Argumentation verstehen, dass „jedes Lager… sich sofort wieder füllen wird, wenn man die jetzigen … Flüchtlinge aufnimmt“, sehe es aber nicht als unumstößliches Naturgesetz.
• Ist es wirklich ein „systemisches und strukturelles Problem der EU, dass sie nicht mehr gemeinsam entscheiden kann“? Dringenden Reform-/Weiterentwicklungsbedarf sehe ich allerdings auch.
• Wird durch schnelles und entschiedenes Handeln jetzt angesichts der aktuellen chaotischen Situation auf Lesbos wirklich nur „wissentlich und willentlich… ein großes internationales Problem ständig verlängert, die Lösung verschleppt, endlose Mittel verbrannt“? Ich weiss, wer hierbei an Menschenrechte, Nächstenliebe oder moralische Verpflichtung denkt, lebt in einer Traumwelt und befindet sich im heiligen Kreis der Aufreger .
Vielen Dank, lieber Michael. Ansonsten kann ich nur auf „Prantls Blick“ verweisen. Christian Wolff
Heribert Prantl verweist u. a. auf die alttestamentliche Erwähnung des Orts bzw. Bergs Morija, des heutigen Tempelbergs in Jerusalem. .- https://www.sueddeutsche.de/politik/fluechtlinge-moria-bibel-1.5030372
Siehe auch https://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/morija/ch/5037f19417e90216663304234c70b581/
Sie irren, Herr Käfer: Wer hierbei „an Menschenrechte, Nächstenliebe oder moralische Verpflichtung denkt“, ist ehrenwert – nur hat er keine Lösung!. Wer wie Sie jetzt auch wieder, keine wirklichen politischen Alternativen anbieten kann, meine Thesen teilweise mit Gegenfragen, teilweise mit Zustimmung beantwortet, aber eben nichts anbietet zur nachhaltigen und einigermaßen endgültigen Lösung des Problems sondern glaubt, daß moralische Verpflichtung sich schon selbst den Weg bahnen wird, der“ lebt in einer Traumwelt und befindet sich im heiligen Kreis der Aufreger“. Sobald Sie mir sagen, welche konkreten Lösungen Sie anbieten, sprechen wir wieder, denn es hat ja keinen Sinn – auch wenn Sie sich den Dank Herrn Wolffs verdienen – daß man glaubt vom hohen moralischen Roß herab diejenigen zu beschimpfen, die sich um Lösung bemühen (Seehofer), sie dabei aber in der politischen Praxis alleine zu lassen. Das genau eben ist das Charakterisierende an Gutmenschen – moralische Überheblichkeit, praxisferne meist beleidigende Kritik aus populistischen Gründen, keinerlei Beitrag zur wirklichen Lösung des Problems.
Ich grüße Sie,
Amdreas Schwerdtfeger
Solange Sie weiter das Unwort „Gutmensch“ benutzen, erübrigt sich eigentlich jede Auseinandersetzung. Christian Wolff
Ja, Herr Wolff, mir passen, wie Sie wissen, auch viele Ihrer Vokabeln nicht. Dies als Ausrede zu benutzen, um eine Diskussion „eigentlich“ zu verweigern, betont ja „eigentlich“ nur das Fehlen von Argumenten.
Andreas Schwerdtfeger
Die SPD muss der Betriebsrat der Nation nicht der Weltflüchtlingsrat sein! Konservative und linke Träumereien und pseudointelletuelle Betroffenheitsdemos und Demokratiedebatten bekämpfen weder Altersarmut noch Strassengewalt und sind nur peinlich, frech und abgehoben! Wer nur mit dem Herzen denken will, denkt meist nur eingeschränkt und vergisst die Interessen der europäischen Urbevölkerung, was gerade bei Sozen nicht vorkommen darf! Mir wären 20 000 Flüchtlinge mehr oder weniger egal, ich befürchte aber eine nie dagewesene Flutung, sollte man aufnehmen!
1. Die SPD gehört nach wie vor zur sozialistischen Internationalen – Gott sei Dank. Sie weiß auch, dass Menschenrechte unteilbar sind.
2. Wer sich für Geflüchtete einsetzt und eine menschenwürdige Aufnahme bzw. Unterbringung von Migranten fordert undoder politisch umsetzen will, ist weder „frech noch abgehoben“, sondern er folgt damit den Grundprinzipien der Sozialdemokratie und den Grundwerten unserer Verfassung.
3. Wer „mit dem Herzen denkt“, denkt sehr viel weiter als viele anderen. Er verbindet Vernunft mit Nächstenliebe und Solidarität und gelangt so zur Verantwortung.
4. Wer oder was ist bitte die „europäische Urbevölkerung“? Solche Begriffe zeigen nur an, dass sich da jemand im Nirwana verquerer Vorstellungen vergallopiert.
5. Mit sind 20.000 Flüchtlinge nicht „egal“. Es handelt sich um 20.000 Menschen, die das gleiche Lebensrecht haben wie Sie und ich.
Es wäre hilfreich, wenn Sie Ihre Sprache kritisch überprüfen. Christian Wolff
Antwort, wer hindert den pensionsberechtigten Pastor, daran, sein Vermägen und Altersruhegeld an ärmere Menwchen in Afrika zu verschenken, da würden Sie wenigstens keine Moralverträge zu Lasten Dritter abschließen und würden Ihre Moral leben!? Die Dänen haben nicht nur das bessere Rentensystem und die wohl bessere Verwaltung, sie scheinen auch die realistischeren und bürgernäheren Sozen zu haben!m
Verstockt, Lüge, Bunkermentalität, Pharisäer – man könnte die Liste fortsetzen. Was kennzeichnet sie? Daß sie kein einziges sachliches Argument sondern nur Aufregung und Hysterie enthält. Das also ist der demokratische Diskurs.
Ich warte auf die Argumente und bedanke mich auch bei Herrn Lerchner, daß er mich nochmal aus dem Jahre 2018 zitiert hat, als ich das Problem, das sich jetzt mal wieder stellt, vom Verstand her beschrieben habe. Also: Ich würde mich freuen, wenn es – ohne die ewigen persönlichen Angriffe oder zumindestens zusätzlich zu ihnen – Antworten oder Gegenargumente zu meinen Thesen gäbe, die ich dann auch gerne akzeptieren werde. Und meine Thesen sind:
1. Wer eine „europäische Lösung“ dieses Problems will, der darf dem sich um genau diese bemühenden Minister nicht durch Vorschläge von Alleingängen in den Rücken fallen und damit seine Verhandlungsposition schwächen.
2. Politik ist leider häufig nicht die Entscheidung zwischen einem guten und einem bösen Weg sondern die zwischen zwei Übeln (siehe mein Zitat). Der Politiker sollte sich dann entscheiden für die Lösung, die am schnellsten wirkt und am wenigsten Opfer kostet, auch wenn sie Opfer kostet.
3. Wenn Brandstiftung oder andere Straftaten erfolgreich im Sinne des Brandstifters sind, dann wird sie zu einem Mittel der Politik. Ich halte das für einen Weg, den kein Politiker durch Nachgeben zulassen sollte. Kanzler Schmidt hat uns das hervorragend im Fall Mogadischu gezeigt.
4. Eine „einmalige“ Ausnahme von allen Regeln ist theoretisch möglich, wenn humanitäre Erwägungen überwiegen. Aber im Falle der Migration weiß ja jeder, daß eine solche Einmaligkeit nicht erreichbar ist. Jedes Lager, das die EU einrichtet zur Prüfung des Rechtsanspruches der Migranten nach internationalen und nationalen Konventionen, wird sich sofort wieder füllen, wenn man die jetzt dort befindlichen Flüchtlinge aufnimmt. Eine solche Aufnahme verschleppt und erneuert in perpetuum das Problem. Sie ist also keine Lösung. Insofern hat Kanzler Kurz leider Recht, wenn er sagt, daß nach einer Brandstiftung nur und gerade nur durch Hilfe vor Ort reagiert werden kann.
N.B.: Ich will nicht leugnen, daß die Prüfungsprozesse schneller gehen sollten und müßten. Aber die objektiven Probleme dabei sind erheblich: Keine Papiere, Feststellung der jeweils persönlichen Umstände (teilweise ohne Mitarbeit der Betroffenen), mangelnde Kooperation der Rückführungsstaaten, etc. Es ist also richtig, die illegale Migration zu erschweren.
5. Die EU ringt um gemeinsame Lösungen, die aber von zu vielen Staaten aus Eigennutz oder eben wegen einer anderen politischen Haltung zu diesem Problem blockiert werden. Sie hat sich bisher als handlungsunfähig erwiesen und dies wird leider noch anhalten. Es ist nämlich inzwischen ein systemisches und strukturelles Problem der EU, daß sie nicht mehr gemeinsam entscheiden kann, weil sie VOR der Aufnahme neuer Mitglieder (unter Kanzler Schröder, bezogen auf DEU und unter Kommissar Verheugen bezogen auf die EU) sich nicht auf neue Regeln geeinigt hat, was damals im kleineren Kreis noch möglich gewesen wäre. Das hat nichts damit zu tun, daß in mancher Hinsicht die Aufnahme vieler ehemaliger COMECON-Staaten ein Gewinn ist.
6. Was ist verantwortungsbewußter oder moralischer an einer Haltung, die wissentlich und willentlich ein großes internationales Problem (kein spezifisch deutsches) mit einer ganz entscheidenden humanitären Komponente (ich bestreite das nicht) ständig verlängert, die Lösung verschleppt, endlose Mittel verbrennt, die an anderer Stelle (BM Müller würde sich freuen) sinnvoller eingesetzt wären und so die Zahl der Opfer über die Zeit steigert? Die deutschen Botschaften in afrikanischen Ländern informieren laufend über legale und risikofreiere Migrationsmöglichkeiten.
Ich formuliere meine Meinung völlig sachlich und emotionslos. Sie mögen mir das vorwerfen, aber ich halte nicht allzu viel von Emotionen in der Politik. Das alles ist diskutierbar – aber natürlich nicht, wenn man, siehe oben, glaubt, daß heiliger Zorn und strammes Vokabular ALLEINE die besseren Argumente sind.
Ich wünsche Ihnen allen einen schönen Sonntag.
Andreas Schwerdtfeger
Hallo Herr Schwerdtfeger,
so gefällt mir die Debatte. Ich möchte zu Ihren Thesen gern folgendes sagen:
Die Thesen 2 und 6 sind für mich das Kernproblem und der Hauptgrund für meine Kritik an Ihnen. Es stimmt, dass es Situationen gibt, in denen sich Politik für das kleinere Übel entscheiden muss. Das von uns seinerzeit angesprochene Flugzeugabschuss-Dilemma (Darf ein gekapertes, vollbesetztes Passagierflugzeug abgeschossen werden, wenn es als Bombe gegen eine ausgebuchte Sportarena eingesetzt werden soll?) ist tatsächlich eine solche. Unlängst hatte wir es mit einer Utilitarismus-Diskussion im Zusammenhang mit zu erwartenden Corona-Opfern zu tun. Wieso aber sind Zustände wie im Lager Moria ein hinzunehmendes Übel, um größere Opfer zu vermeiden? Was sind denn die Opfer, vor denen uns Moria bewahrt? Welche Art Lösung wird verschleppt und wieso würde durch zu humaneres Verhaltes gegenüber Migranten jetzt die Zahl der Opfer auf längere Sicht zunehmen (These 6)? Das sollten Sie erläutern.
Ich stimme zu, dass das Migrationsproblem uns dauerhaft begleiten (These 4) und vor allem die Klimakrise den Migrationsdruck in den kommenden Jahrzehnten immens steigern wird. Insofern bringen Ausnahmen von den Regeln tatsächlich nicht viel. Es werden wohl eher die Regeln an die sich verändernden Randbedingungen angepasst werden müssen (z. B. weitere akzeptierte Asylgründe). Akut geht es aber darum, menschenwürdige Bedingungen für eine Prüfung von Asyl- und anderen Aufenthaltsansprüchen zu schaffen.
Sie sprechen in den Thesen 1 und 5 die Rolle der EU an. Die Zustände sind leider so wie in These 5 beschrieben. Über die Ursachen dafür und mögliche Reformwege gehen unsere Ansichten sicher auseinander. Wenn wir aber konstatieren (müssen), dass es mittelfristig keine europäische Migrationspolitik geben wird außer dem gemeinsamen Festungsbau, bleibt doch gar nichts anderes übrig, als auf nationale Alleingänge zu setzen. In These 1 suggerieren Sie, dass unser zuständiger Minister gerade in diesem Moment dabei ist, eine europäische Lösung zu verhandeln, und ausgerechnet da streuen die Kommunalpolitiker mit ihren Vorschläge Sand ins Getriebe. Ist das ehrlich?
Letzter Punkt: Die Entführung der „Landshut“ im Jahre 1977 mit der Brandstiftung in Moria auf eine Stufe zu stellen, ist grotesk (These 3)! Bei der Geiselnahme in Mogadischu wurde gezielt das Leben völlig Unbeteiligter ausgelöscht, um die Befreiung inhaftierter Terroristen zu erpressen. Moria wurde aus Hilfslosigkeit gegenüber staatlicher Ignoranz abgefackelt, die offensichtlich menschunwürdige Zustände tolerierte und das auch noch bewusst. In diesem Fall geht es m. E. eher in Richtung „zivilem Ungehorsam“ als das es etwas mit Terrorismus zu tun hat. Wenn Bundeskanzler Kurz meint, die Brandstiftung in Moria müsste Anlass für besonders hartes Vorgehen gegen Migranten sein, ist das infam.
Es wäre schön, wenn Sie nochmal etwas zu Ihren Thesen 2 und 6 sagen würden.
Mit freundlichen Grüßen,
Johannes Lerchner
Hallo Herr Schwerdtfeger,
das Ausmaß an Heuchelei und Zynismus in Ihrem Beitrag ist schon bemerkenswert. Da haben die Lagerinsassen von Moria also Feuer gelegt, um Griechenland und Europa zu erpressen, wohl wissend, dass die Gutmenschen vor allem in Deutschland auf der Seite der Kriminellen stehen werden.
Gestern konnte man in der FAZ ein Interview mit dem Journalisten und Autor Alexander Oetker („Und dann noch die Liebe“, Hoffmann und Campe, 2020) über die Zustände im Flüchtlingslager Moria lesen. Es sei seit Jahren die Hölle auf Erden gewesen. Offensichtlich hat die Regierung Kyriakos Mitsotakis die Zustände auf Lesbos eskalieren lassen. Letztendlich war es aber eine europäische Entscheidung: „Wir sperren sie weg, so dass es gar nicht die Möglichkeit gibt, wieder Hoffnung zu entwickeln. Das ist die Nachricht an alle anderen“ (Zitat aus Interview). In einer solchen ausweglosen Lage war der Entschluss, Moria zu vernichten, eine sehr naheliegende Lösung, so Alexander Oetker.
Die europäische Politik besteht also darin, einigen Tausend Menschen die Würde zu nehmen und, wenn man an die Bootsflüchtlinge denkt, deren Tod einzukalkulieren, um den Vielen Europa als Fluchtziel unattraktiv zu machen. Vor reichlich zwei Jahren (12.07.2018) haben Sie Ihre m. E. perverse Sicht auf das Problem schon klarer formuliert: „… doch ist (es) die Frage, ob eine Ausdehnung des Konflikts … durch human erscheinende Maßnahmen nicht insgesamt mehr Opfer fordert als eine inhumane Aktion …, die aber zur Eindämmung des Konflikts wirksam beiträgt“. Sie und einige andere stellen das als Dilemma dar. Das ist aber eine Lüge. Und es steckt viel Heuchelei dahinter. Sebastian Kurz, heute von DPA zitiert: „Was es nicht braucht, ist Symbolpolitik, sondern viel mehr braucht es echte, nachhaltige Unterstützung für die betroffenen Gebiete, eine wirtschaftliche Perspektive für den afrikanischen Kontinent und einen effektiven Schutz unserer Außengrenze.“ Sehr schön! Aber was ist seit 2015 diesbezüglich passiert außer der Ausweitung von Stacheldrahtzäunen? Können Sie das bitte mal erläutern? Dieser Herr gehört auch zu diesen scheinheiligen Pharisäern.
Beste Grüße,
Johannes Lerchner
PS: Wenn ich bestimmte, etwas diffuse Randbemerkungen ihrerseits als Einlassung zu einigen meiner Thesen in vergangenen Blog-Beiträgen ansehen würde, hätte ich Grund enttäuscht zu sein, wäre mir nicht zunehmend klar, dass eine sachliche Debatte entgegen allem scheinheiligen Getue doch nicht Ihr Ding ist, aus welchen Gründen auch immer.
Vielen Dank, lieber Herr Lerchner! Ihr Christian Wolff
Moria steht (hoffentlich später einmal) für das Ende unserer Lebenslüge des wertebasierten, überlegenen, demokratischen Europas, das gegenwärtig eher als arrogant, selbstgefällig und realitätsblind charakterisiert werden muss.
Wir sind alle als gleichwertige Menschen EINES Planeten geboren, die gleiche Bildungs-, Entwicklungs- und Lebenschancen haben sollten. Werden diese vorenthalten (oder als nicht gegeben empfunden), entstehen Migrationswünsche und letztlich –ströme.
Diese einzudämmen kann man mit Bunkermentalität versuchen, was aber auf der Zeitachse zu immer höherem Druck bis hin zur „Explosion“ führt. Zielführender erscheint die viel zitierte Ursachenbekämpfung, so sie denn ernsthaft und nachhaltig geschieht.
Kurzfristig brauchen wir aber, genauer die elendig Leidenden in Moria, Lösungen! Soweit ich das überblicken kann, gibt es – in einer Koalition der Willigen – genügend Hilfs- bzw. Aufnahmeangebote von Kommunen und Staaten. Verhindert werden sie (noch) von engstirnigen Politikern und Bürgern, die das Wort „Gutmenschen“ zynisch und diffamierend benutzen und Ängste vor „Überfremdung“ oder „Kontrollverlust“ schüren.
Vor einigen Jahren wurden angesichts der geplanten EU-Osterweiterung Masseneinwanderung in unsere Sozialsysteme, Arbeitsplatzkonkurrenz und steigende Kriminalitätsraten prophezeit…
Die Realität, ein geeintes Europa mit den baltischen Staaten, Polen, Rumänien, Bulgarien usw. ist – bei allen sicher auch existierenden Problemen im Tagesgeschäft – dagegen bereichernd, friedlich und nützlich!
Leben Sie weiter in Ihrer Traumwelt, lieber Herr Wolff. Sie lösen damit kein Problem, aber Sie sind ein guter Mensch und befinden sich im heiligen Kreis der Aufreger. Wie auch Ihre eigenen Bischöfe schreiben, ist „umgehend eine europäische Lösung“ zu suchen und genau das haben Seehofer und die gesamte Regierung seit Jahren versucht und sich dafür eingesetzt. Jeder, der den deutschen Alleingang fordert – unsere Kommunen, alle die eine „deutsche Verantwortung sehen“, BM Müller, etc – torpediert diese Bemühungen und ermuntert die Flüchtlinge zu weiteren Brandstiftungen. Und jeder, der die „europäische Lösung“ fordert, muß diese angesichts der vielen störrischen Partner schon näher definieren. Also: Alleingang oder Europa – das ist hier die Frage!
Daß es ein schreckliches Dilemma ist, bestreite ich nicht. Daß auch Sie Kompromisse für „ermüdend“ halten, zeigt, wie Recht Herr Plätzsch hat, wenn er uns als im postdemokratischen Zeitalter befindlich beschreibt. Wer Kompromisse ablehnt, ist kein Demokrat.
Andreas Schwerdtfeger
Wie kann man nur so verstockt sein: ein menschenwüriges Flüchtlings- oder Aufnahmelager ist ein Kompromiss. Nichts anderes. Ein Kompromiss zwischen dem Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe eines jeden Menschen an Arbeit, Einkommen, Bildung, Wohnung und der Tatsache, dass dieser Anspruch nur ansatzweise eingelöst werden kann. Es geht auch nicht um „Alleingang oder Europa“, sondern ausschließlich darum, ob in der Politik noch Kriterien wie Verantwortung und Moral eine Rolle spielen oder nicht. Irgendwann werden auch Sie das begreifen – spätestens dann, wenn Sie einmal, was ich Ihnen wirklich nicht wünsche, Opfer von Verantwortungslosigkeit und unmoralischem Handeln werden sollten! In diesem Sinne wünsche ich besinnliches Wochenende Ihr Christian Wolff
Es handelt sich hier ohne Zweifel um ein schreckliches Dilemma zwischen kurzfristiger Menschlichkeit einerseits und verstandesmäßiger Lösung eines Problems, das genau durch diese vermeintliche Menschlichkeit nur verlängert, verschleppt und immer komplizierter wird. Es ist eben so, daß gutmenschliche Ansätze immer verschlimmernd wirken.
Ihre Aufregung, lieber Herr Wolff, ist ebenso verständlich wie unsachlich. Schwerer schon fällt es zu verstehen, wie Sie mit Ihrem üblichen Vorurteil auf Herrn Seehofer einschlagen (um dann den etwas unbedarften Herrn Müller als Kontrapunkt loben), denn Seehofer war nun wirklich nicht zynisch sondern vielmehr darum bemüht, neben Herz auch Verstand zu zeigen und die objektiven Schwierigkeiten des ganzen schrecklichen Problems aufzuzeigen.
Hier einige Fakten:
1. Es ist richtig, daß die Zustände in Moria menschenunwürdig waren und sind – auf diese Tatsache bezogen stimmt Ihre Überschrift, auf alles andere jedoch nicht und dies schließt Ihre infame Unterstellung ein, daß die Zustände dort „bewußt herbeigeführt“ wurden.
2. Es ist (leider) nicht müßig, sich um die Ursache der Brände in Moria zu streiten: Sie wurden innerhalb des Lagers gelegt und offensichtlich in kühlem Kalkül und mit Vorwarnung der Menschen im Lager (denn sonst wäre unerklärlich, daß es weder Verletzte noch Tote gibt). Die Vorwarnung zeigt, daß der/die Täter eine „politische“ Tat wollten (zum Glück), die auf Erpressung Griechenlands und der EU zielte, die auf die Gutmenschen vor allem in Deutschland ausgerichtet war (Frau Göhring-E hat unverzüglich die Chance genutzt, um auf Kosten des Steuerzahlers und wählerwirksam – das ist zynisch! – ihre Ansicht in Moria zu verbreiten, die vorher schon bekannt war und im übrigen auch in Deutschland hätte verkündet werden können) und die Europa die Schuld anlasten soll für ein überwiegend afrikanisches Problem.
3. Seehofer hat zu Recht darauf hingewiesen, daß eine sofortige und schnelle Evakuierung dieser Menschen das Problem nicht löst, sondern verschleppt und verschärft: Erstens würde sich das Lager (oder ein anderes anderswo) sofort wieder füllen und das alte Problem wäre wieder da; zweitens wäre es das Fanal für Flüchtlinge in anderen Lagern von Zypern bis Spanien, daß man bloß zündeln muß, um Europa einknicken zu lassen.
4. „Es wäre kein Problem gewesen, Camps mit Mindeststandards einzurichten – Vorschläge gab es genug“. Diese Vorschläge kamen alle von Organisationen, die selbst fordern aber andere machen lassen. Es ist das Problem der NGOs, daß sie bei allem großartigen Einsatz eben weder an der politischen Lösung mitarbeiten noch an der finanziellen. Das entwertet ihren Einsatz nicht, aber es bleibt dabei, daß die EU eben angesichts akzeptabler und nicht akzeptabler Vorbehalte in unterschiedlichem Maße in den verschiedenen Staaten keine Lösung dieses Problems findet und daß dies nicht am mangelnden Bemühen der Bundesregierung einschließlich Seehofers liegt. Auch Werte müssen finanziert werden, auch Werte bedürfen der Zustimmung der Völker – und auch unser Volk zeigt ja gerade in diesem Feld, zB bei der Bewältigung der C-Krise oder der eigenen Sicherheit, seine enormen Defizite auf.
5. Wie heuchlerisch kann man denn sein, wenn man nun die Kommunen lobt, die dem aufrechten Bemühen des Innenministers in den Rücken fallen und schnell und publikumswirksam ihre Bereitschaft zur Aufnahme erklären, um sich in die moralisch weisse Ecke zu katapultieren – und die dann morgen larmoyant zur Bundesregierung gehen und um mehr Geld bitten, weil sie das Flüchtlingsproblem alleine nicht bewältigen können.
6. Es braucht kein Eingeständnis von Regierungen oder Personen zum Thema ihrer von einigen so gesehenen Unzulänglichkeit. Es braucht vielmehr POLITIK. Ich weiß, daß Politik ohne Gefühl weder geht noch gut wäre; aber die Balance zwischen beidem muß deutlich auf dem Machbaren liegen und aus dem Kopf und nicht dem Bauch gesteuert sein. Und da wir Max Weber nicht als Zeugen ins Feld führen dürfen – wozu auch, denn es wäre ja hier das falsche Beispiel? – bleiben wir einfach bei den Tatsachen: Solange Sie, lieber Herr Wolff, sich ausschließlich im Bereich der moralischen Entrüstung, der starken Emotionalität, der völligen Bezugslosigkeit zur Realität, in der Traumwelt der Religion anstelle der Realwelt der Politik bewegen – solange sind Ihre Beiträge auf diesem Feld nicht förderlich für die politische Diskussion, schlimmer noch: nutzlos für die Beilegung dieser in der Tat schlimmen Probleme. Moralische Aufregung ist nur dann glaubwürdig, wenn man über allgemeine Floskeln hinaus konstruktive Lösungsansätze entwickelt. Das tut gerade unsere Regierung im Verbund mit einigen anderen in der EU.
Wir sollten uns nicht mit der Beschreibung der Probleme und mit den Versäumnissen und schlechten Charakteren der Anderen befassen. Wir sollten sagen, wie man das Problem lösen kann:
– Mehr schuldenfinanziertes Geld, das im Gegensatz zur Meinung von Herrn Lerchner von unseren Enkeln (aber zur Lösung heutiger Probleme) zurückgezahlt werden muss und das im übrigen „verbrannt“ wird, weil es das Problem eben nur verschleppt?
– Umerziehung der Völker, weil sie die falschen Regierungen wählen, wie es uns ja ebenfalls Herr Lerchner neulich vorgeschlagen und dabei vergessen hat, daß wir im eigenen Land eine kommunistische Regierung hatten, die nach seinem Rezept Staat und Volk heruntergewirtschaftet hat?
– Mühsame Kompromißfindung auf kleinem und nicht zufriedenstellendem Niveau (wobei man aber dann nur sachlich und nicht so marktschreierisch kritisieren sollte), ganz abgesehen von besonderen „Demokraten“, die den für Demokratie so notwendigen Kompromiß für einen „Traum“ halten und für nicht realisierbar, obwohl gerade wir in Deutschland mit Koalitions- = Kompromißregierungen eigentlich gute Erfahrungen haben?
– Fehlgeleiteter Glaube, daß Europa den Willen, die Mittel und die Gelegenheit hätte, die ganze Welt in seinem Paradies zu vereinen und in chinesischer Weitsicht nur die eigenen Maßstäbe anzuerkennen (so richtig sie teilweise, aber eben nur teilweise sind)? Es wird in der Welt, wie auch bei uns zuhause immer gewaltige und auch moralisch zweifelhafte Lagen (pardon: Zustände) geben, die wir begleiten, vor Ort mindern (was daran gönnerhaft sein soll, entzieht sich dem Denkenden, denn das tut ja zB der nicht gönnerhafte und gelobte Herr Müller den ganzen Tag), versuchen langfristig aufzulösen können – aber es wird kein Problem geben, das nach Ihren Maßstäben, Herr Wolff, und mit emotionalem Aufschrei verschwinden wird.
Also: Nicht Gesinnungs- oder Verantwortungsethik sondern Realismus, Geduld und Hartnäckigkeit, Motivation durch auch kleine Fortschritte, und ständiges Bohren. Nicht dagegen: Nutzloses aufschreien, sich erheben über die angeblich Bösen (gegen deren Hintergrund man sich selbst so hell darstellen kann), und mehr fordern als das derzeit Mögliche aber unter Berücksichtigung der Umstände und der Leistungen, die immerhin erbracht werden. Europa ist nicht die Rettung der Welt – das müssen wohl auch Flüchtlinge erkennen und einsehen. Daß Europa, eben die EU, inzwischen nicht mehr reformierbar und nicht mehr entwickelbar ist, wie ich es ständig betone und deshalb einen „inneren Zirkel“ fordere, der unter Vernachlässigung der anderen was Neues gründet, ist der einzige Weg aus dem Dilemma.
Dies alles sind Argumente – Gegenargumente gegen Emotionen. Kein Anlaß zur Personenschelte. Wer eine Lösung des Problems will, muß nicht Schwerdtfeger angreifen – er muß begründen, warum jetziges Nachgeben auf Erpressung das Problem löst und nicht verschleppt und verlängert.
Mit herzlichem Gruß,
Andreas Schwerdtfeger
Offensichtlich leben wir doch in zwei verschiedenen Welten, lieber Herr Schwerdtfeger. Anders kann ich mir Ihren Kommentar nicht erklären. Nur ein paar Anmerkungen:
1. Dass die seit Jahren unhaltbaren Zustände im Flüchtlingslager Moria hätten jederzeit geändert werden können, sieht man allein daran, dass nun die EU ihre Bereitschaft erklärt hat, ein neues Flüchtlingslager zu bauen. Dass die EU dies bisher nicht gemacht hat, hat ausschließlich politische Gründe: man wollte Flüchtlinge abschrecken. Das ist inzwischen unbestrittener Konsens aller, die die Lage auf Lesbos kennen. Insofern ist das, was in Moria geschehen ist ein politisches und moralisches Desaster. Oder können Sie mir erklären, warum die Zustände dieses Lagers nach Einschätzung aller Sachkenner die schlimmsten sind im Vergleich mit anderen Lagern im Nahen Osten oder Afrika? Verantwortlich für die Zustände sind die Regierungen der EU-Länder, allen voran auch Minister Seehofer.
2. Wer Zustände zulässt, auf deren Nährboden eigentlich nur Hass und Gewalt gedeihen können, trägt auch für die Folgen die Verantwortung. Insofern ist es kein Wunder, dass in dem Lager Kriminalität und Brutalität ständig angewachsen sind. Dass es eines Tages zur Explosion in welcher Form auch immer kommen wird, war absehbar.
3. Entwicklungshilfeminister Müller (CSU) gehört sicher zu den fähigsten Ministern im Kabinett Merkel. Dass seine Einflussmöglichkeiten sehr begrenzt sind – dieses Schicksal teilt er mit fast allen seinen Vorgänger/innen.
4. Es ist sehr ermüdend, immer wieder zu lesen, dass es Kompromisse geben muss und dass Europa (oder Deutschland oder die Kommunen) nicht die Welt retten können. Nein, sie können aber ihre Verantwortung wahrnehmen. Und das bedeutet: Man hätte schon längst auf Lesbos (mit sehr viel geringeren Mitteln als jetzt, da es zu einer Katastrophe gekommen ist) ein menschenwürdiges Flüchtlingslager aufbauen können. Aber das wollte die EU nicht
– nicht, weil dafür keine Gelder da waren, sondern weil der politische Wille dazu fehlte.
5. Ziemlich absurd ist es zu behaupten, die Kommunen seien Seehofer in der Rücken gefallen. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Seehofer hat die Initiative vieler Kommunen (CDU, SPD, Grüne geführt) torpediert.
6. Natürlich ist die EU reformierbar – wie jede Institution. Man muss es nur wollen.
Beste Grüße Christian Wolff